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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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clarion:
Hallo Swen ich hatte ja geschrieben,  dass man tunlichst jährlich der durch das in den Jahr jeweils geltendes Besoldungsgesetz gewährte Jahresbesoldung widersprechen sollte.

Ich habe nicht geschrieben,  dass man Anträge stellen sollte oder nur gegen Besoldungsbestandteile wie die Sonderzahlung  oder Familienzuschläge widersprechen sollte.

Wie auch immer. Ich schätze Deine Arbeit sehr und ohne Deine Texte hätte ich meine Besoldung hingenommen. Meine Besoldung ist für meine persönliche Lebenssituation ja durchaus auskömmlich, aber für den Westerberg würde es natürlich nicht reichen.

lotsch:
Vielen Dank für deine Betrachtungen zum Widerspruch, Swen. Sie sind für alle Widerspruchsführer von äußerster Wichtigkeit, denn es geht schlicht um viel Geld. Du nimmst hier auch den Bundeswehrverband in Schutz und schreibst von Schwierigkeiten bei der Erstellung von Musterwidersprüchen. Ich sehe das eher als Schwäche, Unzulässigkeit und mangelndem Problembewusstsein. Da muss ich eben als Verband auch mal Geld in die Hand nehmen und mir juristischen Beistand holen, bevor ich so etwas veröffentliche.
Ich lege seit 2020 Widerspruch ein und beantrage auch immer auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, und habe von meinem Dienstherrn bisher nur gehört, dass eine gewisse Bearbeitungszeit von Nöten ist, blablabla. Jetzt mache ich mir Gedanken, ob es bei der Verjährung ähnliche Spitzfindigkeiten gibt, wie bei der Erstellung eines Widerspruchs, und ich besser eine Untätigkeitsklage einreichen müsste?

lotsch:
Nie war dieser Spruch so aktuell wie heute:
„Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande.“(Augustinus)

SwenTanortsch:
Hey clarion,
mittlerweile ist ein neuer Tag und mein ursprünglicher Ärger ist verflogen. Mein Problem an Deinem Beitrag war (und ist es auch weiterhin), dass Du Deine eigene Meinung anhand Deines Empfinden formulierst (s. den Beginn des Beitrags) und dann auf dieser Grundlage den Ratschlag für eine Begründung gibst, der so, wie Du das darstellst, mit einiger Wahrscheinlichkeit Anlass oder ggf. Grund für spezifische Spitzfindigkeiten geben könnte. Das hat mich gestern sehr geärgert, eben weil die Darlegung nicht auf Grundlage von zur Kenntnis genommener Rechtsprechung erfolgte (die ich dargelegt und auf die ich verwiesen hatte), sondern eben als Dein Empfinden, wie Du das ja auch selbst so formulierst.

Dein Beitrag hat mich auch deshalb geärgert, weil mein Beitrag wie gehabt bei komplexen Themen mal wieder recht lang war, und zwar - um nun die Länge nicht weniger meiner Beiträge ernst zu nehmen und mich nicht selbst zu karikieren (was zur gegebenen Zeit geschehen sollte, denke ich, wenn man hier wiederkehrend lang und breit doziert, eben um sich nicht permanent zu ernstzunehmen) - weil das hier offensichtlich sachlich geboten war, um die ggf. vorhandene Problematik des betrachteten Widerspruchsschreibens im Speziellen im allgemeinen Kontext zu beleuchten.

Nun ist mir klar, dass solche langen Texte, die zugleich eine komplexe Materie zum Thema haben, nicht immer mit Freude gelesen werden (müssen), und ich würde jene Texte kürzer formulieren, wenn ich das als ratsam betrachten würde. Und hier nun offenbart sich der Keim meines gestrigen Ärgers: Es kostet den Leser Zeit und ggf. Mühe, solch lange Texte wie den von gestern zu lesen; viel weniger Zeit kostet es, Deinen kurzen Text zu lesen. So verstanden ist es deutlich wahrscheinlicher, dass ggf. nicht wenige der Leser hier eher Deinen Text vollständig lesen und daraus ggf. Schlüsse für sich ziehen, als dass sie meinen eher längeren lesen und dann, wenn sie ihn nicht oder nur überblickmäßig lesen, keine meiner Meinung nach notwendigen sachgerechten Schlüsse aus ihm ziehen (können), soll heißen: Dein Beitrag beinhaltet die Gefahr falscher oder mindestens für den Leser mit Risiken verbundener Schlüsse. Genau darin brach sich mein gestriger Ärger, und zwar insbesondere deshalb, weil ich Deine Beiträge in den allermeisten Fällen - und zwar auch in den Fällen, wo ich nicht mit Dir vollständig einer Meinung bin - durchaus ebenfalls schätze und ich davon ausgehe, dass das hier nicht nur mir so geht. Soll heißen: Dein wiederkehrendes Schreiben nimmt Einfluss, was gut so ist - was ich aber gestern als nicht gut empfunde habe, da der Inhalt meiner Meinung nach nicht sachgerecht und deshalb auf Grundlage dessen, was ich zuvor geschrieben hatte, nicht sinnvoll war. Da als Folge eines ggf. nicht sachgerechten Handelns dem so Handelden entweder ein wie dargelegt recht weiter Umweg oder im schlimmeren Fall das Scheitern der Durchsetzung seiner Ansprüche droht, hat sich gestern in meinem Schreiben Ärger Luft gemacht (um's mal so auszudrücken).

Ergo: Wenn man (also nicht nur Du und ich) einen Widerspruch möglichst knapp formulieren oder aber prüfen will, ob ein zur Wahl stehender Musterwiderspruch Verwendung finden sollte, sollte man sich meiner Meinung nach eng an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts orientieren, solange das Bundesverfassungsgericht keine hinreichenden Informationen zum Abfassung statthafter Rechtsbehelfe gibt (es hat sie erst in der aktuellen Entscheidung explizit als hinreichend anerkannt, was man beim Thema nicht vergessen sollte, vgl. in der Rn. 183, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html; zuvor war regelmäßig nur der hinreichende Charakter einer Klagevom Senat  expliziert worden, vgl. bspw. die Entscheidung vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 -, Rn. 195; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/05/ls20150505_2bvl001709.html; entsprechend liegt hier erst eine erste Klarstellung rechtskräftig vor; wünschenswert wäre es, dass Karlsruhe dem weitere folgen ließe, was aber hinsichtlich der Formulierung eines statthaften Rechtsbehelfs nicht unbedingt absehbar und auch dann nicht notwendig ist, wenn die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgericht als hinreichend betrachten werden können).

Nimmt man also die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als Maßstab - was ich wie gesagt als sachgerecht betrachte, da hier die verwaltungsgerichtliche Letztinstanz spricht -, dann sollte ein Widerspruch als statthafter Rechtsbehelf mindestens folgende Formulierung beinhalten (die in Deinem Beitrag nicht genannt wird, was wie gesagt mit einiger Wahrscheinlichkeit Problemen Tür und Tor öffnen könnte), die das Bundesverwaltungsgericht in der genannten Entscheidung in der Rn. 27 also wie folgt ausführt (https://www.bverwg.de/210219U2C50.16.0; Hervorhebung durch mich):

"Für die Geltendmachung des Anspruchs genügt es, dass der Beamte zum Ausdruck bringt, sich mit der Höhe seiner Besoldung oder Versorgung insgesamt nicht mehr zufrieden zu geben. So hätte es im vorliegenden Fall ausgereicht, wenn der Kläger - so wie später im gerichtlichen Verfahren - im Jahr 2004 erklärt hätte, dass er für den Fall einer zulässigen Kürzung der jährlichen Sonderzahlung jedenfalls die danach verbleibende Gesamthöhe seiner Versorgungsbezüge für zu niedrig halte, weil sie ihm und seiner Familie keinen angemessenen Lebensstandard mehr ermögliche und sie sich in ihrer Lebensführung einschränken müssten."

Es sollte also ggf. folgendes Widerspruchsschreiben als statthafter Rechtsbehelf hinreichend sein, ohne dass ich mit der nachfolgenden Ausführung eine Empfehlung aussprechen wollte, so zu handeln, das "Muster" also zu verwenden, das man aber sicherlich verwenden kann, um zu prüfen, ob ein zum Angebot stehender Musterwiderspruch so, wie er formuliert ist, herangezogen werden sollte oder nicht:

"Widerspruch gegen die mir im Jahre ... gewährte Besoldung und Alimentation als Ganze

Hiermit lege ich Widerspruch gegen die mir im aktuellen Jahr gewährte Besoldung ein, da sie nach den vom Bundesverfassunsgericht entwickelten Maßstäben, die es insbesondere in seinen Entscheidungen BVerfGE 130, 263, BVerfGE 139, 64, BVerfGE 140, 240, BVerfGE 145, 304, BVerfGE 149, 382 und BVerfGE 155, 1 weiterhin konkretisiert hat, in ihrer Gesamthöhe nicht ausreicht, um mir eine insgesamt amtsangemessene Alimentation zu gewähren, weshalb mir und meiner Familie kein angemessener Lebensstandard mehr ermöglicht wird und meine Familie und ich uns in unserer Lebensführung unverhältnismäßig einschränken müssen."

Wie gesagt, es wird sich wegen der geschilderten Problematiken heute kaum jemand trauen, seinen Widerspruch so schlicht zu formulieren - das Bundesverwaltungsgericht beim Wort genommen, sollte das aber, wenn ich das nicht falsch sehe, ausreichen, um einen statthaften Rechtsbehelf zu formulieren.

Wenn ich auch das nicht falsch sehe, sollte es auch hinsichtlich der Verjährung unerheblich sein, ob sich der Dienstherr hier entsprechende Spitzfindigkeiten ausdenkt, lotsch, solange Du Deinen Widerspruch als statthaften Rechtsbehelf formulierst, und Du ihn darüber hinaus regelmäßig jährlich wiederholst. Denn nach der maßgeblichen Rechtsprechung nicht zuletzt des Bundesverwaltungsgerichts sollte ein solches Vorgehen sachgerecht sein und die eigenen Ansprüche sichern. Nicht umsonst führt es in der genannten Entscheidung aus:

"Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bedürfen Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, einer vorherigen Geltendmachung (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - Buchholz 240 § 53 BBesG Nr. 3 Rn. 21). Der Beamte muss kundtun, wenn er sich mit der gesetzlich vorgesehenen Alimentation nicht zufrieden geben will (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 - 2 C 40.10 - USK 2011, 147 = juris Rn. 7), und dies zeitnah. Er muss den Einwand der unzureichenden Alimentation in dem Haushaltsjahr geltend machen, für das er eine höhere Besoldung oder Versorgung begehrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 9). [...]

Gerade im Bereich der Beamtenalimentation ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die im Beamtenverhältnis bestehende Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen Beamten und Dienstherrn sowie der Umstand, dass die Alimentation des Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstellt, dagegen sprechen, den Dienstherrn ohne jede Einschränkung in Bezug auf den Kreis der betroffenen Beamten zu rückwirkenden Erhöhungen der Besoldung und Versorgung zu verpflichten. Im Bereich der Beamtenbesoldung und -versorgung kann eine rückwirkende Heilung von Verfassungsverstößen sich deswegen personell auf diejenigen Beamten beschränken, die den ihnen von Verfassungs wegen zustehenden Alimentationsanspruch geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden wurde, und sachlich auf den Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres, in dem der Beamte seine Unteralimentierung gegenüber dem Dienstherrn erstmals geltend gemacht hat" (Rn. 33 ff.).

Unter den zitierten Prämissen sollten meines Erachtens eine Verjährung von mit einem statthaften Rechtbehelf formulierten Ansprüchen ausgeschlossen sein, ohne dass auch das jedoch vor den spezifischen Spitzfindigkeiten der Dienstherrn schützte. Der effektive Rechtsschutz bleibt am Ende immer Sache der Gerichte. Wollen wir also hoffen und so davon ausgehen, dass er alsbald wieder regelmäßig gewährleistet ist, dass also spätestens weiterhin in den Blick gerückt wird oder bleibt, dass nicht nur hinsichtlich des Dienstherrn die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln erfolgt, sondern dass das ebenso im übertragenen Sinne für den Bediensteten gilt, dass also die im Besoldungsrecht faktisch seit zum Teil mehr als zwei Jahrzehnten einseitig ausgesetzte bestehende Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen Beamten und Dienstherrn wieder zur Geltung kommen möge. Hinsichtlich der mittlerweile weit über 60 Vorlagen aus zwölf Bundesländern sieht sich das Bundesverfassungsgericht in der Pflicht, weiterhin den Nachweis führen zu können, dass der effektive Rechtsschutz im Besoldungsrecht noch gewährleistet wäre, den die Verwaltungsgerichtsbarkeit allein nicht garantieren kann. Den Bedarf des Jahres 2004 aus gegenwärtig zur Haushaltsführung zur Verfügung stehenden Mitteln zu befriedigen, dürfte dem brandenburgischen Kläger sowie den entsprechenden Widerspruchsführern zwanzig Jahre später kaum mehr möglich sein, so wie das in wenig kürzeren Zeiträumen auch für eine hohe Zahl an Bediensteten in anderen Rechtskreisen der Fall ist, so ist es zumindest begründet zu vermuten.

Knecht:
https://www.hessenschau.de/tv-sendung/was-beamte-von-der-ausgesetzten-besoldungserhoehung-halten,video-203966.html

Geht zwar um die hessische Besoldung, aber mal ein ganz interessanter Beitrag und wieder einmal erschreckend, wie viel dem Finanzminister die verfassungsgemäße Besoldung wert ist.

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