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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
PolareuD:
Hier mal die Passagen, die ich bis jetzt zum Zweiverdienermodell gefunden habe:
Randnummer104
(4) Die Beeinträchtigung des Abstandsgebots lässt sich auch nicht durch die Einführung der Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße und als eine damit verbundene „Umgestaltung des Besoldungssystems“ rechtfertigen. Auch im Rahmen einer grundsätzlichen Systemveränderung muss die Besoldung so konzipiert werden, dass dem Abstandsgebot Genüge getan wird (Lindner, ZBR 2014, 361, 363). Es muss gewährleistet bleiben, dass mit einem höheren Amt höhere Bezüge einhergehen (BVerfG, Beschl. v. 17.1.2017, 2 BvL 1/10, BVerfGE 145, 1, juris Rn. 37; vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.7.1983, 2 BvR 460/80, BVerfGE 64, 367, juris Rn. 35; BVerfG, Beschl. v. 4.2.1981, 2 BvR 570/76, BVerfGE 56, 146, juris Rn. 28). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Randnummer105
b) Es kann offen bleiben, ob die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 zudem wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind, weil sie Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 10 – wie den Kläger – ohne sachlichen Grund im Vergleich zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen oder Erfahrungsstufen benachteiligen.
Randnummer106
Eine ohne sachlichen Grund vorgenommene besoldungsrechtliche Schlechterstellung von Beamtinnen und Beamten im Vergleich zu anderen Beamtinnen und Beamten verletzt die Rechte der benachteiligten Beamtinnen und Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 23, 26 f.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 88; vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.2012, 2 BvR 1397/09, juris Rn. 53 ff., 64 ff. (nur Art. 3 Abs. 1 GG); BVerfG, Beschl. v. 4.4.2001, 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310, juris Rn. 39-45, 71 (nur Art. 3 Abs. 1 GG); VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 54). Der Gesetzgeber hat einen weiten Entscheidungsspielraum und es ist insbesondere nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste und gleichzeitig gänzlich mängel- und reibungsfreie Lösung gewählt hat. Es muss sich für die Regelung aber ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lassen (zum Vorstehenden siehe BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 18; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvL 10/11, juris Rn. 81 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 85; VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 52).
Randnummer107
Die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 führen zu einer Ungleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen [dazu aa)]. Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen [dazu bb)].
Randnummer108
aa) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Beamtinnen und Beamten in höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, im Unterschied zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen nach § 45a HmbBesG in Verbindung mit Anlage VIIa zum HmbBesG keinen Besoldungsergänzungszuschuss erhalten und dass Begünstigte des Besoldungsergänzungszuschusses – wie der Kläger – weniger Zuschuss erhalten als Beamtinnen und Beamten in einer niedrigeren Besoldungsgruppe oder einer niedrigeren Erfahrungsstufe siehe dazu schon oben unter 3. a) aa) (2) (b)].
Randnummer109
bb) Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen, weil die Besoldung des Klägers im Jahr 2022 bereits aufgrund der Verletzung des Abstands- [dazu 3. a)] und des Mindestabstandsgebots [dazu 3. b)] verfassungswidrig ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der aktuellen gesetzgeberischen Konzeption des Hamburger Besoldungsrechts – einschließlich der Umstellung auf die Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße für die Bemessung der Besoldung – nicht alle Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Besoldungsergänzungszuschusses im Wesentlichen gleich behandelt werden.
Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.
Knecht:
Heute ist übrigens Tag der Wertschätzung - zu diesem möchte ich uns alle beglückwünschen :D
PolareuD:
Etwas konträr zu den Randnummern 104-109 sind die Randnummer 208 bis 230. Diese betrachten den BEZ als grundsätzlich zulässig, jedoch mit den Einschränkungen durch die Randnummern 104-109. Was meiner Einschätzung bedeuten könnte, dass der BEZ allen Besoldungsgruppen zustehen muss und nach oben hin nicht abschmelzen darf.
Weitere Meinungen hierzu?
Die Randnummer 234 führt dagegen weiterhin aus:
„Es ist schon zweifelhaft, ob die Zweiverdienerfamilie als besoldungsrechtliche Bezugsgröße überhaupt eine belastende Rechtsnorm darstellt oder sonst an den Maßstäben für die Rückwirkung von Gesetzen zu messen ist.
[…]“
SwenTanortsch:
--- Zitat von: PolareuD am 07.03.2025 09:47 ---Hier mal die Passagen, die ich bis jetzt zum Zweiverdienermodell gefunden habe:
Randnummer104
(4) Die Beeinträchtigung des Abstandsgebots lässt sich auch nicht durch die Einführung der Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße und als eine damit verbundene „Umgestaltung des Besoldungssystems“ rechtfertigen. Auch im Rahmen einer grundsätzlichen Systemveränderung muss die Besoldung so konzipiert werden, dass dem Abstandsgebot Genüge getan wird (Lindner, ZBR 2014, 361, 363). Es muss gewährleistet bleiben, dass mit einem höheren Amt höhere Bezüge einhergehen (BVerfG, Beschl. v. 17.1.2017, 2 BvL 1/10, BVerfGE 145, 1, juris Rn. 37; vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.7.1983, 2 BvR 460/80, BVerfGE 64, 367, juris Rn. 35; BVerfG, Beschl. v. 4.2.1981, 2 BvR 570/76, BVerfGE 56, 146, juris Rn. 28). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Randnummer105
b) Es kann offen bleiben, ob die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 zudem wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sind, weil sie Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A 10 – wie den Kläger – ohne sachlichen Grund im Vergleich zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen oder Erfahrungsstufen benachteiligen.
Randnummer106
Eine ohne sachlichen Grund vorgenommene besoldungsrechtliche Schlechterstellung von Beamtinnen und Beamten im Vergleich zu anderen Beamtinnen und Beamten verletzt die Rechte der benachteiligten Beamtinnen und Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 23, 26 f.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 88; vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.2012, 2 BvR 1397/09, juris Rn. 53 ff., 64 ff. (nur Art. 3 Abs. 1 GG); BVerfG, Beschl. v. 4.4.2001, 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310, juris Rn. 39-45, 71 (nur Art. 3 Abs. 1 GG); VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 54). Der Gesetzgeber hat einen weiten Entscheidungsspielraum und es ist insbesondere nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste und gleichzeitig gänzlich mängel- und reibungsfreie Lösung gewählt hat. Es muss sich für die Regelung aber ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lassen (zum Vorstehenden siehe BVerfG, Beschl. v. 16.10.2018, 2 BvL 2/17, BVerfGE 149, 382, juris Rn. 18; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvL 10/11, juris Rn. 81 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 23.5.2017, 2 BvR 883/14, BVerfGE 145, 304, juris Rn. 85; VerfGH BW, Urt. v. 12.7.2024, 1 GR 24/22, juris Rn. 52).
Randnummer107
Die Regelungen des Hamburgischen Besoldungsgesetzes für die Besoldung im Jahr 2022 führen zu einer Ungleichbehandlung von Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen [dazu aa)]. Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen [dazu bb)].
Randnummer108
aa) Die Ungleichbehandlung besteht darin, dass Beamtinnen und Beamten in höheren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen, deren Ehegatte kein oder nur ein geringes Einkommen erzielt, im Unterschied zu Beamtinnen und Beamten in niedrigeren Besoldungsgruppen und Erfahrungsstufen nach § 45a HmbBesG in Verbindung mit Anlage VIIa zum HmbBesG keinen Besoldungsergänzungszuschuss erhalten und dass Begünstigte des Besoldungsergänzungszuschusses – wie der Kläger – weniger Zuschuss erhalten als Beamtinnen und Beamten in einer niedrigeren Besoldungsgruppe oder einer niedrigeren Erfahrungsstufe siehe dazu schon oben unter 3. a) aa) (2) (b)].
Randnummer109
bb) Ob hierfür ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund vorliegt, kann dahinstehen, weil die Besoldung des Klägers im Jahr 2022 bereits aufgrund der Verletzung des Abstands- [dazu 3. a)] und des Mindestabstandsgebots [dazu 3. b)] verfassungswidrig ist. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nach der aktuellen gesetzgeberischen Konzeption des Hamburger Besoldungsrechts – einschließlich der Umstellung auf die Zweiverdienerfamilie als Bezugsgröße für die Bemessung der Besoldung – nicht alle Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Besoldungsergänzungszuschusses im Wesentlichen gleich behandelt werden.
Wenn ich das richtig interpretiere, befasst sich der Beschluss gar nicht mit der Zulassigkeit der Anrechnung eines Partnereinkommens, da man durch den BEZ einen Verstoss gegen das Nivellierungsverbot sieht.
--- End quote ---
Ja, so, wie Du das am Ende schreibst, dürfte es letztlich sein, PolareuD, wobei die Entscheidungsbegründung insgesamt komplex und ggf. auch mit einer gewissen taktischen Betrachtungsweise verbunden ist, also in der Vorlage so formuliert, dass sich Karlsruhe fast gezwungen sehen muss, in der Auseinandersetzung mit der Entscheidung konkreter als bislang zu werden. Das ist eine wiederkehrende Vorgehensweise der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Zum Kontrollmaßstab der Alleinverdienerfamilie hat sich die Kammer vielleicht auch deshalb in den Verfahren nur eher allgemein geäußert, vgl. insbesondere VG Hamburg, Beschl. v. 17.10.2024 - 21 B 148/24 -, https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001601940, Rn. 213. Das ist insofern erstaunlich, weil ja zunächst einmal anzunehmen wäre, dass in die Entscheidung der Kontrollmaßstab als solcher tiefgehender mit einzubinden wäre.
Nach dem ersten Lesen verstehe ich die Entscheidungsbegründung hier diesbezüglich wie folgt: Die Kammer betrachtet die "Zweiverdienerfamilie" unter dem alimentationsrechtlichen Kontrollmaßstab der Alleinverdienerfamilie als eine Bezugsgröße für den Ausnahmefall als prinzipiell mögliche Alternative und knüpft nun den sachgerechten Gehalt der Ausnahme an ein Bündel von notwendigen Bedingungen, die allesamt erfüllt sein müssen, um zu einer sachgerechten Form zu gelangen, wobei ich nicht ganz sicher bin, ob die Begründung der Kammer dabei in Teilen nicht ggf. zirkulär ist. Diese Bedingungen werden ab der Rn. 207 betrachtet und - wenn ich es richtig sehe - als wiederkehrend nicht erfüllt betrachtet. Wenn ich es also richtig sehe, ist eine solche Erfüllung theoretisch möglich, jedoch in der Praxis kaum zu gewährleisten, weshalb hier eben eine prinzipiell mögliche Alternative betrachtet wird. Dabei nimmt die Kammer maßgebliche Kritikpunkte auf. die bereits im Gesetzgebungsverfahren dargelegt worden sind (vgl. https://bdr-hamburg.de/wp-content/uploads/Gutachterliche-Stellungnahme-Besoldungsstrukturgesetz-Drs.-22-1272.pdf, vgl. auch https://bdr-hamburg.de/?p=1446). Prinzipiell ist übrigens seit jeher auch ein Fusionsreaktor als dauerhafter Energielieferant möglich. Seine entsprechende Herstellung hat sich allerdings bis heute als nicht möglich erwiesen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit sagt nun auch die Kammer: Eine "Zweiverdienerfamilie" ist unter Ausahmebedingungen als eine Art Kontrollmaßstab prinzipiell möglich und sagt nicht explizit, dass dazu Bedingungen vorgefunden werden müssten, die sich ggf. kaum finden lassen können. Ob das der unausgesprochene Tenor der Entscheidung ist, weiß ich zurzeit noch nicht genau. Dazu muss ich mich noch einmal tiefgehender in sie hineinfinden.
Wenn ich es also zeitlich schaffe, werde ich die Entscheidung in nächster Zeit hier mal tiefgehender betrachten.
BuBea:
Zitat Swen:
Ja, so, wie Du das am Ende schreibst, dürfte es letztlich sein, PolareuD, wobei die Entscheidungsbegründung insgesamt komplex und ggf. auch mit einer gewissen taktischen Betrachtungsweise verbunden ist, also in der Vorlage so formuliert, dass sich Karlsruhe fast gezwungen sehen muss, in der Auseinandersetzung mit der Entscheidung konkreter als bislang zu werden. Das ist eine wiederkehrende Vorgehensweise der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Hoffentlich hast Du recht, Swen. Dafür spricht m.E., dass das Gericht ja zwei Fallgruppen prüft und nur für den Fall ohne Zweiverdienermodell zur verletzten Mindestalimentation kommt (siehe Rd.Nr. 283), woraus sich ja letztendlich doch die Vorlage begründet.
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