Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1488480 times)

clarion

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2145 am: 13.09.2021 21:04 »
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HansGeorg

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2146 am: 14.09.2021 07:59 »
Man erlaube mir eine dumme Frage. Ich verfolge dieses Thema schon seit langem und habe mir nunmal die Mühe gemacht dies selsbt für mich auszurechnen, was denn 15% über Grundsicherung für mich bedeutet. Ich bin a7 Stufe 8 in SH, bin Verheirattet und habe 2 Kinder und Wohneigentum. Jedoch komme ich wenn ich die Grundsicherung ausrechne noch nicht mal irgendwie annähernd auf meine derzeitige Besoldung. Ich habe hier jedoch immer wieder gelesen, dass es gerade auch um meine Konstellation geht die Probleme machen soll. Denke ich falsch oder gibt es dazu mal Richtwerte?  Vielen Dank.

Wenn man das Verhältnis von Mindest- und Nettoalimentation für Schleswig-Holstein berechnen will, muss man zunächst das Grundsicherungsniveau bemessen (vgl. zum nachfolgenden Vorgehen die in der Anfangzeit diesen Forums getätigten Ausführungen, die ich hier nicht noch einmal umfassend wiederhole). Diese sind für Schleswig-Holstein im Jahr 2020:

Regelleistungen für zwei Erwachsene und zwei Kinder (Existenminimumbericht): 1.368,00 €
Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie Sozialtarife (Existenzminimumbericht): 124,46 €
Kalte Unterkunftkosten (95 %-Perzentile der BfA): 1.050 €
Heizkosten (Bundesweiter Heizspiegel, SH: 85 qm): 160,15 €

sozialhilferechtlicher Grundsicherungsbedarf: 2.702,61 €
Mindestalimentation (115 %ige Vergleichsschwelle): 3.108,00 €

Die Mindestalimentation ist dabei insgesamt zu gering bemessen, da für Schleswig-Holstein bislang keine realitätsgerechten Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife vorliegen, sodass hier die Werte des Existenzminimumberichts zu Grunde gelegt werden (inklusive der Coronahilfe für 2020). Da das Land realitätsgerechte Bemessungen vornehmen muss, wird sich der Wert noch einmal recht deutlich erhöhen, wie die bereits von Berlin und Thüringen vollzogenen Bemesseungen zeigen.

Die Nettoalimentation einer vierköpfigen Alleinverdienerfamilie setzt sich in der ersten Erfahrungsstufe der untersten Besoldungsgruppe für das Jahr 2020 wie folgt zusammen:

Grundgehalt (A 2/1): 2.137,10 €
Familienzulage: 406,92 €
Sonderzahlung: 55,00 €
Sonderbetrag Kinder: 66,67€
Summe Bruttobezüge: 2.665,68 €

Bei der Berechnung der Einkommensteuer muss der sogenannte BEG-Anteil mit einbezogen werden, der laut Mitteilung des PKV-Verbands 2020 485,42 € betrug. Der steuerliche Abzug beträgt so 89,66 €. Von dieser Summe sind darüber hinaus die PKV-Kosten abzuziehen, die laut der genannten Mitteilung für 2020 602,42 € betrugen. Am Ende ist das Kindergeld in Höhe von 408,00 € zu addieren. Die Nettoalimentation betrug 2020 folglich 2.381,60 €. Der Fehlbetrag zwischen Mindest- und Nettoalimentation betrug insofern 2020 726,40 € bzw. 23,4 %.

Da das Grundgehalt von A 7/8 2020 2.927,39 € betrug, beläuft sich die Bruttobesoldung unter Heranziehung der im letzten Absatz genannten weiteren Bedingungen für die entsprechende vierköpfige Familie auf 3.425,30 € (auch hier werden also nachfolgend Stellenzulagen nicht berücksichtigt, was vom BVerfG demnächst für die Besoldungsgruppen des mittleren Diensts konkretisiert werden muss - in welche Richtung auch immer). Unter Beachtung des BEG-Anteils beläuft sich der steuerliche Abzug auf 267,83 €. Von dieser Summe sind die genannten PKV-Kosten abzuziehen und ist das Kindergeld zu addieren. Die entsprechende Nettoalimentation in der achten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 betrug insofern 2020 2.963,05 € und lag damit 144,95 € unterhalb der Mindestalimentation. Dabei ist zu bedenken, dass diese wegen der nicht realitätsgerechten Bemessung der Kosten für die Bedarfe für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife hier deutlich zu gering vollzogen worden ist. Der Fehlbetrag zwischen Netto- und Mindestalimentation dürfte insofern insgesamt jeweils noch einmal deutlich höher ausfallen.

Wie an anderer Stelle für Berlin gezeigt wurde, wird dort selbst noch von Teilen des gehobenen Diensts die Mindestalimentation nicht erreicht. In Schleswig-Holstein dürfte das nicht anders sein, da das Grundgehalt von A 7/8 höher ist als von A 10/2. In Anbetracht der dargelegten Größenordnungen, die in den anderen Bundesländern von der Tendenz nicht unähnlich sind (insbesondere in den alten Ländern), dürfte es ein interessante Aufgabe sein, wie man das Maß der Mindestalimentation nicht unterschreiten wollte, ohne das Grundgehalt zu erhöhen, denke ich.

Super, vielen Dank ür diese ausführliche Erklärung. Eine Frage bleibt mir dennoch unerschlossen. Bezieht sich diese Berechnung auf das Familieneinkommen, muss ich also das Gehlt meiner Frau mit einberechnen oder wie spielt das mit rein? Ich frage nur weil ja bei uns in SH ab nächstem Jahr ein Ergänzungszuschlag geplant ist? Und wie steht es eigentlich mit den anhängigen Verfahren beim BVG, gibt es da einen Stand?
« Last Edit: 14.09.2021 08:08 von HansGeorg »

Fahnder

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2147 am: 14.09.2021 08:59 »
...arme Schlucker kann das Rentensystem nicht gebrauchen... 8)

Sie haben es erfasst. Wenn selbst im Moment ein Großteil der Beamtenfamilien unter A 11 unteralimentiert sind, was soll da eine noch teurere Bürgerversicherung bewirken? Ich glaube kaum, dass die A6-Beamtenfamilien eine Gehaltskürzung von weiteren 25 Prozent hinnehmen werden. Die Bezüge müssten für Familien laut BVerfG nicht nur um Brutto 10 bis 30 Prozent, sondern mit AG-Anteilen, AN-Anteilen, bAV und unter Beachtung der Steuerprogression geschätzt je nach Wohnort und Familienstand um 35 bis 55 Prozent erhöht werden. Es gibt wohl keinen schnelleren Weg die Staatsfinanzen zu ruinieren...  ::)

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2148 am: 14.09.2021 10:07 »
@ HansGeorg

Das Bundesverfassungsgericht geht in der aktuellen Entscheidung weiterhin von der vierköpfigen Alleinverdienerfamilie als aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße zur Bemessung der gewährten Nettoalimentation aus und es ist seiner bisherigen Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass es diese Bezugsgröße ändern möchte. Die Besoldungsgesetzgeber können auf dieser Grundlage ihren weiten Ermessensspielraum nutzen, um die Besoldung im Rahmen der Rechtsordnung zu differenzieren. Das haben in der Vergangenheit beispielsweise Brandenburg und Rheinland-Pfalz getan, wie hier an anderer Stelle dargelegt. Zum "Familieneinkommen" hat sich unlängst das OVG Schleswig-Holstein argumentativ schlüssig geäußert (Beschluss vom 23.03.2021, 2 LB 93/18, Rn. 106-109; https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/t/dsu/page/bsshoprod.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=MWRE210002492&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.hl=1#focuspoint). Zwar sind die Betreuungsmöglichkeiten und ein entsprechender Rechtsanspruch im Verlauf der letzten 20 Jahre zunehmend ausgeweitet worden und werden das auch zukünftig noch weiter werden. So wird das GaFöG ab August 2026 stufenweise dafür sorgen, dass Kinder im Grundschulalter einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung haben werden. Allerdings ist es bis dahin noch etwas hin - und ein Rechtsanspruch beinhaltet keine Pflicht, ihn auch zu nutzen. Wenn also der Gesetzgeber eine Zwei-Verdiener-Familie zum Regelfall erklären wollte, dürfte ihm - nicht zuletzt sozialrechtlich - einiges an Arbeit bevorstehen, da davon augenscheinlich nicht geringe Teile unserer Rechtsordnung tangiert werden sollten, das auch mit Blick auf Art. 6 GG.

Der Obelix

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2149 am: 14.09.2021 10:52 »
Diesen Regelfall bzw. die Änderung auf einer zwei-Verdiener Konstellation wird nicht kommen.

Der Beamte kann bundesweit oder Landesweit versetzt werden. Auch Aufgabenänderungen kommen sehr schnell.

Das geht rechtlich nur, wenn man den Beamten alleine sieht. Sobald die Frau mit einbezogen wird und auch ihr Einkommen ein fester Parameter wird, kann es diese Beamtenpflicht mit Versetzung / Abordnung etc nicht mehr geben.

Das schliesst sich dann sozusagen direkt aus finde ich (meine ganz persönliche Meinung).

Hefty

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was_guckst_du

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« Antwort #2151 am: 14.09.2021 12:07 »
...alle Abstandsgebot-Theoretiker schauen in die Röhre... 8)
Gruß aus "Tief im Westen"

Meine Beiträge geben grundsätzlich meine persönliche Meinung zum Thema wieder und beinhalten keine Rechtsberatung. Meistens sind sie ernster Natur, manchmal aber auch nicht. Bei einer obskuren Einzelfallpersönlichkeit antworte ich auch aus therapeutischen Gründen

Spid

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2152 am: 14.09.2021 12:10 »
Diesen Regelfall bzw. die Änderung auf einer zwei-Verdiener Konstellation wird nicht kommen.

Der Beamte kann bundesweit oder Landesweit versetzt werden. Auch Aufgabenänderungen kommen sehr schnell.

Das geht rechtlich nur, wenn man den Beamten alleine sieht. Sobald die Frau mit einbezogen wird und auch ihr Einkommen ein fester Parameter wird, kann es diese Beamtenpflicht mit Versetzung / Abordnung etc nicht mehr geben.

Das schliesst sich dann sozusagen direkt aus finde ich (meine ganz persönliche Meinung).

Da das für vergleichbare AN ebenso gilt, erschließt sich diese Vorbringung nicht.

Landsknecht

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« Antwort #2153 am: 14.09.2021 12:24 »
...alle Abstandsgebot-Theoretiker schauen in die Röhre... 8)

Warum? 8)

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« Antwort #2154 am: 14.09.2021 12:26 »
@Hefty: Positiv an diesem Gesetzesentwurf ist, das sich Landesregierung an ihre Zusagen bezüglich der Widersprüche ab 2015 hält. Kann man sich ja heutzutage nicht mehr zwingend drauf verlassen :-(

@was_guckst_du: Bisher behauptet auch nur Herr Hasselhoff, das die Besoldung in dieser Form Verfassungsgemäß wäre. Mal sehen was unser oberstes Gericht in ein paar Jahren dazu sagt, wenn die entsprechenden Klagen durchgefochten wurden.

@topic: Verstehe ich das Richtig, das die Maßgabe der "vierköpfigen Einzelverdiener Beamtenfamilie" solange fortgilt, bis das Bundesverfassungsfericht anderweitig befindet?
Das OVG Schleswig-Holstein hat das Thema im obigen Urteil mMn ja recht gut ausgeführt.

was_guckst_du

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2155 am: 14.09.2021 12:33 »
@was_guckst_du: Bisher behauptet auch nur Herr Hasselhoff, das die Besoldung in dieser Form Verfassungsgemäß wäre. Mal sehen was unser oberstes Gericht in ein paar Jahren dazu sagt, wenn die entsprechenden Klagen durchgefochten wurden.
...ja, das kann (und wird) dauern...und bis dahin schauen sie in die Röhre...wenn es dann das Berufsbeamtentum in heutiger Form überhaupt noch gibt..
Gruß aus "Tief im Westen"

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« Antwort #2156 am: 14.09.2021 12:43 »
...ja, das kann (und wird) dauern...und bis dahin schauen sie in die Röhre...wenn es dann das Berufsbeamtentum in heutiger Form überhaupt noch gibt..

Das steht zu befürchten. Da ich aber erst anfang dreißig bin, kann ich mich in Hessen beruhigt zurücklehnen und mich Jahrzehntelang durchs Beamtenleben klagen.

WasDennNun

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« Antwort #2157 am: 14.09.2021 13:13 »
Sie haben es erfasst. Wenn selbst im Moment ein Großteil der Beamtenfamilien unter A 11 unteralimentiert sind,
Wieso ein Großteil der A11 Beamtenfamiie?
Alle Beamten sind unteralimentiert!

Bzgl. der Mindestabstandsgebotes ist es aber nur ein Minderheit, die einen zusätzlichen gehörigen Aufschlag benötigen um verfassungskonform bezahlt zu werden.
(Und Kinderlose sind mit 5% Aufschlag nicht mehr unteralimentiert.).

Schroedinger

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #2158 am: 14.09.2021 14:25 »
Gibt es bereits aus den anderen Bundesländern, die hier in der Diskussion noch nicht so ausführlich besprochen wurden, Reaktionen? Insbesondere würde mich interessieren, wie der Diskussionsstand in BW ist. Will man hier auch den Weg über die Familienzuschläge gehen oder gibt es hier evtl. überhaupt keinen Handlungsbedarf?

WasDennNun

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« Antwort #2159 am: 14.09.2021 14:38 »
oder gibt es hier evtl. überhaupt keinen Handlungsbedarf?
Der Handlungsbedarf ist in allen Bundesländern gleich, nur der Handlungsdruck wg. urteile ist unterschiedlich.