@ Unknown
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird jedes Verwaltungsgericht bislang noch genauso verfahren wie aktuell das VG Hamburg, nämlich einen Vorlagebeschluss fassen, den es dann nach Karlsruhe überweist. Grund dürfte sein, dass es formal noch keine rechtskräftige BVerfG-Entscheidung zur Bestimmung des Grundsicherungsniveaus
der A-Besoldung gibt, sondern formal nur eine rechtskräftige BVerfG-Entscheidung zur R-Besoldung, die dafür die Direktiven zur Bestimmung des Grundsicherungsniveaus
anhand der A-Besoldung konkretisiert hat.
Letztlich wird das BVerfG allein wegen des Gleichheitssatzes die identischen Kriterien zur Bestimmung des Grundsicherungsniveaus der A-Besoldung heranziehen, diese ggf. nur noch weiter konkretisieren (nämlich sofern die Besoldungsgesetzgeber nun im Verlauf der nächsten ein, zwei Jahre erneut nicht verfassungskonforme Schlupflöcher praktizieren sollten). Es ist also absehbar, wohin die Reise geht; mit einer Klage vor einem Verwaltungsgericht hättest Du von daher Dein Recht vor Augen, da es so wie aktuell das VG Hambrug die entsprechenden BVerfG-Direktiven anwenden würde - das Ticket für die Reise (also der Scheck zur Auszahlung) wird allerdings formal erst mit einer entsprechenden Entscheidung des BVerfG zur A-Besoldung ausgestellt. Das ist die Folge positiven und formellen Rechts, dass also nur das Recht ist, was durch Rechtsprechung vorhanden ist.
Insofern kann ich verstehen, dass nicht wenige nun mit wachsender Ungeduld eine endlich wieder verfassungskonforme Besoldung erhalten wollen (nicht wenige zum ersten Mal in ihrem bisherigen Beamtenleben) - jedoch mahlen die Mühlen der Justiz langsam. Da wir hier in Niedersachsen seit über 15 Jahren auf Rechtssicherheit warten, kenne ich ungeduldige Empfindungen ebenfalls nur zu gut; andererseits ist so eben der Lauf der Dinge - und wenn man bedenkt, wie stark sich die Rechtslage seit 2015 verändert hat (also in einem für ein Verfassungsgericht sehr kurzem Zeitraum), kommt's einem auf ein, zwei Jahre mehr oder weniger auch nicht mehr an - nicht zuletzt, weil die Ansprüche aus der Vergangenheit ja nicht verlorengehen. Ich habe in den letzten 15 Jahren nach und nach bezogen auf unser Thema hier Stoizismus gelernt und empfinde diese Haltung als verhältnismäßig gesund - denn egal, welche Haltung man einnimmt, beschleunigt wird dadurch nichts (wenn sich auch bei mir immer mal wieder die Regung einstellt: "Nun kommt doch endlich mal zu Potte!" und ich auch nichts dagegen hätte, wenn die Pekunien nun bereits auf meinem Konto wären).
@ micha 77
Die zugrundegelegte Berechnung sieht folgende Faktoren vor, die derzeit regelmäßig vom Berliner Besoldungsgesetzgeber gewährt werden (vgl.
http://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/be?id=beamte-berlin&g=A_5&s=1&f=3&zulageid=10.1&zulageid=10.2&z=100&zulage=&stkl=3&r=&zkf=):
Grundgehalt
Familienzulage
allgemeine Stellenzulage des mittleren Dienstes
jährliche Sonderzahlung
Diese Faktoren sind ebenfalls bei der Berechnung der Nettoalimentation mit zu berücksichtigen. Nicht umsonst führt das BVerfG aus, dass der Bezugspunkt der Nettoalimentation "das Gehalt als Ganzes" sein muss. Es sind also neben dem Grundgehalt nur "solche Bezügebestandteile zu berücksichtigen, die allen Beamten einer Besoldungsgruppe zur Verfügung stehen" (vgl. in regelmäßiger Rechtsprechung die Rn. 73 der aktuellen Entscheidung).
Damit fallen sämtliche Sonderzulagen wie Erschwernis- oder Zulagen für bestimmte Berufsgruppen weg; sie finden bei der Berechnung der Mindestalimentation keine Berücksichtigung. Die Berlin-Zulage kann man hinzuzählen, sofern sie allen Beamten entsprechend gewährt wird (Berlin kennt als einzige Mietenstufe die Stufe IV; eine weitere Differenzierung durch eine Ortszulage ist deshalb in Berlin nicht möglich); es ist insofern egal, ob sie sich im Grundgehalt oder als besondere Zulage wiederfindet: Der monetäre Gegenwert bliebe identisch.
Der Berliner Spielraum zur Besoldungsdifferenzierung ist insofern recht gering. Und zugleich haben das Land Berlin wie auch jeder anderer Besoldungsgesetzgeber als Grundsatz zu beachten, dass sich eine verfassungskonforme Besoldung nicht an sog. "atypischen Sonderfällen" orientieren darf, sondern realitätsgerecht sein muss - oder in den Worten des Bundesverfassungsgerichts:
"Weder der in erster Linie zur Durchführung einer entsprechenden Berechnung berufene Besoldungsgesetzgeber noch das zur Nachprüfung berufene Bundesverfassungsgericht muss sich an atypischen Sonderfällen orientieren. Die Herangehensweise muss jedoch von dem Ziel bestimmt sein, sicherzustellen, dass die Nettoalimentation in möglichst allen Fällen den gebotenen Mindestabstand zu dem den Empfänger der sozialen Grundsicherung gewährten Lebensstandard wahrt." (Rn. 52)
Es ist eine schöne Aufgabe, die den deutschen Besoldungsgesetzgebern nun gestellt ist, und sie können sie als solche anerkennen oder so weitermachen wie in den letzten 15 Jahren - eines können sie so oder so aber am Ende nicht: den Direktiven des Bundesverfassungsgerichts entgehen. Und zu vermuten ist in den meisten Fällen (wenn nicht in allen), dass die Schlupflochsuche nur dann recht schnell vorbei wäre, wenn 100 % der deutschen Beamten Widerspruch gegen ihre Besoldung einlegten - denn dann würde sie sich nicht mehr lohnen. Und solange das nicht geschieht (und wie wir alle wissen, wird das nicht geschehen), werden wir warten müssen, bis das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung zur A-Besoldung fällen wird - und werden wir bis dahin noch viele lustige Verrenkungen mancher Besoldungsgesetzgeber geboten bekommen, die ich mir als Belohnung für die letzten 15 Jahre mit viel Humor anschauen werde - denn am Ende gewinnt ausnahmsweise mal nicht die Bank...