Wie von euch dargelegt, lässt sich im Jahresbericht 2023 und in der Jahresvorschau 2024 eine uneinheitliche Darstellung feststellen, die man - denke ich - als unklar begreifen darf: Denn im Jahresbericht 2023 wird Schleswig-Holstein noch genannt, in der Jahresvorschau 2024 nicht. Diese Uneinheitlichkeit muss dem Zweiten Senat aufgefallen sein, da davon auszugehen ist, dass die Erstellung des Berichts und der Vorschau aufeinander abgestimmt erfolgt, und zwar das nur umso mehr, als dass sie gleichzeitig vorgenommen worden sind. Der Sinn und Zweck einer uneinheitlichen Darlegung erschließt sich mir bislang nicht, was genauso für die nicht mehr erfolgende Nennung der niedersächsischen Vorlagen gilt; hierzu äußere ich am Ende eine Vermutung, ohne sie allerdings hinreichend begründen zu können.
Für Berlin ist diese Vorschau erfreulich, was mich für die Berliner Kollegen freut. Wie die uneinheitliche Darlegung nun für die schleswig-holsteinischen Kollegen zu betrachten ist, bleibt mir gleichfalls unklar. Ob nun in Hannover die Sektkorken knallen und man die Vorschau und den Jahresbericht zum Anlass nehmen wird, das eingestanden verfassungswidrige Handeln jetzt mit entsprechender Ausgestaltung von Familienergänzungszuschlägen per Rechtsverordnung voranzutreiben, wird sich in nächster Zeit zeigen. Betrachtet man das Handeln und Unterlassen der maßgeblichen Verfassungsorgane dieses Rechtskreises seit spätestens 2022, sollte man nicht ausschließen können, dass genau das nun geschehen könnte. Man muss voraussetzen, dass der Hüter der Verfassung ähnliche Überlegungen in sein Handeln mit einbeziehen kann.
Sieht man von den genannten niedersächsischen Verfassungorganen ab, darf man, denke ich, in Rechnung stellen, dass es in Niedersachsen auch andere Sichten auf die Materie gibt, genauso wie das DeGr schreibt; diese Entscheidung, die niedersächsischen Vorlagen nicht mehr explizit als für 2024 entscheidungsrelevant zu nennen, muss bei vielen Widerspruchsführern und Klägern tief deprimierend wirken. Entsprechend können die Unterschiede in den Jahresvorschauen 2023 und 2024 nicht als eine vertrauensbildende Maßnahme begriffen werden, denke ich. Man muss darüber hinaus davon ausgehen, dass sich das auch für den Zweiten Senat so darstellen kann. Denn dass genau das die Folge des Jahresberichts 2023 und der Jahresvorschau 2024 sein kann, dürfte nicht allzu schwierig zu erkennen sein.
Dabei wird man in Karlsruhe in Rechnung stellen - auch davon ist auszugehen -, dass es sich bei den anhängigen niedersächsischen Vorlagen um Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts handelt, so wie das auch für die Berliner Vorlagen der Fall ist. Es werden nun also für 2024 explizit Vorlagen des Bundesverwaltungsgerichts genannt (was weiterhin zu dem passt, was BVR Ulrich Maidowski im letzten Winter hervorgehoben hat), um aber die bislang als zur Entscheidung stehenden nicht mehr zu nennen, womit wir bei einer Vermutung angekommen wären, die allerdings hier in Niedersachsen kaum tröstlich aufgenommen werden kann: Der Unterschied zwischen den Berliner und niedersächsischen Vorlagen des Bundesverwaltungsgerichts ist, dass die Berliner Vorlagen aus dem Jahr 2017 insgesamt präziser gestaltet sind als die niedersächsischen aus dem Jahr 2018, in denen verschiedene Überlegungen, die 2017 explizit ausgeführt werden, 2018 nicht mehr genannt und offensichtlich nun auf Basis der Entscheidungen aus dem Jahr 2017 als bekannt vorausgesetzt wurden (das ist durchaus, wenn ich das richtig erinnere, nach 2018 kritisiert worden und ist auch kritisierbar, weil das Bundesverfassungsgericht die konkrete Vorlage zu prüfen hat). Als Folge lassen sich ggf. an den Berliner Vorlage mehr sachliche Fragen klären als in den niedersächsischen. Aber wie gesagt, das ist eine unbegründete Vermutung - denn zugleich muss ja für den Zweiten Senat die unterschiedliche Begründungsdichte in den Berliner und niedersächsischen Vorlagen bereits im letzten Jahr auf der Hand gelegen haben, ohne dass deshalb die Berliner Vorlagen ausgewählt worden wären.
Darüber hinaus muss sich der Zweite Senat die Frage gefallen lassen, wie es sein kann, in die Jahresvorschau 2023 Entscheidungen über zwei Rechtskreise aufzunehmen, um diese 2024 in der Jahresvorschau nicht mehr zu nennen. Denn er muss damit nicht zuletzt hinsichtlich der langen Verfahrensdauer (das im letzten Jahr genannte schleswig-holsteinische Vorlageverfahren betrifft das Jahr 2007, die niedersächsischen den Zeitraum ab 2006) in Rechnung stellen, dass sich hier ein Widerspruch zu der Stellungnahme des Berichterstatters aus dem letzten Winter ergibt, die er zwar für die anhängige brandenburgische Vorlage ausführte, das jedoch insgesamt verallgemeinerte, als er hervorhob:
"Eine dem Rechtsschutzauftrag des Bundesverfassungsgerichts gerecht werdende Bearbeitung dieser hohen Anzahl von Verfahren hat u.a. folgenden Aspekten Rechnung zu tragen: Es wird sich als effizient für die Bearbeitung aller anderen Vorlagen erweisen, zunächst solche Verfahren auszuwählen, die möglichst viele der zur Entscheidung gestellten Probleme aufwerfen und damit die Gelegenheit bieten, eine aktuelle Grundlage für die Befassung mit den nachfolgenden Verfahren zu schaffen, insbesondere die Frage zu klären, welche Sach- und Rechtsfragen in der vorliegenden verfassungsgerichtlichen Judikatur noch nicht behandelt worden sind und ob Anlass besteht, diese Judikatur im Hinblick auf seit den letzten Entscheidungen eingetretene Entwicklungen erneut zu hinterfragen. [...]
Dies ändert nichts daran, dass dem Grundsatz der zeitnahen Erledigung unter Berücksichtigung des Verfahrenseingangs und der Gesamtdauer der Verfahren hohe Bedeutung zuzumessen ist. Auch ist dem Senat - durchaus schmerzlich - bewusst, dass das Warten der betroffenen Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren auf eine verbindliche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der relevanten Rechtsgrundlagen belastend und, gemessen am Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, rechtfertigungsbedürftig ist." (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8 )
Der Effizienzgedanke ist für beide nun nicht mehr genannte Rechtskreise offensichtlich auf dem Stand der heutigen Informationen nicht erkennbar, wenn eine Jahresvorschau anhängige Vorlagen im Jahr 2023 als zur Entscheidung stehend genannt hat, um sie 2024 in der Jahresvorschau dann nicht mehr explizit als zur Entscheidung stehend zu betrachten. Darüber hinaus erschließt sich auf Grundlage des heute bekannten Sachstands erst einmal nicht, wenn man selbst den Effizenzgedanken ins Spiel bringt, wieso die Ankündigung von Entscheidungen über zwei Rechtskreise im Verlauf des Jahres 2024 zu einer größeren Effizenz insbesondere für die Verfahren führen soll, deren Entscheidung 2023 in Aussicht gestellt, dann jedoch nicht behandelt worden sind und deren Entscheidungstermin nun offensichtlich wieder unbestimmt ist. Insofern dürfte hier ebenfalls kein offensichtlich vertrauensbildendes Zeichen erkennbar sein, und zwar nur umso mehr, wenn "dem Senat - durchaus schmerzlich - bewusst [ist], dass das Warten der betroffenen Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren auf eine verbindliche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der relevanten Rechtsgrundlagen belastend und, gemessen am Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, rechtfertigungsbedürftig ist".
@ Bundi
Ja, die Aufstockung des Personals wäre sicherlich sowohl sinnvoll als auch begrüßenswert - allerdings betrifft das ja viele Gerichte, ohne dass hier in vielen Fällen nicht zuletzt in weiteren Rechtskreisen eine hinreichende Abhilfe geschaffen werden würde. Insofern wäre, was Du scheibst, allemal begrüßenswert. Ich halte es aber für unwahrscheinlich, dass die politischen Entscheidungsträger da mit unserer beiden Sicht auf die Dinge d'accord gehen.
@ Aloha
Genauso ist es, bei dem Verfahren handelt es sich um ein Normenkontrollverfahren über die C-Besoldung im Land Bremen, das wie alle weiteren die Jahre 2013 bis 2014 betrachtet. Es wird nun nicht mehr explizit als zur Entscheidung stehend genannt.