Wenn ich es richtig sehe, hat hier niemand gesagt, dass die Rückkehr zu einer verfassungskonformen Alimentation seiner Meinung nach schnell gehen würde. Ich für meinen Teil skizziere hier im Forum nur, wie sich mir die Rechtslage darstellt - dass die Besoldungsgesetzgeber weiterhin ihre fiskalisch motivierte Besoldungsgesetzgebung solange, wie es ihnen möglich ist, fortsetzen werden, ist dabei in Rechnung zu stellen.
Insgesamt sind dabei aber zwei Entwicklungslinien absehbar:
1. Das Bundesverfassungsgericht hat ab 2012 angefangen, eine neue Besoldungsdogmatik an verschiedenen Präzedenzfällen zu entwickeln. Hierzu hat es - um nur Leitlinien zu benennen - nach 2012, als es die Prozeduralisierungspflichten des Besoldungsgesetzgebers deutlich verschärft hat, 2015 zwei Entscheidungen, mit denen es die an Indizes anknüpfende Prüfmethodik erstellt hat, gefällt, 2017 hat es das systeminterne Abstandsgebot konkretisiert, 2018 die bisherige neue Rechtsprechung in verschiedenen Feldern präzisiert und 2020 schließlich das Verfahren zur Bemessung der Mindestalimentation und der gewährten Nettoalimentation festgelegt. Nun kann man es bedauern, dass die Mühlen des Bundesverfassungsgericht langsam mahlen - aber anders ist das bei einem Gericht, das sich außerhalb des Instanzenzugs befindet und also abschließende Entscheidungen trifft, die durch entsprechend direktives Vorgehen den Gesetzgeber zunehmend zu einer Art Verwaltungsorgan machen können, kaum möglich. Bislang befindet sich die Entwicklung der neuen Besoldungsdogmatik noch im Fluss; zehn Jahre sind bundesverfassungsgerichtlich hinsichtlich grundstürzender Veränderungen kein langer Zeitraum (auch wenn er das für uns ist) - solange das der Fall ist, also die neue Besoldungsdogmatik noch nicht weitgehend abgeschlossen ist, wird es Senatsentscheidungen fällen, die der Natur der Sache nach zeitaufwändig sind. Sobald die neue Dogmatik vergangenheitsbezogen weitgehend abgeschlossen sein wird, wird das Bundesverfassungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit Kammerentscheidungen fällen. Ab dem Zeitpunkt können dann die gesamten Verfahren, die den Zeitraum bis 2020 betrachten, deutlich schneller vollzogen werden - dieser Prozess wird also sicherlich keine weiteren zehn Jahre dauern.
2. Ab jenem Zeitraum, ab dem also nach Ansicht des Bundesverfassungsgericht Kammerentscheidungen hinsichtlich etwa bis 2020 offener Verfahren gefällt werden können, ist damit zu rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht Vollstreckungsanordnungen auf Grundlage von § 35 BVerfGG erlassen wird, sofern die Besoldungsgesetzgeber ihre verfassungwidrige Linie ungebrochen fortsetzen werden: Denn spätestens durch den aktuellen DÖV-Beitrag ist hinlänglich aufgezeigt worden, dass die Besoldungsgesetzgebung seit einer langen Zeit - seit spätestens 2008 - nicht mehr verfassungskonform vollzogen worden ist; das kann und wird das Bundesverfassungsgericht über kurz oder lang nicht unberührt lassen. Jene Vollstreckungsanordnungen können nicht allgemein, sondern müssen hinsichtlich der jeweiligen Gesetze, über die bundesverfassungsgerichtlich entschieden wird, erfolgen. Darüber hinaus ist dann mit weiteren Senatsentscheidungen zu rechnen, die die wiederkehrend noch schiefere Gesetzeslage, wie sie von verschiedenen Besoldungsgesetzgeber ab 2020 entwickelt worden ist, in den Blick nehmen werden. Spätestens hier ist dann zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht sich direktiv hinsichtlich exorbitant hoher Familienzuschläge, wie sie als erstes Berlin in die Tat umgesetzt hat, methodisch unsauber entwickelter regionaler Ergänzungszuschläge, wie sie unlängst NRW vollzogen hat, und wirrer Zwei-Verdiener-Modelle, wie sie als erstes Schleswig-Holstein gesetzlich verankert hat, äußern wird; diese Entscheidungen werden offensichtlich wieder als Senatsentscheidungen gefällt werden. Mit diesen Entscheidungen wird, so ist zu vermuten, das Bundesverfassungsgericht den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers noch weiter einschränken, sofern die Besoldungsgesetzgeber zuvor nicht von alleine zur Vernunft kommen: Entsprechendes Handeln, die zunehmende Einschränkung weiter Entscheidungsspielräume, vollzieht das Bundesverfassungsgericht letztlich ungern - weil das demokratietheoretisch als "negative Gesetzgebung" als durchaus problematisch betrachtet werden kann -; aber so, wie es ausschaut, werden die Besoldungsgesetzgeber ihm kaum eine andere Wahl lassen.
So in etwa stellt sich mir in meiner Glaskugel die nicht gänzlich unwahrscheinliche Entwicklung dar. Es wird bis zur Entscheidung über die Bremer Vorlagebeschlüsse noch weiterhin langsam gehen - eventuell auch noch danach bis zur nächsten Entscheidung. Spätestens danach - also realitisch betrachtet: in spätestens drei bis vier Jahren - dürfte es schneller gehen, so ist zu vermuten; und wenn wir Glück haben geht es bereits nach der anstehenden Entscheidung schneller, womit ich aber nicht (oder nur mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 50 %) rechne (was mich aber freuen würde - hier in Niedersachsen warten wir auf eine rechtsgültige Entscheidung für den Zeitraum ab dem Jahr 2005).
Und wer sich nun über das langsame Vorgehen des Bundesverfassungsgericht beschweren möchte, sollte das tun - denn Warten auf Entscheidungen mögen wir alle nicht gerne -; aber so, wie unser Rechtssystem und darin die Stellung des Bundesverfassungsgericht gebaut ist, geht's nicht anders. Gut Ding will Weile haben.