Beamte und Soldaten > Beamte des Bundes und Soldaten
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Asperatus am 06.02.2021 10:10 ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 05.02.2021 23:00 ---Was genau soll ein "Grenzgänger" sein?
--- End quote ---
Damit sind vermutlich Personen gemeint, die im Inland arbeiten, aber ihren Hauptwohnsitz im (grenznahen) Ausland gewählt haben, so dass sie auf ihrem Arbeitsweg über die Grenze pendeln. Da die Mietenstufen in der WoGV nur für das Inland festgelegt sind, ist hier eine gesetzliche Regelung für Beamte, Soldaten und Richter mit notwendig.
Im Gesetzentwurf heißt es im Teil Begründung noch:
--- Zitat ---Die Höhe des regionalen Ergänzungszuschlags ist vom Hauptwohnsitz und insoweit von der individuellen Entscheidung des Besoldungsempfängers abhängig.
--- End quote ---
--- Zitat von: SwenTanortsch am 06.02.2021 07:26 ---Verstehe ich das so richtig? Und wie hoch sind die Familienzuschläge der Familienstufe 1, 2 und 3?
--- End quote ---
Es wird einen Familienzuschlag Stufe 1 (für Ehe) und Stufe 2 (für Kinder, gestaffelt nach deren Zahl) geben. Eine Stufe 3 gibt es nicht. Stufe 1 beträgt ab dem 1. April 2021 laut dem Entwurf 151,16 Euro, Stufe 2 für das erste und zweite Kind jeweils 129,19 Euro, für das dritte und jedes weitere Kind jeweils 402,51 Euro. Ein verheirateter Beamter mit drei Kindern, dessen Ehepartner nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, erhielte somit 812,05 Euro Familienzuschlag. Im Ergebnis wird also die Stufe 2 für das erste Kind aufgeteilt in Stufe 1 und Stufe 2 für das erste Kind.
Zum 1. Januar 2022 erfolgt dann noch weitere die lineare Erhöhung.
Die Summen sind so richtig.
Wieso sollte die Regelung evident sachwidrig sein? Der regionale Ergänzungszuschlag ist nach Familienstand und Zahl der Kinder gestaffelt. Inwiefern greift er also auf die familienneutralen Bestandteile der Besoldung zurück? Oder sollen, deiner Meinung nach, die Zuschläge nur für die Empfänger niedriger Besoldungsgruppen gezahlt werden? Das wäre verfassungswidrig, weil dann das Abstandsgebot (zwischen den Besoldungsgruppen) nicht mehr eingehalten werden würde.
--- End quote ---
@ Asperatus @ Fahnder
Dann dürften die Gesamtbeträge aus Familienzuschlägen sowie Ergänzungszuschlägen für die Familienstufe 3 wie folgt aussehen, denke ich:
I 460,16 €
II 582,16 €
III 708,16 €
IV 855,16 €
V 993,16 €
VI 1.137,16 €
VII 1.303,16 €
Da diese Beträge als Besoldungsdifferenzierung mit dem einzigen sachlich begründbaren Ziel gewährt werden, Personalkosten zu sparen, kann eine solche Differenzierung nur evident sachwidrig vollzogen werden, da das Ziel der Personalkosteneinsparung nur dann als sachlicher Grund statthaft ist, wenn die Nettoalimentation für alle Beamte amtsangemessen ist. Da aber diese Beträge zunehmend massiver auf sogenannte "familienneutrale" Besoldungsbestandteile zurückgreifen, den ledigen Beamten bzw. den verheirateten ohne Kinder bzw. mit nur einem Kind dadurch ein ihnen sachlich zustehendes materielles Gut verwehrt wird, liegt hier ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Die sachliche Grundlage für statthaft familienbezogene Besoldungsbestandteile ergibt sich offensichtlich aus der Summe des gewährten Kindergelds sowie einer von der Nettoeinkommenshöhe abhängigen Unterhaltshöhe, die sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt. Die gesamte Problematik ist in der Untersuchung zur Vorlage des Berliner Anpassungsgesetzes auf den S. 35-45 dargelegt; vgl. hier https://www.berliner-besoldung.de/aktuelles/gutachten-bestaetigt-berlbvanpg-2021-vorsaetzlich-verfassungswidrig/ Wer den zu beachtenden allgemeinen Rahmen nicht lesen möchte (jener ist aber zum Verständnis der Problematik mit relevant), sollte ab den Abschnitt ab der S. 40 lesen; und wer es ganz knapp haben will, sollte oberhalb der Tabelle 14 auf der S. 43 beginnen. Wer allerdings erst ab der S. 43 beginnt, wird womöglich die Gesamtproblematik nicht erfassen. Höchstwahrscheinlich sind für den Bund die Passagen zum Abstandsgebot weniger von Interesse (da ich den Gestzesentwurf nicht kenne, kann ich das nicht beurteilen); die sich darauf beziehenden Abschnitte wären für den Entwurf des Bundes also ohne Belang. Das Problem ist aber das offensichtlich deutliche Übersteigen der Summe aus Kindergeld, Familien- und Ergänzungszuschlägen über die Referenzwerte der Düsseldorfer Tabelle. Diese Passagen der genannten Untersuchung sollten hier von einigem Interesse sein. Denn wie oben dargestellt führt mindestens ein Überschreiten des Referenzwertes, höchstwahrscheinlich eher schon ein deutliches Annähern an den Referenzwert dazu, dass eine solche Besoldungsdifferenzierung evident sachwidrig sein dürfte, weil sie explizit gegen die regelmäßige, eventuell auch schon ständige Rechtsprechung des BVerfG verstößt.
Darüber hinaus schießt sich der Bund mit dieser Regelung offensichtlich ins eigene Fleisch, weil er die konkretisierte neue Direktive des BVerfG, die so in der Vergangenheit noch nicht im der Judikatur zu finden ist (und die nun die Interpretation des BVerwG zu einer verfassungsrechtlichen Direktive erhebt), die sich also aus Rn. 73 der aktuellen Entscheidung ergibt, nicht beachtet. Denn die Ergänzungsbeträge sind zumindest dem Buchstaben nach allesamt nicht als Teil der Nettoalimentation zu begreifen - das macht es nur umso interessanter, den Entwurf zu lesen. Sofern der Bund die gleiche Kreativität an den Tag legen sollte wie das Land Berlin (und die Ergänzungszuschläge weisen darauf hin), dann schafft er sich nun ein fröhliches Problem, das er offensichtlich noch nicht erkannt hat. Freihändige Rechtsauslegungen sind bekanntlich gefährlich...
Fahnder:
--- Zitat von: Asperatus am 06.02.2021 11:16 ---
Wo fordert das BVerfG einen Aufschlag? Bitte Fundstelle angeben.
In der Berechnung ist auf den Tabellenwert in Anlage 1 WoGG für vier Haushaltsmitglieder in Mietenstufe VII ein Sicherheitszuschlag von 10 Prozent enthalten (1171,50 Euro in der Berechnung im Gesetzentwurf statt 1065 Euro lt. WoGG).
--- End quote ---
Rn. 59. Diese wurde anhand des Falles in Berlin entwickelt, obwohl es dort nur eine Mietstufe gibt. Folglich muss sie nach meinem Verständnis auch für jede einzelne Mietstufe in Deutschland angewendet werden.
Ein "Sicherheitsaufschlag" von 10 % ist evident unzureichend, da das BVerfG alleine für Berlin Aufschläge von 50 bis 58,8 % auf den Betrag laut WoGG anhand der Daten der Bundesagentur für Arbeit angewendet hat. Dies kann sich selbstverständlich für jede Mietstufe unterscheiden, aber das muss der Dienstherr laut Beschluss individuell ermitteln. 10 % sind jedoch eindeutig zu wenig. Dies ergeben allein schon die Zahlenwerte. Welche vielköpfige Familie wohnt in München für 1171,50 Euro, wenn sie in den letzten paar Jahren aufgrund einer Versetzung dort hin ziehen musste!? Das soll ja wohl ein Scherz sein. Die Wohnkosten geben nicht 95 % der Familien wieder. Folglich fällt die ganze Systematik in sich zusammen und ist m.E. verfassungswidrig.
Dazu kommen natürlich noch die Anmerkungen von Swen. Es ist so offensichtlich, dass diese Regelung nur und ausschließlich getroffen wurde, um Personalkosten einzusparen.
Asperatus:
--- Zitat von: Fahnder am 06.02.2021 11:37 ---
--- Zitat von: Asperatus am 06.02.2021 11:16 ---
Wo fordert das BVerfG einen Aufschlag? Bitte Fundstelle angeben.
In der Berechnung ist auf den Tabellenwert in Anlage 1 WoGG für vier Haushaltsmitglieder in Mietenstufe VII ein Sicherheitszuschlag von 10 Prozent enthalten (1171,50 Euro in der Berechnung im Gesetzentwurf statt 1065 Euro lt. WoGG).
--- End quote ---
Rn. 59. Diese wurde anhand des Falles in Berlin entwickelt, obwohl es dort nur eine Mietstufe gibt. Folglich muss sie nach meinem Verständnis auch für jede einzelne Mietstufe in Deutschland angewendet werden.
Ein "Sicherheitsaufschlag" von 10 % ist evident unzureichend, da das BVerfG alleine für Berlin Aufschläge von 50 bis 58,8 % auf den Betrag laut WoGG anhand der Daten der Bundesagentur für Arbeit angewendet hat. Dies kann sich selbstverständlich für jede Mietstufe unterscheiden, aber das muss der Dienstherr laut Beschluss individuell ermitteln. 10 % sind jedoch eindeutig zu wenig. Dies ergeben allein schon die Zahlenwerte. Welche vielköpfige Familie wohnt in München für 1171,50 Euro, wenn sie in den letzten paar Jahren aufgrund einer Versetzung dort hin ziehen musste!? Das soll ja wohl ein Scherz sein. Die Wohnkosten geben nicht 95 % der Familien wieder. Folglich fällt die ganze Systematik in sich zusammen und ist m.E. verfassungswidrig.
Dazu kommen natürlich noch die Anmerkungen von Swen. Es ist so offensichtlich, dass diese Regelung nur und ausschließlich getroffen wurde, um Personalkosten einzusparen.
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Vielleicht bin ich ja blind, aber in Rn. 59 lese ich nichts von Zuschlag. Wo hat das BVerfG Aufschläge von 50 bis 58,8 Prozent angewandt?
Dass ein Besoldungsempfänger mit 1171,50 Euro eine Wohnung bezahlen soll, ist nicht gesagt. Dies war nur eine Komponente in der Vergleichsrechnung auf Seiten der Wohngeldempfänger. Es geht nur darum, eine 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegende Mindestalimentation zu erreichen.
Dem Besoldungsempfänger mit Dienstort München steht es im Übrigen frei, ins weniger teure Umland zu ziehen.
Sind die familienbezogene Besoldung nicht gerade Ausschluss des Alimentationsprinzips, weil der Alimentationsbedarf sich nach der Familiengröße richtet und die Besoldung keine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit ist?
Der Gesetzentwurf und auch das BVerfG-Urteil nutzen die Düsseldorfer Tabelle nicht.
Warten wir mal ab, wie die Verbände Stellung nehmen werden, wie dann der fertige Gesetzentwurf der Bundesregierung aussehen und wie der Bundestag den Entwurf noch verändern wird.
sapere aude:
Berlin (Mietstufe IV) erhöht für das dritte Kind den Familienzuschlag auf 819,76 Euro. Der Bund liegt bei Mietstufe IV und drei Kindern bei 855,16 Euro und damit bei einem ähnlichen Wert. Zufall, Ausdruck der Plausibilität oder zwei Irrwege?
Fahnder:
--- Zitat von: Asperatus am 06.02.2021 12:10 ---
Vielleicht bin ich ja blind, aber in Rn. 59 lese ich nichts von Zuschlag. Wo hat das BVerfG Aufschläge von 50 bis 58,8 Prozent angewandt?
Dass ein Besoldungsempfänger mit 1171,50 Euro eine Wohnung bezahlen soll, ist nicht gesagt. Dies war nur eine Komponente in der Vergleichsrechnung auf Seiten der Wohngeldempfänger. Es geht nur darum, eine 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau liegende Mindestalimentation zu erreichen.
Dem Besoldungsempfänger mit Dienstort München steht es im Übrigen frei, ins weniger teure Umland zu ziehen.
Sind die familienbezogene Besoldung nicht gerade Ausschluss des Alimentationsprinzips, weil der Alimentationsbedarf sich nach der Familiengröße richtet und die Besoldung keine Gegenleistung für die erbrachte Arbeit ist?
Der Gesetzentwurf und auch das BVerfG-Urteil nutzen die Düsseldorfer Tabelle nicht.
Warten wir mal ab, wie die Verbände Stellung nehmen werden, wie dann der fertige Gesetzentwurf der Bundesregierung aussehen und wie der Bundestag den Entwurf noch verändern wird.
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Sie sind nicht blind. Der Zuschlag ergibt sich aus dem Ansatz laut WoGG (der von der Vorinstanz verwendet wurde) und dem in den Rn. 145 und 146 verwendeten Wohnkosten. Swen konnte dies vor einigen Monaten im Forum der Länderkollegen auf Seite 15 darlegen. Grundsätzlich ist dieser Zuschlag jedoch von den Daten der Bundesagentur abhängig, welche im Beschluss leider nicht zahlenmäßig erwähnt worden.
Da diese Daten offensichtlich keinen Einfluss auf die Berechnung der Wohnkosten hatte verstößt der Entwurf gegen die Verfassung. Der REZ müsste laut (neuer) Systematik des Bundes m. E. noch wesentlich höher sein.
Zur freien Wohnortwahl verweise ich auf die Anmerkungen des Gerichtes in Rn. 60 in welcher es u. a. heißt: "Unabhängig davon dürfen Beamte weder ihre Dienststelle noch ihren Wohnort beliebig wählen".
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