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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
SwenTanortsch:
--- Zitat von: Rentenonkel am 01.03.2025 20:37 ---Wenn ich es richtig verstehe, könnte der Besoldungsgesetzgeber die Erfahrungsstufen zwar nicht abschaffen, aber dennoch im Rahmen seines weiten Ermessensspielraum reformieren.
Ziel der Erfahrungsstufen war es ja mal, Gelder einzusparen und auch das könnte jetzt die treibende Kraft sein, da ja die Kürzungen gerade in den niedrigen Besoldungs- und Erfahrungsstufen dazu führen, dass die 4K Familie teilweise weniger hat als ein Bürgergeldempfänger.
Wenn also der Gesetzgeber, um bei dem Beispiel zu bleiben, für A11 nur noch A11/5 bis A11/8 kennen würde, müsste er die Tabelle zwar an den verbleibenden Stellen auch anheben, aber vielleicht deutlich weniger und könnte so etwas Druck aus dem Haushaltskessel nehmen. Begründen ließe es sich mit Sicherheit auch.
So lässt Udo di Fabio immer noch etwas Raum, um eine verfassungskonforme Lösung zu finden, ohne den Haushalt überzustrapazieren.
Mal abwarten, ob die zukünftigen Staatssekretäre über das Stöckchen springen.
--- End quote ---
Wie ich ja schreibe, dem Gesetzgeber des öffentlichen Dienstrechts kann es verfassungsrechtlich nicht verwehrt sein, die Systematik von Erfahrungsstufen vollständig zugunsten einer anderen Systematik aufzugeben, in der sich das Leistungsprinzip nich nur mittelbar (wie in der Form von Erfahrungsstufen), sondern vollständig unmittelbar verwirklichen würde, solange er das sachgerecht vollzöge. Da er kein starres Prinzip einer Bundeseinheitlichkeit vorfindet, sondern seit 2006 in Gestalt aller 17 Besoldungsgesetzgeber weiterhin über einen nicht unerheblich weiten Entscheidungsspielraum verfügt, sind ihm dabei zwar durchaus Grenzen gesetzt, diese darf er aber begründet ausloten. So verstanden heißt es in der Rn 80 der aktuellen Entscheidung:
"Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) hat der Gesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Beamten und Richter auf die Länder (zurück-)übertragen. Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hindert den Besoldungsgesetzgeber zwar grundsätzlich nicht, eigenständige Regelungen zu treffen und dabei den unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 30, 90 <103>; 93, 319 <348 f.>). Gleichwohl ist eine unbegrenzte Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den Ländern durch die infolge der Neuordnung der Kompetenzverteilung im Grundgesetz eröffnete Befugnis zum Erlass jeweils eigener Besoldungsregelungen nicht gedeckt. Art. 33 Abs. 5 GG setzt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers insoweit Grenzen, ohne ein besoldungsrechtliches Homogenitätsgebot zu postulieren (vgl. BVerfGE 139, 64 <119 Rn. 113>; 140, 240 <288 Rn. 96>)." (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html)
Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht ganz zu Beginn seines sich ab da offenbarenden Rechtsprechungswandels im Besoldungsrecht in der Entscheidung vom 14.02.2012 dem Besoldungsgesetzgeber einen erheblichen Spielraum zugebilligt, der ggf. bis zur Abschaffung der Erfahrungsstufen reichen könnte:
"Die mittelbare Verwirklichung des Leistungsprinzips im Besoldungsrecht – über das Statusrecht einerseits sowie über das herkömmliche System der Dienstaltersstufen [heute: Erfahrungsstufen; ST.] bei der Bemessung des Grundgehalts andererseits – schließt allerdings den Einsatz unmittelbar von der individuellen Leistung der Beamten abhängiger Besoldungsbestandteile nicht aus. Insoweit kommt es zu einer Überschneidung des Leistungsprinzips mit dem Alimentationsprinzip, das schon vor Einfügung der Fortentwicklungsklausel in Art. 33 Abs. 5 GG eine stete Weiterentwicklung des Beamtenrechts und dessen Anpassung an veränderte Umstände der Staatlichkeit ermöglichte (vgl. BVerfGE 119, 247 <262>). Eine stärkere Berücksichtigung des Leistungsgedankens stellt einen zulässigen Aspekt der Besoldungsgesetzgebung dar (vgl. BVerfGE 110, 353 <365 ff.>). Dabei kann die Bindung der Besoldung an Leistungsgesichtspunkte beispielsweise in Gestalt von Leistungsstufen, Leistungsprämien und Leistungszulagen erfolgen, wie es im Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322) der Fall war (vgl. dazu BVerfGE 110, 353 <366 ff.>). Daneben sind aber auch anders ausgestaltete leistungsbasierte Besoldungssysteme denkbar." (BVerfGE 130, 263 <296 f.>).
Zugleich halte ich es allerdings für nahezu ausgeschlossen, dass sich ein Besoldungsgesetzgeber - wie vorhin bereits dargestellt - dazu entschließen könnte, die Form der Erfahrungsstufen vollständig aufzugeben, da wie vorhin angerissen das eher zu mehr als zu weniger Personalkosten führen dürfte. Zugleich ist ihm auch das möglich, was Du vorhin beschrieben hast, nämlich - orientiert an den tatsächlichen Verhältnissen - die Erfahrungsstufen so zu gestalten, dass ein rascherer und stärkerer Einkommenszuwachs in den frühen Berufsjahren durch einen geringeren in späten Berufsjahren kompensiert wird, wie das bereits in der Vergangenheit bis zu einem gewissen Grad geschehen ist. Entsprechend hebt der Senat in der im Zitat abschließend genannten Entscheidung hervor:
"Dem rascheren und stärkeren Einkommenszuwachs in den frühen Berufsjahren liegt die Überlegung zu Grunde, dass hier sowohl der Leistungszuwachs wie auch der persönliche Bedarf durch Aufbau einer eigenen Existenz und Familiengründung am höchsten sind (BTDrucks 13/3994, S. 29). Die Verlängerung der Aufstiegsintervalle [der damaligen Altersstufen und heutigen Erfahrungsstufen; ST.] ab den mittleren Stufen kann in diesem Zusammenhang nicht allein in der beabsichtigten Kostenneutralität begründet gesehen werden. Die dadurch bewirkte Besoldungsabsenkung wurzelt vielmehr in der Erwägung, dass der persönliche Bedarf ab den mittleren gegenüber den Anfangsstufen geringer ist, weil die Existenz- und die Familiengründung hier in der Regel abgeschlossen ist und es insoweit vornehmlich um den Zuwachs an Lebenskomfort geht (vgl. insoweit z.B. Schwegmann/Summer, BBesG, 111. Erg.-Lief. März 2004 [Gesamtwerk], § 27 Rn. 1). Den familienbedingten Belastungen der Beamten, wie etwa den Ausbildungskosten für Kinder, wird mit einem Familienzuschlag Rechnung getragen. Durch diesen werden nach dem Einbau der Basisbeträge des früheren Ortszuschlages in die Grundgehälter dessen familienstands- und kinderbezogene Anteile in bisheriger Höhe weitergewährt (vgl. dazu Adolf/Durner, Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts, 1997, S. 59 ff.).
Die durch das Reformgesetz bewirkte Besoldungsanhebung in den frühen Dienstjahren wie auch die Absenkung der Besoldung in den späteren Dienstjahren beruhen damit auf dem jeweiligen persönlichen Bedarf der Beamten in den einzelnen Zeitabschnitten wie auch auf dem Gesichtspunkt des möglichen Leistungszuwachses. Letzterer wird von dem Gesetzgeber als in den Anfangsjahren höher angesehen, weil der Lern- und Erfahrungsprozess hier intensiver ist als in den späteren Jahren, in denen auf den gewonnenen Erkenntnisschatz aufgebaut und dieser erweitert wird. Mithin liegen bezogen auf die einzelnen Dienstaltersphasen [heute Erfahrungsstufenphasen; ST.] jeweils konkrete und auf die zu regelnde Sache bezogene Erwägungen des Gesetzgebers vor, die er folgerichtig auf die jeweils betroffenen Beamtengruppen erstreckt." (BVerfGE 110, 353 <367>; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv110353.html)
Entsprechend wäre dem Besoldungsgesetzgeber ebenso auch eine generelle Absenkung des Gesamtlebenseinkommens eines Beamten gestattet, wenn er dabei sicherstellte, dass die dem Beamten gewährte Alimentation dennoch zu jeder Zeit amtsangemessen ist (vgl. BVerfGE 110, 353 <368>).
@ Knecht
Meiner Meinung nach war die Besoldungssystematik, wie sie in allen 17 Rechtskreisen bis 2020 geregelt war, unabhängig davon, dass sie ausnahmslos verfassungskonform und also in sich schlüssig gewesen ist, auch unter Gerechtigkeitsgedanken weitgehend schlüssig - das Problem war also m.E. nicht die Form der Regelung des öffentlichen Dienstrechts im Besoldungsrecht, sondern in allen Rechtskreisen die Höhe des Besoldungsniveaus, wobei das Indiz der Mindestbesoldung ebenso in allen Rechtskreisen gezeigt haben dürfte, dass insbesondere die Grundgehaltssätze in allen Rechtskreisen - und in jedem Rechtskreis im unterschiedlichen Maße - zu gering waren.
Auch heute werden die Dienstherrn in allen Rechtskreisen nicht darum herumkommen, die Grundgehaltssätze an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen. Leistungsbezogene Besoldungskomponenten, die sich in die Systematik der Erfahrungsstufen sachgerecht einordnen, können dabei bis zu einem gewissen Maße (auch das in den unterschiedlichen Rechtskreisen in unterschiedlichem Maße) die weiterhin deutlich höheren Personalkosten, die eine amtsangemessene Alimentation hervorbringen wird, absenken.
Ob aber solche Reformen auch dann sinnvoll sein werden, wenn sie im Rahmen des Alimentationsprinzips vollzogen werden würden (was bei vielen der seit 2021 vollzogenen Reformen nicht der Fall gewesen sein dürfte), müsste sich dann zeigen, nämlich im Hinblick darauf, dass uns ein zunehmend größerer Fachkräftemangel in vielen Segmenten des Arbeitsmarkts ins Haus steht und - wie in den letzten Tagen an anderer Stelle betrachtet - wir generell im Hinblick auf die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten der letzten Jahre in nicht wenigen Segmenten des Arbeitsmarkts mit der Frage nach Lohnhöhen (in ihrem Spannungsfeld mit den privatwirtschaftlichen Lohnkosten) konfrontiert werden dürften. Welche Auswirkungen das für den öffentlichen Dienst mit seinem verfassungsrechtlichen Regelfall des Beamtenwesens und der Ausnahme der Tarifbeschäftigung haben wird, wird sich spätestens dann zeigen, wenn nach den angekündigten Entscheidungen in den "Pilotverfahren" über die weiteren anhängigen Vorlagen in einem schnelleren Zeitraum als bislang entschieden werden wird.
Warzenharry:
Moin Zusammen,
fraglich dürfte aber schon sein, wie man eine vereinheitlichung der Erfahrungsstufen jenen erklären will, die sich die Zeit erdient haben.
Erklären Sie mal jemandem, dass der neue Kollege genau das gleiche bekommen soll, wie er oder sie.
Natürlich soll er das selbe machen aber i.d.R. braucht der neue Kollege halt Zeit um sich Wissen anzueigenen. Natürlich bringen neue Kollegen mit unter Schwung in einzelne Prozesse aber die Masse ist dann doch eher Erfahrung, gerade was das Priorisieren von Aufgaben angeht.
Das wird so nicht funktionieren.
Malkav:
--- Zitat von: Warzenharry am 03.03.2025 10:26 ---Moin Zusammen,
fraglich dürfte aber schon sein, wie man eine vereinheitlichung der Erfahrungsstufen jenen erklären will, die sich die Zeit erdient haben.
Erklären Sie mal jemandem, dass der neue Kollege genau das gleiche bekommen soll, wie er oder sie.
Natürlich soll er das selbe machen aber i.d.R. braucht der neue Kollege halt Zeit um sich Wissen anzueigenen. Natürlich bringen neue Kollegen mit unter Schwung in einzelne Prozesse aber die Masse ist dann doch eher Erfahrung, gerade was das Priorisieren von Aufgaben angeht.
Das wird so nicht funktionieren.
--- End quote ---
Dann frag mal in diversen Wachtmeistereien von Gerichten nach, wie einfach das funktioniert und wie egal das den Gesetzgebern ist, ob das mit gesundem Menschenverstand erklärbar ist.
Hier begannen Leute mit A 3 und setzten sich in drei Bewerbungsverfahren durch um über Jahrzehnte nach A 6 befördert zu werden. Neue Kolleg:innen beginnen direkt nach Einstellung mit *Trommelwirbel* ... A 6 :o
Warzenharry:
Und da gibt es KEINE Kompensation/Ausgleich?
Sollte Das beim Bund passieren, dann wird das definitiv auswirkungen auf meine Arbeitsmoral haben. Das steht fest.
Knecht:
--- Zitat von: Warzenharry am 03.03.2025 10:47 ---Und da gibt es KEINE Kompensation/Ausgleich?
Sollte Das beim Bund passieren, dann wird das definitiv auswirkungen auf meine Arbeitsmoral haben. Das steht fest.
--- End quote ---
Da gab es (meines Wissens) noch nie einen Ausgleich. Ähnlich war es doch auch beim Zoll vor ein paar Jahren mit Anhebung der Eingangsstufe von A6 auf A7 (irgendwann war es mal A5). Mit dem nächsten Problem, dass es nun quasi nur noch 2 Beförderungsmöglichkeiten auf der Ebene gibt und dem übernächsten Problem, dass man für A9 i.d.R. auch noch eine besonders ausgewiesene Stelle benötigt.
Die Probleme und Widersprüche sind mittlerweile wirklich unendlich.
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