Autor Thema: [Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1491639 times)

Malkav

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3825 am: 05.10.2022 15:25 »
Neues aus dem FM RLP!

Der dortige Leiter des Referats für Besoldungsrecht veröffentliche jüngst einen Aufsatz in der "Recht im Amt" (RiA 2022, 141). Er Schreibt dabei ausdrücklich als Referatsleiter und stellt keine Einschränkung im Sinne von "Die Ausführungen des Autors geben ausschließlich seine persönliche Meinung wieder" voran.

Im Eröterungsteil "bleibt [ihm] unklar", weshalb das BVerfG hinsichtlich der Heizkosten nicht auf das 95%-Perzentil der Bundesagentur für Arbeit für die warmen Unterkunftskosten zurückgreift. Er missversteht hier offensichtlich die Rechtsprechung des BSG nahezu vorsätzlich.

Daneben stellt er richtigerweise fest, dass bei der Bestimmung des Nettogehaltes der BeamtInnen "solche Bezüge zu berücksichtigen [sind], die allen Beamtinnen und Beamten einer Besoldungsgruppe gewährt werden." Dies schließt nach meinem Dafürhalten solche Zuschläge aus, welche nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. nicht berufstätiger Ehegatte) gewährt werden.

Auch das FM RLP begreift die 115% der Grundsicherung offensichtlich als Zielmarke der Besoldung. Anders ist nicht zu verstehen, dass der Autor feststellt, dass "auch das [Bundesverfassungs-]Gericht sich die Frage gefallen lassen [muss], wie eine in die Zukunft gerichtete Umsetzung durch den Besoldungsgesetzgeber erfolgen kann, wenn diesem ein finales Zahlenmaterial nicht zur Verfügung steht". Die Idee eines Sicherheitsabstandes zu den mindestens 115% der Grundsicherung (z.B. 120 oder 125 %) erörtert der Autor offensichtlich bewusst nicht, da dies seinen Dienstherren Geld kosten würde.

Wirklich interessant werden die Ausführungen hinsichtlich der weiteren Entwicklung und dem Verhalten der Dienstherren. Die BeamtInnen sehen sich zukünftig "jedes Jahr der Frage ausgesetzt, ob sie die gewährte Alimentation akzeptieren oder ob sie in die immer komplexere Prüfung nach den verfassungsgerichtlichen Vorgaben einsteigen und eine amtsangemessene Alimentation geltend machen." Hier wird bewusst wahrheitswidrig der Eindruck erweckt, dass bereits das Widerspruchsschreiben umfangreiche Berechnungen und Begründungen enthalten müsste. Abgerundet wird dies von der Feststellung, dass es "Ruhendstellung [...] folglich nicht mehr geben [wird]". Die bemitleidenswerte Verwaltungsgerichtsbarkeit in RLP kann sich ja schonmal Tipps von den KollegInnen aus Hamburg und Thüringen holen.

Bezüglich der Bewertungen der Entwurflagen in den verschiedenen Bundesländern schickt sich RLP an das Schleswig-Holstein des Südens zu werden und propagiert einen Familienergänzungszuschlag wie in § 45a SHBesG. Dieser Sonderzuschlag soll ausdrücklich nur als "Auffangregelung für atypische Fallkonstellationen" dienen. Danach folgt noch viel Prosa zur Modernisierung des Besoldungsrechtes etc. etc.

Es scheint reiner Zufall zu sein, dass diese "Modernisierungen" erst jetzt erfolgen, wenn diesem den Dienstherren scheinbar Milliardeneinsparungen ermöglichen sollen.

SwenTanortsch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3826 am: 05.10.2022 17:53 »
Es ist auf den ersten Blick erstaunlich, dass in der berechtigt als wichtige Fachzeitschrift angesehenen RiA ein sachlich solch wirrer Artikel das peer review-Verfahren übersteht. Eines zweiten Blicks dürfte es würdig sein, dass die RiA damit das sachlich streckenweise sinnbefreite Denken in den Finanzministerien dokumentiert und so ggf. eine sachliche Betrachtung der wiederkehrend sachfremden Erwägungen durch die und in der Rechtswissenschaft ermöglicht. Es dürfte zu vermuten sein, dass die RiA solch sachlich niveaulose Ausführungen kaum abgedruckt hätte, wenn der Autor darin seine Privatmeinung dargestellt hätte. Entsprechend liegt hier ein Dokument der Zeitgeschichte vor, das die ansonsten nur in Drucksachen wiederkehrend zu findenden willkürlichen Betrachtungen entsprechend hier einem breiteren (Fach-)Publikum zugänglich macht. Es dürfte von einigem Interesse sein, ob und wie in und von der Rechtswissenschaft auf diesen Bullerbü-Artikel reagiert werden wird. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit kann solch sachlichen Unsinn an sich nur mit Grausen betrachten. Höchstwahrscheinlich wird es bald nicht nur in Berlin verwaltungsgerichtliche Mustervorlagebeschlüsse geben, um der dann zu erwartenden Flut von Klagen, auf die sich dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Kanzleien spezialisieren werden, Herr werden zu können. In Anbetracht dessen, dass schon heute die (Verwaltungs-)Gerichtsbarkeit immer längere Verfahrensdauern als Folge ihrer Überlastung zu verzeichnen hat, was der Rechtssicherheit in Deutschland Schaden zufügt und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten standortgefährdend ist, muss man wohl an der Verstandeskraft solcher Verantwortungsträger bzw. ihrer Dienstherrn zweifeln.

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/verfahrensdauer-zivilprozess-richter-arbeitsweise-studie-parteivortraege-vergleiche/

All das ist ja nicht nur hier in Niedersachsen seit langer Zeit allseits bekannt, vgl. bspw. Nds.-Drs. 17/6265 v. 09.08.2016 unter https://www.nilas.niedersachsen.de/starweb/NILAS/servlet.starweb?path=NILAS/lisshfl.web&id=NILASWEBFASTLINK&search=(%28NEDF%2CHEDF%3D%22HAFTBEFEHL%22+AND+WP%3D17%29+AND+NOT+%281SPER%2CSPER%3D%3F%2A%29+AND+NOT+%281SPER%2CSPER%3D%3F%2A%29+AND+NOT+%281SPER%2CSPER%3D%3F%2A%29+AND+NOT+%281SPER%2CSPER%3D%3F%2A%29+AND+NOT+%281SPER%2CSPER%3D%3F%2A%29)+AND+ID=V-391018&format=WEBVORGAFL Schauen wir also mal, ob die klare Antwort auf die Frage 29 dann hinsichtlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zukünftig entsprechend ausfallen wird und insbesondere ob sie auch entsprechend so ausfallen kann. In Berlin dürfte das bereits zu bezweifeln sein.

https://www.drb-berlin.de/mitgliedschaft/votum/votum/news/besoldung-musterklage

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3827 am: 05.10.2022 18:03 »
Ab 01.01.23 hinkt man wieder hinterher, vor allem auch wegen dem Bürgergeld.
Wenn die Widersprüche nicht mehr ruhend gestellt werden, legt man einfach Ende Dezember 23 und Anfang Januar 24 Widerspruch ein und schon hat man wieder zwei Jahre mehr, die dann vermutlich im gleichen Widerspruchsbescheid landen. So kann man günstig seine Alimentation gerichtlich überprüfen lassen.

Das Spielchen können die Beamten nämlich auch spielen.

m3mn0ch

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3828 am: 05.10.2022 18:18 »
Solange dieses Spielchen aber nur ein Bruchteil der Beamtenschaft macht, kann es dem Dienstherrn herrlich gleich sein. Die paar Kröten für ein paar Beamten hat er noch lange in seinem Säckchen.

Die breite Masse muss endlich tätig werden, damit der Dienstherr merkt, es wird bald richtig teuer.

Der Obelix

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3829 am: 05.10.2022 18:59 »
Das Gefasel mit der angeblichen Modernisierung des Besoldungsrechts zwanzig Jahre nach der Föderalismusreform kann auch nicht Mal mehr meine Oma glauben. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet und ach so plötzlich will man modern werden , während man zwanzig Jahre im Tiefschlaf war und gekürzt hat dass die Schwarte kracht.

smiteme

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3830 am: 05.10.2022 20:05 »
Gibt es eigentlich schon wieder neue Widerspruchsschreiben auf die Anpassungen in NRW? Wenn ja, wo?

NordWest

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3831 am: 05.10.2022 20:33 »
Schauen wir also mal, ob die klare Antwort auf die Frage 29 dann hinsichtlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zukünftig entsprechend ausfallen wird und insbesondere ob sie auch entsprechend so ausfallen kann. In Berlin dürfte das bereits zu bezweifeln sein.

https://www.drb-berlin.de/mitgliedschaft/votum/votum/news/besoldung-musterklage

Dass der Richterbund ein Musterurteil veröffentlich, ist schon ein starkes Stück und unterstreicht die hohe Bedeutung und große Anzahl der Klagen. Ich hoffe, dass die Verfasser als Richter selbst aber nicht mit den Verhandlungen zur Besoldungsthematik beschäftigt sind (oder später werden), da man ihnen sonst leicht Befangenheit vorwerfen könnte nach der Veröffentlichung dieser Klage. Jenseits von diesem Einwadn ist die Veröffentlichung ein wichtiger Schritt, der die Verfahren an VG hoffentlich beschleunigen kann.

Finanzer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3832 am: 06.10.2022 08:30 »
Dass der Richterbund ein Musterurteil veröffentlich, ist schon ein starkes Stück und unterstreicht die hohe Bedeutung und große Anzahl der Klagen. Ich hoffe, dass die Verfasser als Richter selbst aber nicht mit den Verhandlungen zur Besoldungsthematik beschäftigt sind (oder später werden), da man ihnen sonst leicht Befangenheit vorwerfen könnte nach der Veröffentlichung dieser Klage. Jenseits von diesem Einwadn ist die Veröffentlichung ein wichtiger Schritt, der die Verfahren an VG hoffentlich beschleunigen kann.

Die Thüringer Richter haben das Problem mit der Befangenheit elegant gelöst, die haben die beklagte Partei darauf hingewiesen, das sie samt und sonders auch alle Widerspruch gegen die Besoldung eingelegt haben.
Dem Beklagten wurde eine Frist gegeben, bis zu deren Ende er sich zum Thema Befangenheit zu äußern hat, ansonsten sehen die Richter das Thema als erledigt an.

Blablublu

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3833 am: 06.10.2022 12:56 »
Es steht doch alles was man zur Begründung des WS braucht in der Begründung der Besoldungsgesetze. Etwas Zahlenaustauschen kann ich auch im Widerspruchsverfahren noch selber. Anschließend muss der Dienstherr sich ja äußern, weshalb er der Meinung ist, dass meine Zahlen nicht stimmen.

correction80

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3834 am: 06.10.2022 13:23 »
In RLP wurde mir für die Rücknahme der Klage gegen den Familienzuschlag (verh. 4K) 2021 jetzt 2.400€ angeboten. Natürlich habe ich dankend abgelehnt, aber was soll man dazu sagen.

Ozymandias

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« Antwort #3835 am: 06.10.2022 13:32 »
Wie auf dem Basar.

Koi

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3836 am: 06.10.2022 14:28 »
Naja, das klingt ja wie ein typisches Vergleichsangebot, das ist ja nun nicht unüblich. Ich frage mich nur was es dem Beklagten bringt. Solange nur eine einzige Klage übrig bleibt muss eine allgemeingültige Lösung her, also ein verfassungskonformes Gesetz, die Arbeit hat man also ohnehin. Oder will man hier auf biegen und Brechen noch den letzten Euro sparen?!

Ozymandias

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3837 am: 06.10.2022 16:59 »
In RLP wurde mir für die Rücknahme der Klage gegen den Familienzuschlag (verh. 4K) 2021 jetzt 2.400€ angeboten. Natürlich habe ich dankend abgelehnt, aber was soll man dazu sagen.

Gibt natürlich immer auch ein Prozessrisiko.
Ich habe auch schon mal einen Vergleich abgelehnt und ein 100% gewinnbares Verfahren verloren, aber nur weil der Anwalt einen Fehler gemacht hat. Dann musste ich mühsam gegen den Anwalt für meine Knete vorgehen.

Hier ist es aber keine vertragliche Streitigkeit, sondern man wird ja per Gesetz besoldet.
Ein Mitstreiter hat sein Verfahren vor dem VG ja verloren, weil das Gericht ihm nicht so ganz geglaubt hat weil er zu früh dran war, hat dann aber ein Jahr später seine Meinung geändert...

Die Verwaltungsgerichte legen auch nur sehr ungern dem BVerfG Vorlagebeschlüsse zu, da diese viel Arbeit sind und das BVerfG hohe Ansprüche daran stellt. z.B. das SG Gotha hat bzgl. Hartz IV mal eine sehr bekannte Vorlage gemacht, die dann unzulässig war und erneut gestellt werden musste. Etwas peinlich. Selbst ein Bundesrichter hat mal keinen zulässigen Vorlagebeschluss hinbekommen.

Eigentlich müsste das VG bei Zweifeln ein Vorlagebeschluss an das BVerfG stellen...

Rheini

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3838 am: 07.10.2022 05:18 »
Automatisch findet gar nix statt. Gesetzgebung obliegt der Legislative.

Diese entscheidet ob, wann, wo , wie , in welchem Umfang Gesetze erlassen und verkündet werden.

"Automatisch" bedeutet für mich in diesem Zusammenhang, dass jeder an Recht und Gesetz gebunden ist und von sich aus selber prüfe und dann auch zu ändern hat, wenn aufgrund von Entwicklungen -hier Bürgergeld-, dies nicht mehr gegeben ist. Mein Rechtsverständnis ist schwer getroffen, wenn der Staat dies erst anhand von gerichtlichen Feststellungen macht. Oder siehstvDu das anders?

lumer

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Antw:[Allg] Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3839 am: 07.10.2022 06:11 »
In RLP wurde mir für die Rücknahme der Klage gegen den Familienzuschlag (verh. 4K) 2021 jetzt 2.400€ angeboten. Natürlich habe ich dankend abgelehnt, aber was soll man dazu sagen.
Angesichts § 2 Abs. 2 LBesG RP, der dem Land geläufig sein sollte, finde ich das interessant. War das mehr oder etwas Anderes, als das Gesetz vorsieht?