Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1488745 times)

DeGr

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2010 am: 27.08.2021 10:37 »
Inwiefern soll eine geänderte Definition des Rechtsbegriffs "Arbeitsvorgang" denn auf Beamte übertragbar sein? Es handelt sich um ein vollkommen anderes Stellenbewertungsverfahren. Beschäftigten-Stellen werden summarisch bewertet, Beamtenstellen werden analytisch bewertet - z. B. nach dem Verfahren der KGSt. Der Begriff "Arbeitsvorgang" taucht bei der Bewertung von Beamtenstellen einfach nicht auf. Und es wird auch gesetzlich kein Verfahren zur Bewertung von Beamtenstellen vorgegeben.

Da es keine rechtliche Vorgabe gibt, wie die Beamtendienstposten bewertet werden, könnte man sich ja auch an Arbeitsvorgängen orientieren und diese ähnlich der EntgO summarisch bewerten.
Hätte den Vorteil, dass man für jede Stelle nur eine TD schreiben müsste und diese dann ganz ähnlich bewerten könnte.

Das könnte man als Dienstherr natürlich so machen. Rentenonkel befürchtet aber ja, dass der veränderte Begriff des Arbeitsvorgangs gesetzlich auf die Beamten übertragen wird (oder auch anderweitig gesetzlich auf die Bewertung der Stellen eingewirkt wird). Hierzu müsste es plötzlich eine konkrete Vorgabe zum Bewertungsverfahren von Beamtenstellen geben. Und da insbesondere auf kommunaler Ebene hauptsächlich analytisch nach dem KGSt-Verfahren bewertet wird, würde das komplette, deutschlandweit angewandte Bewertungssystem der KGSt auf einen Schlag zerschmettert werden.

BStromberg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2011 am: 27.08.2021 12:55 »
Inwiefern soll eine geänderte Definition des Rechtsbegriffs "Arbeitsvorgang" denn auf Beamte übertragbar sein? Es handelt sich um ein vollkommen anderes Stellenbewertungsverfahren. Beschäftigten-Stellen werden summarisch bewertet, Beamtenstellen werden analytisch bewertet - z. B. nach dem Verfahren der KGSt. Der Begriff "Arbeitsvorgang" taucht bei der Bewertung von Beamtenstellen einfach nicht auf. Und es wird auch gesetzlich kein Verfahren zur Bewertung von Beamtenstellen vorgegeben.

Da es keine rechtliche Vorgabe gibt, wie die Beamtendienstposten bewertet werden, könnte man sich ja auch an Arbeitsvorgängen orientieren und diese ähnlich der EntgO summarisch bewerten.
Hätte den Vorteil, dass man für jede Stelle nur eine TD schreiben müsste und diese dann ganz ähnlich bewerten könnte.

Das könnte man als Dienstherr natürlich so machen. Rentenonkel befürchtet aber ja, dass der veränderte Begriff des Arbeitsvorgangs gesetzlich auf die Beamten übertragen wird (oder auch anderweitig gesetzlich auf die Bewertung der Stellen eingewirkt wird). Hierzu müsste es plötzlich eine konkrete Vorgabe zum Bewertungsverfahren von Beamtenstellen geben. Und da insbesondere auf kommunaler Ebene hauptsächlich analytisch nach dem KGSt-Verfahren bewertet wird, würde das komplette, deutschlandweit angewandte Bewertungssystem der KGSt auf einen Schlag zerschmettert werden.

In der praktischen Bewertungsarbeit werden de facto ja Arbeitsvorgänge sinnvoll gebildet, Tätigkeiten zusammengefasst und systematisiert, bevor man sie der analytischen Bewertung (z.B. 6 Merkmale-Prinzip der KGSt) zuführt und die Dienstpostenwertigkeit ermittelt.

Ich sehe da nicht ansatzweise die Gefahr, dass die etablierten Modelle (z.B. das v.g. Gutachten der KGSt i.d.F. von 2009) aufgehoben oder novelliert werden müsste... im Gegenteil: die Gerichte stellen regelmäßig die Objektivität hervor und attestieren dem analytischen Verfahren seine grundsätzliche Geeignetheit zur Klärung der Frage, ob/wie jmd. amtsangemessen beschäftigt ist.

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2012 am: 27.08.2021 13:25 »
Ich sehe das Problem auch eher theoretisch.

Sollte sich der Gesetzgeber daran wagen, müsste er einerseit das bewährte und rechtssichere KGSt-Verfahren bewerten und anpassen und darüber hinaus, bei den hunderten Diensteherren, die das KGSt-Modell nicht anwenden, konkrete Vorgaben machen. Letzteres würde dann zu einer Vereinheitlichung führen, die den unterschiedlichen Bedarfen der Behörden nicht gerecht werden kann.
Mit der Normierung der B-Dienstposten hat der Gesetzgeber schon genug Regelungen getroffen.

2strong

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2013 am: 27.08.2021 14:48 »
Funktionen der Beamten sind ja bereits nach den mit ihnen verbundenen Anforderungen sachgerecht zu bewerten. Brauch man es wirklich konkreter? Die Regelungen der Entgeltordnung empfinde ich zumindest nicht als der Weisheit letzter Schluss und damit nur bedingt vorbildhaft. Und auch einer flächendeckenden KGSt-Bewertung bedarf es m. E. nicht.

Gruenhorn

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2014 am: 29.08.2021 01:33 »
Wie man hört, soll in Schleswig-Holstein ja die Besoldung unter anderem dadurch verfassungskonform werden, dass die Beihilfe für Ehegatten bei 2 Kindern im Haus auf 90 %angehoben wird:
https://oeffentlicher-dienst-news.de/schleswig-holstein-besoldung-2022/

Was bedeutet so eine Regelung eigentlich für Widersprüche, die in der Vergangenheit liegen? Damit kann die Besoldung wohl kaum rückwirkend angehoben werden, weil Beihilfebescheide ja rechtskräftig sind und die pkv Beiträge auch bereits bezahlt wurden...
Gibt es Möglichkeiten sich in diesem Zusammenhang z. b. Beim Bund, wo eine Neugestaltung ja wohl noch dauert, Ansprüche zu sichern bzw eine Umwandlung herbei zu führen?
Es scheint, dass mit der Beihilfeanhebung zumindest für die Vergangenheit kostengünstig viel abgefrühstückt werden kann, oder missverstehe ich das?

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2015 am: 29.08.2021 08:55 »
Wie man hört, soll in Schleswig-Holstein ja die Besoldung unter anderem dadurch verfassungskonform werden, dass die Beihilfe für Ehegatten bei 2 Kindern im Haus auf 90 %angehoben wird:
https://oeffentlicher-dienst-news.de/schleswig-holstein-besoldung-2022/

Was bedeutet so eine Regelung eigentlich für Widersprüche, die in der Vergangenheit liegen? Damit kann die Besoldung wohl kaum rückwirkend angehoben werden, weil Beihilfebescheide ja rechtskräftig sind und die pkv Beiträge auch bereits bezahlt wurden...
Gibt es Möglichkeiten sich in diesem Zusammenhang z. b. Beim Bund, wo eine Neugestaltung ja wohl noch dauert, Ansprüche zu sichern bzw eine Umwandlung herbei zu führen?
Es scheint, dass mit der Beihilfeanhebung zumindest für die Vergangenheit kostengünstig viel abgefrühstückt werden kann, oder missverstehe ich das?

Die Veränderung der Beihilfesätze ist erst ab dem Kalenderjahr 2022 geplant. So sollen die Kosten der privaten Krankenversicherung für die betroffenen Familien gesenkt werden. Für die Vergangenheit sind rückwirkend Pauschalen zu den Beiträgen der privaten KV geplant, die sich allerdings an der grundsätzlichen Beihilfefähigkeit in der Vergangenheit orientieren.

Kinderreiche Beamte, deren Ehegatte und/oder Kinder gesetzlich ktankenversichert waren, würden demnach leer ausgehen oder weniger bekommen. Auch dürften diejenigen leer ausgehen, die es versäumt haben, rechtzeitig ihre Ansprüche geltend zu machen bzw. noch geltend machen werden.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2016 am: 29.08.2021 11:52 »
Wie man hört, soll in Schleswig-Holstein ja die Besoldung unter anderem dadurch verfassungskonform werden, dass die Beihilfe für Ehegatten bei 2 Kindern im Haus auf 90 %angehoben wird:
https://oeffentlicher-dienst-news.de/schleswig-holstein-besoldung-2022/

Was bedeutet so eine Regelung eigentlich für Widersprüche, die in der Vergangenheit liegen? Damit kann die Besoldung wohl kaum rückwirkend angehoben werden, weil Beihilfebescheide ja rechtskräftig sind und die pkv Beiträge auch bereits bezahlt wurden...
Gibt es Möglichkeiten sich in diesem Zusammenhang z. b. Beim Bund, wo eine Neugestaltung ja wohl noch dauert, Ansprüche zu sichern bzw eine Umwandlung herbei zu führen?
Es scheint, dass mit der Beihilfeanhebung zumindest für die Vergangenheit kostengünstig viel abgefrühstückt werden kann, oder missverstehe ich das?

Die Veränderung der Beihilfesätze ist erst ab dem Kalenderjahr 2022 geplant. So sollen die Kosten der privaten Krankenversicherung für die betroffenen Familien gesenkt werden. Für die Vergangenheit sind rückwirkend Pauschalen zu den Beiträgen der privaten KV geplant, die sich allerdings an der grundsätzlichen Beihilfefähigkeit in der Vergangenheit orientieren.

Kinderreiche Beamte, deren Ehegatte und/oder Kinder gesetzlich ktankenversichert waren, würden demnach leer ausgehen oder weniger bekommen. Auch dürften diejenigen leer ausgehen, die es versäumt haben, rechtzeitig ihre Ansprüche geltend zu machen bzw. noch geltend machen werden.

Veränderungen im Beihilferecht werden vom BVErfG in ständiger Rechtsprechung ausdrücklich als eine der Möglichkeiten betrachtet, die dem Gesetzgeber sein weiter Entscheidungsspielraum lässt (vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 49), was sich auch auf die Höhe der Nettoalimentation auswirkt (Rn. 76). Der Gesetzgeber hat dabei die folgende gefestigte Rechtsprechung des BVerfG zu beachten:

"Die Amtsangemessenheit der Alimentation ist ferner im Lichte des Niveaus der Beihilfeleistungen zu bewerten (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. BVerfGE 83, 89 <99>; 106, 225 <232>). Das gegenwärtige System der Beihilfe ist zwar nicht Bestandteil der verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation; von Verfassungs wegen muss die amtsangemessene Alimentation lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist (vgl. BVerfGE 83, 89 <98>; 106, 225 <233>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Die Alimentation ist aber dann nicht mehr ausreichend, wenn die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung krankheitsbedingter und nicht von der Beihilfe ausgeglichener Belastungen erforderlich sind, einen solchen Umfang erreichen, dass der angemessene Lebensunterhalt des Richters, Beamten oder Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet ist. Das Prinzip der amtsangemessenen Alimentation verlangt, eine Auszehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile durch krankheitsbezogene Aufwendungen zu verhindern (vgl. BVerfGE 117, 330 <351 f.>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Bei einer solchen Sachlage kann daher eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren, verfassungsrechtlich geboten sein (vgl. BVerfGE 58, 68 <78>; 106, 225 <233>; 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>). Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl zeitlich gestaffelter, für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Einschnitte des Gesetzgebers im Beihilfebereich das für den sonstigen Lebensunterhalt des Richters oder Staatsanwalts zur Verfügung stehende Einkommen unangemessen reduzieren (vgl. BVerfGE 139, 64 <122 f. Rn. 122>; 140, 240 <291 f. Rn. 105>)." (vgl. a. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015 - BvL 17/09 -,  Rn. 122; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -, Rn. 105)

Die im Zitat dargelegte Sachlage scheint allerdings nicht gegeben, da sich die PKV-Kosten im Verlauf der letzten 15 Jahre recht kontinuierlich entwickelt haben, also die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung krankheitsbedingter und nicht von der Beihilfe ausgeglichener Belastungen erforderlich sind, nicht einen solchen Umfang erreicht haben, als dass der angemessene Lebensunterhalt des Richters, Beamten oder Versorgungsempfängers nicht mehr gewährleistet sei. Sachlich betrachtet, stellt sich folglich die Frage, wieso nun eine solche gesetzliche Regelung vollzogen werden soll. Nicht umsonst führt das BVerfG in ständiger Rechtsprechung aus: "Innerhalb des ihm zukommenden Entscheidungsspielraums muss der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anpassen." (vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 26). Da sich mit Blick auf die  allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse die PKV-Kosten nicht diskontinuierlich geändert haben, muss der Gesetzgeber folglich nur umso mehr die tatsächliche Notwendigkeit begründen, mittels der geplanten Idee und nicht anderer Regelungen die Alimentation amtsangemessen machen zu wollen.

Sofern das Land eine entsprechende gesetzliche Regelung vollziehen wird, ist es also gezwungen, diese umfassend zu prozeduralisieren, um zu zeigen, dass sein einziger Grund nicht das sachwidrige Einsparen von Personalkosten sein sollte. Wenn das dem Land mit hinreichenden sachlichen Gründen gelänge, die also vor dem BVerfG Bestand hätten, sollte die geplante Vorstellung verfassungsrechtlich statthaft sein - und wenn nicht, zahlte das Land dann später denen, die Widerspruch eingelegt haben, wie gehabt den Fehlbetrag nach.

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2017 am: 30.08.2021 15:14 »
Wo wir gerade bei den Plänen der Landesregierung S-H sind stellt sich mir eine wesentlich entscheidendere Frage.

Ist es mit Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar die Besoldung bzw. einzelne Besoldungsbestandteile (hier der geplante Familienergänzungszuschlag) von sonstigen Einkünften der Beamtin/des Beamten und den Einkünften des Partners (Ehegatte, Lebenspartner oder anderen Elternteil des gemeinsamen Kindes) abhängig zu machen. Das BVerfG stellt ja fest, dass die amtsangemessene Alimentation "das Korrelat für die hauptberufliche Tätigkeit des Beamten dar[stellt]". (vgl. BVerfG NVwZ 2019, 223 Rn. 28).

Die Landesregierung plant nun diese Korrelation aufzuheben und sämtliche sonstigen Einkünfte der BeamtInnen mit bestimmten Besoldungsbestandteilen zu verrechnen. Mir erschließt sich nicht, was z.B. Kapitalerträge, Mieteinnahmen oder sonstige Nebeneinkünfte des Beamten mit seinem Amt zu tun haben. Der Dienstherr bekommt seitens des Beamten nicht weniger Hingabe (um nicht zu sagen: Arbeitskraft) entgegengebracht, nur weil dieser zufällig drei Ferienwohnungen vermietet oder zum richtigen Zeitpunkt in Amazon-Aktien investiert hat.

Am bedenklichsten finde ich jedoch das Anknüpfen der Besoldung an Einkünfte Dritter. Der Partner soll sich wirtschaftlich gegenüber dem Dienstherren des Ehegatten "nackig machen", damit dem Beamten eine amtsangemessene Alimentation gewährt wird? Und bei fehlendem Mitwirken des Dritten (man denke z.B. an Scheidungsverfahren) wird die Beweislast, dass der Beamte des Familienergänzungszuschlages bedarf vom Dienstherren auf diesen abgewälzt? Selbst wenn das Mitwirken gerichtlich erzwungen werden könnte, vergehen hier lange Zeiträume, in welchen der Beamten dann nicht amtsangemessen Alimentiert würde.

Da der Familienergänzungzuschlag auch nur bis zu einem fixen Betrag (von der Landesregierung errechnete 115% der Grundsicherung) gezahlt wird und Besoldungsempfänger bis A9 Anspruch auf diesen haben können, stellt die geplante Regelung wohl auch ein Problem hinsichtlich des Abstandsgebotes dar. Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass dieses Prinzip „… unmittelbar an den Amtsträger an[knüpft]. In Bezug auf den Familienstand des Amtsträgers verhält es sich hingegen neutral. Das Abstandsgebot wirkt für den ledigen Beamten oder Richter nicht anders als für den verheirateten Beamten oder Richter und seine Kinder. Deshalb ist durch die nach Besoldungsgruppen abgestufte (Grund-)Besoldung auch bei kinderreichen Beamten oder Rich-tern mit fünf Kindern das Abstandsgebot solange beachtet, solange der Beamte oder Richter mit fünf Kindern eine in angemessenem Umfang höhere Besoldung hat als der nächstniedrigere Beamte oder Richter mit fünf Kindern. [hervorhebung durch mich]“ (vgl. BVerwG Urt. v. 22.03.2018 – BVerwG 2 C 20.16)

Die geplante Regelung würde jedoch die Besoldungsunterschiede bei identischen Familiensituationen vollständig einebnen. Ich kann einfach nicht glauben, dass der Entwurfsschreiber der unbedarft ist, zu erkennen, dass es nicht korrekt sein kann, wenn Berufseinsteiger im (ehemaligen) einfachen, mittleren und gehobenen Dienst praktisch einen identischen Betrag überwiesen bekommen. Was übersehe ich hier? MV ist mit § 73 LBesG MV ja bereits einen ähnlichen Weg gegangen und ich kann auch die dortige Gesetzesbegründung nicht nachvollziehen.

Der Obelix

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2018 am: 31.08.2021 09:15 »
"[...] Was übersehe ich hier[...]?"

--> Du übersiehst nichts. Das Ganze dürfte rechtswidrig sein, folgt aber eindeutig dem bekannten Muster. Das Bunderverfassungsgericht macht klare Vorgaben und stellt einen höheren Bedarf fest.

Die Gesetzgeber wollen diesen Bedarf aber wirklich nur minimal anerkennen, und rennen mit bloßem Auge in die nächsten handwerklichen Fehler.

Man kann nur jedem Besoldungsempfänger nach der neuen Regelung raten, ebenfalls wieder den Rechtsweg zu beschreiten. Das ist die einzige Sprache die unsere Dienstherren noch verstehen. Die Gewerkschaften müssen dies noch aktiver unterstützen. Da kommt einfach zu wenig. Man darf gerne das amateurhafte "ich versuche Gesetze zu machen" der Länder auch als solches betiteln. Und das immer wieder und immer wieder.

Insgesamt stellt sich bei mir ob der unterschiedlichen Versuche eine gewisse Fassungslosigkeit ein.

Eigentlich müssten wir natürlich froh sein, dass die Gesetzgeber nicht an wichtigen stellen des Gemeinwesens arbeiten (Flugaufsicht, Rettungsdienst, Polizei, Altenpflege, Kindergärten, Schule, Kraftwerke und Versorgung). Sonst gebe es mit solcher Arbeitsqualität "Apokalypse now".....

Bastel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2019 am: 31.08.2021 09:31 »


Die Landesregierung plant nun diese Korrelation aufzuheben und sämtliche sonstigen Einkünfte der BeamtInnen mit bestimmten Besoldungsbestandteilen zu verrechnen. Mir erschließt sich nicht, was z.B. Kapitalerträge, Mieteinnahmen oder sonstige Nebeneinkünfte des Beamten mit seinem Amt zu tun haben. Der Dienstherr bekommt seitens des Beamten nicht weniger Hingabe (um nicht zu sagen: Arbeitskraft) entgegengebracht, nur weil dieser zufällig drei Ferienwohnungen vermietet oder zum richtigen Zeitpunkt in Amazon-Aktien investiert hat.

Am bedenklichsten finde ich jedoch das Anknüpfen der Besoldung an Einkünfte Dritter. Der Partner soll sich wirtschaftlich gegenüber dem Dienstherren des Ehegatten "nackig machen", damit dem Beamten eine amtsangemessene Alimentation gewährt wird? Und bei fehlendem Mitwirken des Dritten (man denke z.B. an Scheidungsverfahren) wird die Beweislast, dass der Beamte des Familienergänzungszuschlages bedarf vom Dienstherren auf diesen abgewälzt? Selbst wenn das Mitwirken gerichtlich erzwungen werden könnte, vergehen hier lange Zeiträume, in welchen der Beamten dann nicht amtsangemessen Alimentiert würde.


Eventuell darf man der ein oder andere demnächst noch Geld mit bringen 8) 8)

lotsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2020 am: 31.08.2021 10:04 »
"[...] Was übersehe ich hier[...]?"



Die Gesetzgeber wollen diesen Bedarf aber wirklich nur minimal anerkennen, und rennen mit bloßem Auge in die nächsten handwerklichen Fehler.


Ich kann nicht mehr an handwerkliche Fehler glauben. Zu eindeutig sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und zu eindeutig sind die Verstöße dagegen. Ich gehe mittlerweile von ideologischem Handeln und Kalkül aus.

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2021 am: 31.08.2021 11:17 »
Die Gewerkschaften müssen dies noch aktiver unterstützen. Da kommt einfach zu wenig.

Stuttmänner aller Länder, vereinigt euch!

Rentenonkel

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2022 am: 01.09.2021 08:30 »
Das BVerfG hat in seinem Urteil dem Gesetzgeber bei der Umsetzung einer verfassungsgemäßen Besoldung einen großen Spielraum gelassen. Bei der Berechnung der Alimentation wurden immer die Nettobeträge nach Abzug der durchschnittlichen Beiträge zur privaten KV zugrunde gelegt.

Soweit der Dienstherr also die Beihilfe für kinderreiche Familien erhöht und somit die Unterstützung daran knüpft, dass tatsächlich auch zusätzliche Kosten für die Krankenversicherung entstehen (gesetzlich versicherte Kinder sind ja in der Regel in der kostenlosen Familienversicherung versichert), ist dieser Vorschlag sicherlich verfassungsrechtlich gut zu begründen.

Weitere, verschiedenste Vorschläge aus den Bundesländern zeugen von großer Kreativität der jeweiligen Finanzminister. Nicht alle werden aber aus meiner Sicht einer Überprüfung durch das BVerfG standhalten.

War der Beamte ursprünglich allein dem Regenten verpflichtet, wandelte er sich mit dem veränderten Staatsverständnis vom Fürsten- zum Staatsdiener. Seine Aufgabe war und ist es, Verfassung und Gesetz im Interesse der Bürger auch und gerade gegen die Staatsspitze zu behaupten. Die Übernahme der funktionswesentlichen tradierten Grundstrukturen des Berufsbeamtentums in das Grundgesetz beruht auf einer Funktionsbestimmung des Berufsbeamtentums als Institution, die, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatswesen gestaltenden politischen Kräften bilden soll. Die institutionelle Einrichtungsgarantie des Art. 33 Abs. 5 GG trägt gleichzeitig der Tatsache Rechnung, dass im demokratischen Staatswesen Herrschaft stets nur auf Zeit vergeben wird und die Verwaltung schon im Hinblick auf die wechselnde politische Ausrichtung der jeweiligen Staatsführung neutral sein muss. Insoweit kann die strikte Bindung an Recht und Gemeinwohl, auf die die historische Ausformung des deutschen Berufsbeamtentums ausgerichtet ist, auch als Funktionsbedingung der Demokratie begriffen werden. Seine Aufgabe kann das Berufsbeamtentum nur erfüllen, wenn es rechtlich und wirtschaftlich gesichert ist. Nur wenn die innere und äußere Unabhängigkeit gewährleistet ist und die Bereitschaft zu Kritik und nötigenfalls Widerspruch nicht das Risiko einer Bedrohung der Lebensgrundlagen des Amtsträgers und seiner Familie in sich birgt, kann realistischerweise erwartet werden, dass ein Beamter auch dann auf rechtsstaatlicher Amtsführung beharrt, wenn sie (partei-) politisch unerwünscht sein sollte (vgl. BVerfGE 7, 155 <162 f.>; 119, 247 <260 f.>; 121, 205 <221>; 140, 240 <291 Rn. 103>; 149, 1 <15 f. Rn. 33>). Die Verpflichtung des Dienstherrn zu einer amtsangemessenen Alimentation des sich mit seiner ganzen Arbeitskraft seinem Amt widmenden Richters und Beamten besteht also nicht allein in dessen persönlichem Interesse, sondern dient zugleich dem Allgemeininteresse an einer fachlich leistungsfähigen, rechtsstaatlichen und unparteiischen Rechtspflege und öffentlichen Verwaltung, hat also auch eine qualitätssichernde Funktion (vgl. BVerfGE 114, 258 <294>; 130, 263 <293>; 139, 64 <119 Rn. 114>; 140, 240 <288 Rn. 97>).

Wenn also der Beamtenfamilie damit gedroht werden kann, bei unerwünschtem Verhalten des Beamten den Ehepartner zu kündigen, dann wäre der Beamte aus meiner Sicht mittelbar erpressbar. Er kann ohne das Einkommen des Ehepartners den Lebensunterhalt der Familie nicht sicherstellen, den optionalen Familienzuschlag bekommt er allerdings erst später oder gar nicht, da aufs Jahr betrachtet möglicherweise kein oder nur ein geringerer Bedarf bestand. Entgegen dem Sozialrecht wird im Beamtenrecht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung wohl auf das jährliche und nicht das monatliche Einkommen abgestellt. Das Geld für die Vergangenheit ist allerdings möglicherweise schon verbraucht, der unmittelbare Bedarf ist in einem solchen Fall akut nicht gedeckt. Der Beamte muss in diesem Fall zunächst einen Antrag stellen, die Leistungsunfähigkeit seines Partners belegen und auf eine Entscheidung warten. Vor diesem Hintergrund könnte er sich genötigt sehen, private Interessen vor denen der rechtsstaatlichen und unparteiischen Rechtspflege zu stellen.

Somit sehe ich die innere und äußere Unabhängigkeit bei einem lediglich optionalen, bedarfsorientiertem, ergänzenden Familienzuschlag nicht gewährleistet. Leistungen, die abhängig sind von der Leistungsfähigkeit der anderen Familienmitglieder, stellen aus meiner Sicht aus den oben genannten Gründen eine Gefahr für die amtsangemessene, wirtschaftliche Unabhängigkeit der Richter und Beamten dar. Der Beamte muss m.E. in der Lage sein, immer und ohne zusätzliche Hürden den amtsangemessenen Lebensunterhalt für sich und seine Familie sicherzustellen.

boysetsfire

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« Antwort #2023 am: 01.09.2021 08:44 »
In S.-H. gibt es jetzt den "Entwurf eines Gesetzes zur Gewährleistung eines ausreichenden Abstandes der Alimentation zur sozialen Grundsicherung und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamtinnen und Beamten mit mehr als zwei Kindern". Yeah.....

Leider kann ich hier im Forum keine Dateien hochladen. Und mit Copy&Paste komme ich auch nicht weiter, sind  schlappe 65 Seiten. Hat jemand einen Tipp, wie ich das pdf hier einbinden kann?

Der Obelix

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« Antwort #2024 am: 01.09.2021 14:31 »
Sag doch einfach Entwurf zum "GGaAAzsGaABBzK"

PDF einbinden wäre toll, oder ein Link gerne ebenfalls. bzw. das könnte noch einfacher sein.