Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3888519 times)

andreb

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10845 am: 03.03.2024 20:44 »
Nennt sich Blick über den Tellerrand …

Was haben solche Verfahren noch mit dem effektiven Rechtsschutz zu tun ?

Guckst du hier …

https://www.bmj.de/DE/rechtsstaat_kompakt/rechtsstaat_grundlagen/rechtsschutz/rechtsschutz_node.html

Sorry aber 2008 ist schon 16 Jahre her.
Es geht um NRW
Es geht um Weihnachtsgeld und nicht um AEZ

Und außerdem wie authentisch diese Nachricht ist, ist eine andere Sache..

Das hat nichts mehr mit Tellerrand zu tun.

Und ? Es geht um die Tatsache, dass der Sachverhalt bereits 16 Jahre andauert und der Beschwerdeführer bis heute nicht zu seinem Recht gekommen ist.

Es geht um NRW… Das tut nichts zur Sache. Es geht rein um den Sachverhalt auf dem Verwaltungsrechtsweg. Ob Bund oder NRW oder Buxtehude. Es kann nicht sein, dass ein VORVERFAHREN solange andauert.
Beim Bund ist man bereits auch schon vier Jahre dabei.

Authentisch??

Naja dann Schwurbel mal weiter.


DrStrange

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10846 am: 04.03.2024 07:30 »
Ich würde das hier nochmals einstellen:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html

Hier ist der Beschwerdeführer seit 2004 auf dem Weg zu seinem Recht. Und noch nicht am Ziel.

Wenn man sich überlegt, der Mann bekommt Recht. Wenn er das Geld was ihm seit 2004 zusätzlich zugestanden hat, auch seit 2004 in Aktien investiert hätte, kann man sich den finanziellen Schaden nur schwer vorstellen.

Wenn ich mir auch die "Jahresvorausschau" anschaue, steht da: Nichts! Und wir haben März.
Klar gehts bei unserem Thema nur um Geld, und das ist scheinbar nicht dringend. Trotzdem ist die Länge der Verfahren nur schwer begreiflich.

xap

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10847 am: 04.03.2024 07:57 »
Ich würde das anders formulieren: Die Länge der Verfahren ist absolut beschämend und inakzeptabel.

Dabei ist es völlig unerheblich, dass es "nur um Geld" geht. Es ist gut denkbar, dass Kollegen nie zu ihrem Recht kommen, da sie vorher versterben. Wie kann so etwas auch nur annähernd akzeptabel sein? Streng genommen müssten die Summen auch verzinst werden, da die Geldentwertung meines Erachtens einer Enteignung gleichkommt.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10848 am: 04.03.2024 08:33 »
Die Empörung ist wie gesagt nachvollziehbar, trifft aber weiterhin das falsche Verfassungsorgan: Nachdem der Zweite Senat 2012 die den Gesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen konkretisiert und 2015 sein den Besoldungsgesetzgeber (mittelbar) treffendes "Pflichtenheft" erstellt hat, sind seit 2016 die bis heute anhängigen Richtervorlagen nach und nach in Karlsruhe eingegangen, die brandenburgische 2019. 2017, 2018 und 2020 hat der Senat die beiden Abstandsgebote und weitere deutliche Verschärfungen der Begründungspflichten erlassen. Spätestens seit 2020 können sich die Besoldungsgesetzgeber nicht mehr darüber im Unklaren sein, dass sie in der Vergangenheit und Gegenwart unmittelbar gegen das Mindestabstandsgebot verstoßen haben und weiterhin verstoßen. Denn die seitdem vollzogenen exorbitanten Anhebungen familienbezogener Besoldungskomponenten sind offensichtlich verfassungswidrig. Darüber kann aber bislang weiterhin nicht unmittelbar vom Senat entschieden werden, da nach wie vor keine diesbezügliche Vorlage anhängig ist.

Nun kann man hier wiederkehrend gar keine Vorschläge machen, was der Senat seit 2020 hätte anders machen sollen, oder man macht Vorschläge, die nicht einmal eine der maßgeblichen besoldungsrechtlichen Entscheidungen des Senats aus den letzten 70 Jahren beachten, um sich aber sicher zu sein, dass das Bundesverfassungsgericht ganz bestimmt ganz anders hätte handeln müssen.

Ich möcht mal die Frage andersherum stellen: Die Zweite Auflage des Heidelberger Kommentars zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat mitsamt Register einen Umfang von 1702 Seiten. Wie kommt dieser Umfang eigentlich zustande?

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10849 am: 04.03.2024 09:50 »
Streng genommen müssten die Summen auch verzinst werden, da die Geldentwertung meines Erachtens einer Enteignung gleichkommt.

Nach m.E. widerspricht die Verweigerung der Verzinsung sowohl dem im GG als auch dem in der EU-Charta normierten Eigentumsrecht, einem der ältesten Rechtsgrundsätze überhaupt, hatten schon die Römer. Mittlerweile hat auch schon der Richterverein Brandenburg seine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsverweigerung. Ich werde den Zinsanspruch bei nächster Gelegenheit durchfechten. Ich hoffe aber, dass bis dahin schon andere dagegen Klagen, da ich die nachfolgende Klageerweiterung schon an viele Richtervereine, Gewerkschaften und Rechtsanwälte für Beamtenrecht versendet habe. 8)
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,120049.msg342335.html#msg342335

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10850 am: 04.03.2024 12:22 »
Ich möcht mal die Frage andersherum stellen: Die Zweite Auflage des Heidelberger Kommentars zum Bundesverfassungsgerichtsgesetz hat mitsamt Register einen Umfang von 1702 Seiten. Wie kommt dieser Umfang eigentlich zustande?

1702 Seiten ist kein großer Kommentar.  ;D
Swen wenn dir mal langweilig sein sollte, schau doch mal in den Bonner Kommentar zum Grundgesetz. Hat nur 30.000 Seiten. https://www.beck-shop.de/kahl-waldhoff-walter-hrsg-bonner-kommentar-grundgesetz-aktualisierungsservice/product/15168891
Müsste man in einer Unibibliothek/Jura-Fakultät oder Landesbibliothek finden können. Ist bei mir leider keine in der Nähe mit diesem Kommentar.

Mich würde mal interessieren, was in so einem Großkommentar zur Besoldung (Art. 33 Abs 5 GG) steht. Vermutlich erreicht man die Seitenzahl nur, weil alle möglichen relevanten Urteile in so einem Großkommentar abgedruckt sind, aber ist nur meine Spekulation. Vielleicht werden die Urteile dort auch näher analysiert.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10851 am: 04.03.2024 12:43 »
Zu juristischen Kommentatoren/Abhandlungen allgemein.

Zum einen bin ich ja schon altersmäßig über dem Haltbarkeitsdatum, zum anderen wahrscheinlich als MINT Mensch (Physik, Mathematik) doch etwas zu dumm, um juristische Pamphlete erfolgreich zu lesen und zu verstehen😁

Geht mir schon bei den Schriftsätzen von Sven so (dem ich für seine Mühe ausdrücklich danken möchte). Spätestens nach 10 Zeilen verschwimmt der Text vor meinen Augen, und ich verstehe gar nichts mehr.

Naja, dafür kann ich aber Antennensysteme, Hochfrequenzausbreitung  und Navigationssysteme berechnen und planen (konnte ich jedenfalls in meiner aktiven Zeit)  - ist aber Pipifax, kann ja jeder.

Ich habe aber auch größte Zweifel, ob unsere Bundestagsabgeordneten die juristischen Kommentare lesen und verstehen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10852 am: 04.03.2024 13:22 »
Meine Frage war eher andersherum gemeint, Ozy: Ich habe den Kommentar ja hier vor mir liegen und benutze ihn wiederkehrend. Er klärt dabei insbesondere über die (Un-)Tiefen des Verfahrensrechts auf: Während der materielle-rechtliche Teil unseres Themas - das Alimentationsprinzip - zwar komplex, aber überschaubar ist, ist das formelle Recht deutlich komplexer. Dazu muss man im Heidelberger Kommentar bspw. nur die 109 Randnummern zum § 80 BVerfGG lesen, in dem Vorlagebeschlüsse geregelt werden.

Nicht wenige derer, die meinen, der Zweite Senat hätte ab 2016 die konkrete Normenkontrolle in den heute über 50 Vorlagen schneller vollziehen müssen, dürften sich allerdings mit deren Komplexität zumeist noch nicht weitergehend auseinandergesetzt haben. Zugleich wird es so sein, wie Du es schreibst, Pendler, die meisten der Bundestagsabgeordneten, die keine Juristen sind, werden Kommentare ebenfalls eher selten bis nie zur Hand nehmen und sich stattdessen zumeist auf die Expertise der Juristen in den Minsterien bzw. ihrer Fraktion verlassen. Wie gesagt, der Frust und auch die Empörung darüber, dass wir uns in dem Zustand befinden, in dem wir uns befinden, ist sachlich nachvollziehbar und hat moralisch alle Berechtigung - nur ist der Zweite Senat der falsche Adressat. Die Verantwortung für den fortgesetzten und offensichtlich zielgerichtet vollzogenen "konzertierten Verfassungsbruch" liegt ausnahmslos bei der exekutiven und legislativen Gewalt, die die betreffenden Gesetzentwürfe erstellen und dann verabschieden, und nicht bei den Gerichten.

Die 17 Regierungen und Gesetzgeber haben in den letzten Jahren hinsichtlich des Leistungs- und Alimentationsprinzips ein solches Maß an gezielter Verfassungsferne vollzogen, dass es schwierig (wenn auch nicht unmöglich) sein dürfte, hier anhand von Vorlagen, die den Zeitraum vor 2020 prüfen, verfassungsrechtliche Riegel zu vollziehen, die von heute aus betrachtet Gewähr dafür leisten können, dass das Handeln der beiden anderen Gewalten zukünftig wieder eingehegt in das Verfassungsrecht vollzogen wird.

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10853 am: 04.03.2024 13:38 »
@Swen

Natürlich hast du formal Recht.
Aber wie du selber ja auch schreibst, sind die quasi ewigen Laufzeiten bis man sein Recht bekommt und der daraus entstehende Frust und die Wut durchaus nachvollziehbar.
Auch wenn das BVerfG der falsche Adressat ist, so wird sicher auch menschlich nachvollziehbar an diesem der Zorn und die Wut abgelassen.
Wenn ein solches Verfahren Jahre wenn nicht gar ein Jahrzehnt andauert, ist das für den Normalbürger oder Beamten nicht mehr nachvollziehbar. Und dies betrifft infolge der immer weiter fortschreitenden Verrechtlichung unserer Gesellschaft ja nicht nur unser Thema, sondern die Rechtsprechung ganz allgemein und damit viele Bürger ganz direkt.
Und ich glaube auch darin liegt eine grosse Gefahr für unseren öffentlichen Dienst und die Gesellschaft als ganzes.
Wenn Verfahren infolge der Dauer und Ungewissheit darin nicht mehr nachvollziehbar sind, so schafft dies immer mehr Frust, Verägerung und Abkehr von der Politik und letzten Endes auch dem Rechtssystem.
Ich sehe darin eine grosse Gefahr, da sich immer mehr Bürger und auch Beamte quasi abwenden und dies dann anderen nicht demokratischen Elementen Raum gibt.
Und selbst wenn man dies ausser Acht lässt, wenn sich immer weitere Teile der Bevölkerung und nun auch noch Teile des Oeffentlichen Dienstes selber vom Staat im Stich gelassen fühlen, dem Rechtssystem nicht mehr vertrauen und infolge dessen abwenden so gefährdet dies unser Gemeinwesen und das Zusammenleben in unserer Demokratie.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10854 am: 04.03.2024 14:26 »
@Bundi

So schlimm es ist, volle Zustimmung zu Deinen Ausführungen.

Da wundern sich (nach seriöser Presse) die Politiker, dass die XYZ oder irgendeine andere nicht gerade demokratische Partei überall Mehrheiten erlangt.

Die Politik schiebt die Ursachen auf die (dummen, ungebildeten, uninformierten) Bürger oder wen auch immer.

Dabei wäre es doch so einfach für die Politik sich mal selber zu fragen:

    Was haben wir falsch gemacht?

Vielleicht zu einfach, dieser Lösungsweg?

Denke ich mal so aus meiner Froschperspektive heraus.


emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10855 am: 04.03.2024 14:37 »
Also wenn jemand beim Fußball brutal von den Beinen geholt wird, regt man sich über den foulenden Spieler auf. Wenn der Schiedsrichter dann nicht pfeift sondern sich erst 15 Jahre später in einem Interview äußert, ärgert man sich auch über ihn.

Jeder weiß, dass die Besoldungsgesetzgeber die Schuld an der Misere tragen, aber das BVerfG lässt seine eigene Marginalisierung eben auch zu, wenn sich seine Missachtung wirtschaftlich lohnt.


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10856 am: 04.03.2024 14:52 »
Ich gebe Dir in allem, was Du schreibst, Recht, Bundi - und genau deshalb, wegen insbesondere der Gründe, die Du nennst, argumentiere ich hier seit längerer Zeit gegen diese Sicht auf die Dinge hinsichtlich der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Alimentationsprinzip, und zwar nicht, um damit die Enttäuschung, den Frust und die Empörung gegen den Zustand, in dem sich die Besoldungsgesetzgebung befindet, zu verkleinern, da diese sachlich nicht verkleinert werden können, sondern um zu zeigen, wo die Verantwortung liegt und was den Gerichten und insbesondere dem Zweiten Senat in der Vergangenheit möglich war, gegenwärtig möglich ist und ggf. zukünftig möglich sein wird.

Wer fantastische Vorstellung über den Rahmen der konkreten Normenkontrolle, wie sie in in der Bundesrepublik möglich ist, hat, wird wiederkehrend enttäuscht werden müssen, da seine Erwartungen nicht erfüllt werden und eben auch nicht erfüllt werden können. Denn zunächst einmal bleibt hier sachlich zur Kenntnis zu nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht die konkrete Normenkontrolle nur in dem engen Rahmen vollziehen kann, den das Verfassungsrecht ihm lässt. Das ist für uns Betroffene wiederkehrend frustrierend und enttäuschend - aber es ist keine Verfehlung des Zweiten Senats, sondern unser Verfassungsrecht ist so angelegt, dass bislang eine Beschleunigung der Rechtsprechung zum Alimentationsprinzip kaum wirklich möglich gewesen ist - und dass mit hoher Wahrscheinlichkeit nach den angekündigten Entscheidungen eine Beschleunigung der Rechtsprechung möglich sein wird.

Denn auch der Zweite Senat bleibt sowohl allgemein als auch speziell hinsichtlich seiner Besoldungsrechtsprechung an die engen Grenzen gebunden, in der in der Bundesrepublik Deutschland eine konkrete Normenkontrolle möglich ist. Wer das nicht erkennt, weil er deren enge Grenzen nicht kennt, muss praktisch zwangsläufig enttäuscht werden, weil er hinsichtlich der faktischen Möglichkeiten beider Senate von falschen Voraussetzungen ausgeht - und damit bleibt so betrachtet die immergleiche Frage nach der Quelle der Enttäuschung: Sie ist die offensichtlich wiederkehrend verfassungswidrig ausgestaltete Regelung des Besoldungsrechts, womit die immer wiederkehrende Antwort nach der Verantwortung zu geben ist: Die 17 Besoldungsgesetzgeber wissen, dass sie hier wiederkehrend offensichtlich gezielt verfassungswidrig handeln, da sich das an der neuen Dogmatik zum Besoldungsrecht wiederkehrend zeigen lässt und den Gesetzgebungsverfahren der letzten drei Jahre regelmäßig gezeigt worden ist.

Mit ihrer gezielten Missachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung tragen ausnahmslos sie die Verantwortung für den fortgesetzten Zustand einer nicht verfassungskonformen Besoldungsgesetzgebung, und zwar nur umso mehr, da sie in ihren maßgeblichen Verantwortungsträger um die Komplexität und engen Grenzen der konkreten Normenkontrolle in der Bundesrepublik wissen. Nur sie sehen sich darüber hinaus letztlich in der Lage, wieder in den Rahmen der Verfassung zurückzukehren - und da sie das bislang weiterhin nicht tun, findet der Zweite Senat eine Situation vor, für die das bundesdeutsche Verfassungsrecht in seiner fast 75-jährigen Geschichte offensichtlich in dieser Massivität bislang kein anderes Beispiel liefert. Und wer also glaubt, das könne der Zweite Senat problemlos ins Gegenteil umkehren, indem er eine entsprechende Entscheidung fällte, der geht von falschen Voraussetzungen über die Möglichkeiten und engen Grenzen der Verfassungsrechtsprechung in der Bundesrepublik aus.

Um es mit der nächsten Frage zu verbinden:

Folgende Zahl an Richtervorlagen zum Besoldungsrecht sind seit 2016 in Karlsruhe eingegangen und seitdem anhängig (vgl. meinen Beitrag vom 17.01. https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114508.msg336608.html#msg336608):

2016: 5
2017: 11
2018: 12
2019: 6
2020: 5
2021: 4
2022: 4
2023: 5

Über wie viele konkrete Normenkontollverfahren entscheiden der Erste und Zweite Senat eigentlich im Rahmen ihrer Möglichkeiten - also im Rahmen der ihm zur Verfügung gestellten nicht zuletzt personellen Kapazitäten - eigentlich im Durchschnitt pro Jahr?

Besoldungswiderspruch

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« Antwort #10857 am: 04.03.2024 14:58 »
Meine Frage war eher andersherum gemeint, Ozy: Ich habe den Kommentar ja hier vor mir liegen und benutze ihn wiederkehrend. Er klärt dabei insbesondere über die (Un-)Tiefen des Verfahrensrechts auf: Während der materielle-rechtliche Teil unseres Themas - das Alimentationsprinzip - zwar komplex, aber überschaubar ist, ist das formelle Recht deutlich komplexer. Dazu muss man im Heidelberger Kommentar bspw. nur die 109 Randnummern zum § 80 BVerfGG lesen, in dem Vorlagebeschlüsse geregelt werden.

Nicht wenige derer, die meinen, der Zweite Senat hätte ab 2016 die konkrete Normenkontrolle in den heute über 50 Vorlagen schneller vollziehen müssen, dürften sich allerdings mit deren Komplexität zumeist noch nicht weitergehend auseinandergesetzt haben. Zugleich wird es so sein, wie Du es schreibst, Pendler, die meisten der Bundestagsabgeordneten, die keine Juristen sind, werden Kommentare ebenfalls eher selten bis nie zur Hand nehmen und sich stattdessen zumeist auf die Expertise der Juristen in den Minsterien bzw. ihrer Fraktion verlassen. Wie gesagt, der Frust und auch die Empörung darüber, dass wir uns in dem Zustand befinden, in dem wir uns befinden, ist sachlich nachvollziehbar und hat moralisch alle Berechtigung - nur ist der Zweite Senat der falsche Adressat. Die Verantwortung für den fortgesetzten und offensichtlich zielgerichtet vollzogenen "konzertierten Verfassungsbruch" liegt ausnahmslos bei der exekutiven und legislativen Gewalt, die die betreffenden Gesetzentwürfe erstellen und dann verabschieden, und nicht bei den Gerichten.

Die 17 Regierungen und Gesetzgeber haben in den letzten Jahren hinsichtlich des Leistungs- und Alimentationsprinzips ein solches Maß an gezielter Verfassungsferne vollzogen, dass es schwierig (wenn auch nicht unmöglich) sein dürfte, hier anhand von Vorlagen, die den Zeitraum vor 2020 prüfen, verfassungsrechtliche Riegel zu vollziehen, die von heute aus betrachtet Gewähr dafür leisten können, dass das Handeln der beiden anderen Gewalten zukünftig wieder eingehegt in das Verfassungsrecht vollzogen wird.

Guten Tag Swen,

was passiert denn, wenn in ferner Zukunft tatsächlich mal eine Vollstreckungsanordnung des BverfG erlassen wird,diese  aber schlicht ignoriert wird?

Diese Frage habe ich mir gestellt nach dem Lesen folgenden Berichtes:
Vollstreckung von Entscheidungen Wenn die Politik das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt igno­riert 

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bundesverfassungsgericht-resilienz-vollstreckung-bundeszwang-rechtsstaat-politik/

Was hätten wir dann noch für Optionen?

Danke.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10858 am: 04.03.2024 15:19 »
Der Beitrag in der LTO ist ein recht allgemeiner und darin zugleich sachlich eher oberflächlicher, den ich deshalb nicht zu sehr in Betracht ziehen würde, wenn wir eine Vollstreckungsanordnung zum Besoldungsrecht in einem Rechtskreis vorfinden würden, mit der spätestens im übernächsten Jahr gerechnet werden könnte, wenn die drei Rechtskreise, über deren Besoldungsrecht in absehbarer Zeit entschieden wird, ungebrochen fortfahren würden wie bisher, Besoldungswiderspruch.

Darüber hinaus würde eine mit einiger Wahrscheinlichkeit im übernächsten Jahr in Aussicht stehende Vollstreckunganordnung zur niedersächischen Besoldung im Jahr 2013 auf mehr als 50.000 potenzielle Kläger treffen, die also für jenes Jahr einen Widerspruch eingelegt haben, über den weiterhin nicht rechtskräftig entschieden ist und der in der angekündigten Entscheidung, die das Jahr 2013 ausklammern wird, also nicht unmittelbar das Thema ist.

So verstanden könntest Du Dir für diesen Rechtskreis, denke ich, die Frage selbst beantworten: Wie wahrscheinlich wäre es, wenn mindestens mehrere hundert, ggf. mehrere tausend bzw. ggf. mehrere zehntausend Kläger vor der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit drohten, mit ihrer Klage ihre offensichtlich gegebenen Ansprüche aus dem Jahr 2013 durchzusetzen, dass erstens der Dienstherr diesen dann ggf. rechtskräftig entschiedenen Klagen nicht Folge leisten würde, also die Besoldungsnachzahlungen nicht vollzöge und also nicht auszahlte, bzw. zweitens, dass der niedersächsische Gesetzgeber nicht zuvor für eine wieder verfassungskonforme amtsangemessene Alimentation sorgte, um das unter erstens beschriebene Worst Case-Szenario zu vermeiden?

DrStrange

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #10859 am: 04.03.2024 15:45 »
Wenn das Alles so weitergeht, wird die h.M. von der M.M. abgelöst und Art.146 GG angewandt.