Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1953847 times)

BYL

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #150 am: 09.02.2021 17:03 »
Weshalb erhalten Verheiratete 80 EUR in der höchsten Mietstufe - Ledige die Kosten nicht durch 2 teilen können - gehen leer aus??

Asperatus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #151 am: 09.02.2021 17:08 »
Wie hoch muss denn der Mindestabstand zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen sein?
Beispielsweise von A5 zu A6 oder A10 zu 11.
Ich bin mir sicher das es hier bereits ausgeführt wurde, nur konnte ich es hier leider nicht mehr finden.

Es gibt keinen vorgeschriebenen Mindestabstand. Der Abstand darf sich innerhalb von fünf Jahren aber nicht um mehr als 10 Prozent verringern.

Was hieltest Du denn davon, wenn Du erst einmal meine Frage von heute morgen beantworten würdest?

Mit Rückgriff auf das Sozialrecht, wie vom BVerfG vorgenommen.

Da der Bund durch seine Neustrukturierung der Orts-/Familienzuschläge offensichtlich einen Systemwechsel vollzieht, hätte diese Gesamtbetrachtung umfassend ausfallen müssen. In diesem Sinne hebt das BVerfG hervor:

Der Bund vollzieht keinen Systemwechsel. Damit laufen auch deine weiteren Ausführungen ins Leere. Die von dir angeführte BVerfG-Entscheidung zum Systemwechsel ging um die Besoldungsordnung W. Dort sollte anstelle eines grundgehaltsorientierten, nach Dienstaltersstufen gegliederten Besoldungssystems ein zweigliederiges Vergütungssystem bestehend aus festen Grundgehältern und variablen Leistungsbezügen geschaffen werden.

Der um eine ortsabhängige Komponente ergänzte Familienzuschlag ist kein Systemwechsel in diesem Sinne. Vielmehr ist es eine Rückkehr zu Dienstbezügen, die regionale Unterschiede in den Lebenshaltungskosten berücksichtigen, wie es verfassungskonform bis 1972 (übrigens seit 1873!) der Fall war. Die Wiedereinführung einer vormals verfassungsgemäßen Regelung ist insofern nicht umfassend begründungsbedürftig.

Das Abstandsgebot bezieht sich auf die einzelnen Besoldungsgruppen. Dass ein A 9 mehr Bezüge erhält als ein A 10, weil ersterer drei Kinder hat und letzterer keine, berührt das Abstandsgebot nicht. Genauso ist es, wenn sich die Unterscheidung durch die Mietenstufe des Hauptwohnsitzes ergäbe.

Letztlich geht der Bund mit dieser Vorlage einen weitgehend ähnlichen Weg wie vormals das Land Berlin, es nimmt an zentralen Stellen Berechnungen ins Blaue hinein vor mit dem Hauptziel, in unstatthafter Weise - also sachwidrig - Personalkosten in sehr großer Höhe einzusparen.

Solange die Alimentation amtsangemessen ist, ist es statthaft, wenn der Bund die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch auf die Personalkosten anwendet. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahlen des Entwurfs aus dem Blauen heraus kommen. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass Vergleichsberechnungen wie auf S. 51 f. des Entwurfs für alle Kombinationen von Mietenstufe und Kinderanzahl für einen Beamten in der dann niedrigst möglichen Besoldungsgruppe A 4, Stufe 5, erfolgt sind. Der REZ dürfte sehr wahrscheinlich so ausgestaltet sein, dass das verfügbare Nettoeinkommen immer knapp über der sächlichen Grundsicherung einer Familie mit gleicher Kinderzahl und gleicher Mietenstufe liegt.

Asperatus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #152 am: 09.02.2021 17:14 »
Weshalb erhalten Verheiratete 80 EUR in der höchsten Mietstufe - Ledige die Kosten nicht durch 2 teilen können - gehen leer aus??

Dies könnte zum einen daran liegen, dass der Regelbedarf für ein Ehepaar nach dem Regelbedarfsermittlungsgesetz höher ist als für eine Einzelperson. Der Regelbedarf erhöht das Grundsicherungsniveau und damit auch die Höhe des verfügbaren Nettoeinkommens eines Beamten, welches min. 15 % über diesem Grundsicherungsniveau liegen muss.

Ein zweiter Grund könnte sein, dass damit die Ehe gefördert werden soll. Dies steht dem Gesetzgeber zu, da die Ehe (wie auch die Familie) nach Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht.


BYL

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #153 am: 09.02.2021 17:19 »
2 Eheleute 4000 netto. Miete 650
1 Single 1800 netto Miete 500
Also kein wunder dass sich immer mehr beamte abwenden.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #154 am: 09.02.2021 17:58 »
Wie hoch muss denn der Mindestabstand zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen sein?
Beispielsweise von A5 zu A6 oder A10 zu 11.
Ich bin mir sicher das es hier bereits ausgeführt wurde, nur konnte ich es hier leider nicht mehr finden.

Es gibt keinen vorgeschriebenen Mindestabstand. Der Abstand darf sich innerhalb von fünf Jahren aber nicht um mehr als 10 Prozent verringern.

Was hieltest Du denn davon, wenn Du erst einmal meine Frage von heute morgen beantworten würdest?

Mit Rückgriff auf das Sozialrecht, wie vom BVerfG vorgenommen.

Da der Bund durch seine Neustrukturierung der Orts-/Familienzuschläge offensichtlich einen Systemwechsel vollzieht, hätte diese Gesamtbetrachtung umfassend ausfallen müssen. In diesem Sinne hebt das BVerfG hervor:

Der Bund vollzieht keinen Systemwechsel. Damit laufen auch deine weiteren Ausführungen ins Leere. Die von dir angeführte BVerfG-Entscheidung zum Systemwechsel ging um die Besoldungsordnung W. Dort sollte anstelle eines grundgehaltsorientierten, nach Dienstaltersstufen gegliederten Besoldungssystems ein zweigliederiges Vergütungssystem bestehend aus festen Grundgehältern und variablen Leistungsbezügen geschaffen werden.

Der um eine ortsabhängige Komponente ergänzte Familienzuschlag ist kein Systemwechsel in diesem Sinne. Vielmehr ist es eine Rückkehr zu Dienstbezügen, die regionale Unterschiede in den Lebenshaltungskosten berücksichtigen, wie es verfassungskonform bis 1972 (übrigens seit 1873!) der Fall war. Die Wiedereinführung einer vormals verfassungsgemäßen Regelung ist insofern nicht umfassend begründungsbedürftig.

Das Abstandsgebot bezieht sich auf die einzelnen Besoldungsgruppen. Dass ein A 9 mehr Bezüge erhält als ein A 10, weil ersterer drei Kinder hat und letzterer keine, berührt das Abstandsgebot nicht. Genauso ist es, wenn sich die Unterscheidung durch die Mietenstufe des Hauptwohnsitzes ergäbe.

Letztlich geht der Bund mit dieser Vorlage einen weitgehend ähnlichen Weg wie vormals das Land Berlin, es nimmt an zentralen Stellen Berechnungen ins Blaue hinein vor mit dem Hauptziel, in unstatthafter Weise - also sachwidrig - Personalkosten in sehr großer Höhe einzusparen.

Solange die Alimentation amtsangemessen ist, ist es statthaft, wenn der Bund die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch auf die Personalkosten anwendet. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahlen des Entwurfs aus dem Blauen heraus kommen. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass Vergleichsberechnungen wie auf S. 51 f. des Entwurfs für alle Kombinationen von Mietenstufe und Kinderanzahl für einen Beamten in der dann niedrigst möglichen Besoldungsgruppe A 4, Stufe 5, erfolgt sind. Der REZ dürfte sehr wahrscheinlich so ausgestaltet sein, dass das verfügbare Nettoeinkommen immer knapp über der sächlichen Grundsicherung einer Familie mit gleicher Kinderzahl und gleicher Mietenstufe liegt.

Nun gut, das sind ein weiteres Mal nur gänzlich allgemeine Aussagen. Bleiben wir also bei der weiterhin von Dir nicht beantworteten Frage:

Dies war die Frage: Da Du die Düsseldorfer Tabelle als keinen geeigneten Maßstab ansiehst, den Grundbedarf für ein Kind im Sinne des Besoldungsrechts zu ermitteln, wie Du schreibst, wird Dir ein anderer Maßstab vorschweben. Welcher ist das?

Das ist Deine allgemeine Antwort: "Mit Rückgriff auf das Sozialrecht, wie vom BVerfG vorgenommen." Kannst Du das konkretisieren?




WasDennNun

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #155 am: 09.02.2021 19:42 »
Weshalb erhalten Verheiratete 80 EUR in der höchsten Mietstufe - Ledige die Kosten nicht durch 2 teilen können - gehen leer aus??
Weil der Single ja schon genug bekommt, es aber nicht für eine weitere Person, die er mit alimentieren muss reicht.
2 Eheleute 4000 netto. Miete 650
1 Single 1800 netto Miete 500
Also kein wunder dass sich immer mehr beamte abwenden.
Komisch, dass ein Ehepartner, der sich selber versorgen kann noch mit 80€ zusätzlich versorgt wird.

Kein wunder dass sich immer mehr von Beamte abwenden, wenn das die Grundhaltung ist.

WasDennNun

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #156 am: 09.02.2021 19:44 »
Dies war die Frage: Da Du die Düsseldorfer Tabelle als keinen geeigneten Maßstab ansiehst, den Grundbedarf für ein Kind im Sinne des Besoldungsrechts zu ermitteln, wie Du schreibst, wird Dir ein anderer Maßstab vorschweben. Welcher ist das?

Das ist Deine allgemeine Antwort: "Mit Rückgriff auf das Sozialrecht, wie vom BVerfG vorgenommen." Kannst Du das konkretisieren?
Ist da die Berechnung des BVerG bzgl. des 3. Kindes in seinem Urteil nicht eine angemessener Weg.
Kann man diesen Weg nicht für alle Kinder gehen?

Asperatus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #157 am: 09.02.2021 20:18 »
Dies war die Frage: Da Du die Düsseldorfer Tabelle als keinen geeigneten Maßstab ansiehst, den Grundbedarf für ein Kind im Sinne des Besoldungsrechts zu ermitteln, wie Du schreibst, wird Dir ein anderer Maßstab vorschweben. Welcher ist das?

Das ist Deine allgemeine Antwort: "Mit Rückgriff auf das Sozialrecht, wie vom BVerfG vorgenommen." Kannst Du das konkretisieren?

Das BVerfG hat in seinem Beschluss nicht auf das Unterhaltsrecht nach BGB, sondern auf das Sozialrecht nach SGB XII zurückgegriffen. Es kommt nur darauf an, die Mindestalimentation zu ermitteln. Diese variiert nach Wohnort und Zahl der Kinder. Sie richtet sich nach dem Grundsicherungsniveau zzgl. 15 Prozent. Ein gangbarer Weg ist der Rückgriff den den Kinderanteil innerhalb des Grundsicherungsniveaus zu bestimmen ist auf das Regelbedarfsermittlungsgesetz zurückzugreifen, wie im Gesetzentwurf geschehen. Demnach liegen die gewichteten Regelbedarfe für zwei minderjährige Kinder bei 629,12 Euro.

Falsch wäre zu denken, der Familienzuschlag (mit oder ohne REZ) müsse dem Regelbedarf nachbilden. Entscheidend ist, dass die Summe der Bezüge die Mindestalimentation erfüllt. REZ und FamZ bilden da regelmäßig nur einen Anteil.

sapere aude

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #158 am: 09.02.2021 20:19 »
@ WasDennNun
Genau dieser Ansatz erscheint mir der logischste zu sein. Ich finde die Berechnung des BVerfG - bis auf die vom Gericht selbst erkannten Unschärfen - schlüssig und nachvollziehbar.

Den REZ finde ich im Ansatz gut. Finde es aber nicht nachvollziehbar, warum beim ersten Kind Beträge berücksichtigt werden, die ihren Ursprung in den Wohnkosten des Beamten selbst haben. ME müsste der REZ 1. Kind - soweit der Beamte verheiratet ist - die Differenz aus 3-Personenhaushalt minus 2-Personenhaushalt sein. Maßgeblich sind dabei die Werte der jeweiligen Mietstufe.   

 

sapere aude

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« Antwort #159 am: 09.02.2021 20:28 »
@ Asperatus
Ab dem dritten Kind hat das BVerfG doch genau dies gemacht: Regelbedarf + 15%.


Wird durch REZ 1. Kind (VII) + Familienzuschlag + Kindergeld der Regelbedarf nicht sogar überschritten?

Fahnder

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #160 am: 09.02.2021 20:31 »
Letztlich geht der Bund mit dieser Vorlage einen weitgehend ähnlichen Weg wie vormals das Land Berlin, es nimmt an zentralen Stellen Berechnungen ins Blaue hinein vor mit dem Hauptziel, in unstatthafter Weise - also sachwidrig - Personalkosten in sehr großer Höhe einzusparen.


Solange die Alimentation amtsangemessen ist, ist es statthaft, wenn der Bund die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch auf die Personalkosten anwendet. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Zahlen des Entwurfs aus dem Blauen heraus kommen. Vielmehr ist wahrscheinlich, dass Vergleichsberechnungen wie auf S. 51 f. des Entwurfs für alle Kombinationen von Mietenstufe und Kinderanzahl für einen Beamten in der dann niedrigst möglichen Besoldungsgruppe A 4, Stufe 5, erfolgt sind. Der REZ dürfte sehr wahrscheinlich so ausgestaltet sein, dass das verfügbare Nettoeinkommen immer knapp über der sächlichen Grundsicherung einer Familie mit gleicher Kinderzahl und gleicher Mietenstufe liegt.
[Anmerkung: Unterstreichungen durch Zitierenden]

Woher sollen Sie denn wissen, ob die Besoldung amtsangemessen ist, wenn das Gesetz dazu für 6 von 7 "Mietstufen-Familiengruppen" keine Begründung darlegt? Entschuldigen Sie bitte, aber arbeiten wir bei Gesetzesbegründungen in Deutschland nunmehr mit Wahrscheinlichkeiten? Jede Überlegung zu einem Gesetz muss eindeutig prozeduralisiert werden, sonst kann sie vor den Gerichten nicht überprüft werden. Insoweit schreibt das BVerfG, dass die genaue Prozeduralisierung Voraussetzung für ein verfassungskonformes Besoldungsgesetz ist, eine fehlende also automatisch zur Verfassungswidrigkeit führt (unabhängig von einer eventuellen materiellen Dimension), da eine rückwirkende Heilung dieser Begründung in Besoldungsfragen unzulässig ist (vgl. dazu Rn. 96f., 2 BvL 4/18).

Und selbst wenn diese Berechnung im Hintergrund gemacht wurde, dann wurden offensichtlich nicht die tatsächlichen Wohnkosten, sondern Schätzungen ins Blaue hinein vorgenommen, wie Swen bereits umfassend dargelegt hat. Oder können Sie mir erklären, wieso die Wohnkosten in Berlin 2015 für Mietstufe IV seitens des BVerfG mit 1.116,46 EUR angesetzt wurden (vgl. dazu Rn. 146., 2 BvL 4/18), in Mietstufe VII beim Bund jedoch 6 Jahre später wohnen nur 1.171,50 EUR kosten soll (vgl. dazu S. 52., Entwurf zum BBVAnpG20212022)? Wahrscheinlich wäre der Verfassungsverstoß zu auffällig gewesen, hätte man die Wohnkosten für Stufe IV beim Bund prodezuralisiert...

sapere aude

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #161 am: 09.02.2021 21:02 »
@ Fahnder

1.171,50 = Höchstbetrag Wohngeld Mietstufe VII 4-Personenhaushalt + 10 % = 1.065 + 10 %.

Wie sich der 2015er-Betrag zusammensetzt kann ich Dir nicht genau sagen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #162 am: 09.02.2021 23:58 »
Dies war die Frage: Da Du die Düsseldorfer Tabelle als keinen geeigneten Maßstab ansiehst, den Grundbedarf für ein Kind im Sinne des Besoldungsrechts zu ermitteln, wie Du schreibst, wird Dir ein anderer Maßstab vorschweben. Welcher ist das?

Das ist Deine allgemeine Antwort: "Mit Rückgriff auf das Sozialrecht, wie vom BVerfG vorgenommen." Kannst Du das konkretisieren?

Das BVerfG hat in seinem Beschluss nicht auf das Unterhaltsrecht nach BGB, sondern auf das Sozialrecht nach SGB XII zurückgegriffen. Es kommt nur darauf an, die Mindestalimentation zu ermitteln. Diese variiert nach Wohnort und Zahl der Kinder. Sie richtet sich nach dem Grundsicherungsniveau zzgl. 15 Prozent. Ein gangbarer Weg ist der Rückgriff den den Kinderanteil innerhalb des Grundsicherungsniveaus zu bestimmen ist auf das Regelbedarfsermittlungsgesetz zurückzugreifen, wie im Gesetzentwurf geschehen. Demnach liegen die gewichteten Regelbedarfe für zwei minderjährige Kinder bei 629,12 Euro.

Falsch wäre zu denken, der Familienzuschlag (mit oder ohne REZ) müsse dem Regelbedarf nachbilden. Entscheidend ist, dass die Summe der Bezüge die Mindestalimentation erfüllt. REZ und FamZ bilden da regelmäßig nur einen Anteil.

Zunächst einmal ist das ein sehr verkürzter Blick auf Rn. 51 der aktuellen Entscheidung, da das BVerfG dort ja zurecht betont, dass die Leistungen nach SGB II und XII nur teilweise auf gesetzgeberische Pauschalisierungen zurückgreifen können, da der Sozialgesetzgeber auch an den tatsächlichen Bedürfnissen anknüpft, und zwar explizit mit Blick auf die Unterkunftskosten. Nur deshalb gibt es ja so etwas wie das WoGG; ansonsten könnten auch mit Blick auf die Unterkunft auf den undifferenzierten Wert des Existenzminimumberichts zurückgegriffen werden, was das BVerfG aber auch diesbezüglich nicht zulässt (vgl. in der aktuellen Entscheidung Rn. 56). Der Wert von 629,12 € ist also mit Sicherheit nicht als realitätsgerecht zu begreifen, sondern deutlich zu gering. Genau deshalb greife ich ja auf die Düsseldorfer Tabelle zurück und lege also einen deutlich höheren Wert zu Grunde, weil das offensichtlich realitätsgerechter ist.

Wenn Du diesen Wert von 629,12 € aber als realitätsgerecht begreifen möchtest, dann würde Deine ganze Argumentation aber ja nur noch mehr dafür sprechen, dass die Gesamtbeträge aus Familienzuschlägen sowie Ergänzungszuschlägen für die Familienstufe 3 unter Addition des Kindergelds in Höhe von 219,- € pro Kind evident sachwidrig wären:

  I          898,16 €
  II       1020,16 €
  III      1.146,16 €
  IV      1.293,16 €
  V       1.431,16 €
  VI      1.575,16 €
  VII     1.741,16 €

Denn wie bereits hervorgehoben, geht das BVerfG regelmäßig davon aus, dass solange, wie eine amtsangemessene Alimentation vorliegt, der Kindesunterhalt einer Familie mit einem oder zwei Kindern ganz überwiegend aus den allgemeinen, d.h. „familienneutralen“ Gehaltsbestandteilen bestritten werden kann, weshalb die hinzutretenden kinderbezogenen Gehaltsbestandteile erheblich unterhalb der Beträge bleiben können, die die Rechtsordnung als Regelsätze für den Kindesunterhalt als angemessen erachtet und veranschlagt (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 30. März 1977 – 2 BvR 1039/75 –, Rn. 65). Die familienbezogenen Zuschläge einschließlich des Kindergelds können deshalb den zusätzlichen Bedarf, der der Beamtenfamilie beim ersten und zweiten Kind erwächst, nicht annähernd ausgleichen (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 22. März 1990 – 2 BvL 1/86 –, Rn. 48).

Die Regelung, wie sie im Gesetzesentwurf vorgenommen wird, verstieße also, legte man den von Dir vorgeschlagenen Wert von 629,12 € zu Grunde, nur noch extremer gegen die Judikatur des BVerfG, da nun keiner der entsprechend erhöhte Familienzuschläge deutlich unter, sondern alle ausnahmslos deutlich über den Regelsätzen für den Kindesunterhalt liegen und so - wie gestern und vorgestern gezeigt - evident sachwidrig auf "familienneutrale" Gehaltsbestandteile zurückgreifen würden.

Wie gesagt, Du versuchst krampfhaft einen Entwurf zu verteidigen, der nicht zu verteidigen ist, weil er vielfach gegen die Judikatur des BVerfG verstößt. Deine Verteidigung des Entwurfs ist also nur möglich, wenn Du wiederkehrend genauso vorgehst wie jener Entwurf. Nicht umsonst wirst Du für Deine abschließende Darlegung in der Judikatur des BVerfG keinen Beleg finden: "Falsch wäre zu denken, der Familienzuschlag (mit oder ohne REZ) müsse dem Regelbedarf nachbilden. Entscheidend ist, dass die Summe der Bezüge die Mindestalimentation erfüllt. REZ und FamZ bilden da regelmäßig nur einen Anteil."

Denn erstens geht es um keine "Nachbildung" und zweitens sind eben die Regelsätze des Kindesunterhalt bei der Bemessung einer amtsangemessenen Alimentation zu beachten, wie die beiden gerade genannten Entscheidungen des BVerfG es fordern.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #163 am: 10.02.2021 00:13 »
@ Fahnder

1.171,50 = Höchstbetrag Wohngeld Mietstufe VII 4-Personenhaushalt + 10 % = 1.065 + 10 %.

Wie sich der 2015er-Betrag zusammensetzt kann ich Dir nicht genau sagen.

Der Berliner Senat führt in seiner Begründung des aktuellen Berliner Anpassungsgsetz (BerlBVAnpG 2021), BE-Drs. 18/3285 vom 06.01.2021 auf der S. 38 aus, dass das 95 %-Perzentil für Berlin im Jahre 2017 Unterkunftskosten von 1.100,- € und im Jahre 2019 1.450 € nach sich ziehen würde (die Verlinkung zur Drucksache findest Du hier: https://www.parlament-berlin.de/de/Dokumente/Drucksachen Unter Vorgang musst Du die Drucksachen-Nr. eingeben, also: 3285).

Fahnder führt insofern korrekt aus, dass allein deshalb bereits Unterkunftskosten in Höhe von aktuell 1.171,50 € nicht realitätsgerecht sein können, da sie deutlich unterhalb der Unterkunftskosten von Berlin im Jahr 2019 liegen. Hier liegt übrigens genau der Vorsatz vor, von dem ich an anderer Stelle gesprochen habe. Denn der aktuelle Gesetzesentwurf hebt auf S. 54 explizit hervor, dass er das 95 %-Perzentil gezielt nicht zu Grunde legt, geht also in der deutlich zu niedrigen Bemessung der Unterkunftskosten vorsätzlich vor.

WasDennNun

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #164 am: 10.02.2021 08:07 »
@ Asperatus
Ab dem dritten Kind hat das BVerfG doch genau dies gemacht: Regelbedarf + 15%.
Genau, weil dort ja auch 100% der "Mindest"Kosten des Kindes mit dem Zuschlag gedeckt werden müssen.
Kind 1+2 werden ja zum Teil via der Grundbesoldung abgedeckt, die ja zur höheren Netto Besoldung des Singles führen (also umgekehrtes Fertilisationsprinzip  8) ) , was ja an der Ausrichtung an eine 4K Familie liegt.

Und wenn irgendwie Unterkunftskosten in die Besoldung in Form fam FamZ oder REZ eingerechnet werden, dann doch nur in der Höhe, wie sie ein nicht Beamter vom Staat bezahlt bekäme +15%.
Was in den Jobcentern, Gemeinden als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung errechnet (via Wohngeldtabelle) errechnet wird.
Den Wohnort des Beamten zu nehmen ist sicher der Realität näher, die Dienststelle könnte man ja auch nehmen, da ja diese den Wohnort bestimmt und die konkrete Ortswahl eine private Entscheidung ist.

Es bleibt spannend, wie sich das entwickeln wird, bisher läuft es ja in die Richtung wie ich es vor div Monaten schon vermutet habe.

Die alberne Spar Aktionen mit extrem unterschiedlichen und unergründbaren Sätzen für die Kinder 1+2 insbesondere Kind 1 A5 vs. Kind A8 vs. Kind 1 11x wird zerschmettert werden, da nur vom Sparwillen geprägt.

Man wird zu einer Formel kommen müssen, welche einerseits den regionalisierten Mindestnettobedarf der Kinder X ermittelt (sowas wie H4+15%, den Weg hat ja das BVerG schon ab Kind 3 vorgegeben ) und davon das dafür notwendige Brutto in Abhängigkeit der Grundbesoldung errechnet (wg. Steuerprogrossion).

D.h. in y+5 Jahren werden im Gesetzestext keine albernen starren Tabellen mehr stehen, sondern Ableitungs-Formeln, da bei jeder Sozial, Steuer, Wohngeld, blabla Änderung sich ja eben diese Ansprüche des Beamten ändern).