Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1954525 times)

NWB

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1140 am: 19.04.2022 19:20 »
Und wieder ein perfektes Beispiel, wie schön man sich doch im Kreis drehen kann, wenn man Prämissen einfach willkürlich verändert. Wieder keine Substanz. Die ganze Diskussion könnte halb so lang sein.

sapere aude

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1141 am: 19.04.2022 20:24 »
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Die Mindestalimentation betrug 2020 in Berlin 3.338,- € (vgl. die Tabelle 7 des aktuellen DÖV-Beitrags auf der S. 206). Auf ihrer Basis kann der absolut niedrigste Gehalt der Bruttobesoldung bemessen werden, indem man zunächst das gesetzlich gewährte Kindergeld subtrahiert, das 2020 für zwei Kinder 438,- € betrug. Zu addieren sind darüber hinaus die PKV-Kosten in Höhe von 602,42 € (vgl. ebd., Tabelle 6, S. 205). Die vergleichende Nettoalimentation betrug 2020 folglich 3.502,42 € pro Monat bzw. 42.029,04 € im Jahr. Addiert man nun den steuerlichen Abzug von 4.642,- €, erhält man die auf Höhe der Mindestalimentation liegende Bruttobesoldung; sie betrug 2020 46.672,- € pro Jahr bzw. 3.889,33 € pro Monat (vgl. zur Berechnung https://www.bmf-steuerrechner.de/bl/bl2020/resultbl2020.xhtml?acckey=true). Dieser Wert ist im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung direktiv als absolut niedrigster Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung zu begreifen.

Der Grundgehaltssatz in der ersten Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 4 betrug 2020 2.180,53 € (vgl. hier wie im Folgenden https://www.dbb.berlin/fileadmin/user_upload/www_dbb_berlin/pdf/service/2020-01-28_Besoldungstabelle_Berlin_ab_1.Februar_2020.pdf). Damit war ein Fehlbetrag zur auf Höhe der Mindestalimentation liegenden Bruttobesoldung von 1.709,80 € pro Monat vorhanden. Der Grundgehaltssatz lag bei rund 56 % der geringst möglichen Bruttobesoldung. Einem verheirateten Beamten mit zwei Kindern wurden 2020 Familienzuschläge von 135,64 € in der Stufe 1, 121,84 € + 6,05 € in der Stufe 2 und 121,84 € + 24,22 € in der Stufe 3, also insgesamt 409,59 € gewährt. Insofern betrug die Bruttobesoldung gemeinsam mit den 2020 gewährten Familienzuschlägen 2.590,12 €; der Anteil an der geringst möglichen Bruttobesoldung lag so bei rund 66,6 %: Damit wären noch immer rund 1/3 der geringst möglichen Bruttobesoldung oder rund 1.300,- € pro Monat innerhalb einer neuen konsistenten Besoldungssystematik zu gewähren, um am Ende die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Mindestalimentation zu beachten.

...

@SwenTanortsch

Verstehe ich das richtig?
Der sozialrechtliche Mindestbedarf, also die "100%-Basisgröße",  berechnet sich nach dem SGB für den 2+2 Haushalt. Der absolut niedrigste Ausgangspunkt ist die 1. Erfahrungsstufe des niedrigsten "Besoldungsamtes".
Liegen Umstände vor, die einen Anspruch auf Familienzuschlag begründen, sind die entsprechenden Beträge bei der Ermittlung der Abweichung zum "115%-Ziel" einzubeziehen. Die Berücksichtigung erfolgt aber nur, wenn ein entsprechender Anspruch besteht.

Sollte letzteres der Fall sein, gehen Basisgröße und Zielgröße doch von unterschiedlichen Ausgangslagen aus. Folge wäre sogar, dass nach Deinen Berechnungen das Delta des Single-Beamten ("1.709,80 € p. M.") größer wäre als das Delta beim 2+2 Haushalt ("rund 1.300,- € p. M."). Die Besoldung des Single-Beamten wäre dann noch "verfassungswidriger".

Kimonbo

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1142 am: 19.04.2022 21:35 »
Also wenn ich die Diskussion etwas sachlicher gestalten darf: ich empfinde meine A13 gD im Bundesministerium auch extrem als Verfassungswidrig - Single Steuerklasse 1— eine Frechheit!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1143 am: 19.04.2022 22:46 »
@ sapere aude

Das Grundsicherungsniveau muss nach der neuesten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung realitätsgerecht erfolgen (vgl. insgesamt die Rn. 46-71). Für Berlin setzt es sich auf Grundlage der neuen Direktiven für das Jahr 2020 wie folgt zusammen (vgl. den aktuellen DÖV-Beitrag, S. 199-204):

Regelleistung für zwei Erwachsene und zwei Kinder laut Existenzminimumbereicht der Bundesregierung: 780,- € und 588,- €.

Kosten für Bildung und Teilhabe sowie Sozialtarife (der nachfolgende Wert kann zurzeit noch nicht realitätsgerecht bemessen werden, da der Senat von Berlin die Kosten noch nicht ausgewiesen hat, von daher wird der realitätsgerechte Wert noch einmal höher liegen; da realitätsgerechte Werte nicht vorliegen, wird vom Bundesverfassungsgericht zur Prüfung gleichfalls auf die Pauschalwerte zurückgegriffen, da selbst ohne realitätsgerechte Werte die gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation deutlich unterschreitet): 124,46 €.

Kalte Unterkunft nach dem 95 %-Perzentil der BfA: 1.250,- €.

Heizkosten anhand des bundesweiten Heizspiegels: 160,15 €.

Das Grundsicherungsniveau beläuft sich von daher auf 2.902,61 €, die Mindestalimentation als 115 %ige Vergleichsschwelle beträgt 3.338,- €.

Da die Mindestalimentation der vom absoluten Alimentationsschutz umfasste niedrigste Wert zur Prüfung der Amtsangemessenheit einer Alimentation darstellt, sind Einschnitte in sie nicht möglich. Wie dargestellt betrachtet sie das Bundesverfassungsgericht als „Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung“. Die Direktiven zur Bemessung des Grundsicherungsniveau und der Mindestalimentation sind vom Bundesverfassungsgericht nach eingehender Prüfung und Betrachtung möglicher Alternativen, wie sie von verschiedenen Fachgerichten angeregt worden sind, aktuell erlassen worden. Es ist nicht davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht zukünftig von seiner gerade erst erlassenen Rechtsprechung abweicht. Nicht umsonst weist es die Fachgerichte entsprechend im fünften Leitsatz der aktuellen Entscheidung an, die Kontrolle des ggf. nicht amtsangemessenen Gehalts der gewährten Nettoalimentation anhand der Mindestalimentation zu vollziehen:

"Beim systeminternen Besoldungsvergleich ist neben der Veränderung der Abstände zu anderen Besoldungsgruppen in den Blick zu nehmen, ob in der untersten Besoldungsgruppe der gebotene Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten ist. Ein Verstoß gegen dieses Mindestabstandsgebot betrifft insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Gesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Die indizielle Bedeutung für die verfassungswidrige Ausgestaltung der zur Prüfung gestellten Besoldungsgruppe ist dabei umso größer, je näher diese an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt und je deutlicher der Verstoß ausfällt. "

Auf Basis der Mindestalimentation kann dann wie dargestellt der Bruttowert berechnet werden, der sich exakt auf Höhe der Mindestalimentation befindet, indem der Weg zur Bemessung der gewährten Nettoalimentation umgedreht wird (vgl. zu den entsprechenden Direktiven in der aktuellen Entscheidung unter den Rn. 72-79 bzw. im genannten DÖV-Beitrag die S. 205-208). Er liegt in Berlin im Jahr 2020 wie gezeigt bei 3.889,33 € pro Monat. Der Fehlbetrag kann dann am Ende bemessen werden, indem von den 3.889,33 € sämtliche gewährte Bruttobestandteile abgezogen werden. Damit kann dann das Besoldungsgefüge in seiner nicht verfassungskonformen Substanz betrachtet werden und können entsprechende Aussagen zum Maß der Unteralimentation innerhalb des Prüfungsverfahrens vollzogen werden. Letztlich kann man so den fiktiven Grundgehaltssatz einer sich auf Höhe der Mindestalimentation befindlichen Bruttobesoldung bemessen, indem man von dem Bruttowert (hier in Höhe von 3.889,33 €) sämtliche weiteren Bruttobestandeile abzieht, um so das Maß der Unteralimentation in seiner entsprechenden Höhe zu prüfen. Der "Single-Beamte", von dem WasDennNun spricht, interessiert mich dabei nicht, sondern von Interesse ist der Grundgehaltssatz, der sich vergleichend auf Höhe der Mindestalimentation befindet. Im Kontext dieser - dort noch einmal deutlich tiefergehenden - Betrachtung wird sich der ZBR-Beitrag im nächsten Monat befinden.

yamato

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1144 am: 20.04.2022 06:37 »
Bedeutet dies dann nicht auch, dass zukünftig eine jährliche "Mindestbesoldungserhöhung" in Höhe der Erhöhung der Grundsicherung anstehen müsste.
Auch vor dem Hintergrund, dass unsere derzeitige Regierung ja eine deutliche Erhöhung der Grundsicherung anstrebt.
Muss also zukünftig bei jeder Grundsicherungserhöhung die Regierung auch die steigende Besoldung der Beamten einkalkulieren ? Das würde ja nicht nur die Bundesbeamten betreffen sondern auch die Landesbeamten.

WasDennNun

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1145 am: 20.04.2022 07:00 »
Und wieder ein perfektes Beispiel, wie schön man sich doch im Kreis drehen kann, wenn man Prämissen einfach willkürlich verändert. Wieder keine Substanz. Die ganze Diskussion könnte halb so lang sein.
Ja natürlich dreht man sich im Kreis, wenn der eine sagt, dass die Grundbesoldung annähernd so hoch sein muss, dass man damit eine 4K Familie ernähren kann, da Zulagen nur Details regeln dürfen (und weil die 4K Familie der Dreh und Angelpunkt sein muss) und keine Kraft der Welt kann diese Prämissen verändern, da diese quasi ein Naturgesetz sind (und nicht ein von Menschenhand gemachtes Gefüge).

Und der andere sagt, um einen ausreichend grossem Abstand zu einem H4 Empfänger in gleicher Lebenssituation zu haben und damit einen Abstand zu einer noch nicht definierten Mindestalimenatation zu haben, bedarf es zunächst der abstrakten Betrachtung wie hoch diese Mindestalimentation eines Singles (analog zur Betrachtung der 4K Familie) aussehen könnte und dann kann man sich fragen, ob es deswegen eine Erhöhung der Grundbesoldung bedarf.

Wer sich das anschaut (s.o. für Berlin) und glaubt er habe als Single ein 27% zu geringe Netto Besoldung, da er ja als A4s1 erst dann amtsangemessen Alimentiert ist, wenn er 2128€ Netto ohne weitere Abzüge hat, also das was der Kollege in der EG10 erhält, der hat einen sehr klares Gefühl was amtsangemessen ist, und wo man sich in der Gesellschaft einzuordnen ist.
Oder anders ausgedrückt, obwohl der Vergleich nicht existiert, aber von den Beamten ja immer wieder gemacht wird:
Der einfache Dienst ist erst dann amtsangemessen besoldet, wenn er soviel bekommt wie der analoge gehobene Dienst im Tarifbereich.

Mir kommt das komisch vor, wenn andere darin keinen Widerspruch sehen, dann ist das so.

Gönnen würde ich es den Kollegen, allein mir fehlt der Glaube, dass das so aus dem GG herauszulesen ist und andere Lösungen von der Politik nicht ersonnen werden, die GG konform sind.
Und weil hier idR nicht diese Aussenbetrachtung gemacht wird, dreht man sich im Kreis

WasDennNun

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1146 am: 20.04.2022 07:04 »
Bedeutet dies dann nicht auch, dass zukünftig eine jährliche "Mindestbesoldungserhöhung" in Höhe der Erhöhung der Grundsicherung anstehen müsste.
Auch vor dem Hintergrund, dass unsere derzeitige Regierung ja eine deutliche Erhöhung der Grundsicherung anstrebt.
Muss also zukünftig bei jeder Grundsicherungserhöhung die Regierung auch die steigende Besoldung der Beamten einkalkulieren ? Das würde ja nicht nur die Bundesbeamten betreffen sondern auch die Landesbeamten.
Nur wenn der Staat  so asozial ist und die unterste Grenze der Eingangsbesoldung auf diese Mindestbesoldung legt um maximal Geld zu sparen.
Auch bei Änderungen bzgl. der Miete, PKV Beiträge etc. ist dies dann anzupassen.
Ansonsten ja: Bei der zukünftigen Besoldung muss der Staat dies prüfen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1147 am: 20.04.2022 07:57 »
Bedeutet dies dann nicht auch, dass zukünftig eine jährliche "Mindestbesoldungserhöhung" in Höhe der Erhöhung der Grundsicherung anstehen müsste.
Auch vor dem Hintergrund, dass unsere derzeitige Regierung ja eine deutliche Erhöhung der Grundsicherung anstrebt.
Muss also zukünftig bei jeder Grundsicherungserhöhung die Regierung auch die steigende Besoldung der Beamten einkalkulieren ? Das würde ja nicht nur die Bundesbeamten betreffen sondern auch die Landesbeamten.

Das gesamte Prüfprogramm des Bundesverfassungsgericht dient der Kontrolle der dem Beamten gewährten Alimentation und nicht (wie es die Besoldungsgesetzgeber wiederkehrend fälschlich verstehen) deren Bemessung. Es richtet sich in erster Linie an die Gerichte und nur mittelbar an die Gesetzgeber, die entsprechende Berechnungen nicht durchführen müssten, sofern sie sich sicher wären, dass die von ihnen gewährte Nettoalimentation die Mindestalimentation deutlich überstiege. Sofern die Besoldungsgesetzgeber allerdings aus ihrem wiederkehrend falschen Verständnis der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung versuchen, eine Alimentation auf Basis einer möglichst nahe an die Mindestalimentation heranreichende Bemessung zu gewähren, wäre das, was Du schreibst, die Konsequenz aus ihrem Handeln, da die Mindestalimentation in ihrem Zwittergehalt nicht nur eines der indiziellen Mittel ist, um eine verfassungskonform ausgestaltete von einer verfassungswidrigen Alimentation zu unterscheiden, sondern zugleich auch die vom absoluten Alimentationsschutz umfasste Grenze, unterhalb derer keine Einschnitte in die Alimentation gestattet sind. Wer versucht, eine Alimentation möglichst nahe an der Mindestalimentation zu gewähren, setzt sich der Gefahr aus, diese durch falsch verstandene Bemessungen zu unterschreiten, und muss gegebenenfalls während eines Kalenderjahres jederzeit die gewährte Nettoalimentation erhöhen, sofern sich das Grundsicherungsniveau erhöhte und er das Ziel hätte, eine mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eventuell verfassungskonforme Alimentation zu gewähren.

@ WasDennNun

Das eine sind prinzipiell nicht beweisbare Spekulationen (die für mich, wie deutlich geworden sein sollte, als solche einen allenfalls geringen Wert haben); das andere sind die vom Bundesverfassungsgerichtlich verbindlich aufgestellten Direktiven, die es also zwingend zu beachten gilt, da die Gerichte verpflichtet sind, auf ihrer Grundlage eine beklagte Gesetzgebung zu überprüfen. Die die Direktiven zur Grundlage nehmende Überprüfung wird zu den von mir dargestellten Ergebnissen gelangen, also zu einem in der Regel großen Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation. Aus diesem großen Fehlbetrag hat der Besoldungsgesetzgeber auf Grundlage seines weiten Entscheidungsspielraums die seiner Meinung nach sinnvollen Konsequenzen zu ziehen, um dann zu einer verfassungskonformen Alimentation zurückzukehren. Dabei hat er allerdings zu beachten, dass sein weiter Entscheidungsspielraum mittlerweile mittelbar eingeschränkt ist:

"Allerdings hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, wie er bei der Festsetzung der Bezüge den Anforderungen des Gebotes eines Mindestabstands zum Grundsicherungsniveau Rechnung trägt. Neben der Anhebung der Grundgehaltssätze und Veränderungen im Beihilferecht kommt insbesondere auch eine Anhebung des Familienzuschlags in Betracht (vgl. BVerfGE 140, 240 <287 Rn. 94>). Ob eine zur Behebung eines Verstoßes gegen das Mindestabstandsgebot erforderliche Neustrukturierung des Besoldungsgefüges zu einer Erhöhung der Grundgehaltssätze einer höheren Besoldungsgruppe führt, lässt sich daher nicht mit der für die Annahme eines Verfassungsverstoßes erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist umso größer, je näher die zur Prüfung gestellte Besoldungsgruppe selbst an der Grenze zur Mindestbesoldung liegt. Je deutlicher der Verstoß ausfällt und je mehr Besoldungsgruppen hinter dem Mindestabstandsgebot zurückbleiben, desto eher ist damit zu rechnen, dass es zu einer spürbaren Anhebung des gesamten Besoldungsniveaus kommen muss, um die gebotenen Abstände zwischen den Besoldungsgruppen wahren zu können. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots bei einer niedrigeren Besoldungsgruppe ist daher (nur) ein Indiz für die unzureichende Ausgestaltung der höheren Besoldungsgruppe, das mit dem ihm nach den Umständen des Falles zukommenden Gewicht in die Gesamtabwägung einzustellen ist." (Rn. 49; Hervorhebungen durch mich)

Ich gehe weiterhin davon aus, dass der in allen 17 Besoldungsrechtskreisen in der Regel große Fehlbetrag zwischen der Mindest- und der gewährten Nettoalimentation zu entsprechend deutlichen Anhebungen auch der Grundgehaltssätze führen muss, da es den Besoldungsgesetzgebern auf Grundlage der (neuen) bundesverfassungsgerichtlichen Direktiven schwer fallen bis unmöglich sein dürfte, eine anders vorgehende Entscheidung sachgerecht zu begründen, also sie verfassungskonform zu prozeduralisieren. Sofern er nicht sachgerechte Konsequenzen vollzöge, also keine hinreichenden Veränderungen tätigte, erreichte die gewährte Nettoalimentation weiterhin kein amtsangemessenes Niveau, bliebe also verfassungswidrig.

Unknown

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« Antwort #1148 am: 20.04.2022 07:59 »
Auch bei Änderungen bzgl. der Miete, PKV Beiträge etc. ist dies dann anzupassen.
Ansonsten ja: Bei der zukünftigen Besoldung muss der Staat dies prüfen.
Die Frage ist, ob dieses ohne eines eingrenzenden Urteils vom BVerfG überhaupt geschehen wird. Meistens wird es doch gnadenlos ausgesessen. Da wird doch meiner Meinung nach, wieder sehr schnell die 115 Prozent Schwelle gerissen werden bei jährlichen Leistungserhöhungen.

WasDennNun

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« Antwort #1149 am: 20.04.2022 08:11 »
@WasDennNun,

Das musst Du noch mal erklären wie man mit 900€ für Zins und Tilgung  einen 350.000 Euro Kredit in überschaubaren Zeiträumen abbezahlt haben will. Selbst bei 0% Zins würde man mehr als 32 Jahre brauchen. Wenn ich in Pension gehe, würde ich doch gerne einen Haken  am Thema Kredit  gemacht haben wollen.
Ist 2% Tilgung und ja, die theoretische Laufzeit ist sehr lang. 40Jahre.
Unter der Prämisse, dass man nach 30 Jahren durch sein will, wäre mit 900€ nur 280k€ drin gewesen.
Also immer noch mehr als die Steigerung der Hauspreise gegenüber von vor 20 Jahren (120k€ bei 900€).
Und wie gesagt, es ist schon krass, dass sich in den letzten 10 Jahren die Hauspreise verdoppelt haben, aber sich ein Haus nicht mehr leisten zu können wird erst noch kommen, wenn die Zinsen steigen, die Hauspreise aber nicht stagnieren/fallen.
(dafür wird man dann ggfls. sehr günstig via Zwangsversteigerung an Gebäude kommen, finde ich persönlich allerdings eklig)
idR war es daher bei gleicher Belastung in den meisten Regionen bisher weiterhin möglich sich Eigentum anzueignen, wenn man wollte (und die Bank einem das Geld gegeben hätte)

WasDennNun

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« Antwort #1150 am: 20.04.2022 08:13 »
Auch bei Änderungen bzgl. der Miete, PKV Beiträge etc. ist dies dann anzupassen.
Ansonsten ja: Bei der zukünftigen Besoldung muss der Staat dies prüfen.
Die Frage ist, ob dieses ohne eines eingrenzenden Urteils vom BVerfG überhaupt geschehen wird. Meistens wird es doch gnadenlos ausgesessen. Da wird doch meiner Meinung nach, wieder sehr schnell die 115 Prozent Schwelle gerissen werden bei jährlichen Leistungserhöhungen.
Naja, aber mit entsprechender vorgaben durch das BVerG kann dann das Verwaltungsgericht doch da flugs einen Riegel vor schieben, sprich es wird zukünftig nicht mehr hundert Jahre dauern bis die Klagen durch sind.

WasDennNun

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1151 am: 20.04.2022 08:26 »
@ WasDennNun

Das eine sind prinzipiell nicht beweisbare Spekulationen (die für mich, wie deutlich geworden sein sollte, als solche einen allenfalls geringen Wert haben); das andere sind die vom Bundesverfassungsgerichtlich verbindlich aufgestellten Direktiven, die es also zwingend zu beachten gilt, da die Gerichte verpflichtet sind, auf ihrer Grundlage eine beklagte Gesetzgebung zu überprüfen. Die die Direktiven zur Grundlage nehmende Überprüfung wird zu den von mir dargestellten Ergebnissen gelangen, also zu einem in der Regel großen Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation.
Ja, natürlich. Solange man im Regelkreis 4K Familie = Grundbesoldung bleibt hast du ja Recht.
Auch wenn es bedeutet, dass der einfache Dienst mehr verdient als der studierte Angestellte.
Dann bekommt der Begriff amtsangemessen halt eine andere Bedeutung für den Rest der Gesellschaft.
(aber schön wäre es schon für die Kollegen)
Ein interessanter Nebeneffekt ist ja, dass dann Berlin +27,6%  Sachsenanhalt +9,8% Erhöhung Grundbesoldung benötigt, da geht dann ja eine andere Schere auf, die dann eingeklagt werden muss.
und das alles nur, weil man das System nicht auf eine solide, gerechte und vernünftige Basis stellen kann (oder will)

Und ob dann wiederum die nächsten 8-15 Jahre überhaupt in Berlin eine relevante Besoldungserhöhung einklagbar sein wird bzw. notwendig sein wird (Prüfzeitraum ist doch 15 Jahre und da hat man dann ja einen "Vorsprung" zur Lohnentwicklung, Preisentwicklung etc. geschaffen, der erstmal abgeschmolzen werden kann, wenn man einen bösen Gesetzgeber hat)

Tja, irgendwie spannend. ::)

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1152 am: 20.04.2022 08:57 »
Ist 2% Tilgung und ja, die theoretische Laufzeit ist sehr lang. 40Jahre.

Sorry, aber das kann keiner für voll nehmen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1153 am: 20.04.2022 08:59 »
@ WasDennNun

Das eine sind prinzipiell nicht beweisbare Spekulationen (die für mich, wie deutlich geworden sein sollte, als solche einen allenfalls geringen Wert haben); das andere sind die vom Bundesverfassungsgerichtlich verbindlich aufgestellten Direktiven, die es also zwingend zu beachten gilt, da die Gerichte verpflichtet sind, auf ihrer Grundlage eine beklagte Gesetzgebung zu überprüfen. Die die Direktiven zur Grundlage nehmende Überprüfung wird zu den von mir dargestellten Ergebnissen gelangen, also zu einem in der Regel großen Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation.
Ja, natürlich. Solange man im Regelkreis 4K Familie = Grundbesoldung bleibt hast du ja Recht.
Auch wenn es bedeutet, dass der einfache Dienst mehr verdient als der studierte Angestellte.
Dann bekommt der Begriff amtsangemessen halt eine andere Bedeutung für den Rest der Gesellschaft.
(aber schön wäre es schon für die Kollegen)
Ein interessanter Nebeneffekt ist ja, dass dann Berlin +27,6%  Sachsenanhalt +9,8% Erhöhung Grundbesoldung benötigt, da geht dann ja eine andere Schere auf, die dann eingeklagt werden muss.
und das alles nur, weil man das System nicht auf eine solide, gerechte und vernünftige Basis stellen kann (oder will)

Und ob dann wiederum die nächsten 8-15 Jahre überhaupt in Berlin eine relevante Besoldungserhöhung einklagbar sein wird bzw. notwendig sein wird (Prüfzeitraum ist doch 15 Jahre und da hat man dann ja einen "Vorsprung" zur Lohnentwicklung, Preisentwicklung etc. geschaffen, der erstmal abgeschmolzen werden kann, wenn man einen bösen Gesetzgeber hat)

Tja, irgendwie spannend. ::)

Jetzt scheinst Du das, was ich schreibe, als sinnvoll anzusehen - und dann muss ich Dir dennoch wieder widersprechen: Aus dem Fehlbetrag zwischen Mindest- und Nettoalimentation ist nicht zwingend zu folgern, dass genau dieser Wert der nötige Erhöhungswert des Grundgehalts ist. Denn der Gesetzgeber verfügt weiterhin über einen weiten Entscheidungsspielraum: Es ist ihm also gestattet, neben den Grundgehaltssätzen weiterhin Besoldungsdifferenzierungen durchzuführen, die sich auf das Feld der Familien- und Ortszuschläge, Sonderzuwendungen, dem Urlaubsgeld und Einmalzahlungen erstrecken. Dabei hat er allerdings in Rechnung zu stellen, dass es sich bei den weiteren Bruttobestandteilen um Detailregelungen handelt und dass also die Angemessenheit einer Alimentation grundsätzlich durch die Höhe des Grundgehalts zu sichern ist.

Wenn wir uns also den 27,6 %igen Nettofehlbetrag anschauen, der am Ende zu einem über 30 %igen Bruttofehlbetrag führt, dann wird es dem Besoldungsgesetzgeber gestattet sein, im verfassungskonformen Rahmen ebenso die Familienzuschläge anzuheben (Ortszuschläge sind in Berlin nicht möglich) und hinsichtlich der unterschiedlichen Besoldungsgruppen unterschiedlich Sonderzuwendungen und Einmalzahlungen zu gewähren. Dabei ist er allerdings in der Pflicht, seine Entscheidung sachgerecht zu vollziehen und sie hinreichend zu prozeduralisieren, um den sachgerechten Charakter überprüfbar zu machen.

Der langen Rede kurzer Sinn: Der hohe Fehlbetrag sowie die deutlich Anzahl an Besoldungsgruppen, die von ihm unmittelbar betroffen sind, macht es meiner Meinung nach in Berlin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nötig, den Grundgehaltssatz deutlich zu erhöhen, ohne dass daraus nun gefolgert werden könnte, um wieviel Prozent die Erhöhung ausfallen muss, um zu einer wieder amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Mir scheint es wahrscheinlich, dass der Erhöhungswert eher oberhalb als unterhalb von 20 % liegen sollte.

Sobald die Besoldungsgesetzgeber wieder zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückkehren werden (was nicht heute oder morgen geschehen wird), wird das ebenso nach und nach zur Anhebung der Tariflöhne führen, da es politisch nicht zu rechtfertigen wäre, dass sich eine neue deutliche Kluft zwischen beiden Systemen auftäte. Es wird dann Aufgabe der Gewerkschaften und Beschäftigten sein, entsprechend auf die Arbeitgeber einzuwirken.

Unknown

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #1154 am: 20.04.2022 09:27 »
Kann denn das BVerfG einen Prozentwert vorgeben, dass mindestens x Prozent der Besoldung der Besoldungsanteil sein muss und die "Zulagen", wie FZ, REZ, Beihilfe lediglich ein bestimmter Prozentanteil vom Ganzen sein darf?
Aus meiner Sicht kann man das anders doch kaum regeln, weil jedes Land nur die billigste Variante umsetzen will. So wie ich das verstanden habe, darf die Besoldung nicht massgeblich aus Zulagen bestehen. Gibt es da irgendeine Vorgabe wieviel Prozent angemessen sind?