Letztlich haben beide Seiten Recht - ich bin hier noch bei dem Thema zuvor -, nämlich sowohl die Beamten mit Kindern, die eine amtsangemessene Alimentation erwarten, als auch die Beamten ohne Kinder, für die dasselbe gilt.
Der Dienstherr ist zunächst als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums dazu verpflichtet, den Beamten und seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit festgestellt, dass es dabei aber keinen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtetums gibt, wonach der Beamte einen besonderen Anspruch auf ausreichende "Alimentation seiner Kinder" hätte (wer es nachlesen möchte, vgl. hier die Rn. 45
https://openjur.de/u/173228.html), um in der dort als Rn. 55 wiedergegebenen weiteren Passage hervorzuheben, dass es keinen aus Art. 33 Abs. 5 GG ableitbaren selbständigen Anspruch des Beamten auf Unterhalt für sein Kind gibt. Vielmehr sei im gegenwärtigen System der Besoldungsstruktur eine weitgehende Selbstverständlichkeit,"daß bei der Familie mit einem oder zwei Kindern der Kindesunterhalt ganz überwiegend aus den allgemeinen, d. h. 'familienneutralen' und insoweit auch ausreichenden Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann und die kinderbezogenen Gehaltsbestandteile ergänzend hinzutreten." (dort Rn. 75)
Unter Heranziehung dieser Darlegungen ist eine amtsangemessene Alimentation weitgehend mit den "familienneutralen" Gehaltsbestandteilen zu gewähren, während kinderbezogene Gehaltsbestandteile nur eine ergänzende Funktion haben. Daraus folgt in Verbindung mit dem Indiz der eklatant verletzten Mindestbesoldung, dass zunächst einmal die Grundgehaltssätze deutlich anzuheben sind, wovon alle Beamte profitieren. Darüber hinaus ist dann zugleich dem Beamten mit bis zu zwei Kindern (der alimentative Mehrbedarf ab dem dritten soll hier nicht betrachtet werden; er ist für sich genommen ein komplexer weiterer Zweig des Besoldungsrechts) eine über die "familienneutrale" Besoldung hinausgehende familienbezogene Besoldungskomponente zu gewähren, von der der Beamte aber nicht ausgehen darf, dass diese ausreichte, die Bedarfe seiner beiden Kinder vollständig zu befriedigen. Im Ergebnis wird dann der (verheiratete) kinderlose Beamte über ein Einkommen verfügen, das ihm einen größeren Spielraum zur eigenen Bedarfsbefriedigung ermöglicht als ein (verheirateter) Beamte mit zwei Kindern.
Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dafür liegt nun darin, dass es eine eigene Werteentscheidung des Beamten ist, wie er seine Lebenswirklichkeit gestaltet, dass also der Staat zwar die aus der Ehe und Familie resultierenden Schutzrechte garantiert, damit aber keine Werteentscheidung vornimmt. Wer sich also dafür entscheidet, eine Familie zu gründen, muss als Beamter damit leben, dass er dadurch aus der ihm gewährten Alimentation weniger zur eigenen Verfügung hat als der kinderlose Beamte - er ist aber so zu alimentieren, dass er deshalb nicht über die Maßen schlechter gestellt wird als der (ledige und) kinderlose Beamte.
So verstanden sind beide Forderungen berechtigt, sowohl die von Beamten mit Kindern als auch die von kinderlosen Beamten - sie wird erfüllt, sobald wieder amtsangemessene Grundgehaltssätze gewährt werden, die durch sachgerecht ermittelte familienbezogene Besoldungskomponenten ergänzt werden. Und auf dieser Basis kann dann jeder Beamte selbst seine Werteentscheidung fällen, ob er sich für oder gegen die Gründung einer Familie entscheidet, so wie sich dann jeder Beamte mit Kindern in der Lage ist, sich und seine Familie amtsangemessen zu unterhalten.
@ Lichtstifter
Die Bemessung der amtsangemessenen Bundesbesoldung dürfte sich tatsächlich noch einmal deutlich schwieriger darstellen als die in den 16 Ländern, was aber zunächst einmal Bund und Länder selbst zu verantworten haben, da sie 2006 die Länder dazu ermächtigt haben, konkurrenzlos selbst das Besoldungsrecht in ihrem jeweiligen Rechtskreis zu regeln. Wir haben hier also selbstgeschaffene Leiden, vor denen sie - wie das gestern dargestellte Beispiel Rudolf Summers zeigt - eindringlich gewarnt worden sind.
Entsprechend stellt sich nun dem Bundesbesoldungsgesetzgeber zunächst einmal das Problem, dass er eine Mindestalimentation zu beachten hat, der als einer maßgeblichen Basis zugrundeliegt, dass es dem Beamten nicht zuzumuten ist, in jeweiligen Rechtskreis die jeweils günstigesten Wohnort zur Unterkunft auszuwählen. Entsprechend hat der Zweite Senat in der aktuellen Entscheidung ausgeführt:
"Anders als die Regierung des Saarlandes in ihrer Stellungnahme ausführt, kann der Dienstherr nicht erwarten, dass Beamte der untersten Besoldungsgruppe ihren Wohnsitz „amtsangemessen“ in dem Ort wählen, der landesweit die niedrigsten Wohnkosten aufweist. Diese Überlegung entfernt sich unzulässig vom Grundsicherungsrecht, das die freie Wohnortwahl gewährleistet, insbesondere auch den Umzug in den Vergleichsraum mit den höchsten Wohnkosten. Unabhängig davon dürfen Beamte weder ihre Dienststelle noch ihren Wohnort beliebig wählen. Der Bestimmung der Dienststelle durch den Dienstherrn können nur schwerwiegende persönliche Gründe oder außergewöhnliche Härten entgegengehalten werden". (Rn. 60)
Im Zitat wird die eingeschränkte Freizügigkeit des Beamten hervorgehoben, die sich aus dem Sondferrechtsverhältnis ergibt, dem er unterliegt. Entsprechend sind ihm hinreichende Kompensationen zu gewähren. Von daher kann eine Mindestalimentation nicht so gering bemessen werden, dass sie - realitätsgerecht vollzogen - unterhalb von 15 % über dem Grundsicherungsniveau liegen würde. Das hat der Gesetzgeber zu beachten, weshalb ich die Bemessungen gestern im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anhand des bayerischen Rechtskreises vorgenommen habe.
Auf dieser Basis ist es nun am Bundesbesoldungsgesetzgeber, dem sich seit 2012 zunehmend engere Direktiven vor die Augen gestellt haben, die sich als Folge von seitem erfolgreich vollzogenen konkreten Normenkontrollverfahren eingestellt haben, gemäß seines verfassungsrechtlichen Auftrags und unter Heranziehung des weiten Entscheidungsspielraum, über den er verfügt, im Rahmen seiner 2006 gemeinsam mit den Ländern vollzogenen Entscheidung eine amtsangemessene Alimentation zu gewähren.
Wie er das macht, ist seine Sache. Denn er hat doch genau diese Situation, die wir heute vorfinden, durch seine ab 2006 vollzogenen Entscheidungen so juridifiziert. Man muss also davon ausgehen, dass der Besoldungsgesetzgeber auch im Bund die von ihm freiwillig vollzogene Verrechtlichung der sozialen Wirklichkeit seiner Beamten genauso hat haben wollen, wie sie sich uns heute verfassungsrechtlich darstellt. Denn er hat sie ja selbst so geschaffen. Insofern besteht nun seine Aufgabe darin, innerhalb der von ihm geschaffenen rechtlichen Wirklichkeit sachgerechte Lösungen zu vollziehen, mit der er die seit Anfang 2021 eingestandene verfassungswidrige Besoldungsrechtslage wieder verfassungskonform herstellt.
Unter einem solchen Fokus gelesen, kann ich wenig Mitleid mit den 17 Besoldungsgesetzgebern haben und halte es mit dem guten alten Lichtenberg: "Erst wirbeln wir Staub auf und behaupten dann, dass wir nichts sehen können."