Es muss doch möglich sein, das unser BVerfG explizite Vorgaben machen kann in welchem Rahmen wir uns bewegen.
Das ist das Problem: Genau das kann es
nicht aus sich heraus, wenn es seine Stellung in unserer Rechtsordnung und darin seinen ihm von der Verfassung gegebenen Auftrag ernstnimmt: Das Bundesverfassungsgericht muss nicht zuletzt als Folge von Art. 20 Abs. 3 GG davon ausgehen, dass sich der Besoldungsgesetzgeber an die Verfassung und damit ebenso an dessen rechtskräftige Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht gebunden sieht. In meiner Antwort an Soldat werde ich darauf noch einmal gesondert eingehen, also weshalb dem so ist.
Entsprechend kann es nur prüfen, ob eine evidente (also unmissverständliche, sprich eindeutige) Verletzung des Alimentationsprinzips vorliegt, wobei es mit jeder Entscheidung, die das feststellt, zwangsläufig sowohl vergangenheitsbezogen als auch auf die Zukunft gerichtet Einschränkungen im weiten Entscheidungsspielraum des (Besoldungs-)Gesetzgebers vollzieht.
Diese Einschränkungen des weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers, die das Bundesverfassungsgericht in einem konkreten Normenkontrollverferfahren nur auf Anruf durch ein Gericht vollziehen kann, geschehen dabei grundsätzlich vergangenheitsbezogen, nämlich anhand der jeweils verhandelten Richtervorlage, die aus der Vergangenheit stammt - es schränkt damit aber zwangsläufig den weiten Entscheidungsspielraum des zukünftigen Besoldungsgesetzgebers mit ein, der ebenso zwangsläufig noch nicht verfassungswidrig gehandelt hat, weil er in den allermeisten Fällen noch nicht gewählt und entsprechend noch nicht zur Gesetzgebung ermächtigt ist.
Die Folge ist also, dass damit ebenso der zukünftige Wille des Wahlvolks eingeschränkt wird, das als Souverän jenen zukünftigen Gesetzgeber in den meisten Fällen noch nicht gewählt hat, durch den es sich zukünftig repräsentiert sehen wird. Damit aber wird im Ergebnis des zukünftigen Souveräns weite Entscheidungsmöglichkeit eingeschränkt, seine dann gegebene demokratische Gestaltungskraft oder demokratische Gestaltungsmöglichkeit im weiteren Rahmen selbst bestimmen zu können, als das für den heutigen oder vergangenen Souverän gegolten hat. Dieser Prozess ist jedoch in unserer Verfassung so nicht vorgesehen oder zumindest nicht expliziert, da unsere Verfassung davon ausgehen muss, dass es als Folge aus Art. 20 Abs. 3 GG verfassungstheoretisch keine Verletzung ihrer selbst geben kann. Diese Einschränkung auch des zukünftigen weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers führt im Extremfall dazu, dass das legislative Handeln des Gesetzgebers zunehmend - durch mit Gesetzeskraft erlassene Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht - zu einem Art Verwaltungshandeln wird, da der Souverän, repräsentiert durch seinen von ihm gewählten Gesetzgeber, wegen der Bindungswirkung bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen Judikate vorfindet, die er - der Souverän, repräsentiert durch den von ihm gewählten Gesetzgeber - nicht selbst ändern kann, da nur das Bundesverfassungsgericht dazu ermächtigt ist, die eigenen Direktiven im Rahmen der jeweils gegebenen Verfassheit des Grundgesetz rechtskräftig zu verändern. Zusammengefasst kann man sagen: Mit jedem Judikat des Bundesverfassungsgerichts wird dem Souverän, repräsentiert durch den von ihm gewählten Gesetzgeber, ein Teil seiner demokratischen Entscheidungsmöglichkeiten zukünftig genommen.
Als Folge findet sich das Bundesverfassungsgericht mit jedem Judikat, das in einem konkreten Normenkontrollverfahren eine gesetzliche Norm vernichtet, im Spagat, vergangenheitsbezogen die Verfassung rechtskräftig auszulegen, um damit zukunftsbezogen die dem Souverän in voller Freiheit seiner Entscheidungsmöglichkeiten gegebene Gesetzeskraft bindend einzuschränken, indem es die Vielfalt an möglichen Entscheidungen eingrenzt und sie so dem demokratischen Diskurs entzieht, ohne dass dieser Souverän und ebenso wenig der von ihm repräsentierte Gesrtzgeber dafür irgendeine Verantwortung trüge, da letzterer in den allermeisten Fällen noch gar nicht gewählt ist.
Das kann man - hier nur skizzenhaft - ausgeführt am Mindestabstandsgebot und seiner mit dem letzten Judikat einhergehenden Konkretisierung eindrücklich zeigen. Der Zweite Senat hat mit der realitätsgerechten Konkretisierung des Mindestabstandsgebots eine materiell so hohe Grenze zur Unteralimentation gezogen, dass die zukünftigen Besoldungsgesetzgeber sich nun gezwungen sehen werden, ein so hohes Besoldungsniveau zu garantieren, das sie nicht garantieren müssten, sofern die Besoldungsgesetzgeber der letzten 20 Jahre sich im Rahmen der bis dahin vom Bundesverfassungsgericht erlassenen Judikate bewegt hätten. Denn dann hätte das Bundesverfassungsgericht nicht 2015 die Garantie eines 15 %igen Abstand zum Grundsicherungsniveau als Grenze zur Unteralimentation festgelegt und hätte es nicht 2020 sachgerechte Kriterien zur realitätsgerechten Bemessung des Mindestalimentation erlassen. Der heutige und zukünftige Besoldungsgesetzgeber dürfte sich heute und in der Zukunft also in der Lage sehen, ein deutlich geringeres Besoldungsniveau garantieren zu müssen, als das nun heute und in der Zukunft der Fall sein wird. Eine auf Basis der Judikate des Jahres 2004 amtsangemessene Alimentation oder auch eine inflationsbereinigt um vielleicht zehn % höhere Alimentation kann sich aber ab 2020 zwangsläufig nicht mehr als amtsangemessen zeigen; das verfassungswidrige Handeln der Besoldungsgesetzgeber vollzieht sich darüber hinaus bereits seit 2020 sachwidrig wie Verwaltungshandeln, indem sie allesamt die Mindestalimentation nun - sachwidrig und wie als Tanz um das goldene Kalb - als Maßstab zur Betrachtung der amtsangemessenen Alimentation betrachten, also die auf sachgerechten Begründungen beruhenden Forderungen des Alimentationsprinzips weitgehend durch fragwürdige Rechenoperationen ersetzen, was sie - zumindest so - nicht getan hätten, hätte sich das Bundesverfassungsgericht durch das seit 2015, 2017 und 2018 fortgesetzt evident sachwidrige Handeln der vormaligen Besoldungsgesetzgeber nicht veranlasst gesehen, 2020 das Mindestabstandsgebot und seiner realitätsgerechte Bemessung zu betrachten. Für all das kann aber der Besoldungsgesetzgeber des Jahres 2026 und damit ebensowenig der Souverän jenes Jahres nichts; entsprechend wäre es im verfassungsrechtlichen Auftrag des Bundesverfassungsgericht an sich allemal "besser" gewesen, dass es sich 2020 nicht zu der Entscheidung veranlasst gesehen hätte, zu der es sich nun veranlasst gesehen hat.
Ergo: Auch wegen der hier skizzierten Zusammenhänge - der verfassungsrechtlichen Zusammenhänge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und also der Einheit unserer Rechtsordnung - sieht sich das Bundesverfassungsgericht gezwungen, ausschließlich evident sachwidrige gesetzliche Normen zu vernichten, also eine auch im Hinblick auf die offene Zukunft schonende gerichtliche Kontrolle zu vollziehen, die also davon auszugehen hat, dass der vergangene, gegenwärtige und zukünftige Gesetzgeber im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG, an den er sich gebunden sieht, handelt. Das tut es nicht, um den heutigen oder vergangenen Gesetzgeber zu schonen, sondern um dem zukünftigen Souverän, repräsentiert durch den von ihm gewählten Gesetzgeber, eine möglichst weite Entscheidungsmöglichkeit in der Verfasstheit unserer freiheitlich-demokratischen Grundortnung zu erhalten.
Umso verwerflicher ist das wissentlich und willentlich fortgesetzt verfassungswidrige Handeln der 17 Besoldungsgesetzgeber, weil es dazu führt, dass der zukünftige Souverän sich in seinen demokratischen Entscheidungsmöglichkeiten zunehmend eingeschränkt sehen wird, obgleich er für diese Einschränkung keinerlei Verantwortung trägt.