Beamte und Soldaten > Beamte des Bundes und Soldaten

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

<< < (3269/3420) > >>

AlxN:

--- Zitat von: Knecht am 01.03.2025 15:01 ---Hallo Swen,

ehrlich gesagt bin ich etwas amüsiert, denn die Aufklärung, warum auch das wieder nicht geht, habe ich schon beim Schreiben des vorigen Beitrags erwartet :D

Es ist wie in letzter Zeit gefühlt immer: man steht sich selbst im Weg und es funktioniert einfach nichts, zumindest nichts, was eine Verbesserung bringen würde.

Wenn wir hier nicht langsam pragmatischer werden, können die Geiger auf Deck schon mal anfangen zu spielen.

PS: es wäre ja noch verkraftbar, wenn es in der Praxis immer so wäre, wie in der Theorie festgelegt.

--- End quote ---

Aktuell geht für die Besoldungsgesetzgeber alles. Ein super Beispiel für Leistungsungerechtigkeit bzw. etwas, was mit dem Leistungsprinzip gar nichts mehr zu tun hat, sind die Stellenhebungen in Baden-Württemberg.

So wurden bspw. die Polizeianwärter im mD die am 01.09.2019 in den Polizeidienst das erste Mal eintraten, innerhalb von 9 Monaten nach Abschluss der Ausbildung (Einstellung in A8) am 01.12.2022 auf A9 zum Polizeihauptmeister angehoben. Da bleibt noch eine Beförderung nach A10 bis das Endamt des mD nach aktueller Gesetzeslage erreicht ist. Die Beamten die nach Stichtag 01.12.2022 ihre Ausbildung beendeten und deshalb nicht nach A9 gehoben werden freuen sich.

Die 750 € Zuschlag für das Dritte und jedes weitere Kind mal Außen vor gelassen. Fiskalische Erwägungen des Gesetzgebers jenseits von gesundem Menschenverstand führen das Leistungs- bzw. Alimentationsprinzip ad absurdum.

Knecht:

--- Zitat von: AlxN am 01.03.2025 16:25 ---
--- Zitat von: Knecht am 01.03.2025 15:01 ---Hallo Swen,

ehrlich gesagt bin ich etwas amüsiert, denn die Aufklärung, warum auch das wieder nicht geht, habe ich schon beim Schreiben des vorigen Beitrags erwartet :D

Es ist wie in letzter Zeit gefühlt immer: man steht sich selbst im Weg und es funktioniert einfach nichts, zumindest nichts, was eine Verbesserung bringen würde.

Wenn wir hier nicht langsam pragmatischer werden, können die Geiger auf Deck schon mal anfangen zu spielen.

PS: es wäre ja noch verkraftbar, wenn es in der Praxis immer so wäre, wie in der Theorie festgelegt.

--- End quote ---

Aktuell geht für die Besoldungsgesetzgeber alles. Ein super Beispiel für Leistungsungerechtigkeit bzw. etwas, was mit dem Leistungsprinzip gar nichts mehr zu tun hat, sind die Stellenhebungen in Baden-Württemberg.

So wurden bspw. die Polizeianwärter im mD die am 01.09.2019 in den Polizeidienst das erste Mal eintraten, innerhalb von 9 Monaten nach Abschluss der Ausbildung (Einstellung in A8) am 01.12.2022 auf A9 zum Polizeihauptmeister angehoben. Da bleibt noch eine Beförderung nach A10 bis das Endamt des mD nach aktueller Gesetzeslage erreicht ist. Die Beamten die nach Stichtag 01.12.2022 ihre Ausbildung beendeten und deshalb nicht nach A9 gehoben werden freuen sich.

Die 750 € Zuschlag für das Dritte und jedes weitere Kind mal Außen vor gelassen. Fiskalische Erwägungen des Gesetzgebers jenseits von gesundem Menschenverstand führen das Leistungs- bzw. Alimentationsprinzip ad absurdum.

--- End quote ---

Ist zwar kein Beispiel aus dem Bund, aber du rennst da bei mir offene Türen ein. Nur, wir werden leider nichts ändern.

Der Bock wird geritten, bis er tot im Dreck liegt. Und dann ist die Verwunderung wieder riesig.

Es ist die immer gleiche Abfolge von Idiotie, die viele einfach nicht mehr nachvollziehen können. Zu recht, meiner bescheidenen Meinung nach.

SwenTanortsch:
Wie ja schon mehrfach gesagt, sage ich nicht, was mir gefällt oder nicht gefällt, sondern nur, was sich verfassungsrechtlich darstellen lässt oder nicht darstellen lässt. Dabei ist regelmäßig in den Blick zu nehmen, dass Art. 33 Abs. 5 GG ausführt: "Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln." Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums schützen dabei - wie vorhin schon ausgeführt - nicht das überkommene Beamtenrecht, sondern das Beamtentum als Institution. Dabei handelt es sich hinsichtlich der Alters- und Erfahrungsstufen um keine hergebrachten Grundsätze, ansonsten hätten die Altersstufen ja fortgeführt werden müssen.

Ein besonders wesentlicher hergebrachter Grundsatz ist aber - wie vorhin ebenfalls schon dargelegt - das Leistungsprinzip, das als besonders wesentlich nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten ist. Der Dienstherr hat also zu gewährleisten, dass unterschiedliche Leistung unterschiedlich bewertet und als Folge des Alimentationsprinzips - also dem nächsten besonders wesentlichen Grundsatz, der als solcher ebenfalls vom Dienstherrn zu beachten ist - unterschiedlich alimentiert wird. Beides - Leistungs- wie Alimentationsprinzip - sind also besonders wesentliche hergebrachte Grundsätze, die also zu beachten sind. Wären sie es nicht - würde es also gleichfalls keinen Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG geben: "Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte" - und wäre das Berufsbeamtentum als Institution nicht ein Dienst- und Treueverhältnis nach Art. 33 Abs. 4 GG - "Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen" -, wäre es dem Dienstherrn in seiner Gestalt als Besoldungsgesetzgeber nicht verwehrt, alle Beamte gleich zu alimentieren. So verstanden ist erst einmal das, was ihr beklagt, ein Schutzrecht für uns Beamte, das nicht zuletzt daraus resultiert, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums maßgebliche Grundrechte des Beamten einschränken, sodass das Alimentationsprinzip verlangt, dass diese Einschränkung von Grundrechten kompensiert wird. Maßgebliche Kompensation ist die amtsangemessene Alimentation.

Dabei habe ich ja vorhin ausgeführt, dass es dem Dienstherrn als Dienstrechtsgesetzgeber nicht nur nicht verwehrt werden könnte, dass Erfahrungsstufensystem grundlegend zu reformieren (was im Zuge der Reföderalisierung des Besoldungsrechts nach 2006 in vielen Rechtskreisen geschehen ist), sondern es ebenso auch abzuschaffen und durch eine Form der individualisierteren Leistungsbewertung auf Grundlage regelmäßiger Überprüfung der Leistungsfähigkeit des einzelnen Beamten zu ersetzen. Entsprechend würden dann die Besoldungsgruppen als Ausdruck von Eignung und Befähigung sowie von Leistung, letztere vor einer möglichen Beförderung und damit einem Aufstieg in eine höhere Besoldungsgruppe, weiterhin ihre Berechtigung haben (die Beförderung hat und hätte auch weiterhin zunächst einmal unmittelbar nichts mit möglichen oder nicht eingeführten Erfahrungsstufen zu tun). Die regelmäßige Leistung könnte nun innerhalb gleicher Ämter durch deren regelmäßige Überprüfung nachvollzogen werden und dann über entsprechend neue Alimentationsbestandteile unmittelbarer als im Erfahrungsstufensystem die Besoldung bestimmen. Solange es dem Gesetzgeber gelingen würde, die Typisierung wie auch die Überprüfung der Leistungsfähigkeit gleichheits- und also sachgerecht zu vollziehen, würde verfassungsrechtlich nichts dagegen sprechen.

Betrachten wir also - um es konkret zu machen - die Besoldugsgruppe A 11 im BBesG. In A 11/1 beträgt das Grundgehalt 4.056,80 €, in A 11/8 5.299,72 €. Würde es nun keine Besoldungsgruppen A 10 und A 12 geben, könnte also bspw. ein Grundgehalt von 4.056,80 € gewährt werden (natürlich könnte der Besoldungsgesetzgeber hier als auch nachfolgend andere Beträge heranziehen, solange er das sachlich begründen könnte), um nun im Sinne des Leistungsprinzips abgestufte Zulagen bis zu einem Besoldungsniveau in Höhe von 5.299,72 € gewähren. Allerdings stellte sich der Spielraum nun, wenn man sich die Besoldungsgruppen A 10/8 mit einem Grundgehalt in Höhe von 4.774,53 € und A 12/1 mit 4.334,26 € anschaut, deutlich eingeschränkter dar, womit wir auch hier sehen, worum es in dem Erfahrungsstufensystem eigentlich geht, nämlich um ein Mittel der Personalkosteneinsparung, die dem Dienstherrn solange verfassungsrechtlich gestattet ist, wie er sie sachlich begründen lässt. Ohne Erfahrungsstufen, so darf man annehmen, würden deutlich höhere Personalkosten entstehen, da ja ein höheres Amt nicht niedriger besoldet werden darf. Wie wollte man also bspw. sachlich begründen, dass ein nach A 10/4 besoldeter Beamter mit einem heute mit 4.127,55 € offensichtlich leistungsfähiger sein sollte als ein nach A 11/1 besoldeter, dem ein Grundgehalt von wie gesagt 4.056,80 € gewährt wird. Ohne Erfahrungsstufen dürften solche Regelungen offensichtlich unmöglich sein, da ja ein geringer wertiges Amt nicht höher besoldet werden darf: Die Erfahrungsstufen sind so verstanden die verfassungsrechtliche Antwort der Dienstherrn auf ihren Wunsch, die Personalkosten möglichst gering zu halten. Da sie sich sachlich rechtfertigen lassen, spricht verfassungsrechtlich nichts dagegen, dass sie eingeführt worden sind.

De facto müsste darüber hinaus, wie schon gesagt, die rund 1,7 Mio. deutschen Beamten und Richter sowie die rund 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten regelmäßig hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit bewertet werden, wollte man kein Erfahrungsstufensystem etabliert halten, sondern ein strikt nach typisierten Leistungskriterien innerhalb einer Besoldungsgruppe, womit wir neben dem gerade beschriebenen Problem bei den vorhin dargelegten Problemen wären, nämlich der erheblichen Bindung von personellen und zeitlichen Ressourcen sowie der größeren Gefahr der Bewiderspruchung und Beklagung individualisierterer Bewertungen.

Aus den genannten Gründen dürfte es ausgeschlossen werden, dass eine solche Reform, wie sie mancher wünscht, kommt. Denn sie wäre für den Dienstherrn nur attraktiv, wenn er durch sie erhebliche finanzielle Personalmittel einsparen könnte, was in einem solchen Regelungssystem - allein schon wegen der größeren Personal- und Zeitressourcen, das es benötigte - eher kaum möglich sein dürfte. Insofern dürfte kaum jemand, der über entsprechende Regelungskompetenz verfügt, hier ein Interesse an einer Änderung haben.

Darüber hinaus ist das "Zulagenwirrwarr" (ein Begriff aus den beginnenden 1960er Jahren und seinerzeit ein geflügeltes Wort) zu einem nicht geringen Teil Folge der Reföderalisierung des Besoldungsrechts ab 2006. Die damals - zu Beginn der 1960er Jahre - noch zwölf Besoldungsgesetzgeber haben ab den endenden 1950er Jahren genau deshalb auf eine Vereinheitlichung des Besoldungsrechts gedrungen, da in der Konkurrenz um die Fachkräfte in der damaligen Kompetenzordnung genau jenes Mittel der Zulagen auserkoren worden ist, um nicht höhere Grundgehälter gewähren zu müssen, sondern jene Ämter, wo die Konkurrenz um Fachkräfte am Größten war, mittels Zulagen besonders zu alimentieren.

Mit der 1971 neuen Kompetenzordnung der konkurrierenden Gesetzgebung unter der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes auch für die Besoldung und Versorgung in den Ländern nach Art. 74a GG ist dann bis 1975 jenes "Zulagenwirrwarr" bundeseinheitlich ausgedünnt worden. Das war ein zentraler Zweck der Grundgesetzänderung. Mit der Reföderalisierung des Besoldungsrechts und also der Abschaffung des Art. 74a GG im Jahr 2006 war es absehbar, dass genau jenes "Zulagenwirrwarr" alsbald wieder auf die Tagesordnung geraten musste, weil es weiterhin darum ging (und geht), die Grundgehaltssätze möglichst gering zu halten. Dafür ist ein "Zulagenwirrwarr" geradezu prädestiniert. Ergo: Geschichte wiederholt sich nicht (ist nur - kulturpessimistisch betrachtet - die ewige Wiederkehr des Gleichen).

Knecht:
Ich bin mir sicher, dass du Recht hast, Swen. Aber das ist und bleibt einfach unbefriedigend. Wir brauchen neue Lösungen, bzw. wirkliche Änderungen.

Rentenonkel:
Wenn ich es richtig verstehe, könnte der Besoldungsgesetzgeber die Erfahrungsstufen zwar nicht abschaffen, aber dennoch im Rahmen seines weiten Ermessensspielraum reformieren.

Ziel der Erfahrungsstufen war es ja mal, Gelder einzusparen und auch das könnte jetzt die treibende Kraft sein, da ja die Kürzungen gerade in den niedrigen Besoldungs- und Erfahrungsstufen dazu führen, dass die 4K Familie teilweise weniger hat als ein Bürgergeldempfänger.

Wenn also der Gesetzgeber, um bei dem Beispiel zu bleiben, für A11 nur noch A11/5 bis A11/8 kennen würde, müsste er die Tabelle zwar an den verbleibenden Stellen auch anheben, aber vielleicht deutlich weniger und könnte so etwas Druck aus dem Haushaltskessel nehmen. Begründen ließe es sich mit Sicherheit auch.

So lässt Udo di Fabio immer noch etwas Raum, um eine verfassungskonforme Lösung zu finden, ohne den Haushalt überzustrapazieren.

Mal abwarten, ob die zukünftigen Staatssekretäre über das Stöckchen springen.

Navigation

[0] Message Index

[#] Next page

[*] Previous page

Go to full version