Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2715655 times)

uw147

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6195 am: 27.06.2024 23:16 »
[...]Wenn ein gesetzlicher Anspruch auf amtsangemessene Alimentation besteht, wieso müssen Beamtinnen und Beamte dann jedes Jahr einen Widerspruch einreichen?[...]

Das stammt aus der Rechtsprechung des BVerfG selbst und wird aus der Treuepflicht der Beamten abgeleitet. Durch diese sei es erforderlich, dass die Beamten sich aktiv mit den statthaften Rechtsbehelfen zeitnah gegen ihre Bezüge wehren (zeitnah = jährlich wiederholen). Begründet wird das damit, dass der Dienstherr nicht im Unklaren gelassen werden soll, in wie vielen Fällen ggf. Nachzahlungen erforderlich werden und er somit entsprechende Vorkehrungen bei der Haushaltsaufstellung treffen soll.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6196 am: 27.06.2024 23:24 »
Ist halt die theoretische Rechtsprechung des BVerfG.
In der Praxis interessiert es die Haushälter sehr wenig und es werden auch keine Haushaltsrisiken wegen Nachzahlungen ausgewiesen. Gab es höchstens bei den Sonderzahlungen, wo die Summe bekannt war, um die es ging.

Mit der derzeitigen Linie, u.a. dass die Besoldung nach den Reparaturgesetzen verfassungsgemäß ist können auch gar keine Haushaltsrisiken ausgewiesen werden. Der Gesetzgeber weiß selber gar nicht mehr, wie hoch eine verfassungsgemäße Besoldung aussehen muss.

Dogmatikus

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6197 am: 28.06.2024 07:50 »
[...] Der Gesetzgeber weiß selber gar nicht mehr, wie hoch eine verfassungsgemäße Besoldung aussehen muss.

Ich bin ziemlich sicher, dass die durchaus wissen, von welcher Höhe man zumindest ungefähr spricht. Das ist ja auch keine höhere Mathematik, sondern Fleißarbeit und Tabellen-Erstellen. Da wird es schon entsprechende Berechnungen gegeben haben, nur: Die passen nicht zu dem, was man gerne entscheiden möchte, deswegen rechnet man sich das alles schön und tut so, als passt das dann.

MitleserBW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6198 am: 28.06.2024 08:37 »
Hierzu ein interessanter Auszug aus dem aktuellen Gesetzesentwurf BW:

"Auf einer dritten Prüfungsstufe ist
gegebenenfalls eine Abwägung mit kollidierenden verfassungsrechtlichen
Wertentscheidungen wie dem Verbot der Neuverschuldung herbeizuführen; im
Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein."


So wie ich das verstehe sagt man damit aus, dass man vielleicht gar nicht verfassungsrechtlich besolden darf, weil man sich damit Neuverschulden könnte.  :)

Verwaltungsgedöns

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6199 am: 28.06.2024 08:52 »
Ein Paradoxon. Das ich das noch erleben darf. :D

Illunis

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6200 am: 28.06.2024 09:04 »
Hierzu ein interessanter Auszug aus dem aktuellen Gesetzesentwurf BW:

"Auf einer dritten Prüfungsstufe ist
gegebenenfalls eine Abwägung mit kollidierenden verfassungsrechtlichen
Wertentscheidungen wie dem Verbot der Neuverschuldung herbeizuführen; im
Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein."


So wie ich das verstehe sagt man damit aus, dass man vielleicht gar nicht verfassungsrechtlich besolden darf, weil man sich damit Neuverschulden könnte.  :)

Nur wenn jeder einzelne ausgegebene Cent auf die Goldwaage gelegt und abgewogen würde. Solang es z.B. noch Staatsempfänge wie bei den Wagnerfestspielen gibt wird die Begründung warum an der Besoldung gespart werden sollte schwierig

PushPull

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6201 am: 28.06.2024 09:07 »

Das stammt aus der Rechtsprechung des BVerfG selbst und wird aus der Treuepflicht der Beamten abgeleitet. Durch diese sei es erforderlich, dass die Beamten sich aktiv mit den statthaften Rechtsbehelfen zeitnah gegen ihre Bezüge wehren (zeitnah = jährlich wiederholen). Begründet wird das damit, dass der Dienstherr nicht im Unklaren gelassen werden soll, in wie vielen Fällen ggf. Nachzahlungen erforderlich werden und er somit entsprechende Vorkehrungen bei der Haushaltsaufstellung treffen soll.

Wahnsinn. Könnte man ja auch umgekehrt begründen, indem man auf die Fürsorgepflicht des Dienstherren verweist, der sicherstellen muss, dass er seine Beamten angemessen alimentiert.

VierBundeslaender

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6202 am: 28.06.2024 10:29 »
"Auf einer dritten Prüfungsstufe ist
gegebenenfalls eine Abwägung mit kollidierenden verfassungsrechtlichen
Wertentscheidungen wie dem Verbot der Neuverschuldung herbeizuführen; im
Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein."

Warum sollte diese Argumentation nicht auch fürs Bürgergeld gelten: "Im Ausnahmefall kann wegen des Verbots der Neuverschuldung das Bürgergeld gesenkt werden"?

Also so einfach wird das nicht gehen. Da muss man schon verschiedene Rechtsgüter abwägen und das BVerfG (ich weiß, wir warten alle) hat seinerzeit klar gesagt, dass Beamte kein Sonderopfer bringen dürfen. Das da oben aber wäre ein Sonderopfer.

Taigawolf

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6203 am: 28.06.2024 11:22 »
"Auf einer dritten Prüfungsstufe ist
gegebenenfalls eine Abwägung mit kollidierenden verfassungsrechtlichen
Wertentscheidungen wie dem Verbot der Neuverschuldung herbeizuführen; im
Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein."

Warum sollte diese Argumentation nicht auch fürs Bürgergeld gelten: "Im Ausnahmefall kann wegen des Verbots der Neuverschuldung das Bürgergeld gesenkt werden"?

Also so einfach wird das nicht gehen. Da muss man schon verschiedene Rechtsgüter abwägen und das BVerfG (ich weiß, wir warten alle) hat seinerzeit klar gesagt, dass Beamte kein Sonderopfer bringen dürfen. Das da oben aber wäre ein Sonderopfer.

Naja, vor allem wird sich halt wieder das rausgepickt, was einem gerade in den Kram passt. Es gibt ja ebenso Urteile des BVerfG, die eindeutig sagen, dass die Besoldung nicht von der Kassenlage abhängig gemacht werden kann und darf.

Insofern ist das einfach eine Unverschämtheit, um Geld auf Kosten der Beamten zu sparen.

"Im Ausnahmefall kann eine Unteralimentation verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein".

Uhm... BVerfG sagt nein.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6204 am: 28.06.2024 20:55 »
Haha, hat BW das ohne Ernst geschrieben?
Die haben echt nicht mehr alle Schrauben locker und die ganze Gerichtsbarkeit ist nach dem SG Karlsruhe Urteil mehr als suspekt.

Alexander79

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6205 am: 29.06.2024 09:35 »
Naja ... B-W hat "wenigstens" die Möglichkeit geschrieben das eine Alleinverdienerfamilie einen Ausgleichszuschlag bekommt.
Nun müssten nur rund 30% der Ehepartner aufhören zu arbeiten dann ist plötzlich die Alleinverdienerehe wieder das vorherschende Verdienermodell.  8)

LehrerBW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6206 am: 29.06.2024 14:41 »
Naja ... B-W hat "wenigstens" die Möglichkeit geschrieben das eine Alleinverdienerfamilie einen Ausgleichszuschlag bekommt.
Nun müssten nur rund 30% der Ehepartner aufhören zu arbeiten dann ist plötzlich die Alleinverdienerehe wieder das vorherschende Verdienermodell.  8)

Den Ausgleich gibt's unter Missachtung des Abstandsgebots nur für die unteren Besoldungsgruppen bei 2 Kindern.
Für A7/1 sinds noch 340€
Für A10/1 noch glorreiche 15€

Für nur ein Kind ist schon nach A9/1 Feierabend

Die Frechheit bei BW ist wirklich, dass sie seit zwei Jahren die mangelnde Mindestalimentation durch nach oben abschmelzende Zusatzbeiträge ausgleichen anstatt die Zusatzbeiträge in die unterste Grundbesoldung der untersten Besoldungsgruppe  einzupflegen und dann entsprechend des Abstandsgebots nach oben hin anzugleichen.
So sieht es das Besoldungsrecht nämlich eigentlich vor.

AndreasS

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6207 am: 29.06.2024 15:24 »
Zur Info:
aus Drucksache 20/11984:

...
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

Übersicht 6 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen
vor dem Bundesverfassungsgericht

Der Bundestag wolle beschließen,
von einer Stellungnahme und/oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der anliegenden Übersicht aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.
Berlin, den 26. Juni 2024

...
2 BvL 20/17,
2 BvL 21/17
Konkrete Normenkontrollen
Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob die Vorschriften zur Beamtenbesoldung im Land Berlin betreffend die Besoldungsgruppen A7 bis A9 in den Jahren 2009 bis 2016 in einer gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstoßenden Weise verfassungswidrig zu niedrig bemessen waren.

– Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg jeweils vom 11. Oktober 2017 (Az.: OVG 4 B
33.12, OVG 4 B 34.12) -
...

Die letzte Beschlussempfehlung, die ich im Kontext hierzu finden konnte, war die Beschlussempfehlung vom 20.02.2019 (Drucksache 19/7933) zum Verfahren 2 BvL 4/18. Also über ein Jahr vor dem Urteil aus Karlsruhe.


 

LehrerBW

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6208 am: 29.06.2024 15:53 »
Was bedeutet das Andreas? 🤔

AndreasS

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« Antwort #6209 am: 29.06.2024 17:40 »
Wenn der zeitliche Ablauf ebenso sein sollte, wie beim Beschluss 2BvL 4/18 aus 2020, also Verzicht auf eine Stellungnahme im Anschluss Beschluss durch BVerfG, dann würde eventuell erst im nächsten Jahr ein Urteil gefällt werden, theoretisch.