Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 5610066 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14475 am: 27.09.2024 09:15 »
@MoinMoin: Ich hatte es dir bereits mehrfach erläutert.
Daher werde ich mich vermutlich in Zukunft an @bebolus orientieren.

Auf Moinmoin antworte ich grundsätzlich nicht mehr. Kann jeder denken was er möchte.
Gerne, Augen verschließen und Realitäten ignorieren ist sicher auch ein Lösung.
Dann lege dir weiterhin die Welt zurecht wie sie dir gefällt und rechne dir eine Alimentation außerhalb der Realitäten der Bevölkerung, der du als Beamter dienst zurecht.

Zunächst kurz vorweg:
Letztlich habt ihr hier gestern allesamt das gemacht, was eigentlich die ureigene Aufgabe der Parlamente und vorweg der Regierungen ist, ihr habt euch Gedanken gemacht und diese diskutiert, wie und auf welchen Prämissen mit welchen Folgen in der gesellschaftlichen Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland (a) eine amtsangemessene Alimentation hergestellt werden kann, die (b) zugleich weiteren gesellschaftichen Gruppen bis hin zur Gesamtheit der mündigen Staatsbürger auch politisch erklärbar wäre. Das finde ich gut; in der Natur der Sache (einer schriftlichen Diskussion in einem sozialen Medium, die also nicht von Angesicht zu Angesicht geführt werden kann und dabei verschiedene Themenkomplexe von unterschiedlichen Schreibern umfasst) liegt es dabei, dass man öfter, als man selbst (meine Person also eingeschlossen) es häufig mitbekommt, missversteht, was der oder die jeweils andere eigentlich sagt oder sagen will. Auch deshalb gefällt es mir, wie heute morgen versucht wird, den oder die andere zu verstehen. Denn das ermöglicht tatsächlich, sich gemeinsam Gedanken zu machen (was wie gesagt die zuvörderste Aufgabe der politischen Verfassungsorgane wäre), was im Sinne der beiden gerade genannten Punkte (a) und (b) möglich und sinnvoll ist. Genau das kann nur zur Versachlichung der notwendigen Diskussion(en) beitragen, wenn es auch wie gesagt schwierig ist und jeweils einiges Fingerspitzengefühl bedarf, sie in einem interaktiven Forum zu führen.

Nun aber zur Frage: Es gibt tatsächlich eine recht umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverfasungsgerichts, in der ortsgebundene Zuschläge ebenfalls mit betrachtet worden sind, was daran liegt, dass es in der Vergangenheit wiederkehrend modifizierte ortsgebundene Familienzuschläge gegeben hat, die dann ab den 1970er Jahren - etwas vereinfacht ausgedrückt - als Folge der Herstellung einer bundeseinheitlichen Besoldung letztlich in den nicht mehr ortsgebundenen Familienzuschlag gemündet ist, der bis 2022 in seitdem überkommener Form tradiert worden ist, um nun mehr und mehr wieder in eine Art ortsgebundenen Familienzuschlag oder familienbezogenen Ortszuschlag überführt zu werden, was nur unter Beachtung der heutigen sozialen Wirklichkeit möglich ist, weshalb auch deshalb die wiederkehrende bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung aus der Vergangenheit ggf. nur bedingte Relevanz haben wird (das wäre für jede einzelne Aussage des Bundesverfassungsgerichts einzeln zu überprüfen und herzuleiten). Was wir heute auf jeden Fall feststellen müssen, ist, dass der Staatsauftrag aus Art. 72 Abs. 2, GG für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen, weiterhin Leitlinie der Politik sein muss (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_72.html), dass aber diese gleichwertigen Lebensverhältnisse in der Vergangenheit offensichtlich schon einmal stärker als heute verwirklicht gewesen sein dürften.

So verstanden sollte insbesondere die Grundsatzentscheidung vom 06. März 2007 - 2 BvR 556/04 - = BVerfGE 117, 330 nach wie vor grundlegende Bedeutung haben (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2007/03/rs20070306_2bvr055604.html), wobei sie, da es 2007 keinen Ortszuschlag mehr gegeben hat, wiederkehrend nicht so konkret werden konnte, wie wir uns das heute sicherlich wünschten, um sachgerechte Aussagen tätigen zu können.

Der langen (Vor-)Rede kurzer Sinn: Was wir sicher sagen können, ist, dass sich ein Ortszuschlag am Dienst- oder Wohnort orientieren kann und dass Orientierung in diesem Zusammenhang ebenfalls bedeuten muss, dass er dann jeweils an tatsächlichen Bedarfen auszurichten wäre, um sachgerecht begründet werden zu können, nicht umsonst spricht die aktuelle Entscheidung in der Rn. 61 vom an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlag. Was folgt nun als sachliches Gerüst daraus?

a) Ortszuschlag orientiert am Wohnort: Hier sollten m.E. die örtlichen Wohnkosten Beachtung finden können. Hierauf sollte sich der abschließende Satz der Rn. 61 beziehen: "Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit." Dabei gehe ich weiterhin davon aus, dass in den großen Flächenstaaten bzw. im Bund regional maximal zwei unterschiedlich hohe und dabei von der Höhe nur gering unterschiedliche Stufen von Ortszuschlägen eingeführt werden könnten, um nicht in ein Abgrenzungsproblem hineinzugeraten, wie ich das in der Vergangenheit schön ofter dargelegt habe. Was m.E. jederzeit gerechtfertigt werden könnte, wäre darüber hinaus ein ggf. ebenfalls zweigeteilter Ortszuschlag, der wiederum etwa zwischen A 9 und A 10 ähnlich wie wiederkehrend beim Familienzuschlag differenziert werden könnte. Denn "amtsangemessene" Alimentation heißt ja, dass der Besoldungsgesetzgeber die Ämterwertigkeit in der Differenzierung von Zuschlägen berücksichtigen darf und sich zugleich gezwungen sieht, jedem Beamten eine amtsangemessene Lebensführung zu gewährleisten. Dabei wäre hinsichtlich des Mindestabstandsgebots, das regelmäßig an der untersten Besoldungsgruppe zu betrachten ist, der Ortszuschlag heranzuziehen, der hier gewährt wird. Sollte man hier einen zweigeteilten Ortszuschlag nach Ortsklassen vornehmen wollen, würde offensichtlich nur der geringere Betrag zu betrachten sein, da er allen Beamten der untersten Besoldungsgruppe gewährt werden würde.

b) Ortszuschlag orientiert am Dienstort: Hier sollten m.E. die örtlichen Wohnkosten(unterschiede) sachlich keine maßgebliche Rolle spielen können, da ja am Dienstort die Wohnkosten nicht anfallen. Entsprechend - denke ich - könnte es hier nur um eine Art "Dienstortverpflegungszuschlag" gehen. Denn tägliche Verpflegungskosten fallen hier für den Beamten offensichtlich an. Das könnte man ggf. pauschalisieren, um nicht über ein Antragswesen zu hohe Prüfkosten zu generieren; das bliebe dabei aber vom Umfang her ein sicherlich überschaubarer monatlicher Betrag, der darüber hinaus nur dann in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots Berücksichtigung finden könnte, wenn er allen Beamten (einer Besoldungsgruppe) gewährt werden würde, eben als antragsloser Paucchalbetrag.

Lichtstifter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14476 am: 27.09.2024 09:45 »
Ich erkenne hier auch eine gewisse Annäherung übertrieben gesagt "Treffen in der Mitte". Das freut mich.

Gerne könnte man auch nochmal über diesen Ortszuschlag debattieren, wie man hier jedem gleichermaßen gerecht werden könnte.


Hier wurde irgendwo schon einmal diskutiert, ob der Wohn- oder Dienstort zur Bemessung herangezogen werden sollte. Ursprünglich vertrat ich auch die Meinung, dass der Dienstort gelten solle, da die Dienststellen zumeist in größeren Städten sind und man da nun entweder teuer wohnt oder teuer hinpendeln muss.

Und was geschieht mit dem privilegierten Menschen, der in München das schicke Haus / die schicke Wohnung geerbt hat und die Unkosten nicht hat? Darf der auch mit einem Zuschlag belohnt werden? Da keimt doch schon wieder der Neid. ;)

Zudem gab es aber auch die berechtigte Gegenmeinung, wenn man wohnhaft in einer teuren Stadt nun in eine ländliche Gegend pendeln muss, wo ein dienstortbezogener Zuschlag "ungerecht" wäre. Da könnte man es sich auch wieder einfach machen und Versetzung oder persönliche Entscheidung schreien.

Evtl. würde eine Günstigerprüfung im Sinne des Beamten helfen. Ist aber unrealistisch, dass dem entsprochen würde.

Aber das ganze Thema sollte nicht zu oft in die Emotionen abdriften und spätestens - wenn dort gelandet - wieder auf die Sachebene gehievt werden.

Ich möchte auch nochmal hinweisen, dass man mal nicht so einfach umziehen kann, gerade, wenn man älter wird oder gerade mit Kindern, die man nicht unbedacht aus ihrem Umfeld herausreißen sollte. Ich weiß, ist meine persönliche Entscheidung mit Kindern und muss ich mit mindestens 20 Jahre Weitsicht in die Zukunft einplanen. ;)

Es ist auch wirklich schwierig im Bundesbereich eine für alle tragfähige Lösung und einen guten Ausgleich zu finden, wenn hier Extremwerte (München / Görlitz; A3 ...... A16; 0 - 10 Kinder) mit eine Rolle spielen.


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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14477 am: 27.09.2024 09:59 »
Ich erkenne hier auch eine gewisse Annäherung übertrieben gesagt "Treffen in der Mitte". Das freut mich.

Gerne könnte man auch nochmal über diesen Ortszuschlag debattieren, wie man hier jedem gleichermaßen gerecht werden könnte.


Hier wurde irgendwo schon einmal diskutiert, ob der Wohn- oder Dienstort zur Bemessung herangezogen werden sollte. Ursprünglich vertrat ich auch die Meinung, dass der Dienstort gelten solle, da die Dienststellen zumeist in größeren Städten sind und man da nun entweder teuer wohnt oder teuer hinpendeln muss.

Und was geschieht mit dem privilegierten Menschen, der in München das schicke Haus / die schicke Wohnung geerbt hat und die Unkosten nicht hat? Darf der auch mit einem Zuschlag belohnt werden? Da keimt doch schon wieder der Neid. ;)

Zudem gab es aber auch die berechtigte Gegenmeinung, wenn man wohnhaft in einer teuren Stadt nun in eine ländliche Gegend pendeln muss, wo ein dienstortbezogener Zuschlag "ungerecht" wäre. Da könnte man es sich auch wieder einfach machen und Versetzung oder persönliche Entscheidung schreien.

Evtl. würde eine Günstigerprüfung im Sinne des Beamten helfen. Ist aber unrealistisch, dass dem entsprochen würde.

Aber das ganze Thema sollte nicht zu oft in die Emotionen abdriften und spätestens - wenn dort gelandet - wieder auf die Sachebene gehievt werden.

Ich möchte auch nochmal hinweisen, dass man mal nicht so einfach umziehen kann, gerade, wenn man älter wird oder gerade mit Kindern, die man nicht unbedacht aus ihrem Umfeld herausreißen sollte. Ich weiß, ist meine persönliche Entscheidung mit Kindern und muss ich mit mindestens 20 Jahre Weitsicht in die Zukunft einplanen. ;)

Es ist auch wirklich schwierig im Bundesbereich eine für alle tragfähige Lösung und einen guten Ausgleich zu finden, wenn hier Extremwerte (München / Görlitz; A3 ...... A16; 0 - 10 Kinder) mit eine Rolle spielen.

meine 2 cents:

Wenn ortsbezogener Zuschlag, dann auf den Dienstort bezogen. Damit ermöglicht der Dienstherr eine dienstortnahe Wohnsitznahme. Wer lieber Geld sparen will und Zeit investiert (--> Pendeln) ists eine individuelle Entscheidung. Wer eine tolle Immobilie geerbt hat - ists individuelles Glück.

Eine tragfähige Lösung wäre schon gefunden, wenn man sie für 99 % anwenden kann. Extremwerte sollten nicht im Fokus stehen sondern über eine Ermessensklausel abgefangen werden.

InternetistNeuland

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14478 am: 27.09.2024 10:19 »
Der amtsangemessene Lebensstil steht sogar im Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Da gehört auch ein angemessener PKW dazu.

"Es verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Beamte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.


Das halte ich aber mal für sehr weit hergeholt, das die angemessene Alimentierung ein PKW im allgemeinen und für einen Hauptamtsgehilfen im besonderen beinhaltet.

Wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass 115% über Grundsicherungsniveau das MINIMUM ist, dann muss in der Konsequenz die Wohnung 15% größer sein, das Fahrzeug 15% größer sein, die Lebensmittel 15% teurer sein usw....

Das kann durchaus heißen, dass auch 200% amtsangemessen sein kann, die 115% bilden ja lediglich die Untergrenze.
Korrekt, immer gemessen an der entsprechenden dem Amt angemessenen zu vergleichenden Bevölkerungsgruppe. Denn amtsangemessen bezieht sich auf das leben da draußen in der freien Wildbahn.

Und ein EG5er hat nun einmal keinen Porsche und auch kein Neuwagen, dafür müsste ein Richter sich locker 2 Porsche leisten können, hier klafft doch die Schere extrem auseinander.

Sollte ein EG5 das gleiche verdienen wie ein A5? Würdest du also sämtliche Familienzuschläge abschaffen?

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14479 am: 27.09.2024 10:19 »
Hier findet in der Diskussion das Gleiche statt, was auch die Gesetzgeber vollziehen.

Vor dem Hintergrund, dass man feststellt, dass bestimmte Reformen angeblich zu teuer wären (Ist das wirklich so?) oder ggf. Sprengpotential entwickeln könnten, weil man "scheinbar" eine Gruppe privilegiert, macht man sich Gedanken, welches Familienmodell etc. für Beamte gelten soll, damit dem "Rest der Gesellschaft" (Ist es der Rest oder eine Gruppe, oder...?) die Besoldung nach dem persönlichen Gerechtigkeitsempfinden "vermittelbar" ist.

Dies steht jedoch nicht im Luftleeren Raum, sondern vielmehr ist es die Gesellschaft, die grundsätzlich entscheiden muss oder in der gelebten Praxis entscheidet, welches Familenbild für sie gelten soll. Man bildet das Familienbild ja nicht allein für Zwecke der Ermittlung der Mindestalimentation.


BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14480 am: 27.09.2024 10:29 »
@Swen, nur kurz zur Klarstellung (weil du mich mitzitiert hattest):

Meine vorläufige Absage an weitere Diskussionen mit @MoinMoin bezog sich nicht auf die Ortszuschläge, sondern auf die Tatsache, dass er immer und immer wieder versucht, aus der 4K-Besoldung (die ja sowohl aus leistungsbezogenen als auch leistungslosen Komponenten besteht, wie man wunderbar in deinem gestern verlinkten Beitrag im Niedersachsen-Thread nachlesen kann) irgendeinen abstrusen Wert herauszuziehen, den der Beamte angeblich "für sich" habe, unter völliger Verkennung der genannten leistungsbezogenen Komponente. Und irgendwann nervt es eben ein wenig.

Aber ich bin auch gerade leicht erkältet, somit war meine Antwort möglicherweise auch eher meiner diesbezüglich etwas "schlechten Laune" geschuldet..  :)

Organisator

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14481 am: 27.09.2024 10:35 »
Dies steht jedoch nicht im Luftleeren Raum, sondern vielmehr ist es die Gesellschaft, die grundsätzlich entscheiden muss oder in der gelebten Praxis entscheidet, welches Familenbild für sie gelten soll. Man bildet das Familienbild ja nicht allein für Zwecke der Ermittlung der Mindestalimentation.

Genau - die rechtlichen Regelungen sollten das Gesellschaftsbild abbilden. Zwar immer mit ein paar Jahren Verspätung, aber das ist dann wohl so.

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14482 am: 27.09.2024 10:41 »
Das Gelebte steht ja nicht für sich, sondern ist umgeben von einem Gerüst aus rechtlichen Regelungen, ich sage als Beispiel nur Unterhaltsrecht. Es ist nicht so einfach zu sagen, dass es ab jetzt die 1-Kind-Familie ist.

NelsonMuntz

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« Antwort #14483 am: 27.09.2024 11:12 »
Das Gelebte steht ja nicht für sich, sondern ist umgeben von einem Gerüst aus rechtlichen Regelungen, ich sage als Beispiel nur Unterhaltsrecht. Es ist nicht so einfach zu sagen, dass es ab jetzt die 1-Kind-Familie ist.

Ich denke, niemand hat hier eine Änderung mit sofortiger Wirkung im Sinn. Perspektivisch muss aber auch dem sich verändernden, "gelebten" Familienbild Rechnung getragen werden.

Würden wir überdies eine Referenz auf die gelebte Realität legen, dann wäre es konkret die "1,3-Kind-Familie". ;)

Politisch disktutiere Ideen, wie z.B. der Umbau des Ehegattensplittings hin zu einem "Familiensplitting", könnten eben auch Effekte auf die Höhe von Unterhaltsverpflichtungen haben und ebenfalls die Bedeutung der Ehe insgesamt schwächen.

Das Leben ist auch Veränderung. Gilt im Kleinen wie im Großen.

pedius87

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14484 am: 27.09.2024 12:06 »
Eine kurze Frage zum Partnereinkommen. Der Dienstherr geht davon aus, dass es ein Partnereinkommen gibt. Muss er dann nicht auch davon ausgehen, dass bei einem Ehepaar auch einer der Bürgergeldempfänger ein Einkommen hat? Und 100 € sind ja beispielsweise anrechnungsfrei. Müssten also nicht mindestens dieses Einkommen als dem Bürgergeldempfänger zur Verfügung stehend betrachtet werden und dann 15 % hinzugerechnet werden?
Es erschließt sich mir nicht warum bei Beamten davon ausgegangen wird, dass der Partner arbeitet, beim Bürgergeldempfänger aber dies nicht erwartet wird.

NelsonMuntz

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14485 am: 27.09.2024 12:16 »
Eine kurze Frage zum Partnereinkommen. Der Dienstherr geht davon aus, dass es ein Partnereinkommen gibt. Muss er dann nicht auch davon ausgehen, dass bei einem Ehepaar auch einer der Bürgergeldempfänger ein Einkommen hat? Und 100 € sind ja beispielsweise anrechnungsfrei. Müssten also nicht mindestens dieses Einkommen als dem Bürgergeldempfänger zur Verfügung stehend betrachtet werden und dann 15 % hinzugerechnet werden?
Es erschließt sich mir nicht warum bei Beamten davon ausgegangen wird, dass der Partner arbeitet, beim Bürgergeldempfänger aber dies nicht erwartet wird.

Ich glaube es so verstanden zu haben, dass jene 115% sich auf das Existenzminimum beziehen, welches dann eben dem Bürgergeld OHNE jedwede Zusatzeinkünfte (z.B. durch Arbeitseinkommen) entspricht.

Also: Nein.

Edit: Beim Bürgergeldempfänger wird grundsätzlich erwartet, dass alle erwachsenen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sich aktiv auf die Suche nach bezahlter Beschäftigung begeben.

pedius87

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« Antwort #14486 am: 27.09.2024 12:21 »
Eine kurze Frage zum Partnereinkommen. Der Dienstherr geht davon aus, dass es ein Partnereinkommen gibt. Muss er dann nicht auch davon ausgehen, dass bei einem Ehepaar auch einer der Bürgergeldempfänger ein Einkommen hat? Und 100 € sind ja beispielsweise anrechnungsfrei. Müssten also nicht mindestens dieses Einkommen als dem Bürgergeldempfänger zur Verfügung stehend betrachtet werden und dann 15 % hinzugerechnet werden?
Es erschließt sich mir nicht warum bei Beamten davon ausgegangen wird, dass der Partner arbeitet, beim Bürgergeldempfänger aber dies nicht erwartet wird.

Ich glaube es so verstanden zu haben, dass jene 115% sich auf das Existenzminimum beziehen, welches dann eben dem Bürgergeld OHNE jedwede Zusatzeinkünfte (z.B. durch Arbeitseinkommen) entspricht.

Also: Nein.

Edit: Beim Bürgergeldempfänger wird grundsätzlich erwartet, dass alle erwachsenen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sich aktiv auf die Suche nach bezahlter Beschäftigung begeben.

Aber der parten des beamten arbeitet doch nur "fiktiv", hat also ebenfalls wie der Bürgergeldempfänger kein Einkommen

Rentenonkel

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« Antwort #14487 am: 27.09.2024 12:21 »
Das Gelebte steht ja nicht für sich, sondern ist umgeben von einem Gerüst aus rechtlichen Regelungen, ich sage als Beispiel nur Unterhaltsrecht. Es ist nicht so einfach zu sagen, dass es ab jetzt die 1-Kind-Familie ist.

Ich denke, niemand hat hier eine Änderung mit sofortiger Wirkung im Sinn. Perspektivisch muss aber auch dem sich verändernden, "gelebten" Familienbild Rechnung getragen werden.

Würden wir überdies eine Referenz auf die gelebte Realität legen, dann wäre es konkret die "1,3-Kind-Familie". ;)

Politisch disktutiere Ideen, wie z.B. der Umbau des Ehegattensplittings hin zu einem "Familiensplitting", könnten eben auch Effekte auf die Höhe von Unterhaltsverpflichtungen haben und ebenfalls die Bedeutung der Ehe insgesamt schwächen.

Das Leben ist auch Veränderung. Gilt im Kleinen wie im Großen.
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Aus Kinderperspektive entstammt deutlich mehr als ein Drittel aller Kinder aus einer kinderreichen Familie mit drei und mehr Kindern. Knapp eine Million Kinder lebt mit drei Geschwistern zusammen (17,2 bzw. 5,2 Prozent). Rund 474.000 Kinder lebten sogar mit vier oder mehr Geschwistern in einem Haushalt (2,5 Prozent aller Kinder). Der Anteil der Familien mit drei Kindern beträgt 9,4 Prozent an allen Familien. Der Anteil der Familienhaushalte mit vier Kindern liegt bei 2,1 Prozent. In nur etwa 86.000 Familien lebten 2019 fünf oder mehr Kinder – 0,7 Prozent aller Familienhaushalte. Etwa 26 % der Kinder haben immerhin noch ein Geschwisterkind.

Dagegen haben lediglich etwa 36 % aller Kinder keine Geschwister.

Das ist die gelebte Realität.

HochlebederVorgang

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14488 am: 27.09.2024 12:27 »
Das Gelebte steht ja nicht für sich, sondern ist umgeben von einem Gerüst aus rechtlichen Regelungen, ich sage als Beispiel nur Unterhaltsrecht. Es ist nicht so einfach zu sagen, dass es ab jetzt die 1-Kind-Familie ist.

Ich denke, niemand hat hier eine Änderung mit sofortiger Wirkung im Sinn. Perspektivisch muss aber auch dem sich verändernden, "gelebten" Familienbild Rechnung getragen werden.

Würden wir überdies eine Referenz auf die gelebte Realität legen, dann wäre es konkret die "1,3-Kind-Familie". ;)

Politisch disktutiere Ideen, wie z.B. der Umbau des Ehegattensplittings hin zu einem "Familiensplitting", könnten eben auch Effekte auf die Höhe von Unterhaltsverpflichtungen haben und ebenfalls die Bedeutung der Ehe insgesamt schwächen.

Das Leben ist auch Veränderung. Gilt im Kleinen wie im Großen.

Wir sind hier bereits im Großen, auch wenn viele es offensichtlich nicht wahrhaben wollen. Wir sprechen hier nicht nur über Art. 33 Ab.s 5 GG, sondern auch über Familie, Ehe, Gleichheitsgrundsatz, alles Themen mit Verfassungsrang für die i.d.R. ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt gilt.

Es lässt mich wirklich ungläubig zurück, dass hier einige wirklich großartige gesellschaftliche Errungenschaften im Bereich dieser zurückdrehen wollen, nur um an der Beamtenbesoldung zu drehen.

Das BVerfG hat im Übrigen einen Vorschlag für diejenigen gemacht, denen es zu teuer ist:

Aufstellung eines qualifizierten Haushaltsplans, der Einsparungen in allen Berreichen vorsieht und nicht allein dem
Personalkörper ein Sonderopfer abverlangt.

A9A10A11A12A13

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #14489 am: 27.09.2024 12:28 »
Eine kurze Frage zum Partnereinkommen. Der Dienstherr geht davon aus, dass es ein Partnereinkommen gibt. Muss er dann nicht auch davon ausgehen, dass bei einem Ehepaar auch einer der Bürgergeldempfänger ein Einkommen hat? Und 100 € sind ja beispielsweise anrechnungsfrei. Müssten also nicht mindestens dieses Einkommen als dem Bürgergeldempfänger zur Verfügung stehend betrachtet werden und dann 15 % hinzugerechnet werden?
Es erschließt sich mir nicht warum bei Beamten davon ausgegangen wird, dass der Partner arbeitet, beim Bürgergeldempfänger aber dies nicht erwartet wird.

Nein, gegenüber den Vorschreibern gehe ich mit pedius87 noch einen Schritt weiter. Beim Beamten soll es sich immer um eine (Fiktiv-)Doppel-Entgelt-Wirtschaftseinheit, erdientes Entgelt und Partnereinkommen handeln. Dagegen gestellt werden reale Couch-Potatoes Gammel-BG-Haushalte. Richtigerweise sollten beide BG-Empfänger mit ihren (Fiktiv-)Tätigkeiten die theoretisch höchsten anrechnungsfreien Einkommen on Top also BG-Geld + Einkommen aus (Fiktiv-)Tätigkeit BG-Empfänger + Einkommen aus (Fiktiv-)Tätigkeit BG-Partner-Empfänger = absolutes Minimum berücksichtigt werden + 15% Dienstmehraufwendungsentschädigung