Und so finde ich es weiterhin erschreckend, dass wir im 35. Jahr der Deutschen Einheit weiterhin keinen wirklichen Begriff von "dem Osten" haben, den wir deshalb gerne weiterhin als "neue Länder" bezeichnen, was wohl selbst dann noch so weitergehen wird, wenn jene "neuen Länder" länger bestehen werden, als die DDR je bestanden hat.
@Swen:
Vielen Dank für Deine klarstellenden Ausführungen. Ich könnte nun zwar erwidern, dass es auch bei den umgekehrten Reisen seinerzeit Zustände zu entdecken gab, die mit den Oberbegriffen "soziale" Marktwirtschaft und Menschenwürde nicht unbedingt in Einklang zu bringen sind, aber ich möchte diese Diskussion nun wirklich nicht weiter befeuern. Wir haben uns sachlich ausgetauscht und sind im Ergebnis wohl näher beieinander, als ich dies zunächst vermutet habe. Danke also nochmal für Deinen Beitrag zur deutsch deutschen Verständigung.
Auch hinsichtlich der Sachlage Menschenwürde und den Schwächen der sozialen Marktwirtschaft werden wir - so schätze ich - uns näher sein, als Du eventuell, wenn ich das richtig interpretiere, denkst, Nautiker. Wenn über 90 % der zu Wendezeit Erwerbstätigen in der DDR nach der Deutschen Einheit mindestens einen Bruch in der Erwerbsbiographie erleben mussten (um nur eines von vielen Problemen der Jahre nach der Deutschen Einheit anzuführen), dann ist es wenig verwunderlich, dass hier individuelle Verwerfungen fortwirken - und zwar nicht nur bei jenen Menschen selbst, sondern auch bei ihren Nachkommen, die ihre Vorfahren ja erleben -, die viele Menschen zunehmend anerkannt sehen möchten. Denn wenn ich es richtig sehe, geht es vielen Menschen in den weiterhin sogenannten neuen Ländern genau darum: Anerkennung, und zwar insbesondere Anerkennung von Lebensleistungen. Dahingegen erleben sie vielfach weiterhin das, was Dirk Oschmann so schlagend darstellt, eben "den Osten" als Erfindung des Westens. Ich denke, das war (und ggf. ist auch weiterhin) Dein Eindruck, als Du meine Ironie gelesen hast, nämlich dass auch dort von einem Wessi erfindungsreich auf Kosten "des Ostens" geschrieben werden sollte.
@ AlxN
Ich habe in den letzten Tagen nicht wieder recherchiert, ob die Entscheidung mittlerweile veröffentlich ist. Es handelt sich um die des VG Greifswald vom 29.04.2025 - 6 A 1088/19 HGW -, die m.E. an einigen Stellen durchaus eigenwillig ist, um am Ende aber einen Vorlagebeschluss zu fassen. Während die bundesdeutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit in den ersten Jahren nach der aktuellen Entscheidung in der Regel penibel das "Pflichtenheft" abgearbeitet hat, kommen - wie auch das VG Karlsruhe unlängst gezeigt hat - nun offensichtlich zunehmende Interpretationen ins Spiel, die im Einzelnen durchaus sachfremd sind. In der Entscheidung findet sich das m.E. in manchen Interpretationen, aber auch darin, dass die Kammer bei der Bemessung der warmen Unterkunftskosten das 95 %-Perzentil für Unterkunft und Heizung insgesamt verwendet, obgleich mittlerweile doch wohl klar sein sollte, dass das ein ggf. entscheidungserheblicher Fehler sein kann, da eine solche Betrachtung auf sachfremden Erwägungen beruht. Denn bei sachgerechter Bemessung muss man für das Jahr 2018 zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung gelangen als die Kammer, wovon sie sich m.E. selbst ein Bild hätte machen müssen.
@ lotsch und Finanzer
Die Frage ist zunächst einmal einfach zu beantworten, wobei die weiteren Konsequenzen alsbald ggf. nicht mehr so einfach zu betrachten sein dürften, soll heißen, auch hier sollten Klarstellungen des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten sein, sofern das im Einzelnen konkret nötig werden sollte.
Zunächst aber die einfache Antwort:
Der Zweite Senat hat in der weiterhin aktuellen Entscheidung vom 4. Mai 2020 ein zwischen 24 % bis 29 % verletztes Mindestabstandsgebot in Berlin für die Jahre 2009 bis 2015 festgestellt, womit die Grenze zur Unteralimentation als deutlich bis eklatant verletzt zu betrachten war (vgl. die Rn. 153 f. der aktuellen Entscheidung unter:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html?nn=148438). Es kam so verstanden nicht mehr darauf an - wie es der Senat hinsichtlich des monetären Gegenwert der "Sozialtarife" ausgeführt hat (Rn. 71) -, noch weitere Präzisierungen vorzunehmen, weil das für den konkreten Fall nicht mehr entscheidungserheblich gewesen wäre.
Sobald sich entsprechende Fragen als entscheidungserheblich darstellen werden, wird sich der Senat auch mit diesen Fragen beschäftigen.