@ Unknown
Eine Vollstreckungsanordnung kann sich nur auf ein konkretes Gesetz beziehen und muss zugleich einen konkreten vergangenheitsbezogenen Zeitraum umreißen, eben jenen, den das Bundesverfassungsgericht geprüft und für verfassungswidrig betrachtet hat. Es kann also nicht für die 16 anderen Länder oder auch hinsichtlich des betrachteten Lands nicht für ungeprüfte Zeit gelten. Denn in ungeprüften Zeiten oder ungeprüften Gesetzen anderer Länder kann die Alimentation ja durchaus verfassungskonform gewesen sein.
@ Lumer
Ich sehe das ähnlich wie Du, dass nicht damit zu rechnen ist, dass in nächster Zeit bereits mit Vollstreckungsanordnungen zu rechnen ist. Denn zum einen ist das Problem, das Du beschreibst, gegeben, wobei es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der vom Bundesverfassungsgericht nicht betrachteten Besoldungsgruppen eines konkreten Gesetzes und konkreten Zeitraums eventuell über die Mindestalimentation und das Gemeinwohl möglich wäre, die Vollstreckungsanordnung auf nicht betrachtete Besoldungsgruppen auszuweiten, wobei hier dann ggf. Neuland betreten werden würde. Denn über die nun konkretisierte Mindestalimentation ist der vom absoluten Alimentationsschutz umfasste niedrigste Gehalt einer konkreten Alimentation bemessbar. Ist er (deutlich) verletzt, strahlt diese Verletzung über den Grundsatz des Abstandsgebots auf die gesamte Besoldungssysematik aus, sodass sie als Ganzes als verfassungswidrig betrachtet werden kann, insbesondere, sofern das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung mehrere Besoldungsgruppen betrachtet und das an ihnen jeweils zeigt. Die Fachgerichte könnten dann ggf. angewiesen werden, dass den einzelnen (nicht betrachteten) Besoldungsgruppen eine Alimentation zuzusprechen wäre, die ausgehend von der Mindestalimentation den prozentualen Abstand zwischen der untersten und der jeweilig höheren als für die Heilung hinreichenden Betrag abbilden würde. Denn die beiden Abstandsgebote hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit zunehmend mehr miteinander verbunden. Ob ein solches oder ein ähnliches Verfahren formell statthaft wäre, müsste das Bundesverfassungsgericht betrachten und begründen. Ein solches Verfahren würde allerdings dazu führen, dass die Gesetzgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem verfassungskonformen Zustand zurückkehrten. Denn eine solche Entscheidung würde für sie deutlich teurer werden, als wenn sie selbst vergangenheitsbezogen Bemessungen vollziehen würden. Da ihnen eine Frist eingeräumt werden würde, bis zu welchem Zeitpunkt sie handeln müssten, hätte sie zugleich bis dahin selbst die Möglichkeit, vergangenheisbezogen einen wieder verfassungskonformen Zustand herzustellen.
Dass es in näherer Zukunft zu einer entsprechenden Vollstreckungsanordnung kommt, halte ich bislang ebenfalls für unwahrscheinlich. Denn das Bundesverfassungsgericht wird dem erst nachkommen, nachdem es mehrmals ein Gesetz eines konkreten Besoldungsgesetzgebers aus dem selben Grund als für verfassungswidrig betrachtet hat. Denn nur dann wäre die Anwendung von § 35 BVErfGG zu rechtfertigen, da dann mehrmals nachgewiesen wäre, dass der betreffende Gesetzgeber seiner Pflicht tatsächlich nicht hinreichend nachgekommen ist und dass das auch sein unmittelbares oder mittelbares Ziel gewesen sei. Allerdings wäre eine wiederholte Verletzung des Mindestabstandsgebots offensichtlich genau ein solcher Grund - und sobald in schnellerer Reihenfolge Kammerentscheidungen getroffen werden sollten und der kontinuierliche Fluss an Vorlagebeschlüsse nicht abreißen würde, die allesamt die Verletzung des Mindestabstandsgebot thematisierten, käme irgendwann der Zeitpunkt der wiederholten Betrachtung der Gesetzgebung eines konkreten Besoldungsgesetzgebers.
All das ist noch Zukunftsmusik. Aber so wie 2012 2015 nähergerückt ist wie 2015 2017 und 2017 2018 und 2018 2020 wird auch eine Vollstrdeckungsanordnung immer näher rücken, je kreativer und freihändiger die Besoldungsgesetzgeber mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht verfahren. Deshalb vor geraumer Zeit die längere Debatte über "negative Gesetzgebung" - die vollzieht das Bundesverfassungsgericht nur bedingt gerne. Aber wenn ihm keine andere Wahl gelassen wird, wird es den weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers immer weiter einschränken, so wie es das sei 2012 bereits deutlich getan hat. Dem sollten sich die Besoldungsgesetzgeber bewusst sein, denke ich.
@lotsch
Die Haushaltslage ist vom Besoldungsgesetzgeber ggf. im Gesetzgebungsverfahren zu prüfen - und innerhalb eines begründeten und konkretisierten Verfahrens kann auch die Beamtenalimentation zur Haushaltskonsolidierung herangezogen werden. Das kann allerdings nur für die Beträge gelten, die oberhalb der Mindestalimentation liegen, da sie vom absoluten Alimenationsschutz umfasst ist. Und zugleich muss die Haushaltskonsolidierung gleichheitsgerecht erfolgen, d.h., der Gesetzgeber hat zu dokumentieren, in welchem Maße er die Beamten zur Haushaltskonsolidierung heranzieht, und darin zu zeigen, dass das gleichheitsgerecht erfolgte. Auch hier ist in den letzten Jahren der weite Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers deutlich eingeschränkt worden - allein durch die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit diesem Thema beschäftigen und sich hierzu äußern musste. Denn jede Äußerung des Bundesverfassungsgericht kann zu einer "negativen Gesetzgebung" führen, weil jede seiner Aussagen zu beachten ist - und das Bundesverfassungsgericht wird sich auch zukünftig in unserer Thematik noch vielfach äußern müssen, da es noch über viele Vorlagebeschlüsse zu entscheiden und dabei ähnliche, aber auch neuartige Probleme zu betrachten haben wird...