Liebe Forumsmitglieder,
lange habe ich hier nur still mitgelesen aber mit dem neuen Gesetzesentwurf vom 20.08.2024 ist das Fass nun wirklich übergelaufen, sodass auch ich einen Kommentar abgeben möchte.
Dieser Entwurf stellt bereits auf den ersten Blick keine angemessene Alimentation her. Aufgrund der bereits zahlreich erfolgten und mit Sicherheit noch kommenden Wortmeldungen, beschränke ich mich nur auf das in der Begründung des Gesetzesentwurfs (S. 62) aufgeführte Beispiel. Darin wird erst durch die Anrechnung des fiktiven Partnereinkommens i.H.v. 6.456,00€ eine nach den Grundsätzen des BVerfG gebotene Mindestalimentation hergestellt (Mindestbesoldung lt. Begründung = 48.002,27€; Nettobesoldung im Beispiel = 48.370,16€). Allein die Begrifflichkeit der "Nettobesoldung" vor dem Wert 48.370,16€ ist falsch und fast schon eine Zumutung! In diesem Betrag wird zum einen das Kindergeld und zum anderen ein (fiktives) Partnereinkommen i.H.v. 6.456,00€ p.a. (538,00€ mtl) eingerechnet, sodass als kumulatives Ergebnis nicht "Besoldung" rauskommen kann. Im Übrigen verkennen die Ersteller diesen Entwurfs, dass im Falle dessen, wenn sich dieses Partnereinkommen aus sog. Lohnersatzleistungen zusammensetzt, dieses bei der Einkommensteuer noch dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Ganz grob pauschaliert beträgt die Mehrbelastung aus dem Progressionsvorbehalt in etwa 10% der dem Progressionsvorbehalt unterwerfenden Leistungen (schließlich wurden die Steuerbelastungen der Bezügebezieher unter Zugrundelegung der Steuerklasse III ermittelt; hier also 10% aus 6.456,00€ = 645,60€). Diese Mehrsteuer ist in der Begründung nicht berücksichtigt und führt dazu, dass die bis dato noch spitz auf Knopf gerechnete Angemessenheit sich auf einmal in eine Unangemessenheit wandelt.
Es bleibt also zu hoffen, dass die Stellungnahmen der Verbände solche klaren Fälle aufgreifen und dem Gesetzgeber klar vor Augen führen, dass ein derartiges Gesetz keine angemessene Alimentation herstellen kann und darüber hinaus bei den Betroffenen nur für Unmut und im Hinblick auf den Fachkräftemangel nicht für eine Entspannung sorgt.
Hallo zusammen,
auch ich habe lange mitgelesen.
An dieser Stelle danke, dass der Umstand mit der Steuerklasse III erwähnt wird.
Was der Entwurf betreibt, ist Rosinenpicken:
Einerseits soll der Besoldungsempfänger die Steuerklasse III wählen. Was nur zulasten des Partners geht. Der muss in die Steuerklasse V. Diese ist unterjährig für das Individualeinkommen des Partners nachteilig. Fördert Abhängigkeit vom Besoldungsempfänger. Mit Gleichstellung nur bedingt vereinbar.
Andererseits soll dem Besoldungsempfänger ein fiktives Einkommen des Partners angerechnet werden. Wenn aber diesem Partner eine Einkommensquelle aus abhängiger Beschäftigung mit Steuerklasse V unterstellt wird, wieso sollte dieser es über sich ergehen lassen, in die unterjährig individuell ungünstige Steuerklasse V zu wechseln?
Ich verstehe, dass der Entwurf von einem Minijob ausgeht. Dieser ist ohne Lohnsteuerabzug. Dennoch muss der Partner dem Wechsel in die Steuerklasse V zustimmen. Wieso wird dem Besoldungsempfänger zugemutet, den Partner in diese unterjährig individuell ungünstige Steuerklasse V zu zwingen? Wieso wird Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften eine solche fiktive Abstimmungsprozedur zugemutet?
Im Übrigen: Gehen wir dann doch einmal von der weit überwiegenden Konstellation mit 2 Kindern aus: Mann und Frau. Soll nun der Mann, der als Referent eine Quasi-Offizierslaufbahn eingeschlagen hat, ernsthaft zu seiner Frau sagen: "Sorry, du gehst jetzt bitte arbeiten. In einem Minijob."
Es wird also unterstellt, dass der Referent aus dem höheren Dienst eine Ehefrau hat, die er in eine Tätigkeit für ungelernte Hilfskräfte drängen kann. Ethisch so ziemlich unterste Schublade. Und eben auch empirisch an der Lebenswirklichkeit vorbei. Denn Paare bilden sich nun einmal in der weit überwiegenden Zahl auf vergleichbarem Bildungsabschlussniveau.
Ich verstehe auch, dass das fiktive Partnereinkommen sozusagen ein Mindestwert ist. Aber: Wenn das fiktive Partnereinkommen höher ausfallen würde – was bei einer qualifizierten Nicht-Minijob-Tätigkeit der Fall wäre –, käme auch rechnerisch der Lohnsteuerabzug ins Spiel. Noch einmal: Wieso sollte der Partner des Besoldungsempfängers Verständnis dafür haben, seine Arbeitskraft in Steuerklasse V unter Wert zu verkaufen? In Einzelfällen mag das sinnvoll sein, beispielsweise um höhere Lohnersatzleistungen, bemessen nach dem Nettoeinkommen, zu erzielen. Aber für eine pauschale Fiktivbetrachtung ist es völlig absurd, von der Steuerklassenkombination III/V auszugehen.
Ob das Verfassen dieser Zeilen in Anbetracht der Qualität des Referentenentwurfs die Mühe wert ist, darf bezweifelt werden.
Herzliche Grüße