Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2727478 times)

newT

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Hier nochmal der Entwurf über das Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2021:
https://filehorst.de/d/dGnsyJhs
Ziemlich harter Tobak mit den massiv steigenden Familienzuschlägen ab Kind 3. In Anlage 4b wird ja diesmal tatsächlich die Besoldungsanpassung prozeduralisiert.
Was natürlich sofort ins Auge sticht, ist dass der Unterschied im Monatsbrutto zwischen A5 und A8 bezogen auf Verheiratete mit 2 Kindern auf 21€ abschmilzt. Das kann doch niemals mit dem Abstandsgebot vereinbar sein, oder?

WasDennNun

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Ziemlich harter Tobak mit den massiv steigenden Familienzuschlägen ab Kind 3. In Anlage 4b wird ja diesmal tatsächlich die Besoldungsanpassung prozeduralisiert.
Warum? Das ist doch exakt das, was das BVerG verlangt hat!

Oder meinst du, dass sie sich auf die B5 steuerlich berufen und damit allen unteren einen noch größeren Schluck aus der Netto Buddel gönnen?
Und sie da eigentlich Geld sparen könnten, in dem sie diese FamZuschläge für die unteren Absenken?
Also ja harter Tobak, dass sie hier vollkommen ungerechtfertigt und unnötig das Geld mit der Gießkanne verschleudern. (i aus)

ds78

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Es hat meines Wissens nach bislang kein Besoldungsgesetzgeber eine stichhaltige inhaltliche Begründung geliefert, weshalb die weggefallenen Besoldungsgruppen zuvor notwendig und zum Stichtag nicht mehr notwendig waren. Die Begründung war hingegen i.d.R., dass die vormalige Beachtung der dann weggefallenen untersten Besoldungsgruppen bei der Bestimmung des Grundsicherungsniveaus nicht realitätsgerecht sei, da jenen mit Blick auf die geringe Anzahl an entsprechenden Amtsinhabern allenfalls nur noch eine formale Bedeutung zugekommen sei.

....

Für höherwertige Ämter dürfte das allerdings jeweils anders aussehen, da sowohl die Wertigkeit der Ämter sowie formale Qualifikation als auch die qualitätssichernde Funktion der Alimentation zu beachten ist. So wird die Wertigkeit des Amtes insbesondere durch seine Verantwortung und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Ein weitergehender Wegfall von Besoldungsgruppen würde insofern das Besoldungsgefüge als Ganzes tangieren, insbesondere weil die davon betroffenen Zahlen andere sind: 2018 waren in Niedersachsen 330 Beamte nach A 5, 885 nach A 6 und 2.340 Beamte nach A 6 eingruppiert - soll heißen, da es eines sachlichen Grundes bedürfte, um nun noch weitere über A 4 hinausreichende Besoldungsgruppen wegfallen zu lassen, dieser aber nicht gegeben werden kann (Einsparungsziele sind für sich genommen kein sachlicher Grund), ist dieses Mittel verfassungskonoform in Niedersachsen ausgereizt.


Vielen Dank für die Erläuterungen. Meine Fragen zielten genau darauf ab. Inwiefern werden die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verletzt, wenn hier ganze Laufbahnen bzw. Laufbahngruppen de facto abgeschafft und höhere Laufbahnen mit ihren Bildungsvoraussetzungen durch das Abschaffen ganzer Ämter quasi "entwertet" werden. Noch hat man sich ja immer wieder zu helfen gewusst, der eD wurde mit A5 gerade noch so beibehalten. Aber die Tendenz, dass auch A5 zukünftig nicht mehr ausreicht, um Abstände nach unten einzuhalten, zeichnet sich ja ab.

WasDennNun

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Was natürlich sofort ins Auge sticht, ist dass der Unterschied im Monatsbrutto zwischen A5 und A8 bezogen auf Verheiratete mit 2 Kindern auf 21€ abschmilzt. Das kann doch niemals mit dem Abstandsgebot vereinbar sein, oder?
Während der Single A5 ja 636€ Netto über 115% Grenze hat und die 4k Fam 0€
Hat ja der A8 Single 831€ und die 4k Fam 40€
Also aus 200€ (netto) Abstand wird 40€ monatlich....
Mal sehe ob da jemand gegen Klagt.

WasDennNun

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Aber die Tendenz, dass auch A5 zukünftig nicht mehr ausreicht, um Abstände nach unten einzuhalten, zeichnet sich ja ab.
Nein, A4 hat nach unten ja auch schon gereicht, das Problem sind die Kinder.
Oder war der A4 Single unter der 115% Grenze?
Man muss jetzt doch nur noch linear zu H4 und Tarifabschlüsse die Grundbesoldung und Kinderzuschläge anpassen, dann bleibt der Abstand doch sicher gewahrt (auch für A5)

newT

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Ziemlich harter Tobak mit den massiv steigenden Familienzuschlägen ab Kind 3. In Anlage 4b wird ja diesmal tatsächlich die Besoldungsanpassung prozeduralisiert.
Warum? Das ist doch exakt das, was das BVerG verlangt hat!
Wenn du dich auf die Prozeduralisierung beziehst, war mein Erstaunen darauf bezogen, dass sich sehr viele Besoldungsgesetzgeber um diesen Umstand bisher gedrückt haben. Und bezüglich der Familienzuschläge herrscht ja immernoch ziemlich Uneinigkeit, ob eine einseitige Erhöhung der Fam.-Zuschläge nicht das Mindestabstandsgebot verletzt.

Chrisdus

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Was natürlich sofort ins Auge sticht, ist dass der Unterschied im Monatsbrutto zwischen A5 und A8 bezogen auf Verheiratete mit 2 Kindern auf 21€ abschmilzt. Das kann doch niemals mit dem Abstandsgebot vereinbar sein, oder?
Während der Single A5 ja 636€ Netto über 115% Grenze hat und die 4k Fam 0€
Hat ja der A8 Single 831€ und die 4k Fam 40€
Also aus 200€ (netto) Abstand wird 40€ monatlich....
Mal sehe ob da jemand gegen Klagt.

Da sind wir wieder bei der Diskussion, die nicht weiterführt.

Es geht bei der Betrachtung nicht um den Single, sondern um die 4-köpfige Familie (4-kF).

Es tut mir leid, aber ich verstehe immer noch nicht, warum immer wieder die Diskussion auf einen Single-Haushalt gelenkt wird. Es ist doch super, wenn ein Single in der aktuellen Betrachtung deutlich über H4 ist. Das ist kein Nachteil.
Was aber unbestreitbar durch das BVerfG-Urteil klar ist, ist, dass die 4-kF den Abstand zu H4 nicht erfüllt und die Besoldung angepasst werden muss. Und sie bildet derzeit die Grundlage für die Berechnung, nicht der Single.

Die anderen Parameter, die das Gefüge flankieren (Abstandsgebot der Stufen zueinander, etc.), bringen den Rest mit sich. Die Übersicht, was wie geregelt werden kann, ist im Aufsatz von Stuttmann gut dargestellt.


EinMecklenburger

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Mit A5 hat man genau die 115 Prozent. Und mit A8 hat man 115 Prozent plus eine Summe, die eher eine Rundungsdifferenz ist. Quasi drei Beförderungen für Umme. Kann das noch der Wertigkeit der Ämter angemessen sein?

WasDennNun

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Ziemlich harter Tobak mit den massiv steigenden Familienzuschlägen ab Kind 3. In Anlage 4b wird ja diesmal tatsächlich die Besoldungsanpassung prozeduralisiert.
Warum? Das ist doch exakt das, was das BVerG verlangt hat!
Wenn du dich auf die Prozeduralisierung beziehst, war mein Erstaunen darauf bezogen, dass sich sehr viele Besoldungsgesetzgeber um diesen Umstand bisher gedrückt haben. Und bezüglich der Familienzuschläge herrscht ja immernoch ziemlich Uneinigkeit, ob eine einseitige Erhöhung der Fam.-Zuschläge nicht das Mindestabstandsgebot verletzt.
Inwiefern wäre hier eine einseitige Erhöhung der FamZuschläge gegeben?
Wieso haben sich Besoldungsgesetzgeber bisher um diesen Umstand gedrückt? Das Urteil ist doch noch recht frisch aus diesem Jahr (und gilt ja eigentlich nur für Richter mit mehr als zwei Kinder ;) )

WasDennNun

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Was aber unbestreitbar durch das BVerfG-Urteil klar ist, ist, dass die 4-kF den Abstand zu H4 nicht erfüllt und die Besoldung angepasst werden muss.
Richtig und wird sie ja auch.
Zitat
Die anderen Parameter, die das Gefüge flankieren (Abstandsgebot der Stufen zueinander, etc.), bringen den Rest mit sich. Die Übersicht, was wie geregelt werden kann, ist im Aufsatz von Stuttmann gut dargestellt.
Und Abstandsgebot wurde im Gesetz ja nur bezogen auf den Single betrachte.
Wahrscheinlich fehlerhaft.

Weswegen allerdings diese Differenzierung (unterschiedliche Höhe der FamZuschläge je nach Besoldung) nicht bei den 3+ Kind gemacht wurde, aber bei den Kinder 1-2 in einem solchen Ungleichgewicht, dass es die Besoldungshöher von A5-8  4-kF quasi Nivelliert, ist in der tat krass und man wird sehen, was die Gerichte daraus machen.
Bis zum 3. Kind kann ja offensichtlich vom Beamten verlangt werden, dass er für Kind und Kegel was von seiner Grundbesoldung abzwackt. Vielleicht ist es ja auch statthaft, dass die Höhe dieses Abzwackens auch ungleich hoch zwischen den Besoldungen sein darf ?

Dieser "Nettoabstand" zwischen A5 und A8 schrumpft ja mit dem 3,4,5 Kind noch weiter.

emdy

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Die Orientierung an der 4K Familie wird hauptsächlich aus dem Grundsatz der Rechtskontinuität herangezogen, nicht weil es noch zeitgemäß wäre, dass ein Alleinverdiener die Familie ernährt.

Dass die 4K Familie vielfach unter dem Mindestabstandsgebot liegt, liegt wiederum daran, dass man mit Kindern hauptsächlich eines braucht. Mehr Wohnraum. Genau dieser ist aber in den letzten Jahren vielerorts unverhältnismäßig teurer geworden.

Wir sollten uns nicht in Details verlieren, sondern die Grundsätze zur Festlegung der Mindestalimentation betrachten, die das BVerfG entwickelt hat. So hat sich die Alimentation an den tatsächlichen Lebenshaltungskosten zu orientieren. Die sind auch für Kinderlose enorm gestiegen. Unter Familienförderung stelle ich mir sowieso etwas ganz anderes vor als lächerlich hohe Zuschläge als vermeintlichen Ausgleich für marode Schulen, fehlende Kitaplätze und vor allem einer völligen Untätigkeit im Bereich bezahlbarer Wohnraum.

Die Gehälter werden den völlig deregulierten Wohnungsmarkt nicht mehr einholen. Und wenn sich in 20 Jahren niemand mehr eine Immobilie leisten kann bevor er geerbt hat, werden viele Menschen das auch merken. Frohe Weihnachten.
« Last Edit: 23.12.2020 00:09 von emdy »

Bastel

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Die Orientierung an der 4K Familie wird hauptsächlich aus dem Grundsatz der Rechtskontinuität herangezogen, nicht weil es noch zeitgemäß wäre, dass ein Alleinverdiener die Familie ernährt.

Warum ist es den nicht mehr zeitgemäß?

was_guckst_du

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...damals, als man "denn" noch mit einem n schrieb und Thür und Thor noch offen waren, mag sie noch zeitgemäß gewesen sein... 8) ;D
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

emdy

  • Gast
Die Orientierung an der 4K Familie wird hauptsächlich aus dem Grundsatz der Rechtskontinuität herangezogen, nicht weil es noch zeitgemäß wäre, dass ein Alleinverdiener die Familie ernährt.

Warum ist es den nicht mehr zeitgemäß?

Eines der Kriterien des BVerfG zur Alimentation ist ja der Vergleich mit der Lohnentwicklung in der Wirtschaft bei gleicher Qualifikation. Auch hier reicht es heutzutage in den wenigsten Fällen als Alleinverdiener für 4 Köpfe. Gelebte Praxis ist es zudem recht selten.

Aber genau an dieser Stelle wird es komplex. Steht dem Beamten per se mehr zu, weil ihm das Grundgesetz Alimentation für sich UND seine Familie zusichert oder nicht? Ich meine ja. Und ich ziehe den Schluss aus all dem, dass aufgrund der gestiegenen Lebenshaltungskosten sowohl Grundgehalt als auch Familienzuschläge steigen müssen.

Ich liebe es, für jeden Post erstmal runtergevotet zu werden, obwohl ich nie was anderes schreibe, als dass wir (Beamten) für gute Arbeit auch gut bezahlt werden sollen. ;D

emdy

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Mein absoluter Traum: Eine direkte Kopplung der Alimentation an die Immobilienpreise. Das würde mir eine Amtsausführung aus wirtschaftlich gesicherter Stellung ermöglichen. Wenn sich dann die Alimentation alle 15 Jahre verdoppeln würde, hätten wir endlich mal eine wirkliche Debatte über den Stellenwert von Wohnraum.