Klar ist die Höhe der Mindestalimentation und die daraus abgelleitete indiziellen Mindestbezüge. Letztere weigern sich aber alle 17 Besoldungsgesetzgeber zu berechnen.
Bisher muss ein Beamter mit sein Bezügen eine 4-köpfige Familie dem ausgeübten Amte nach angemessen Unterhalten können. Es steht den Besoldungsgesetzgebern aber frei hiervon abzuweichen, sofern sie das sachlich begründen können und eine Vereinbarkeit mit Art. 3 GG gewährleistet ist.
Unklar ist momentan, was oberhalb der Mindestalimentation passieren muss. Es gibt zwar ein verfassungsrechtliches Binnenabstandsgebot, aber ob das in der bisherigen Form bestehen bleiben muss ist nicht abschliessend geklärt. Die Besoldungsgesetzgeber könnten hier eine Neubewertung der Ämter vornehmen.Dabei zu beachten sind aber die Prozeduralisierungspflichten gemäß der Prüfparameter (s. Sammelthread).
Genauso ist es, insbesondere die nicht vollständig
abschließend geklärte Frage des Zusammenhangs zwischen den beiden Abstandsgeboten und den prozeduralen Anforderungen, die den Besoldungsgesetzgeber treffen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht deren enge Verbindung - also den Zusammenhang zwischen den beiden Abstandsgeboten und den den Besoldungsgesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen - schon heute sachlich
sehr weitgehend geklärt, was im letzten Jahr in der ZBR anhand der in Karlsruhe anhängigen Bremer Normenkontrollverfahren herausgearbeitet worden ist. Hier heißt es in der Zusammenfassung der Beitragsergebnisse (die nachfolgenden Zeilen schließen die gestern erstellte Betrachtung sachlich weitgehend ab):
"[J]e indiziell deutlicher der Verstoß gegen die Mindestbesoldung ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto größer sollte zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit sein, dass die jedem Amt immanente Wertigkeit sich nicht hinreichend
systematisch in der Besoldungshöhe widerspiegelt: Kann doch eine hinter der Forderung des Mindestabstands zurückbleibende Besoldungsgruppe ob der zwangsläufigen Verfassungswidrigkeit der sie begründenden Norm
keine Systematik ausprägen oder gewährleisten. Je mehr Besoldungsgruppen von daher indiziell hinter dem Abstandsgebot zurückbleiben, als desto reparaturbedürftiger dürfte sich damit das Besoldungsniveau als Ganzes entpuppen. Damit zeigt sich, dass die im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter einhergehende Staffelung der Gehälter ebenso als umso stärker in Mitleidenschaft gezogen zu betrachten sein sollte, je deutlicher der Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen von ihm betroffen sind." (Torsten Schwan, Das im Wandel begriffene Alimentationsprinzip vor den konkreten Normenkontrollverfahren 2 BvL 2/16 bis 2 BvL 6/16, ZBR 2023, S. 181 <188>)
An den dargelegten prinzipiellen Zusammenhängen, die der Zweite Senat entsprechend bereits konkretisiert hat, schließt dann hinsichtlich der Bundesbesoldung der gestern als Referenz herangezogene Beitrag an, den man mit der S. 18 als Ergebnis der gestern vollzogenen Prüfung wie folgt ergänzen kann (vgl.
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/07/Referentenentwurf-des-BMI-zu-BBVAngG-Stand-v.-16.01.2023-1.pdf):
Die gestern vollzogene Betrachtung der Besoldungsordnung A zeigt eine eklatante Verletzung des Mindestabstandsgebots, da nicht geringe Teile der Bundesbeamten aktuell weiterhin noch unterhalb des Grundsicherungsniveaus alimentiert werden, sofern es 2024 nicht zu einer umfassenden Heilung der seit Anfang 2021 eingestandenen verfassungswidrigen Alimentation kommt (vgl. zum Begriff des eklatanten Maßes BVerfGE 155, 1 <69 Rn. 163>). Die am Ende gezeigte indizielle Verletzung des Mindestabstandsgebots muss ob ihres eklatanten Maßes wegen des Abstandsgebots zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen auf ausnahmslos alle Besoldungsgruppen ausstrahlen, also auch auf jene, die sich als nicht
unmittelbar verletzt zeigen. Entsprechend hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit für eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges mitsamt der Erhöhung der Grundgehaltssätze nur umso größer ist, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt, je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen davon betroffen sind (BVerfGE 155, 1 <25 f. Rn. 49>;
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html).
Das Ergebnis der gestern angestellten Betrachtung indiziert von daher in einem eklatanten Maße die unzureichende Ausgestaltung der Besoldung auch der höheren Besoldungsgruppen. Damit kann das Gewicht dieser Umstände in der Gesamtabwägung zu keinem anderen Ergebnis führen, als dass der Gesetzgeber auch und gerade die Grundgehaltssätze deutlich anzuheben hat, da sich alles andere als Folge der erdrückenden Indizienlage offensichtlich nicht sachgerecht begründen ließe (vgl. zu Begründung dieser Aussage die S. 37 ff. unter
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/07/Referentenentwurf-des-BMI-zu-BBVAngG-Stand-v.-16.01.2023-1.pdf). Sind doch im Gesetzgebungsverfahren sowohl die Höhe des indiziellen Fehlbetrags (die Mindestbesoldung wird um knapp 40 % verfehlt) als auch die Anzahl der von der Verfehlung indiziell betroffenen Besoldungsgruppen (Dreiviertel der Besoldungssystematik sind von ihr betroffen) prozedural sachgerecht zu beachten, damit der Gesetzgeber sicherstellt, dass am Ende das gewährte Besoldungsniveau materiell eine amtsangemessene Alimentation garantiert (Schwan, ZBR 2022, S. 154 <160>).
Diese sachgerechte Beachtung muss die Konsequenzen des Zusammenspiels beider Abstandsgebote in Rechnung stellen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Darauf weist auch der Gesetzentwurf aus dem letzten Frühjahr berechtigt hin (S. 55 unter
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAngG.pdf;jsessionid=1C16A3937A8F2B82DA9B262CBF5F4886.live882?__blob=publicationFile&v=3), um jedoch aus der Reproduktion der dargelegten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Konsequenzen zu ziehen. Denn tatsächlich ist jenem Gesetzentwurf keine Analyse der eingestanden verfassungswidrigen Besoldungssystematik zu entnehmen, weshalb er im Ergebnis nicht beachtet, dass diesseits des verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes einer Besoldung, das vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist, keine Einschnitte vorgenommen werden können und dass jenseits jenes Mindestmaßes Kürzungen oder andere Einschnitte nur durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden dürfen, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen. Zu solchen systemimmanenten Gründen können zwar finanzielle Erwägungen hinzutreten. Das Bemühen, Ausgaben zu sparen, kann aber nicht als ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung angesehen werden, soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient (BVerfGE 155, 1 <47 Rn. 95>).
Ein solches Konzept findet sich aber bislang weder in der Gesetzesbegründung, noch werden hinreichende sachliche Gründe aus dem Bereich des Systems der Beamtenbesoldung ins Feld geführt, um entsprechende Einschnitte wie die weiterhin aufrechterhaltenen zu rechtfertigen, was ebenfalls und gerade vom Deutschen Richterbund in seiner Stellungnahme im laufenden Gesetzgebungsverfahren umfassend aufgezeigt wird (vgl. die Zusammenfassung der Kritik ab S. 18 unter
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/07/Referentenentwurf-des-BMI-zu-BBVAngG-Stand-v.-16.01.2023-1.pdf). Denn in der Gesetzesbegründung bleibt unbeachtet, dass es hinsichtlich der Mindestalimentation um Einschnitte in das vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestmaß einer Besoldung geht, die aber durch jenen ausgeschlossen werden. Darüber hinaus kommt der Gesetzgeber mit seiner Gesetzesbegründung weiterhin den prozeduralen Anforderungen nicht sachgerecht nach. Nicht umsonst findet sich in der Begründung hinsichtlich der Zentralfrage nach der amtsangemessenen Höhe der Grundgehaltssätze als Hauptkomponente des Besoldungsniveaus kein Aufschluss, worin sich auch an dieser Stelle ihr sachwidriger Charakter widerspiegelt.
Das BMI hat nun, da es offensichtlich eine weitere Anhörung vollzieht, die Chance, diesen Mangel sachgerecht zu beheben. Der Besoldungsgesetzgeber sieht sich ob der eklatant verletzten Systematik der Besoldungsordnung A gezwungen, den ggf. weiterhin geplanten Ausschluss der deutlichen Anhebung der Grundgehaltssätze sachlich zu rechtfertigen. Wenn sich allerdings Dreiviertel der Tabellenfelder der Besoldungsordnung A als indiziell verletzt darstellen - wenn also indiziell der der zweiten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 12 gewährte Grundgehaltssatz bislang 2024 nicht die Höhe erreichte, die in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 3 als indizielles Maß der Mindestbesoldung in der Prüfung der Besoldungsordnung heranzuziehen ist -, dann darf man davon ausgehen, dass eine Reparatur der eingestanden verfassungswidrigen Besoldungsordnung A neben anderen Maßnahmen einer substanziellen Erhöhung der Grundgehaltssätze bedarf. Der Ausschluss dieser Entscheidung lässt sich weiterhin sachlich nicht rechtfertigen, was auch dem BMI bekannt sein dürfte, da es ja - wie oben gezeigt - auf der S. 55 des Gesetzentwurfs aus dem letzten Frühjahr auf die sachlichen Zusammenhänge selbst hinweist. Nicht umsonst heißt es dort:
"Im Bund wird auf der Grundlage des gegenwärtigen Besoldungsniveaus das Mindestabstandsgebot in Gebieten mit den höchsten Unterkunftskosten bei Berücksichtigung der Bedarfe des Ehegatten und der ersten beiden Kinder für das Jahr 2022 noch nicht einmal mit dem in der Besoldungsgruppe A 10 (Erfahrungsstufe 2), also in dem ersten Beförderungsamt der Laufbahn des gehobenen Dienstes gezahlten Grundgehalt einschließlich der gewährten Familienzuschläge eingehalten." (
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/referentenentwuerfe/D3/BBVAngG.pdf;jsessionid=1C16A3937A8F2B82DA9B262CBF5F4886.live882?__blob=publicationFile&v=3)
Unter Beachtung einer sachgerechten Bemessung der Mindest- und gewährten Nettoalimentation müsste jenes Zitat heute hinsichtlich der Besoldungsgruppe A 10/2 nach A 12/2 korrigiert werden. Der
materiell-rechtliche Unterschied zwischen den Grundgehaltssätzen A 10/2 und A 12/2 wird ab dem 01. März monatlich 873,42 € betragen, der Unterschied zwischen A 3/1 und A 12/2 monatlich 1.883,50 €. Der
materiell-rechtliche Grundgehaltssatz in monatlicher Höhe von 4.590,49 € in der Besoldungsgruppe A 12/2 unterschreitet das
indizielle Maß der Mindestbesoldung von monatlich 4.651,- € weiterhin deutlich. Hier zeigt sich das eklatante Maß der vonseiten der Regierung eingestandenen Verletzung der Systematik der Besoldungsgruppe A. Diese Beträge und Werte hat das BMI sachgerecht zur Kenntnis zu nehmen, um einen sachlichen Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der amtsangemessenen Alimentation im Bund zu erstellen.
@ 0xF09F9881
Deine Bemessungen sind schlüssig und ein sachlich weiterführender Beitrag, um die Verletzung der Besoldungsordnung A
indiziell transparent zu machen (wenn das mit nicht zu hohem Aufwand verbunden sein sollte, könnte man sie tatsächlich nicht mit Jahres-, sondern mit Monatswerten ausweisen, da die Grundgehaltssätze tabellarisch in Monatsbeträgen ausgewiesen werden, sodass der Vergleich zwischen den materiell-rechtlichen und den indiziellen Beträgen leichter fällt). Es handelt sich bei ihnen also um ein
indizielles Maß, also ein Maß zur
Prüfung der heute gegebenen Verletzung der Besoldungsordnung A. Daraus kann man nicht - was Du auch nicht tust, was aber ggf. nicht jedem Leser klar ist - ableiten, dass die Grundgehaltssätze heute
materiell-rechtlich diese Höhe haben müssten. Was aus den von Dir aufbereiteten Beträgen deutlich wird, ist, dass die Grundgehaltssätze deutlich anzuheben sind, da sich die Besoldungsordnung A als eklatant verletzt zeigt. Wie hoch amtsangemessene Grundgehaltssätze am Ende konkret ausfallen müssen, verbleibt Aufgabe einer sachgerechten Begründung, die also die den Gesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen erfüllt.