Die dreiste Schaffung von Umgehungstatbeständen wird viel mehr dazu führen, dass das Bundesverfassungsgericht die gestalterischen Handlungsspielräume der Gesetzgeben mehr und mehr einschränken wird.
Man darf davon ausgehen, dass der Senat genau daran intensiv arbeitet, darauf weisen ja zum Teil auch die Fragestellungen hin, mit denen zurzeit sachkundigen Dritten für im letzten Jahr noch nicht angekündigte Entscheidungen die Möglichkeit der Stellungnahme eingeräumt wird, wie das in Berlin und Brandenburg öffentlich geworden ist. Auch diese gegebene Möglichkeit weist auf eine deutliche Beschleunigung von anhängigen Verfahren hin; darüber hinaus hat uns der Senat seit 2012/15 immer wieder mit weitgehenden Entscheidungen überrascht, auf die zuvor inhaltlich kaum jemand gewettet hätte.
Wie ich hier ja schon seit langem schreibe und es sachlich an der zu beachtenden Rechtsprechung aufzeige, hat der Zweite Senat den weiten Entscheidungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers mit seinen seit 2012/2015 ergangenen Entscheidungen in einer Art und Weise kanalisiert, die man allein, was die Frage der den sich heute dem Besoldungsgesetzgeber stellenden prozeduralen Anforderungen anbelangt, als einmalig bezeichnen kann. Im letzten Jahr musste dann der Gesetzgeber hinsichtlich der Parteienfinanzierung feststellen, welche Konsequenzen daraus für ihn ganz direkt auch in über das Besoldungsrecht hinausgehenden Rechtsgebieten daraus folgen können und mittlerweile folgen. Zugleich ist mit dieser Entscheidung Parteienfinanzierung - Absolute Obergrenze mit der Besoldungsrechtsprechung des Senats als sachliche Begründungsgrundlage nun von der
Kanalisierung des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Gesetzgeber verfügt, zu dessen
Einhegung übergegangen worden, wodurch - was an anderer Stelle gezeigt wurde - es zu einer unmittelbaren Stärkung der Beteiligungsrechte der Gewerkschaften, Verbände und Vertretungen gekommen ist. Der Gesetzgeber musste sich nun also Anfang des letzten Jahres gewahr werden - wenn das viele der Parlamente ggf. allerdings noch gar nicht bemerkt haben -, dass sein problematisches Handeln im Besoldungsrecht mittelbar zur Einschränkung seines Entscheidungsspielraums auch in anderen Rechtsgebieten führt. Dieser Erkenntnis dürfte mit den anstehenden Entscheidungen noch einmal dem Besoldungsgesetzgeber schmerzhaft vor Augen geführt werden werden. Denn die anstehenden Ausführungen zur Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers, denen er sich bis zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens unmittelbar gegenübersieht, werden - davon muss man nach der gerade genannten Entscheidung über die Parteienfinanzierung ausgehen - für ihn im Kontext der 2012, 2018 und 2020 bereits sehr scharf auskonturierten prozedrualen Anforderungen, die ihn unmittelbar verpflichtend treffen, ein Maß an von ihm verlangter Präzision annehmen, das den Leser von Verfassungsrecht im Normalfall nur erschrecken lassen müsste. Wie die Entscheidung zur Parteienfinanzierung - einem der Rechtsbereiche, die für politische Verantwortungsträger eine besondere Bedeutung haben - zeigt, werden die Folgen der vom Gesetzgeber zu verlangenen Präzision im Besoldungsgesetzgebungsverfahren vor diesen keinen Halt machen, ihn also auf übertragende Rechtsgebiete ebenfalls verfolgen. Auch das dürfte seine Bereitschaft nicht erhöhen, im Besoldungsrecht fortzufahren als wie zuvor.
Darüber hinaus wird in Anbetracht der sich abzeichnenden Beschleunigung der Entscheidungsgeschwindigkeit, die als weitgehend zwangsläufige Folge der angekündigten Entscheidungen in den letzten Jahren zu prognostizieren war, der eine oder andere der elf Besoldungsgesetzgeber, für dessen Besoldungsgesetzgebung heute Normenkontrollverfahren in Karlsruhe anhängig sind, im Verlauf der nächsten zwei Jahre die eine oder andere für ihn böse materiell-rechtliche Überraschung vonseiten des Hüters der Verfassung erleben - und die anderen sechs Besoldungsgesetzgeber geben sich derzeit weiterhin alle Mühe, das ihnen alsbald ebenfalls diese Möglichkeit ins Haus stehen könnte, indem sie mit aller Kraft versuchen, ebenfalls in den Kreis derer vorzustoßen, die mit der Fülle der anhängige konkreten Normenkontrollverfahren bereits ein Zimmer in Karlsruhe anmieten könnten.
Dabei sollte man sich in der Betrachtung der in den Jahren ab 2012 erfolgten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht vom weiterhin spezfischen Verhalten aller Besoldungsgesetzgeber blenden lassen, wenn man sie sachlich beurteilen will, sondern sich ihren tatsächlichen sachlichen Gehalt vor Augen führen, an den sich die Besoldungsgesetzgeber zum Teil mittelbar und zum Teil unmittelbar gebunden sehen. Das sich blenden lassen ist emotional in Anbetracht des eigenen Erfahrungsraums - nämlich der eigenen Hilflosigkeit, mit der man selbst diesem Handeln der Besoldungsgesetzgeber ausgesetzt ist und der Langwierigkeit, die Verfassungsrechtsprechung nun einmal prinzipiell zu eigen ist - verständlich und nachvollziehbar. Sachlich besteht dafür allerdings keine Veranlassung, auch wenn man das nur erkennen kann, wenn man sich mit dieser vorliegenden Rechtsprechung eingehender beschäftigt.
Den weitgehenden sachlichen Gehalt, den wir so vorfinden, hat noch vor der aktuellen Entscheidung, die die bis dahin vorliegende Besoldungsdogmatik so stark erweitert hat, dass sich mit Ausnahme des Bundes seit 2021 alle anderen Besoldungsgesetzgeber veranlasst gesehen haben, das von ihnen gewährte Besoldungsniveau im einzelnen in einem Maße zu erhöhen, wie es sich bis dahin hier sicherlich kaum jemand hat vorstellen können (meine Person mit eingeschlossen), mit Josef Franz Lindner einer der besten Kenner der Materie in der Vergangenheit präzise zusammengefasst, indem er 2019 die 2018er-Entscheidung in ihrem sachlichen Gehalt betrachtete und dabei en passant auch den Stand der bis dahin erfolgten Entwicklung der neuen Besoldungsdogmatik reflektierte (s. dazu das Zitat weiter unten).
Lässt man sich also nicht vom seit 2021 spezifisch vollzogenen Handeln der 17 Besoldungsgsetzgeber blenden, sondern nimmt zunächst einmal zur Kenntnis, in welch weitgehendem Maße heute vierköpfige Beamtenfamilien in Deutschland besser alimentiert werden (wenn auch in einem hohen Maße nur in unteren und untersten Besoldungsgruppen), dann wird die sachliche Sprengkraft der neuen Besoldungsdogmatik ersichtlich, die allerdings die allermeisten der hier regelmäßig und unregelmäßig Schreibenden - wenn ich das richtig sehe - noch nicht wirklich erfasst haben, was Teil des Blendungsprozesses und des berechtigten Frustes ist, dass sie selbst keinerlei Auswirkungen dieser neuen Dogmatik in ihrer Besoldung erfahren.
Der Blendungsprozess und der Frust sollten einen allerdings nicht dazu führen, den tatsächlichen sachlichen Gehalt der bis heute seit 2012 vollzogenen neuen Besoldungsdogmatik in ihrem sachlich weitgehenden Charakter zu verfehlen, wie das gerade wieder NordWest eindrücklich geschehen ist (Pardon, NordWest, ich will Dich nicht belehren, was Du - denke ich - auch nicht so empfindest), sondern über den Blendungsprozess und nachvollziehbaren Frust hinaus sollte man - denke ich - den Blick darauf lenken, dass
1) die heute bereits sehr weitgehende Besoldungsdogmatik gegeben ist
2) sich die Besoldungsgesetzgeber an sie verfassungsrechtlich zum Teil unmittelbar und zum Teil mittelbar gebunden sehen
3) sie mit Ausnahme des Bundes als Folge dieser Bindung das Besoldungsniveau vierköpfiger Beamtenfamilien in unter(st)en Besoldungsgruppen seit 2021 allesamt und damit zum Teil bereits wiederholt deutlich erhöht haben
4) sie also vom Zweiten Senat bereits in Bewegung gebracht worden sind
5) diese Bewegung sich auf die Gruppe der Beamten bezieht, die systematisch betrachtet den Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung bilden
6) dass also das Besoldungsniveau am Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung in 16 Besoldungsrechtskreisen bereits deutlich höher liegt als noch 2020, wenn auch bislang nur für bis zu vierköpfige Beamtenfamilien
7) dass es den Besoldungsgesetzgebern sachlich kaum möglich sein wird, dieses Besoldungsniveau wieder auf ein deutlich niedrigeres Maß herabzusenken
8 ) und dass der Zweite Senat die seit 2021 vollzogenen Entscheidungen der Besoldungsgesetzgeber genau zur Kenntnis genommen hat, wie unlängst nicht zuletzt die Möglichkeit zur Einräumung einer Stellungnahme in Berlin gezeigt hat, deren in Karlsruhe ruhende Vorlagen zum Zeitpunkt der eingeräumten Möglichkeit mit dem anhängigen Entscheidungsjahr 2016 geendet sind, während Karlsruhe dann im November des letzten Jahres eine Stellungnahme zum Handeln von Landesregierung und Parlament ab 2021 ermöglicht hat, ohne dass zwischen beiden sachlichen Gegebenheiten zunächst einmal - akzessorisch betrachtet - ein unmittelbarer Bezug zu erkennen wäre, den Karlsruhe jedoch offensichtlich mindestens in Betracht zieht, denn ansonsten hätte man die Möglichkeit für den Zeitraum ab 2021 nicht gegeben, und zwar insbesondere nicht in der Konkretheit der Fragestellung, auf die sich die Möglichkeit der Stellungnahme bezogen hat (die (verfassungs-)rechtliche Sprengkraft dieses achten Punkts dürfte - schätze ich - kaum jemand hier bislang und dürften ggf. auch nicht alle in Berlin Beteiligten bis heute erkannt haben).
Wer nun also glaubt, diese neue Besoldungsdogmatik sei ja kaum nennenswert und für die weitere Entwicklung des Besoldungsrechts letztlich unerheblich, der kennt zum einen ihren sachlichen Gehalt nicht hinreichend und lässt sich zum anderen von den Besoldungsgestzgebern blenden, um nun mal die tatsächliche Situation vor der sehr weitgehenden aktuellen Entscheidung anhand der Sicht auf die Dinge zu reflektieren, die der genannte Josef Franz Lindner eingangs und am Ende seines Beitrags wie folgt dargelegt hat (man darf das Zitat gerne mehrmals lesen und sollte es, wenn man sich ehrlichen Herzens nicht sicher ist, ob man sich hinreichend in der Materie auskennt, zumindest langsam lesen, um dann die Sprengkraft der nachfolgenden Zeilen durchdringen zu können; wer zu schnell liest, vergibt sich eine Chance, zu sehen, was ihm dort und also auch zukünftg vor Augen steht):
"Angesichts des nicht übermäßig ausgeprägten politischen Willens der Besoldungsgesetzgeber, eine amtsangemessene Besoldung sicherzustellen, hat das BVerfG detailgenaue Vorgaben zur verfassungsrechtlich gebotenen Besoldungshöhe gemacht und sich deren Kontrolle vorbehalten. Der politischen Neigung, Besoldungsunterschiede einzuebnen, ist es ebenso entgegengetreten wie dem Erfindungsreichtum bei Besoldungskürzungen [Fn. BVerfG, Beschluss vom 17.1.2017 - 2 BvL 1/10 [...]]. [...] Das Gericht nimmt den Besoldungsgesetzgeber nicht nur - materiell - durch detailscharfe, verfassungsrechtlich überprüfbare Kriterien zur Bestimmung amtsangemessener Besoldungshöhe [Fn.], sondern auch verfahrensrechtlich an eine ganz kurze Leine. [...]
Das BVerfG hat dem Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) scharfe Konturen verliehen. Dessen materielle Dimension, die das BVerfG detailgenau in den Entscheidungen [aus dem Jahr 2015; ST.] zur R- und A-Besoldung (BVerfGE 139, 64; 140, 240) ausbuchstabiert hat, wird als 'zweite Säule' eine prozedruale Dimension zur Seite gestellt. Diese besteht aus Begründungspflichten, die der Besoldungsgesetzgeber in Abweichung vom allgemeinen Grundsatz, dass der Gesetzgeber nur das Gesetz schulde, zu erfüllen hat. Die aus den Gesezgebungsmaterialien ersehbare Begründung soll nicht der nachträglichen Begründbarkeit der Verfassungskonformität besoldungsgesetzlicher Regelungen dienen, sondern bereits ihrer
Herstellung. Als Vorab-Begründungspflicht greift sie bei jeglicher Besoldungsgesetzgebung: bei der schlichten Fortschreibung der Besoldungshöhe, bei der Umgestaltung der Besoldung sowie bei Besoldungskürzungen allein zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung. Besoldungskürzungen allein zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung sind nur verfassungskonform, wenn einer der Ausnahmefälle des Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG gegeben ist und der Gesetzgeber ausweislich einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien ein schlüssiges und umfassendes Konzept zur Haushaltskonsolidierung verfolgt. In diesem Konzept ist sicherzustellen, dass das Sparvolumen insgesamt 'gleichheitsgerecht' verteilt und den Beamten kein Sondersparopfer auferlegt wird, zu dessen Erbringung sie auch aufgrund des besonderen Treueverhältnisses nicht verpflichtet sind. An die Begründung für dieses gesetzgeberische Konzept stellt das BVerfG in seinem Beschluss vom 16.10.2018 (2 BvL 2/17) sehr hohe Anforderungen" (
Josef Franz Lindner, ZBR 2019 S. 81 (81, 88 ; Hervorhebung wie im Original)
Wer also glaubt, aus der Vergangenheit heraus schließen zu können (was hier ausweislich ihrer Darlegungen viele glauben), es gehe zukünftig immer so weiter wie in den letzten mindestens über 15 Jahren bislang, der befindet sich auf dem Holzweg. Auch deshalb habe ich an anderer Stelle die Wette angenommen (wenn auch nicht für den Bund), dass wir in verschiedenen und nicht wenigen Rechtskreisen in zwei bis drei Jahren eine völlig andere Besoldungsrechtslage vorfinden werden als heute - und hätte jemand zu der Zeit vor ein paar Wochen die Wette für Sachsen angenommen (das sich mit den nun offensichtlich eingeleiteten Veränderungen noch nicht am Ende, sondern erst am Anfang des Veränderungsprozesses befindet), dann dürfte ich mich heute - schätze ich - um den spezifischen Wetteinsatz reicher sehen. Denn insgesamt muss man sich eines klar machen - einem der zentralen Punkte des nachvollziehbaren Frustes -, die deutliche Anhebung des Besoldungsniveaus für bis zu vierköpfige Beamtenfamilien in den unter(st)en Besoldungsgruppen bedeutet für alle anderen - faktisch betrachtet - eine deutliche Besoldungskürzung. Auch für diesen Fall gilt das, was Josef Franz Lindner am Endes Zitats zum Thema ausgeführt hat.
Wie in den o.g. acht Punkten dargelegt, befinden wir uns seit 2021 in einem starken Veränderungsprozess des Besoldungsniveaus in den unter(st)en Besoldungsgruppen, der hier zu einer nicht selten extremen Steigerung des Besoldungsniveaus geführt hat, was zeigt, dass die Besoldungsgesetzgeber seitdem ans Laufen gebracht worden sind - das hat den Frust bei nicht wenigen aus nachvollziehbaren Gründen eher noch erhöht, insbesondere wegen der mit dieser Entwicklung einhergehenden interessensgeleiteten Blendungspolitik. Beides - der nachvollziehbare Frust und das politische Blendwerk - sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, wie die Lage tatsächlich ist: Das Besoldungsrecht ist durch den Zweiten Senat mit seiner neuen Dogmatik in eine Bewegung geraten, die bis 2020 unvorstellbar war - und nun stehen weitere Entscheidungen an, die diesen Bewegungsprozess nicht mehr nur kanalisieren wollen, sondern ihn einhegen werden. Wenn nun also die Möglichkeit zur Begründung einer amtsangemessenen Alimentation und damit mittelbar des ihr zugrunde liegenden Besoldungsniveaus eingehegt werden wird, dann wird auch und gerade dieses Besoldungsniveaus mittelbar eingehegt - wer sich in diesem Hegegebiet befindet - und in ihm befinden sich offensichtlich alle der A-, B- und R-Besoldung Unterworfenen -, für den gilt der Anspruch der Einhegung: So würde ich das lesen, was Karlsruhe offensichtlich zu Beginn des letzten Jahres bereits recht deutlich angekündigt haben sollte. Und das würde ich als eine gute Nachricht auffassen.