Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3748496 times)

Dogmatikus

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6930 am: 02.01.2025 12:26 »
Daher halte ich zu Beginn das Jahres 2025 fest, dass es im Jahr 2024 wieder kein Urteil  vom BVerfG gegeben hat. Ich muss sagen, das höhlt mein Vertrauen in den Rechtsstaat aus.

Die 17 Besoldungsgesetzgeber pfeifen auf das letzte Urteil, das nun immerhin auch schon 4,5 Jahre her ist, machen Beamtenfamilien zu Bedarfsgemeinschaften, in denen die leistungsabhängige Besoldungskomponente nur eine sekundäre Rolle spielt, und das BVerfG tut nichts Wahrnehmbares.


Das Bundesverfassungsgericht wird sich mit den angekündigten Entscheidungen zumindest hinsichtlich der rechtsprechenden Gewalt in der Pflicht sehen müssen - so darf man begründet vermuten -, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Denn realistisch betrachtet, sollten zwischen den letzten Entscheidungen und den angekündigten am Ende rund fünf Jahre liegen, ein Zeitraum, der letztlich den zuvor bereits über zwei Jahrzehnte betriebenen Verfall des Besoldungsniveaus nur noch einmal extrem verschärft hat.

Das, was clarion und auch du, Swen, schreibst, ist für mich des Pudels Kern. Wie soll man noch irgendeine Erwartung oder gar Vertrauen in die Verfassung haben, wenn das schärfste Schwert bisher eine BVerfG-Entscheidung ist, die weitgehend nur zu "kreativen" Auswegen bei den Besoldungsgesetzgebern geführt hat?

Was hat sich seit dem deutlichen Beschluss des BVerfG zum Positiven geändert? Nahezu nichts. Stattdessen verhackstückeln die 17 Besoldungsgesetzgeber alle möglichen (und unmöglichen) Ideen zu neuen Wegen, mit denen sich bloß kein Cent zu viel ausgeben lässt.

Die Realität in den Behörden sieht mittlerweile aber so aus, dass sich selbst mit R1 kaum noch bezahlbarer Wohnraum in den Ballungsgebieten findet. Statt dass dem entgegen getreten wird, nimmt bspw. Hamburg das gleich Mal zum Anlass, weitere Zahlen herunterzurechnen, weil ja eh niemand mehr in Hamburg selbst lebt und daher auch keine Wohnkosten von Hamburg, sondern der Umgebung zugrunde gelegt werden.

Wenn allerdings weiterhin das schärfste Schwert bleibt, dass das BVerfG alle 5 Jahre eine Entscheidung für einen Zeitraum trifft, der dann schon wieder 10 Jahre hinter uns liegt, kann ich jeden verstehen, der jegliches Vertrauen verloren hat. Was bringt es dem Beamten, der nicht mehr in der Stadt leben kann, in welcher er arbeitet, wenn das BVerfG in 10-15 Jahren entscheidet, dass das so nicht geht? Vor allem, wenn die Lösung des Besoldungsgesetzgebers erstmal darin liegt, die Methode der Berechnung zu ändern, allerdings mit ähnlichem Endergebnis - getreu dem Motto, versuchen kann man es ja mal?

Die jetzt arbeitenden Beamten benötigen auch jetzt ihre amtsangemessene Alimentation, nicht in 10, 15 oder gar 20 Jahren. Deswegen will auch keiner mehr den Job machen. Schlechte Bezahlung, schlechte Stimmung, Null Wertschätzung.

Früher war der Richter neben dem Arzt, dem Schulleiter, dem Pfarrer und dem Apotheker fast schon "Hochwürden" im Dorf. Heute wird er eher ausgelacht für seinen langen Arbeitsweg und die paar Penunzen, die er dafür bekommt, im Gerichtssaal immer respektloser behandelt zu werden.

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6931 am: 02.01.2025 13:00 »
Statt dass dem entgegen getreten wird, nimmt bspw. Hamburg das gleich Mal zum Anlass, weitere Zahlen herunterzurechnen, weil ja eh niemand mehr in Hamburg selbst lebt und daher auch keine Wohnkosten von Hamburg, sondern der Umgebung zugrunde gelegt werden.

Was beim Beispiel HH ja besonders witzig ist, da einzelne Umlandgemeinden (z.B. Schenefeld) sogar die höhere Mietenstufe VII als HH selbst (VI) haben. Von den unzähligen Umlandgemeinden mit der gleichen Mietenstufe will ich gar nicht anfangen.

Aber das ist der gleiche Unfug wie mit den angeblichen Hinzuverdienstehen. Man besoldet die Beamt*innen jahrzehntelang zu niedrig, sodass der Partner de facto arbeiten muss. Dann wird dieser wirtschaftlich erzwungene Hinzuverdienst als neue Norm dargestellt, weshalb man zu niedrig besolden darf.

Gerade bei hohen Kinderbetreuungskosten würden wohl viele Partner*innen gerne kürzer treten, länger Elternzeit nehmen, sich persönlich um Angehörige kümmern. Es müsste also selbst in der Binnenlogik der Gesetzesentwurfe erstmal verfassungsgemäß alimentiert werden und dann kann man nach z.B. zehn Jahren mal statistisch auswerten, wie viele Partner*innen in welchem Umfang (dann tatsächlich vollständig freiwillig) "hinzuverdienen".

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6932 am: 02.01.2025 13:05 »
Früher war der Richter neben dem Arzt, dem Schulleiter, dem Pfarrer und dem Apotheker fast schon "Hochwürden" im Dorf. Heute wird er eher ausgelacht für seinen langen Arbeitsweg und die paar Penunzen, die er dafür bekommt, im Gerichtssaal immer respektloser behandelt zu werden.

Dann sollte man aber mit dem Auslachen beim Pfarrer anfangen, der verdient nämlich deulich weniger als der Richter. Und muss regelmäßig an Sonn- und Feiertagen arbeiten!

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6933 am: 02.01.2025 14:30 »
Ihr bringt es leider auf den Punkt, Dogmatikus und Malkav. Nicht umsonst stellt ja der Senat in ständiger Rechtsprechung fest: "Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen." (Rn. 27 der aktuellen Entscheidung; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html). Wenn er aber hinsichtlich der weiterhin in Karlsruhe anhängigen Verfahren bspw. hinsichtlich Brandenburg, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein mit dem jeweils streitgegenständlichen Zeitraum ab 2004, 2005 und 2007 zur Entscheidung kommt, sieht sich der Gesetzgeber dann veranlasst, Nachzahlungen für jenen Zeitraum zu gewähren, die sich also an den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse jener Jahre orientieren. Wenn sich aber die Verbraucherpreise seitdem bis Ende 2023 um 31,8 %P (ab 2004) , 30,5 %P (ab 2005) und 29,0 %P (ab 2007) erhöht haben (https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Preise/Verbraucherpreisindex/Publikationen/Downloads-Verbraucherpreise/statistischer-bericht-verbraucherpreisindex-lange-reihen-5611103.html), dann liegt hier eine erhebliche Entwertung von Besoldungsansprüchen vor, die grundrechtsgleichem Recht entsprechen, und damit von Ansprüchen, die dem Privateigentum an einer Sache oder einer Forderung nahekommen, sodass sie der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des "Eigentums" im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG entsprächen, die allerdings augenscheinlich nicht kompenensiert wird, unabhängig davon, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse für den einzelnen Beamten 2025 auch darüber hinaus grundsätzlich nicht mehr so darstellen wie eben 2004 oder 2005 oder 2007.

Das bedeutet bspw. für einen entsprechenden Beamten, der 2004 oder 2005 oder 2007 eine Immobilie gekauft und sie auf Kreditbasis finanziert hat, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit seitdem eine ehheblich geringere Tilgungsrate finanzieren konnte, als ihm das möglich gewesen wäre, wenn er tatsächlich seitdem regelmäßig amtsangemessen alimentiert worden wäre, um es an einem von vielen möglichen Beispiel zu konkretisieren.

Entsprechend nützt dem einzelnen Beamten offensichtlich eine mittlerweile praktisch weitgehend abgeschlossene neue Besoldungsdogmatik letztlich nichts, wenn sie keine rechtskräftige Anwendung findet. Von daher sieht sich Karlsruhe nun in der Pflicht, das, was vor mittlerweile deutlich über einem Jahr angekündigt worden ist, nämlich eine erhebliche Beschleunigung der Entscheidungen über zwischenzeitlich auf 64 aus zwölf Bundesländern angewachsenen Vorlagen auch wirklich zu vollziehen und also dafür zu sorgen, dass alsbald für den einzelnen Kläger und Widerspruchsführer Rechtsfrieden hergestellt wird, aber auch dass alle anderen Beamte wieder der Gewährleistung des Art. 33 Abs. 5 GG tatsächlich unterfallen - und zwar das nur umso mehr, als dass das Alimentationsprinzip in Deutschland heute tatsächlich in einem erheblichen Maße zuschanden gefahren ist.

Gisela Färber hat im aktuellen Beitrag bspw. hinsichtlich des Bunds ausgeführt: "Die realen Bezügeverluste beim Bund betragen zwischen 2020 und 2024 immerhin 9 %" (S. 16). Diese realen Bezügeverluste werden im Gefolge der anstehenden Tarifverhandlungen nicht hinreichend kompensiert werden, unabhängig davon, dass sich die Bundesbesoldung eingestandenermaßen bereits Anfang 2021 in erheblicher Schieflage befunden hatte.

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder und Kommunen werden offensichtlich zum Jahreswechsel beginnen. Auch hier ist eine hinreichende Kompensation sicherlich kaum zu erwarten. Umso dringlicher sollte es also werden, dass die Diskussion über die zunehmend nicht mehr konkurrenzfähigen Tariflöhne und Beamtengehälter beginnt, was augenscheinlich durch entsprechende bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungen eine realitätsgerechte Überformung erhalten dürfte - ansonsten wird es mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ähnlichen Szenarien kommen, wie wir sie allesamt kennen:

Die TVL wird hervorheben, was für gewaltige Lohn- und Gehaltsverbesserungen die Beschäftigen im öffentlichen Dienst gerade erst erhalten hätten - 5,5 % in diesen Zeiten! -, was für ein gewaltiger Kraftakt das in Anbetracht der schweren Krise sei und wie unnötig irgendwelche Anhebungen so verstanden doch nun wirklich seien, wo der Beschäftigte sich glücklich schätzen könne, in krisenhaften Zeiten über eine gesicherte Beschäftigung zu verfügen, weshalb man als großzügiges Angebot davon absehen würde, eine Forderung wie nun hinsichtlich von VW zu stellen, aber sich der Beschäftigte bei einer kurzen Laufzeit von 26 Monaten doch zufrieden geben sollte, wenn man nach einem zum August 2026 um 1,1 % erhöhten Tarif bereit schon wieder zum Juni 2027 noch einmal satte 2,1 % draufsatteln würde, um so bis an die Grenze des eigenen Scmerzempfindens zu gehen, weshalb man als besonderes Bonbon sogar noch für die Zeit kurz vor den darauffolgenden Tarifverhandlungen noch einmal zum Februar 2028 glatt 0,9 % drauflegen würde, sodass zu den gerade erst um 5,5 % erhöhten Tarifen in verhältnismäßig kurzer Zeit noch einmal satte über vier % hinzukommen würden, es also zwischen 2025 und Anfang 2028 eine fast zehnprozentige Tarifsteigerung zu schultern geben würde, nach der sich jeder Beschäftigte in der privaten Wirtschaft die Finger lecken würde (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/684534/umfrage/prognose-des-iwf-zur-entwicklung-der-inflationsrate-in-deutschland/). Wer wollte es den Beschäftigten im öffentlichen Dienst also verdenken, wenn sie dann vor Dankbarkeit regelrecht vom Stuhl sacken würden?

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6934 am: 02.01.2025 15:13 »
Gisela Färber hat hierzu im aktuellen ZBR-Beitrag alles, was notwendig ist, aus fundierter ökonomischer Perspektive hervorgehoben und mit umfangereichen Zahlenmaterial belegt:
[...]
 Aus ökonomischer Sicht ist es sehr schwer verständlich, wie sich die Tarifpartner vor allem in dem noch bis Ende 2025 laufenden TV-L vorgestellt haben können, auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen statt in eine Unteralimentation abzurutschen." (S. 20)

Der Satz von Frau Färber ist allerdings echter Quatsch: Sie unterstellt damit einen natürlichen 1:1-Gleichschritt zwischen TVL-Entwicklung und Beamtenbesoldung, der zwar zuletzt häufig ähnlich zustande kam, aber alles andere als gottgegeben (oder rechtlich vorgeschrieben) ist. Da es diesen 1:1-Gleichschritt nicht geben muss, ist es für keinen Teilnehmer der TVL-Verhandlungen überhaupt auch nur ein Ziel, "auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen". Und wenn es dieses Ziel gar nicht erst gibt, muss man sich auch nicht wundern, dass es nicht erreicht wird.

Färbers Annahme, dass während der Verhandlungen schon die Vorstellung über eine verfassungskonforme Besoldungsentwicklung geherrscht haben müsse, ist so praxisfremd, dass ich mir eher die Frage stelle, wie qualifiziert ihre anderen Äußerungen eigentlich sind, wenn sie hier so einen Stuss schreibt....

Zerot

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6935 am: 02.01.2025 16:27 »
Das ist alles nur noch ein schlechter Witz!!!

Karlsruhe wird uns nicht retten, der Gesetzgeber wird uns nicht retten, die Bevölkerung wird uns nicht retten, wir selber können uns nicht retten.

Man muss anerkennen, dass wir eine Berufsgruppe sind die leicht auszubeuten ist. Und solange es auch nur einen Beamten im Dienst gibt, wird der Besoldungsgesetzgeber dies auch tun.

Goldene Vier

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« Antwort #6936 am: 02.01.2025 16:37 »
Zitat von Swen…..

Die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder und Kommunen werden offensichtlich zum Jahreswechsel beginnen. Auch hier ist eine hinreichende Kompensation sicherlich kaum zu erwarten. Umso dringlicher sollte es also werden, dass die Diskussion über die zunehmend nicht mehr konkurrenzfähigen Tariflöhne und Beamtengehälter beginnt, was augenscheinlich durch entsprechende bundesverfassungsgerichtliche Entscheidungen eine realitätsgerechte Überformung erhalten dürfte - ansonsten wird es mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ähnlichen Szenarien kommen, wie wir sie allesamt kennen:

[/quote]

Die Mitte Januar beginnenden Tarifverhandlungen gelten u.a.  für TVöD Bund und VKA (Kommunen)… im Nachlauf dann im Regelfall auch durch wie auch geartete Übernahme für die jeweiligen Beamten…

TV-L und Länderbeamte starten erst im Hernst 2025….. (Auslauf TV 31.10.2024)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6937 am: 02.01.2025 17:02 »
Gisela Färber hat hierzu im aktuellen ZBR-Beitrag alles, was notwendig ist, aus fundierter ökonomischer Perspektive hervorgehoben und mit umfangereichen Zahlenmaterial belegt:
[...]
 Aus ökonomischer Sicht ist es sehr schwer verständlich, wie sich die Tarifpartner vor allem in dem noch bis Ende 2025 laufenden TV-L vorgestellt haben können, auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen statt in eine Unteralimentation abzurutschen." (S. 20)

Der Satz von Frau Färber ist allerdings echter Quatsch: Sie unterstellt damit einen natürlichen 1:1-Gleichschritt zwischen TVL-Entwicklung und Beamtenbesoldung, der zwar zuletzt häufig ähnlich zustande kam, aber alles andere als gottgegeben (oder rechtlich vorgeschrieben) ist. Da es diesen 1:1-Gleichschritt nicht geben muss, ist es für keinen Teilnehmer der TVL-Verhandlungen überhaupt auch nur ein Ziel, "auf dieser Basis auch eine verfassungskonforme Besoldung zustande zu bringen". Und wenn es dieses Ziel gar nicht erst gibt, muss man sich auch nicht wundern, dass es nicht erreicht wird.

Färbers Annahme, dass während der Verhandlungen schon die Vorstellung über eine verfassungskonforme Besoldungsentwicklung geherrscht haben müsse, ist so praxisfremd, dass ich mir eher die Frage stelle, wie qualifiziert ihre anderen Äußerungen eigentlich sind, wenn sie hier so einen Stuss schreibt....

Ich würde erst einmal den gesamten Beitrag von Gisela Färber lesen, NordWest, denn dann würdest Du feststellen, dass sie deutlich differenzierter argumentiert, als Du das wahrnimmst, was auch damit zu tun hat, dass ich das Zitat verkürzt in den Kontext gestellt habe, den ich betrachtet habe (für mich ging es nicht um den Tarifbereich, weshalb es mir um das Datum und nicht ihren Kontext gegangen ist).

Ein zentraler Strang ihrer Betrachtung kreist um die Frage, welche Folgen die exorbitanten Erhöhungen kinderbezogener Besoldungskomponenten insbesondere (zumeist nur) in unteren Besoldungsgruppen für das Verhältnis von besoldeten Dienstkräften und nach Tarif entlohnten Angestellten im öffentlichen Dienst hat. Hier weist sie zurecht auf ein erhebliches Gerechtigkeitsproblem hin (das formal kein juristisches ist, da beide Statusgruppen verfassungsrechtlich unterschiedlich zu betrachten sind). Da es seit langer Zeit ein - im Detail immer wieder neu von den Gewerkschaften zu erkämpfender - Grundsatz ist, dass Besoldung Tarif folgt, ist das, was sie schreibt, durchgehend schlüssig - unabhängig davon, dass ich in mancher anderer Hnisicht nicht immer mit ihr einer Meinung bin. Aber was sie aus einer grundlegend ökonomischen Perspektive - also ihrem wissenschaftlichen Spezialgebiet - schreibt, ist durchgehend schlüssig, jedenfalls soweit, wie ich das beurteilen kann. Denn sie hat dort ein erheblich fundierteres Wissen, als wir beide das haben werden.

@ Goldene Vier

Aus dem, was ich schreibe, dürfte erkennbar sein, dass der Jahreswechsel, von dem ich spreche, der von 2025 nach 2026 ist. Denn ansonsten müssten ja die zu jenem Zeitpunkt anzusetzenden Verhandlungen heute bereits begonnen haben, da sich der Jahreswechsel bereits vollzogen hat, und wären die erst zum Februar dieses Jahres gesetzlich geregelten Erhöhungen um in den meisten Rechtskreisen 5,5 % wenig schlüssig, auf die ich in der genannten Passage verweise.

Du darfst mir schon zutrauen, dass ich so banale Daten, wann die entsprechenden Tarifverhandlungen einsetzen, kenne, schätze ich.

HansGeorg

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« Antwort #6938 am: 02.01.2025 17:34 »
dann liegt hier eine erhebliche Entwertung von Besoldungsansprüchen vor, die grundrechtsgleichem Recht entsprechen, und damit von Ansprüchen, die dem Privateigentum an einer Sache oder einer Forderung nahekommen, sodass sie der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des "Eigentums" im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG entsprächen, die allerdings augenscheinlich nicht kompenensiert wird, unabhängig davon, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse für den einzelnen Beamten 2025 auch darüber hinaus grundsätzlich nicht mehr so darstellen wie eben 2004 oder 2005 oder 2007.

Ließe sich aus diesem Gedanken in irgend einer Weise ein Zinsanspruch, vielleicht auch vor europäischen Gerichten ableiten?

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6939 am: 02.01.2025 18:01 »
dann liegt hier eine erhebliche Entwertung von Besoldungsansprüchen vor, die grundrechtsgleichem Recht entsprechen, und damit von Ansprüchen, die dem Privateigentum an einer Sache oder einer Forderung nahekommen, sodass sie der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken des "Eigentums" im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG entsprächen, die allerdings augenscheinlich nicht kompenensiert wird, unabhängig davon, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse für den einzelnen Beamten 2025 auch darüber hinaus grundsätzlich nicht mehr so darstellen wie eben 2004 oder 2005 oder 2007.

Ließe sich aus diesem Gedanken in irgend einer Weise ein Zinsanspruch, vielleicht auch vor europäischen Gerichten ableiten?

Nach m.E. ja, aber es wird schwierig. Ich habe darüber schon oft etwas geschrieben, entweder hier oder bei den Bundesbeamten. Man kann es beim EuGH oder beim EGMR versuchen, wobei ich den EGMR favorisiere, da er schon ähnliche Urteile (nicht aus Deutschland) gefällt hat. Um ein Verfahren beim EGMR einzuleiten muss der Rechtsweg in Deutschland ausgeschöpft sein. Weiß jemand, ob der Rechtsweg mit einem Urteil eines Landesverfassungsgerichts ausgeschöpft ist, oder ob der Rechtsweg dann noch zum BVerfG weitergeht?

SwenTanortsch

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« Antwort #6940 am: 02.01.2025 18:18 »
Vor deutschen Gerichten bislang nicht, HansGeorg. Im europäischen Kontext sieht die Sachlage ggf. durchaus komplexer aus. Allerdings kenne ich mich hier nicht hinreichend genug aus, um mir dafür eine hinreichend fundierte Meinung zu bilden. Da der Senat sich auch dann, wenn er die langen Verfahrensdauern sachlich rechtfertigen kann, nichtsdestotrotz in der Pflicht sehen dürfte, aus ihnen resultierende Folgen hinreichend in den Blick zu nehmen, könnte es ggf. in anhängigen Verfahren Versuche geben, entsprechende Darlegungen zu substantiieren, wobei das sicherlich recht komplex sein dürfte, weil auch hier dann offensichtlich ein Rechtsprechungswandel die Folge wäre. Und ein solcher muss erst einmal erwirkt werden, was selten von heute auf morgen geschieht.

Da die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG sicherlich nicht zuletzt durch den engen Zusammenhang von Eigentum und Freiheit eines der komplexen Grundrechte ist, dürfte man hier eine nicht minder komplexe Betrachtung nicht zuletzt der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anstellen müssen, um ggf. eine solche Entscheidung zu erwirken, sofern sie sich überhaupt sachlich begründen lässt. Die Komplexität der Materie lässt sich schon daran erahnen, dass BVerfGE 134, 242 (290 f. Rn. 167; https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php?action=post;topic=114363.6930;last_msg=385380) ausführt:

"Das Eigentum ist ein elementares Grundrecht und sein Schutz von besonderer Bedeutung für den sozialen Rechtsstaat (vgl. BVerfGE 14, 263 [277]). Der Eigentumsgarantie kommt im Gefüge der Grundrechte insbesondere die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentum ist durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet (vgl. BVerfGE 31, 229 [240]; 50, 290 [339]; 52, 1 [30]; 100, 226 [241]; 102, 1 [15]; stRspr). Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein (vgl. BVerfGE 100, 226 [241]). Dabei genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen geht (vgl. BVerfGE 50, 290 [340]; stRspr). Zugleich soll der Gebrauch des Eigentums dem Wohl der Allgemeinheit dienen (Art.  14 Abs.  2 GG). Hierin liegt die Absage an eine Eigentumsordnung, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat (vgl. BVerfGE 21, 73 [83]; 102, 1 [15])."

Der langen Rede kurzer Sinn: Ich kann hier keine wirklich weiterführende Antwort geben.

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6941 am: 02.01.2025 19:03 »
Nach m.E. ja, aber es wird schwierig. Ich habe darüber schon oft etwas geschrieben, entweder hier oder bei den Bundesbeamten. Man kann es beim EuGH oder beim EGMR versuchen, wobei ich den EGMR favorisiere, da er schon ähnliche Urteile (nicht aus Deutschland) gefällt hat. Um ein Verfahren beim EGMR einzuleiten muss der Rechtsweg in Deutschland ausgeschöpft sein. Weiß jemand, ob der Rechtsweg mit einem Urteil eines Landesverfassungsgerichts ausgeschöpft ist, oder ob der Rechtsweg dann noch zum BVerfG weitergeht?

Das Thema hat der dbb SH in seiner Sachstandsabfrage an das BVerfG auch schon aufgeworfen.

https://www.dbb-sh.de/fileadmin/user_upload/www_dbb-sh_de/pdf/2024/2024-dbbsh_an_BVerfG.pdf

Griechenland hatte wohl eine gesetzliche Regelung, welche Zinsansprüche gegen öffentliche Arbeitgeber mit einem niedrigeren Zinssatz versah als sonstige Forderungen. Dies hatte der EGMR 2008 (Fundstelle siehe obiges Schreiben) als ungerechtfertigten Eingriff in die Eigentumsrechte des Klägers im Sinne der EMRK gewertet. Wenn „weniger Zinsen als bei anderen Forderungen“ bereits gegen die ERMK verstößt, dürfte die Argumentation auch bei „gar keine Zinsen“ greifen. Da ist auf jeden Fall Musik drin.

Ich glaube der Weg zum EGMR ist aber erst frei, wenn wirklich jeder denkbare inländische Rechtsbehelf inkl. Verzögerungsbeschwerde etc. ausgeschöpft ist. Gegen einen abweisenden Beschluss eines LVerfG stünde (nach dem vollständigen Instanzenzug der Fachgerichtsbarkeit) immer noch die individuelle Verfassungsbeschwerde zum BVerfG offen.

Ich warte auf die erste Landesregierung, welche von ihrem LVerfG verurteilt wird und dagegen das BVerfG anruft.

yogiii

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« Antwort #6942 am: 02.01.2025 20:01 »
Wenn man die verlinkte Sachstandsabfrage liest und sich thematisch mit dem Thema noch nicht in Berührung gekommen ist, kann man nur vom Glauben abfallen: Gab es seinerzeit eine (öffentlich einsehbare) Antwort?

Immerhin ist die Anfrage vom Juni 2024.

/edit:
Habe die dazu passende Antwort gefunden:
https://www.dbb-sh.de/aktuelles/news/bundesverfassungsgericht-antwortet-auf-sachstandsanfrage-des-dbb-sh/

Alles einfach unglaublich.
« Last Edit: 02.01.2025 20:09 von yogiii »

NordWest

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« Antwort #6943 am: 02.01.2025 22:11 »
Da es seit langer Zeit ein - im Detail immer wieder neu von den Gewerkschaften zu erkämpfender - Grundsatz ist, dass Besoldung Tarif folgt, ist das, was sie schreibt, durchgehend schlüssig

Ja, wenn man vergangenheitsbasiert schaut und davon ausgehend für die Zukunft schlussfolgert, dann wäre das so. Dieses Vorgehen ignoriert aber, dass wir mit unseren Klagen genau dieses Prinzip angreifen - und damit auch schon erste Erfolge hatten.

Das fällt bisher nicht besonders auf, weil die Besoldungsgeber bisher versuchen, das ganze über erhöhte Kinderzuschläge zu regeln, die Tarifler ohnehin nicht bekommen. Aber uns vereint doch der Glauben daran, dass es (auch) eine höhere Grundbesoldung braucht, um insgesamt verfassungskonform alimentieren zu können. In dem Moment, wo wir diese amtangemessene Besoldung bekommen, WERDEN sich Tariflöhne und Besoldung voneinander abkoppeln. Am besten erkennt man das an den Nachzahlungen, bspw. in Brandenburg: Tarifler bekommen natürlich nichts nachgezahlt, das wäre vielmehr sogar systemisch undenkbar. Wenn hier aber rückwirkend ein Unterschied in der "Gehalt"sentwicklung gemacht wird, dann ist das auch nach vorne gerichtet nicht unwahrscheinlich.

Frau Färber unterstellt dagegen, dass Tarif und Besoldung auch in Zukunft gleichlaufen müssten und es für eine Besoldungserhöhung eine Tariferhöhung bräuchte, nur weil sie es in der Vergangenheit so beobachtet hat. Das jedoch ist einfach alles andere als zwangsläufig der Fall.

« Last Edit: 02.01.2025 22:17 von NordWest »

clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6944 am: 02.01.2025 23:23 »
Wenn Tarifentgelt und Beamtenbesoldung sich zu sehr abkoppeln, würde es zumindest in unseren Amt Verwerfungen geben, weil bei uns Beamte und Tarifbeschäftigte die gleichen Arbeiten ausführen.  Dabei ist es (abgesehen von den höheren Dienste) sehr von Zufall abhängig gewesen, ob einem eine Verbeamtung ermöglicht wurde oder eben nicht. Es gab lange Jahre kaum oder gar keine Verbeamtungsmöglichkeit. Insofern würde es schon demotivierend für die Tarifbeschäftigten sein, wenn die Besoldung nun flächendeckend um 20% anzögen.