Ich bin zurzeit schon wieder in anderen Kontexten eingebunden, Soldat, nachdem ich Anfang der Woche etwas Zeit gefunden hatte, hier im Forum zu schreiben. Entsprechend habe ich zum Thema auch bereits ein paar Stichworte formuliert, die zum Text formuliert - also argumentativ vertreten - jedoch Zeit bedürfen. Sobald ich diese finde, werde ich mal einen Text formulieren. Da das Thema wichtig ist, werde ich es nicht vergessen.
@ Alexander
Die hier geführten politischen Diskussionen können zwangsläufig - das bringen schriftliche Diskussionen von Menschen, die sich in der Regel noch nie face to face begegnet sind und also zumeist zwangsläufig gar nicht verstehen können, was der andere sagt; es sei denn er und alle anderen Diskutanten entäußern sich quantitativ so umfassend, dass der tiefere Sinn oder gar das Weltbild erkennbar würde - wiederkehrend nur flüchtiger Natur sein. Das kann im Kleinstrahmen der geringen aktiven und passiven Nutzerzahl des Forums eine kleinen Beitrag zur politischen Kultur unserer Gesellschaft beisteuern und auf der anderen Seite das gegenseitige Missverstehen, das die auf flüchtige Begegnungen programmierten sog. neuen Medien von der Wahrscheinlichkeit her im großen Rahmen häufiger mit sich bringen, befördern.
Das Besoldungsrecht und damit das es begründende Alimentationsprinzip zeigt sich de facto spätestens im Zuge der Föderalismusreform I - also seit Mitte der 2000er Jahre - schwer beschädigt, wobei der Beschädigungsgrad im Gefolge der letzten beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von allen Besoldungsgesetzgebern in sämtlichen 17 Rechtskreisen gehörig vorangetrieben worden ist. Auch deshalb fordern hier wiederkehrend verschiedene Kollegen eine rasche(ere) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein oder haben das in den letzten vier Jahren wiederkehrend getan, was als Argument erst einmal nicht von der Hand zu weisen ist. Denn dieser Beschädigungsgrad hat mittlerweile eine so weitgehende Form angenommen, das die mit ihm einhergehenden Folgen kaum absehbar sind. Das ist für mich einer der zentralen Gründen, weshalb ich mich recht umfangreich im Thema engagiere.
Auch wegen meines wiederkehrenden Schreibens dürfte ich darüber hinaus unverdächtig sein, dass ich die Problematik beschönigen wollte - das Problem eines in einem Rechtsstaat beschädigten Rechtsgebiets ist allerdings, sofern mehrere zur Entscheidung ermächtigte Akteure an der Beschädigung beteiligt sind, dass sich politisch kaum ein Akteur allein in der Lage sieht, es wieder zu heilen, und zwar unabhängig davon, ob er davon profitiert oder nicht. Und wenn er davon profitiert und der "Profit" bereits politisch und ökonomisch eingepreist ist - was in unserem Thema der Fall ist -, ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Heilung kommt, nur umso geringer.
Insofern kann und muss man sich Sorgen machen, auch wegen der Ausstrahlungswirkung, die von beschädigten Rechtsgebieten ausgehen - und zwar insbesondere hinsichtlich des Bundes, der wegen seiner herausgehobenen Funktion eine besondere Verantwortung für den notwendigen Heilungsprozess hat. Von ihm müsste an sich der Heilungsprozess ausgehen, ohne dass man hierzu viel von der Innenministerin, dem Finanz- und Justizminister sowie dem Bundeskanzler hörte, die hier jeweils eines besondere Verantwortung haben. Das ist in dieser Regierung so und das war in der vorherigen so, in der der scheidende Innenminister vor allem aus dem Grund gehandelt hatte, dass er ein scheidender Politiker gewesen ist und also nichts mehr zu verlieren hatte (unabhängig davon, dass der Entwurf gleichfalls das Ziel extremer und also verfassungswidriger Kosteneinsparungen beinhaltet hatte; dass also der Entwurf heute als Folge der seitdem noch einmal deutlich weiter vorangetriebenen Beschädigung des Besoldungsrechts manchem fast schon erträglich, weil erträglicher erscheint als der sachliche Unsinn, den die heutigen bundespolitischen Verantwortungsträger planen)
Auf der anderen Seite ist das Problem der tiefgehenden Verletzung des Rechtsgebiets jedoch, dass - unabhängig vom politischen und ökonomischen Eigeninteresse aller politischer Verantwortungsträger - es keiner von ihnen allein anfassen könnte, ohne damit ggf. seinen politischen Selbstmord einzuleiten. So verstanden darf man davon ausgehen, dass jeder politische Verantwortungsträger heute so handeln würde, wie nun alle politischen Verantwortungsträger in allen 17 Rechtskreisen - egal, welcher politischen Coleur - handeln (ich denke, genau das wollt ihr, MoinMoin und Knecht, ebenso wie ich mit euren Beiträgen ausdrücken), womit ich zur Konklusion meines Beitrags komme:
Das Handeln der politischen Verantwortungsträger ist in allen 17 Rechtskreisen schwer bedenklich - und sagt dabei zugleich, für sich betrachtet, nichts über ihre demokratische Festigkeit aus, da sich jeder, der hier politisch Verantwortung trüge - auch Du und ich - im Rahmen einer repräsentativen Demokratie so verhielte, wie sich unsere politische Klasse verhält, soll heißen: Genau deswegen ist das Thema eine schwärende Wunde und muss möglichst alle Energie von außen darauf gebündelt werden, dass es geheilt wird - die schwärende Wunde sagt letztlich nichts über die demokratische und rechtsstaatliche Gesinnung unserer politischen Klasse aus, die in allen politischen Parteien, die heute in den 17 Rechtskreisen politische Regierungsverantwortung übernehmen, offensichtlich stark ausgeprägt ist; sie - die schwärende Wunde - macht vielmehr darauf aufmerksam, dass ihre Ursache systemischer Natur ist, was - neben den genannten Eigeninteressen - ein Hauptgrund ist, dass sie sich nicht heilen lässt und vielmehr immer größere Ausmaße annimmt.
@ beamtenjeff
Das Thema Wohngeld hat im Besoldungsrecht sachlich nur eine Bedeutung in der Prüfung und Kontrolle der Höhe des alimentativrechtlichen Mehrbedarfs und ist darüber hinaus - bislang noch - sachlich von unserem Thema getrennt, auch wenn das manch Besoldungsgesetzgeber anders sehen wollte.
Es wird mit einiger Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren in unserem Thema zu weiteren politischen Aufladungen führen, aber das ist noch Zukunftsmusik: Denn das Bundesverfassungsgericht hat das Wohngeldgeld als Bemessungsinstrument zur Kontrolle einer amtsangemessenen Höhe des alimentativen Mehrbedarfs in der Parallelentscheidung deshalb herangezogen, weil hier das bis 2020 in 50 €-Schritten bemessene 95 %-Perzentil wegen dieser recht groben Bemessungsschritte nicht tauglich gewesen wäre. Um beträchtliche finanzielle Mittel einzusparen, ist die BfA zwischenzeitlich jedoch politisch angewiesen worden, dass 95 %-Perzentil auf den € genau zu bestimmen, sodass es offensichtlich keinen sachlichen Grund mehr gibt, weshalb es nun nicht auch zur Kontrolle der amtsangemessenen Höhe des alimentativen Mehrbedarfs herangezogen werden sollte.
Das (politische) Problem an der Sache ist nun: Das 95 %-Perzentil liegt deutlich höher als die höchste Mietenstufe des Wohngeldgesetzes. Wenn unsere politischen Verantwortungsträger also so weitermachten als wie zuvor (wovon auszugehen sein dürfte), wird sich das Bundesverfassungsgericht alsbald - also hinsichtlich des alimentativen Mehrbedarfs ggf. mit der nächsten Vorlage, die den Zeitraum nach 2020 betrifft - veranlasst sehen, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob nicht das 95 %-Perzentil als realitätsgerechtes Bemessungsverfahren zur Kontrolle des alimentativen Mehrbedarfs herangezogen werden sollte, sofern ein Kläger das zunächst vor dem Verwaltungsgericht so substantiierte.
Aber wie gesagt: Darüber hinaus haben die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes und ihre jeweilige konkrete Höhe sachlich nichts mit unserem Thema zu tun, auch wenn manche politische Verantwortungsträger das gerne anders sehen wollten.
Und am Ende ist dieser Beitrag mal wieder länger geworden, als er es ursprünglich eigentlich hatte werden sollen...