Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1468750 times)

Bastel

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Steht dann anschließend der Tarifvertrag zur Prüfung an ?

Nein.

was_guckst_du

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...das wäre dann Aufgabe der Tarifvertragsparteien...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

was_guckst_du

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Bericht in der WR vom heutigen Tag:

NRW muss Besoldung kinderreicher Richter aufstocken (muss bis Ende Juli 2021 geregelt werden). Die Entscheidung des BverfG bezieht sich auf die Besoldungsgruppe R2; hier ist ab dem 3. Kind die amtsangemessene Alimentation nicht mehr gegeben)
Gruß aus "Tief im Westen"

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Pepper2012

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Dann kommt man wieder auf den Vergleich von Angestellten und Beamten. Eine z.B. E12 wird in der Tätigkeit mit einer A12 verglichen, jedoch ist die Netto-Besoldung von A12 im Gegensatz zur Vergütung E12 schon jetzt höher.
Steht dann anschließend der Tarifvertrag zur Prüfung an ?

Ein Vergleich von Angestellten und Beamten ist untunlich. Erst recht bezogen auf irgendwelche Besoldungsstufen bzw. Entgeltgruppen. Die Besoldung zielt auf eine amtsangemessene Alimentation ab. Die Vergütung von Angestellten ist Sache der Tarifvertragsparteien.

Darüberhinaus entspricht das Netto eines Beamten nicht dem Netto eines Angestellten, da Beamte daraus noch einen Teil der Krankenversicherung bestreiten müssen.

Feidl

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Dann kommt man wieder auf den Vergleich von Angestellten und Beamten. Eine z.B. E12 wird in der Tätigkeit mit einer A12 verglichen, jedoch ist die Netto-Besoldung von A12 im Gegensatz zur Vergütung E12 schon jetzt höher.
Steht dann anschließend der Tarifvertrag zur Prüfung an ?
Pauschaler Vergleich mit Angestellten ist immer kritisch zu betrachten. Zum Beispiel bekommt der Angestellte in E12 diese von Anfang an, und seine Stufen steigen schnell und stark, während der Beamte im Eingangsamt anfängt und jahrelange auf Beförderungen warten muss und nebenbei die Stufen langsam und vergleichsweise niedrig steigen. So der Beamte auf Dienstposten A12 (aber nicht Planstelle A12) oft jahrelang geringeres Netto (inkl. Abzug PKV) hat als der Angestellte und erst gegen Ende seiner aktiven Dienstzeit mehr hat.

Bastel

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Man kann prinzipiell die Tätigkeiten und die daraus resultierende "Eingruppierung" nicht miteinander vergleichen.

Aufgaben einer E10 können (bei gleichen Zeitanteilen) bei Beamten zu einer A12 führen.

FGL

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Eine interessante Nebennotiz in der Urteilsbegründung zur Richterbesoldung ist auch die Tatsache, dass das BVerfG explizit auf die Bestenauslesefunktion der Beamten abzielt. So steht dort geschrieben, dass die Besoldung im Vergleich zur Privatwirtschaft nicht nur konkurrenzfähig sein muss, sondern auch imstande, die Besten anzuwerben. Wenn die Stellen leer laufen, ist das ein Indiz für die Unterbesoldung, was zur Erhöhung der Besoldung führen muss.
Möglich. Es ließe sich aber auch entgegenhalten, dass die Unattraktivität des öffentlichen Dienstes wesentlich an anderen Faktoren hängt. Im Thread über die Wunschvorstellungen zur Tarifrunde 2020 wurde das Nachwuchsbarometer Öffentlicher Dienst 2019 verlinkt. In vielen Bereichen, die den anvisierten Nachwuchskräften wichtig sind (z. B. mobiles Arbeiten, moderne IT-Ausstattung, eigenständige Arbeitsorganisation), schneidet der öffentliche Dienst nicht so vorteilhaft ab. Ein Umstand, den ich anhand meines Dienstherrn trotz aller Fortschritte, die er in der jüngeren Vergangenheit gemacht hat, nicht ganz abstreiten kann.

WasDennNun

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Dann kommt man wieder auf den Vergleich von Angestellten und Beamten. Eine z.B. E12 wird in der Tätigkeit mit einer A12 verglichen, jedoch ist die Netto-Besoldung von A12 im Gegensatz zur Vergütung E12 schon jetzt höher.
Steht dann anschließend der Tarifvertrag zur Prüfung an ?

Ein Vergleich von Angestellten und Beamten ist untunlich. Erst recht bezogen auf irgendwelche Besoldungsstufen bzw. Entgeltgruppen. Die Besoldung zielt auf eine amtsangemessene Alimentation ab. Die Vergütung von Angestellten ist Sache der Tarifvertragsparteien.

Darüberhinaus entspricht das Netto eines Beamten nicht dem Netto eines Angestellten, da Beamte daraus noch einen Teil der Krankenversicherung bestreiten müssen.
Und die Angestellten vollumfänglich die BU absichern sollten....
Recht haste, die beiden Gruppen im öD sollte man tunlichst nicht miteinander vergleichen.
Den Beamten steht eine vernünftige Alimentation zu und den Angestellten steht es frei den AG zu wechseln.

WasDennNun

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Dann kommt man wieder auf den Vergleich von Angestellten und Beamten. Eine z.B. E12 wird in der Tätigkeit mit einer A12 verglichen, jedoch ist die Netto-Besoldung von A12 im Gegensatz zur Vergütung E12 schon jetzt höher.
Steht dann anschließend der Tarifvertrag zur Prüfung an ?
Pauschaler Vergleich mit Angestellten ist immer kritisch zu betrachten. Zum Beispiel bekommt der Angestellte in E12 diese von Anfang an, und seine Stufen steigen schnell und stark, während der Beamte im Eingangsamt anfängt und jahrelange auf Beförderungen warten muss und nebenbei die Stufen langsam und vergleichsweise niedrig steigen. So der Beamte auf Dienstposten A12 (aber nicht Planstelle A12) oft jahrelang geringeres Netto (inkl. Abzug PKV) hat als der Angestellte und erst gegen Ende seiner aktiven Dienstzeit mehr hat.
Es ist aber die Ausnahme, dass ein Beamter A12er Aufgaben im Eingangsamt hat, der Angestellte verliert "Stufenlaufzeiten" bei der "Beförderung" (der Beamte behält sie) und muss privat nachversorgen um eine angemessene Rente bezogen auf seine "Endentgeltgruppe" zu bekommen.
Von daher ist eben ein pauschaler Vergleich absolut kritisch zu betrachten.

Organisator

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und muss privat nachversorgen um eine angemessene Rente bezogen auf seine "Endentgeltgruppe" zu bekommen.

So nicht ganz korrekt. Wenn ein Angestellter im öD für 40 oder mehr Jahre beschäftigt ist, gleicht die Betriebsrente die Differenz zu einem vergleichbaren Beamten aus.

was_guckst_du

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..und Stufen verliert der Angestellte nur im TV-L...im TVöD nicht...
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Organisator

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..und Stufen verliert der Angestellte nur im TV-L...im TVöD nicht...

Aber die begonnenen Laufzeiten, die bleiben bei beförderten Beamten erhalten.

SwenTanortsch

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Um zum Anfang zurückzukehren, dem aktuellen Beschluss: Betrachtet man die für die weitere Alimentationspraxis zentrale Passage zum Mindestabstandsgebot, also zur lang erwarteten und nun vollzogenen, hinreichend genauen Bestimmung der Mindestalimentation (Rn. 46-71), die als solche einen mindestens 15%igen Abstand zum sozialgesetzlichen Grundsicherungsniveau aufweisen muss, so wird auch und gerade hier durchgehend - wie in einem Beschluss zur Alimentationspraxis allgemein auch nicht anders zu erwarten - von Beamten gesprochen, was in jener Passage natürlich besonders hervortreten muss, weil die Bestimmung der Mindestalimentation wie oben dargelegt nicht anhand der R-Besoldung erfolgen kann.

Im Umkehrschluss wird damit deutlich, dass sich die hier für Recht erklärte und auch hinreichend genau operationalisierte Methodik zur Bestimmung der Mindestalimentation auf alle derzeit geltende Besoldungsgesetze bezieht, also in dieser oder einer vergleichbaren, folglich hinreichend rechtssicheren Form ihnen zugrunde liegen muss. Da das Bundesverfassungsgericht nicht zuletzt in dieser Passage durchgehend ein realitätsgerechtes Vorgehen anmahnt (Rn. 52 f., 59, 63, 67, 70), macht es deutlich, dass es sich - ebenfalls, wie nicht anders zu erwarten - nicht nur auf vergangene Gesetze, sondern insbesondere auf die aktuell geltenden bezieht. Denn sind diese nicht im Sinne des Beschlusses "realitätsgerecht", sind sie als nicht mit der Verfassung vereinbar anzusehen.

Daraus folgt, dass die Besoldungsgesetzgeber die geltenden Besoldungsgesetze anhand der vom Beschluss dargestellten oder einer vergleichbaren Methodik, die aber nicht zu grundlegend anderen Ergebnissen gelangen darf als die vom Bundesverfassungsgericht nun operationalisiert dargelegte, auf ihren realitätsgerechten Charakter hin zu überprüfen haben.

Da das Bundesverfassungsgericht zugleich die Mindestalimentation monetär für so hoch bemessen hat, dass kein Besoldungsgesetz diese erfüllt, sind folglich alle - wie so dann auch automatisch sämtliche R-Besoldungen - verfassungswidrig. Daraus folgt nicht, dass sie nun automatisch geändert werden müssen - jedoch unterliegen sie der gerichtlichen Kontrolle, sodass sie sich spätestens allesamt mit der ersten folgenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung in Luft auflösen werden. Denn sofern der Bund oder ein Land nach der den aktuellen Beschluss reproduzierenden Entscheidung keine Neufassung seines verfassungswidrigen Besoldungsgesetzes vornehmen werden, reichte eine einfache Klage vor einem Verwaltungsgericht, um das Gesetz zu kippen. Denn in Anbetracht dessen, dass das Bundesverfassungsgericht den eigenständigen Charakter des Mindestabstandsgebot mitsamt der daraus herrührenden Folgen im fünften Leitsatz explizit hervorhebt, dürfte es ausgeschlossen sein, dass ein VG das Anrufen der nächsthöheren Instanz zuließe, wenn es auf Grundlage der operationalisierten Bestimmung zu dem Schluss einer nicht ausreichenden Mindestalimentation kommen sollte. Denn da die Methodik nun für alle anwendbar ist, wäre es unsinnig, noch eine weitere Instanz zuzulassen; die Mindestalimentation ist nun rechtssicher bestimmbar, ergo benötigte man keine zweite Instanz mehr. Der Klageweg, der in den letzten 15 Jahren grundsätzlich immer sehr lang war, ist nun sehr kurz und kann mit Blick auf die Mindestalimentation nie mehr lang sein - sodass es für die Besoldungsgesetzgeber spätestens mit der Prozeduralisierung der nächsten Besoldungsgesetze keinen Sinn mehr machte, auf Zeit zu spielen.

Es war so betrachtet zugleich eine schlaue Entscheidung der Länder, die sicherlich unter allen Umständen derzeit (solange kein expliziter Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung erfolgt ist) weiterhin auf Zeit spielen wollen, mit Blick auf die Übertragung des letztjährigen Tarifergebnisses auf die Besoldung einen so langen Zeitraum herausverhandelt zu haben - denn wenn nun doch sämtliche Besoldungsgesetze offensichtlich plump verfassungswidrig sind, wird das für die nächsten nicht mehr gelten können. Die Länder werden dann erneut versuchen, so ist aus langer Erfahrung zu vermuten, vielfältige Register der Tricks und Täuschungen zu ziehen; jedoch sind die Fesseln, die der aktuelle Beschluss ihnen anlegt, vom Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die  Mindestalimentation sehr fest gezogen. Der Beschluss zwingt alle Besoldungsgesetzgeber, auf Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht operationalisierten Methodik eine ausreichende Mindestalimentation zu gewähren - mit allen Folgen für die höheren Gehaltsgruppen, für die das allgemeine Abstandsgebot einzuhalten ist.

Es ist schon erstaunlich, dass das Verfassungsgericht monetär so weit über die beiden Vorlagebeschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts (die sich de jure auf verschiedene Besoldungsordnungen beziehen, de facto aber argumentativ identisch sind) hinausgegangen ist. Mit einem so weitgehenden Beschluss dürfte kaum einer gerechnet haben.

Chrisdus

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Da das Bundesverfassungsgericht zugleich die Mindestalimentation monetär für so hoch bemessen hat, dass kein Besoldungsgesetz diese erfüllt, sind folglich alle - wie so dann auch automatisch sämtliche R-Besoldungen - verfassungswidrig. Daraus folgt nicht, dass sie nun automatisch geändert werden müssen - jedoch unterliegen sie der gerichtlichen Kontrolle, sodass sie sich spätestens allesamt mit der ersten folgenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur A-Besoldung in Luft auflösen werden. Denn sofern der Bund oder ein Land nach der den aktuellen Beschluss reproduzierenden Entscheidung keine Neufassung seines verfassungswidrigen Besoldungsgesetzes vornehmen werden, reichte eine einfache Klage vor einem Verwaltungsgericht, um das Gesetz zu kippen. Denn in Anbetracht dessen, dass das Bundesverfassungsgericht den eigenständigen Charakter des Mindestabstandsgebot mitsamt der daraus herrührenden Folgen im fünften Leitsatz explizit hervorhebt, dürfte es ausgeschlossen sein, dass ein VG das Anrufen der nächsthöheren Instanz zuließe, wenn es auf Grundlage der operationalisierten Bestimmung zu dem Schluss einer nicht ausreichenden Mindestalimentation kommen sollte. Denn da die Methodik nun für alle anwendbar ist, wäre es unsinnig, noch eine weitere Instanz zuzulassen; die Mindestalimentation ist nun rechtssicher bestimmbar, ergo benötigte man keine zweite Instanz mehr. Der Klageweg, der in den letzten 15 Jahren grundsätzlich immer sehr lang war, ist nun sehr kurz und kann mit Blick auf die Mindestalimentation nie mehr lang sein - sodass es für die Besoldungsgesetzgeber spätestens mit der Prozeduralisierung der nächsten Besoldungsgesetze keinen Sinn mehr machte, auf Zeit zu spielen.



Lieber SwenTanortsch,

ich habe eine sehr wichtige Passage, die ich oben bereits in einem früheren Beitrag kurz angedeutet hatte, jedoch du erst so genau ausgeführt hast, fett gemacht.

Auf der Homepage "Berliner-Besoldung.de" sowie auch beim "Deutschen Richterbund" sind weitere sehr gute Einordnungen der Entscheidung sowie Tragweite von fachkundiger Seite, die sogar soweit gehen, wie bereits in einem anderen Thread auch hier geäußert, wieder eine bundeseinheitliche Besoldung zu fordern, um ebendiese politischen Versäumnisse, um nicht zu sagen absichtlich herbeigeführten Zustände, wieder ins Lot zu bringen.


was_guckst_du

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...das passiert, wenn Gottes Sohn mit dem unehelichen Sohn von Spid korrespondiert... 8) ;D
Gruß aus "Tief im Westen"

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