Die Entscheidung des Senats ist für sich betrachtet offensichtlich schlüssig: Es gibt eine grundrechtsgleiches Individualrecht des Beamten auf eine amtsangemessene Alimentation, das vom Gesetzgeber prozedural sachgerecht auszugestalten ist, weil weder die Struktur noch die Höhe der Besoldung der Verfassung unmittelbar, als fester und exakt bezifferbarer Betrag zu entnehmen ist (vgl. die Rn. 26 in der aktuellen Entscheidung vom 04. Mai 2020). Der Besoldungsgesetzgeber hat also in der gesetzlichen Ausgestaltung der amtsangemessenen Alimentation besondere Begründungspflichten zu beachten, um so sicherzustellen, dass das grundrechtsgleiche Individualrecht des Beamten gewahrt wird, was allerdings hinsichtlich der Begründungspflicht des Dienstherrn nicht im gleichen Maße für die Ausgestaltung der wöchentlichen Arbeitszeit von Beamten gilt.
Denn hinsichtlich der Arbeitszeit ist der Beamte als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dazu verpflichtet, dem Dienstherrn unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit – grundsätzlich auf Lebenszeit – die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Entsprechend stellt die Besoldung hinsichtlich der prägenden Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar (vgl. dort die Rn. 24). Daraus folgt zunächst hinsichtlich der Begründungspflichten, "dass die zur Wahrung der Amtsangemessenheit der Alimentation entwickelten prozeduralen Anforderungen nach ihrem gerade und ausschließlich hierauf ausgerichteten spezifischen Sinn und Zweck auf die normative Festlegung des Unterrichtsdeputats, nach dem sich die Arbeitszeit der beamteten Lehrkräfte maßgeblich bestimmt, nicht übertragbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2019 - 2 C 18.18 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 11. Dezember 2020 - 2 B 10.20 -, juris Rn. 12)" (vgl. die Rn. 43 der von Ozy verlinkten Entscheidung). Hinsichtlich der Ausgestaltung der wöchentlichen Arbeitszeit von Beamten unterliegt der Gesetzgeber nicht den strengen Begründungspflichten, wie das für die ihm geschuldete amtsangemessene Alimentation der Fall ist. Die Ausgestaltung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist etwas anderes als die gesetzliche Verpflichtung des Dienstherrn, die amtsangemessene Alimentation seiner Beamten zu gewährleisten.
Entsprechend hat der Beamte materiell zur Kenntnis zu nehmen, dass es kein Grundrecht auf eine wöchentliche 40-Stunden-Woche gibt, sondern dass der Dienstherr sein Recht auf Ausgestaltung der wöchentlichen Arbeitzeit
spätestens insbesondere erst dann überschreitet, wenn er regelmäßig die wöchentlichen Höchstzeiten überschreitet (vgl. in der verlinkten Entscheidung ab der Rn. 48). Der Dienstherr geht davon aus, dass das durch die Einführung der zeitlich befristeten Vorgriffsstunde nicht der Fall ist. Das OVG Sachsen-Anhalt folgt ihm in dieser Sicht auf die Dinge. Darüber hinaus führt der Dienstherr aus, dass es sich bei der Vorgriffsstunde um eine zeitlich auf fünf Jahre begrenzte Regelung handelt, während der die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden von ihm erfasst werden, um sie im Anschluss i.d.R. durch einen Freizeitausgleich abzugelten. Damit sei insgesamt keine Erhöhung der Arbeitszeit gegeben, worin ihm der Senat ebenfalls folgt.
Schwachpunkt der Darlegungen des Dienstherrn ist m.E., dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 14.5.2019 (C -55/18 - CCOO;
https://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-55%2F18) entschieden hat, dass die Mitgliedsstaaten verpflichten sind, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, und dass sich das BAG in seiner Entscheidung vom 12.09.2022 - 1 ABR 22/21;
https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/1-abr-22-21/ - dieser Auffassung angeschlossen hat: Der Arbeitgeber hat demnach für eine betriebliche Organisation zu sorgen, die den Arbeitsschutz gewährleistet, was sich auch auf die ab der nullten Stunde zu erfassende Arbeitszeit und das dafür notwendige System zu ihrer Erfassung erstreckt.
Dieser Pflicht ist der Dienstherr auch in der entsprechenden Pflicht der Arbeitszeiterfassung seiner Beamten bislang nicht nachgekommen. Damit kann er
nur formal davon ausgehen, dass die Arbeitszeit von Lehrkräften durch die Vorgriffsstunde in den nächsten fünf Jahren nicht regelmäßig oberhalb der gestatteten regelmäßigen wöchentlichen Höchstzeit liegt. Nicht umsonst zeigen empirische Studien in anderen Bundesländern jedoch über diesen formalen Charakter hinaus, dass sich Lehrkräfte in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik regelmäßig wiederkehrend nahe an dieser Höchstgrenze befinden können oder sie ggf. auch überschreiten (vgl. bspw. ab der S. 153 in
https://www.gew-nds.de/fileadmin/media/sonstige_downloads/nds/Mehrarbeit/Niedersaechsische-Arbeitszeitstudie2015-2016-Endbericht.pdf). Da nun der Dienstherr weiterhin keine hinreichende Arbeitszeiterfassung geregelt hat, zu der auch er verpflichtet wäre, dürfte hier ggf. eine Möglichkeit bestehen, durch eine eigene empirische Studie den empirischen Nachweis zu erbringen, dass die Vorgriffsstunde zwar die o.g. Bedingungen erfüllt - jedoch ggf. zu einer regelmäßigen Überschreitung der wöchentlichen Höchstzeiten bei nicht wenigen Lehrkräften führen könnte. Nicht umsonst greift die Entscheidung des Senats in der Rn. 48 auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2008 zurück, da es entsprechende empirische Untersuchungen wie die gerade genannte noch nicht gegeben hat. Sie hat eine Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 42 Stunden als nicht gesundheitsgefährend betrachtet, jedoch hinsichtlich der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ebenso hervorgehoben: "Es steht demnach grundsätzlich im Organisationsermessen des Dienstherrn, die Arbeitszeit der Beamten festzulegen. Dieses Organisationsermessen findet seine Grenze namentlich in dem hergebrachten Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten (vgl. BVerfGE 8, 332 <356 f.>; 43, 154 <165>). Danach muss der Dienstherr bei der Festlegung der Wochenarbeitszeit die wohlverstandenen Interessen der Beamten berücksichtigen. Er darf die Wochenarbeitszeit insbesondere nicht auf ein Maß festlegen, das die Beamten übermäßig belastet oder gar geeignet ist, ihre Gesundheit zu gefährden (vgl. BVerfGK 7, 401 <402 f.>). Er hat grundsätzlich auch eine gewisse Parallelität zu den Dienstzeiten im öffentlichen Dienst im Übrigen zu wahren." (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2008 - 2 BvR 398/07;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2008/01/rk20080130_2bvr039807.html -, Rn. 8 ).