EGMR-Urteil Meïdanis/Griechenland (2008) einfach erklärt
zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall Meïdanis gegen Griechenland (Urteil vom 22.05.2008, Beschwerde-Nr. 33977/06): In diesem Fall klagte ein griechischer Arbeitnehmer (Herr Meïdanis), der für ein öffentliches Krankenhaus gearbeitet hatte, auf ausstehende Lohnzahlungen. Das Besondere war, dass nach griechischem Recht öffentliche Einrichtungen deutlich weniger Verzugszinsen auf rückständige Gehälter zahlen mussten als private Arbeitgeber. Herr Meïdanis hätte nach allgemeinem Zinsrecht sehr hohe Zinsen (zeitweise rund 23–27% pro Jahr) auf den rückständigen Lohn erhalten; weil sein Arbeitgeber aber ein staatliches Krankenhaus war, galt ein Sondergesetz, das den Zinssatz auf nur 6% pro Jahr begrenzte
Der EGMR hat diese Ungleichbehandlung klar als Verstoß gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Eigentumsrecht bewertet
.Einfach ausgedrückt: Der Lohn, den Herr Meïdanis zu bekommen hatte, ist sein Eigentum. Wenn der Staat die Zahlung dieses Lohns jahrelang verzögert und sich selbst das Privileg einräumt, viel geringere Zinsen (hier nur 6% statt ~25%) zahlen zu müssen, entsteht dem Betroffenen ein finanzieller Nachteil. Das Gericht stellte fest, dass es keinen ausreichenden sachlichen Grund gab, dem öffentlichen Arbeitgeber einen so niedrigen Zinssatz zu gewähren
.Ein öffentliches Krankenhaus, das als Arbeitgeber auftritt, soll im Grundsatz wie ein privater Arbeitgeber behandelt werden und kann nicht allein mit finanziellen Sparzwängen begründen, warum es weniger zahlen muss
.Der EGMR entschied einstimmig, dass diese Zinsbegrenzung die friedliche Eigentumsnutzung des Klägers verletzte und somit die Menschenrechtskonvention (Artikel 1, 1. Zusatzprotokoll – Schutz des Eigentums) verletzt wurde
Für einen Laien bedeutet dieses Urteil: Der Staat darf sich nicht selbst bevorteilen, indem er bei verspäteten Zahlungen an Bürger geringere oder gar keine Verzugszinsen zahlt, wenn Bürger untereinander viel höhere Zinsen zahlen müssten. Das Geld, das jemand zu bekommen hat (z.B. Gehalt), wird als sein Eigentum betrachtet. Wird es verspätet ausbezahlt, muss ein angemessener Ausgleich (Zinsen) erfolgen. Andernfalls verliert die Summe an Wert (z.B. durch Inflation oder entgangene Nutzung) – und das stellt nach Auffassung des EGMR eine unzulässige Entwertung dieses Eigentums dar
Im Ergebnis musste Griechenland Herrn Meïdanis Schadenersatz zahlen, um den Zinsverlust auszugleichen, und der EGMR machte deutlich, dass künftig solche Zinsprivilegien des Staates problematisch sind.