@Bundi: Ich komme nicht umhin, deiner Haltung zu widersprechen. Die von Dir angeführte Erosion in der Vertrauen in den Dienstherrn mag, wenn wir großzügig runden, 5% der Bundesbeamtenschaft betreffen, der erschreckend überwiegende Teil freut sich über mehr Geld, fühlt sich aber nicht so unteralimentiert, dass sein Vertrauen dadurch geschwächt würde. Lass nochmal 10% ihre Arbeitsleistung an die Besoldung (nach unten) anpassen, dann hast Du alle die Edeka sind mit drin und immer noch 85% zufriedene Herde. [1]
@xap: weil das Urteil nicht den Bund unmittelbar betrifft.
Wenn man die Kommunikation nach außen liest wird eine klare Linie deutlich: Wir haben gesehen was die Länder falsch gemacht haben, das machen wir jetzt mal richtig vor, aber das dauert eben. [2]
Ich nehme das, was ich mitkriege, beides weitgehend genauso wahr: Genauso ist die Stimmunglage bei vielen politischen Entscheidungsträgern nicht nur im Bund.
Zugleich findet man hinsichtlich der Nr. 2 (Deiner Reaktion auf xap) tatsächlich zunehmende Lerneffekte der Besoldungsgesetzgeber: Sie nehmen die in anderen Gesetzgebungsverfahren geäußerte Kritik allerdings bislang weiterhin weit überwiegend nur mit dem Ziel auf, dass eigene nicht verfassungskonforme Handeln zu immunisieren, was sich eindrücklich hinsichtlich des Doppelverdienermodells nachweisen lässt. Hier versucht man, die sachlich unzureichenden Begründungen der Vorgänger zu umgehen, indem man zunehmend neue Zusatzbedingungen konsturiert, obgleich für jeden, der sich ein wenig in der Materie auskennt, auf der Hand liegt, dass diese Modelle in der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland nur so geregelt werden können, dass das zu keinen substanziellen Einspareffekten führt. Das "dauert eben" verfolgt insofern nicht das Ziel, zu einer verfassungskonformen Besoldungsgesetzgebung zurückzukehren, sondern innerhalb der bis auf Weiteres geltenden Regelungen weiterhin verfassungswidrig hohe Personalkosten einzusparen, um mit der dann vollzogenen Neuregelung weithin keine substanziellen Verbesserungen und schon gar nicht eine amtsangemessene Alimentation aller Bediensteten herzustellen.
Insofern dürfte hinsichtlich der Nr. 1 (Deiner Reaktion auf Bundi) nicht ausgeschlossen werden, dass das zukünftig politisch verheerend wirken kann, denke ich. Denn in der Beamtenschaft ist es ebenfalls so, wie Du das darlegst. Das war auch hier im Forum im ersten halben Jahr nach den aktuellen Entscheidungen so. Deshalb war damals das Unverständnis für den sachlichen Gehalt der aktuellen Entscheidung 2 BvL 4/18 zunächst recht groß - und mit zunehmendem Verständnis hat sich das sowohl in zunehmender Kenntnis als auch in zunehmendem Unmut gewandelt.
Die Frage wird sein, wie sich die angekündigten Entscheidungen über die drei Rechtskreise und die danach mit deutlich geringerer zeitlicher Differenz ergehenden weiteren Entscheidungen bei den Kolleginnen und Kollegen auswirken werden, die dann erkennen müssen, dass sie erstens seit Jahr und Tag verfassungswidrig unteralimentiert werden, dass zweiten für einen großen Teil von ihnen vergangenheitsbezogen keine Heilung mehr möglich sein wird, also nicht vorgenommen werden wird, da sie keinen Widerspruch eingelegt haben und dass ggf. drittens weiterhin eine nur bedingt vorhandene Bereitschaft in der politischen Klasse vorhanden sein wird, die dauerhafte Missachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Judikate nun aufzugeben.
Dabei werden die kommenden Entscheidungen auf eine sowohl ökonomisch als auch politisch und sachlich andere gesellschaftliche Situation treffen, als sie sich uns noch im Sommer 2020 dargestellt hat: Ökonomisch haben seitdem auch die Bediensteten einen gehörigen Wohlstandsverlust erlebt, sowohl wegen der weiterhin aufrechterhaltenen Verfassungswidrigkeit ihrer Besoldung, als auch wegen der Tarifergebnisse und ihrer Übertragungen, die nicht hinreichten, um überhaupt noch das verfassungswidrige Niveau von vor 2020 zu erhalten. Politisch hat sich seitdem eine in nicht geringen Teilen offen rechtsextremen AfD zu einer in weiten Teilen offen rechtsextremen Partei radikalisiert und das Potenzial ihrer Wählerschaft zugleich stark ausgeweitet, finden wir darüber hinausim Bund eine Regierung vor, die so unbeliebt ist, wie seit langer Zeit keine andere mehr war, hat sich mit der Linken eine der überkommenen Parteien mit einiger Wahrscheinlichkeit selbst zerlegt und kann von alledem die Union nur eher eingeschränkt profitieren - in alledem zeigt sich eine politische Sprengkraft im Land, die die Republik so offensichtlich noch nicht erlebt hat. Sachlich sind darüber hinaus die Medien heute ebenfalls deutlich weiter in ihren Kenntnissen fortgeschritten, da sich auch hier nach und nach in verschiedenen Verlagshäusern die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass etwas mit der Besoldung der Bediensteten im Land nicht ganz stimmt.
Innerhalb dieses Rahmens glaube ich, dass sich das, was Du heute berechtigt über die vielleicht fünf bis zehn Prozent (und in wenigen Rechtskreisen auch höheren) Prozentwerte schreibst, alsbald in andere Zahlen verkehren könnte (nicht zwangsläufig muss, denn Stimmungen hängen von vielen Faktoren ab). Dessen sollten sich (sollte man annehmen) die politischen Verantwortungsträger bewusst sein - entsprechend gleicht das, was sie weiterhin veranstalten, m.E. innerhalb der heutigen gesellschaftlichen Situation weitgehend einem Tanz auf dem Vulkan. In diesem Sinne glaubt man ggf. im Bund weiterhin, viel Zeit zu haben - wenn's für die dortigen Verantwortungsträger schlecht läuft, wird sich das allerdings als ein ziemlicher Trugschluss erweisen. Die Fahrwasser, in die man zunehmend hineinsteuert, werden mit jedem Tag der offen verfassungswidrigen Steuerweise in den gesellschaftlichen Gewässern, in denen wir heute treiben, zunehmend unberherrschbarer.
So verstanden kann man das weiter fortgesetzte Zuwarten m.E. sowohl als eine weitgehende Überforderung als auch als Hybris lesen, was beides zusammengenommen das Zeug für eine veritable Krise in den verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Segmenten unserer Republik hat. Die sich aufstauende Zeit, die man sich weiterhin nimmt, wird man ggf. bald schon bereuen müssen.