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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
sapere aude:
"Der Alimentationsbedarf richtet sich nun mal an den Lebenshaltungskosten der Familie, die wesentlich vom Wohnort und der Zahl der Kinder abhängen. Daher ist eine entsprechende Besoldungsdifferenzierung sachgerecht."
Das sehe ich auch so!
Mit dem REZ, wenn er so kommt wie hier diskutiert (den Entwurf kenne ich noch nicht), wird der Schwerpunkt aber erheblich auf den Wohnort gelegt. Das halte ich in der diskutierten Differenzierung für nicht sachgerecht. Ist der kinderbedingte Mehrbedarf für das Wohnen wirklich so unterschiedlich? Frankfurt, Hamburg und München sind zweifellos teuer, aber sind 0,- zu 500,- angemessen?
Fahnder:
An den jeweils für sich nachvollziehbaren Ausführungen von sapere aude, Asperatus und SwenTanortsch lässt sich doch eins ganz klar erkennen:
Die jahrelange Odyssee zur Verfassungsmäßigkeit der Besoldung wird weitergehen! :-\
Egal wie man zu der vorgesehenen Regelung steht, auch diese wird diese von den Gerichten überprüft werden. Dieses Gesetz ist offensichtlich "Neuland" und damit aus mehreren oben dargestellten Gründen extrem gefährdet. Das kann man nicht abstreiten. Es werden genug Singles, Familien mit nur einem Kind, Pensionäre, Kollegen aus dem gD und hD, Bedienstete in Ballungsgebieten und/oder alles zusammen damit unzufrieden sein und dagegen vorgehen. Rechtssicherheit wird es im Besoldungsrecht wohl nie wieder geben.
Daher die Frage: Sollten die noch offenen Widersprüche beim Bund nach der nunmehr kommenden Regelung entschieden werden, hilft für die o. g. Fallgruppen nur noch die Klage, oder?
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Asperatus am 07.02.2021 19:14 ---Die Argumentation teile ich nicht. Rn. 57, Urteil des Zweiten Senats vom 06. März 2007 – 2 BvR 556/04 – wird hier offenbar missinterpretiert in dem Sinne, die Besoldung müsse auch ohne Zulagen amtsangemessen sein. Darum ging es dort aber nicht. Aussage war, dass der Gesetzgeber frei ist, die einzelnen Besoldungsbestandteile zu gestalten, weil die Besoldungszusammensetzung nicht verfassungsrechtlich geschützt ist.
So heißt es auch in Rn. 61 des Beschlusses des Zweiten Senats vom 4. Mai 2020 – 2 BvL 4/18 –, der Besoldungsgesetzgeber sei allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen sei. Der Gesetzgeber müsse nicht pauschalieren, sondern könne den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen. Insbesondere sei er frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags. Dies hat er mit dem Entwurf in Form des Regionalen Ergänzungszuschlages getan.
Auch heißt es im Beschluss in Rn. 47, die familienbezogenen Bezügebestandteile sind zu berücksichtigen bei der Frage, ob der Mindestabstand eingehalten wurde. Hinsichtlich der Strukturierung der Besoldung verfüge der Besoldungsgesetzgeber über einen breiten Gestaltungsspielraum. Es bestehe insbesondere keine Verpflichtung, die Grundbesoldung so zu bemessen, dass Beamte und Richter ihre Familie als Alleinverdiener unterhalten können. Vielmehr stehe es dem Besoldungsgesetzgeber frei, etwa durch höhere Familienzuschläge bereits für das erste und zweite Kind stärker als bisher die Besoldung von den tatsächlichen Lebensverhältnissen abhängig zu machen. Ob dies nun durch den Familienzuschlag oder einen nach familiären Verhältnissen gestaffelten regionalen Ergänzungszuschlag erfolgt, ist unerheblich.
Der Alimentationsbedarf richtet sich nun mal an den Lebenshaltungskosten der Familie, die wesentlich vom Wohnort und der Zahl der Kinder abhängen. Daher ist eine entsprechende Besoldungsdifferenzierung sachgerecht.
Die Düsseldorfer Tabelle ist auch kein geeigneter Maßstab, den Grundbedarf für ein Kind im Sinne des Besoldungsrechts zu ermitteln. Daher hat das BVerfG diese auch nicht angewandt. Es geht nur um das Grundsicherungsniveau und dem Mindestabstand zu diesem, nicht um nach Nettoeinkommen gestaffelten Bedarfen.
--- End quote ---
Ok, das ist ja nun doch eine recht starke Verkürzung auf einzelne Sätze der aktuellen Entscheidung, die an keiner Stelle die in den jeweiligen Randnummern und in deren Kontexten zu beachtenden Verweise des BVerfG auf seine eigene Judikatur bzw. die von ihm zu Grunde gelegten Entscheidungen anderer Gerichte heranzieht. So sind aber die Direktiven des BVerfG nicht zu verstehen; denn es geht ja um die Dogmatik des BVerfG zum Alimentationsprinzips und nicht um einzelne Sätze, denen man dann - da sie nur kontextlos genannt werden - eine eigene individuelle Bedeutung beimessen kann. Liegt doch genau darin die Gefahr einer Schätzung ins Blaue hinein begründet.
"Zur Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1610 BGB wird nach einhelliger Praxis der Familiengerichte die Düsseldorfer Tabelle verwendet." (vgl. das genannte BGH-Urteil) § 1610 BGB sagt aus: "(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). (2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung." Bedürftig ist im Sinne von § 1602 (2) BGB ein minderjähriges Kind, das, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen kann, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.
Da Du die Düsseldorfer Tabelle als keinen geeigneten Maßstab ansiehst, den Grundbedarf für ein Kind im Sinne des Besoldungsrechts zu ermitteln, wie Du schreibst, wird Dir ein anderer Maßstab vorschweben. Welcher ist das?
was_guckst_du:
...die Düsseldorfer Tabelle ist nichts anderes als eine Orientierungshilfe im Unterhaltsrecht, an der sich allerdings alle Familiengerichte in D bei der Unterhaltsberechnung halten...sie hat keinen Gesetztescharakter...
SwenTanortsch:
--- Zitat von: was_guckst_du am 08.02.2021 08:18 ---...die Düsseldorfer Tabelle ist nichts anderes als eine Orientierungshilfe im Unterhaltsrecht, an der sich allerdings alle Familiengerichte in D bei der Unterhaltsberechnung halten...sie hat keinen Gesetztescharakter...
--- End quote ---
Absolut richtig - und genau eine solche Orientierungshilfe bedarf es ja nun. Insofern freue ich mich weiterhin über Vorschläge, welche alternative Orientierungshilfe im Sinne unserer Rechtsordnung als sinnvoll erachtet werden, wenn's nicht die Düsseldorfer Tabelle sein sollte...
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