Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6326637 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17070 am: 24.07.2025 07:34 »
Alles andere wäre in einem hohen Maße verwunderlich.

Alles andere würde dem Dienstherren in die Karten spielen. Ich denke nicht, dass es in den Regierungsfraktionen keine Juristinnen und Juristen gibt, die den denklogischen Pfad von di Fabio nicht mitgehen können. Man spielt hier - wie die letzte Regierung - auf Zeit und reagiert erst, wenn diese Vorgehensweise eindeutig und adressatengerecht vom BVerfG für verfassungswidrig erklärt wird. Solange muss man für laufende Besoldung und vermutlich für etwaige Nachzahlungen (was verfassungsgemäß ebenfalls ein ziemlicher Hammer wäre) weniger Geld im Haushalt reservieren.

Das musst Du mir nicht sagen, da ich das weiß. Sag's denen, die das ggf. nicht wissen. Fatalismus ist kein guter politischer Berater. Deswegen rate ich dazu, selbst Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Denn der Souverän sind wir. Und darüber hinaus sind wir die Bediensteten, dem der Rechtsstaat verfassungsrechtlich auf unsere Schultern gelegt ist. Wer, wenn nicht wir, hat die Aufgabe, auf rechtsstaatliche Verfahren zu pochen?

GeBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17071 am: 24.07.2025 07:56 »

Grundsätzlich finde ich die Idee bei einem Beamtenpaar mehr als fair, dass aber einfach für alle anwenden zu wollen, ist der Wahnsinn.

Das ist die eine Konstellation, wo ich mir eine Verfassungskonformität noch herleiten könnte.

Die andere ist der Bereich, wo zur Erreichung der Amt Angemessenheit (nicht zur Erreichung der Mindestalimentation) eines Beamten der "Bedarf" eines Ehepartners sich in der Besoldung widerspiegelt. Ein Ehepartner, der für seinen Bedarf selbst aufkommt, muss nicht mitalimentiert werden, um dem Beamten und seiner Familie einen amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.

Was die Dienstherrn aber unisono machen, ist, das Einkommen eines (noch nicht einmal unbedingt vorhandenen) Partners auf die Erreichung der Mindestalimentation anzurechnen. Warum? Weil nur das spürbare fiskalische Effekte hat. Wenn bereits am Grundgerüst der Besoldungstabelle eingespart wird, paust sich das bis oben durch. Wenn ich dem A15er den Anteil für den amtsangemessenen Lebensunterhalt seines Ehepartners wegnehme, weil dieser/diese als beispielsweise Anwält*in arbeitet, dann spart man da fast nichts ein.

Hoffen wir, dass Karlsruhe diesem Treiben auch im Bund bald hoffentlich die Swen vermutet mit einem Obiter Dictum einen Riegel verschiebt.
Passiert das noch in diesem Jahr, ist die zeit-und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifabschluss aber dann dahin.

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17072 am: 24.07.2025 09:00 »

Passiert das noch in diesem Jahr, ist die zeit-und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifabschluss aber dann dahin.

Dass es die geben wird, halte ich so oder so für ausgeschlossen. Aber ich lasse mich natürlich gerne positiv überraschen. Im Übrigen noch zum Thema "Partnereinkommen". Ich schrieb dies hier schon öfter und halte weiter an der Überlegung fest, dass es doch nicht richtig sein kann, dass der Dienstherr plötzlich per Federstrich eine wesentliche und zumindest für die Vergangenheit höchstrichterlich bestätigte "Kalkulationsgrundlage" der Besoldung für irrelevant erklärt, die für viele Beamte - aus welcher familiären Situation/Notwendigkeit heraus auch immer - über die gesamte (ggf. langjährige) Dienstzeit hinweg, eine wichtige "Geschäftsgrundlage" des Dienstverhältnisses gewesen ist. Oder anders ausgedrückt: Der Dienstherr kann (womöglich) von der fraglichen "Geschäftsgrundlage" für neu einzustellende Beamte abrücken. Dies aber für die vorhandene Beamtenschaft unter Außerachtlassung jeglichen Vertrauensschutzes zu tun, erscheint mir hochgradig problematisch. 

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17073 am: 24.07.2025 09:10 »

Und so finde ich es weiterhin erschreckend, dass wir im 35. Jahr der Deutschen Einheit weiterhin keinen wirklichen Begriff von "dem Osten" haben, den wir deshalb gerne weiterhin als "neue Länder" bezeichnen, was wohl selbst dann noch so weitergehen wird, wenn jene "neuen Länder" länger bestehen werden, als die DDR je bestanden hat.

@Swen:
Vielen Dank für Deine klarstellenden Ausführungen. Ich könnte nun zwar erwidern, dass es auch bei den umgekehrten Reisen seinerzeit Zustände zu entdecken gab, die mit den Oberbegriffen "soziale" Marktwirtschaft und Menschenwürde nicht unbedingt in Einklang zu bringen sind, aber ich möchte diese Diskussion nun wirklich nicht weiter befeuern. Wir haben uns sachlich ausgetauscht und sind im Ergebnis wohl näher beieinander, als ich dies zunächst vermutet habe. Danke also nochmal für Deinen Beitrag zur deutsch deutschen Verständigung.

AlxN

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17074 am: 24.07.2025 09:21 »
Da der Senat seine eigene Rechtsprechung aus der Vergangenheit kennt, dürfen wir annehmen, dass er sich dazu in den angekündigten Entscheidungen äußern wird. Da es zwischenzeitlich erste Vorlagen zum Partnereinkommen aus Rheinland-Pfalz und Hamburg gibt und eine aktuelle Entscheidung des VG Greifswald, die noch nicht veröffentlicht ist und streckenweise auch eine etwas eigenwillige Beweisführung unterhält, aber ebenfalls - wenn ich das richtig sehe - eine entsprechende Betrachtung ermöglicht, liegen mittlerweile Vorlagen aus mindestens zwei, ggf. aus mitttlerweile drei Rechtskreisen vor - und spätestens an ihnen wird sich der evident sachwidrige Gehalt der Betrachtung des Partnereinkommens bei der Bemessung der amtsangemessenen Besoldung und Alimentation brechen, da spätestens dort dann die hier zu betrachtenden Verfassungsgüter vom Senat in den Blick genommen werden können (wenn auch die entprechenden Verfassungsgüter leider in den jeweiligen Vorlagen eher kaum betrachtet werden). Das wird der Senat in den angekündigten Entscheidungen vorbereiten, und zwar mit einiger Wahrscheinlichkeit erneut in einem Obiter Dictum, wenn nicht sogar unmittelbar in den aktuellen Entscheidungen selbst. Alles andere wäre in einem hohen Maße verwunderlich.

Hast du zufällig die Aktenzeichen der Vorgänge parat? Würde ich gerne mal lesen!

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17075 am: 24.07.2025 09:59 »
Eine Frag an alle,a ber hauptsächlich an Swen: Warum wird bei der Gegenüberstellung Mindestallimentation/ Bürgergeldeinkommen, auf der Seite des Bürgergeldeinkommens nicht der Hinzuverdienst des Bürgergelde3mpfängers und der Ehepartnerin berücksichtigt?

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17076 am: 24.07.2025 10:11 »
Eine Frag an alle,a ber hauptsächlich an Swen: Warum wird bei der Gegenüberstellung Mindestallimentation/ Bürgergeldeinkommen, auf der Seite des Bürgergeldeinkommens nicht der Hinzuverdienst des Bürgergelde3mpfängers und der Ehepartnerin berücksichtigt?

Das würde mich auch sehr interessieren. Kurz zur Einordnung:
Pro Empfänger sind 100 € komplett anrechnungsfrei, danach gestaffelt:
Von 100,01 € bis 520 € sind 20% Anrechnungsfrei (maximal aber 84 €)
Von 520,01 € bis 1.000 € sind 30% Anrechnungsfrei (maximal aber 144 €)
Von  1.000,01 € bis 1.200 € sind 10% Anrechnungsfrei.



SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17077 am: 24.07.2025 10:16 »

Und so finde ich es weiterhin erschreckend, dass wir im 35. Jahr der Deutschen Einheit weiterhin keinen wirklichen Begriff von "dem Osten" haben, den wir deshalb gerne weiterhin als "neue Länder" bezeichnen, was wohl selbst dann noch so weitergehen wird, wenn jene "neuen Länder" länger bestehen werden, als die DDR je bestanden hat.

@Swen:
Vielen Dank für Deine klarstellenden Ausführungen. Ich könnte nun zwar erwidern, dass es auch bei den umgekehrten Reisen seinerzeit Zustände zu entdecken gab, die mit den Oberbegriffen "soziale" Marktwirtschaft und Menschenwürde nicht unbedingt in Einklang zu bringen sind, aber ich möchte diese Diskussion nun wirklich nicht weiter befeuern. Wir haben uns sachlich ausgetauscht und sind im Ergebnis wohl näher beieinander, als ich dies zunächst vermutet habe. Danke also nochmal für Deinen Beitrag zur deutsch deutschen Verständigung.

Auch hinsichtlich der Sachlage Menschenwürde und den Schwächen der sozialen Marktwirtschaft werden wir - so schätze ich - uns näher sein, als Du eventuell, wenn ich das richtig interpretiere, denkst, Nautiker. Wenn über 90 % der zu Wendezeit Erwerbstätigen in der DDR nach der Deutschen Einheit mindestens einen Bruch in der Erwerbsbiographie erleben mussten (um nur eines von vielen Problemen der Jahre nach der Deutschen Einheit anzuführen), dann ist es wenig verwunderlich, dass hier individuelle Verwerfungen fortwirken - und zwar nicht nur bei jenen Menschen selbst, sondern auch bei ihren Nachkommen, die ihre Vorfahren ja erleben -, die viele Menschen zunehmend anerkannt sehen möchten. Denn wenn ich es richtig sehe, geht es vielen Menschen in den weiterhin sogenannten neuen Ländern genau darum: Anerkennung, und zwar insbesondere Anerkennung von Lebensleistungen. Dahingegen erleben sie vielfach weiterhin das, was Dirk Oschmann so schlagend darstellt, eben "den Osten" als Erfindung des Westens. Ich denke, das war (und ggf. ist auch weiterhin) Dein Eindruck, als Du meine Ironie gelesen hast, nämlich dass auch dort von einem Wessi erfindungsreich auf Kosten "des Ostens" geschrieben werden sollte.

@ AlxN

Ich habe in den letzten Tagen nicht wieder recherchiert, ob die Entscheidung mittlerweile veröffentlich ist. Es handelt sich um die des VG Greifswald vom 29.04.2025 - 6 A 1088/19 HGW -, die m.E. an einigen Stellen durchaus eigenwillig ist, um am Ende aber einen Vorlagebeschluss zu fassen. Während die bundesdeutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit in den ersten Jahren nach der aktuellen Entscheidung in der Regel penibel das "Pflichtenheft" abgearbeitet hat, kommen - wie auch das VG Karlsruhe unlängst gezeigt hat - nun offensichtlich zunehmende Interpretationen ins Spiel, die im Einzelnen durchaus sachfremd sind. In der Entscheidung findet sich das m.E. in manchen Interpretationen, aber auch darin, dass die Kammer bei der Bemessung der warmen Unterkunftskosten das 95 %-Perzentil für Unterkunft und Heizung insgesamt verwendet, obgleich mittlerweile doch wohl klar sein sollte, dass das ein ggf. entscheidungserheblicher Fehler sein kann, da eine solche Betrachtung auf sachfremden Erwägungen beruht. Denn bei sachgerechter Bemessung muss man für das Jahr 2018 zu einer grundsätzlich anderen Einschätzung gelangen als die Kammer, wovon sie sich m.E. selbst ein Bild hätte machen müssen.

@ lotsch und Finanzer

Die Frage ist zunächst einmal einfach zu beantworten, wobei die weiteren Konsequenzen alsbald ggf. nicht mehr so einfach zu betrachten sein dürften, soll heißen, auch hier sollten Klarstellungen des Bundesverfassungsgerichts zu erwarten sein, sofern das im Einzelnen konkret nötig werden sollte.

Zunächst aber die einfache Antwort:

Der Zweite Senat hat in der weiterhin aktuellen Entscheidung vom 4. Mai 2020 ein zwischen 24 % bis 29 % verletztes Mindestabstandsgebot in Berlin für die Jahre 2009 bis 2015 festgestellt, womit die Grenze zur Unteralimentation als deutlich bis eklatant verletzt zu betrachten war (vgl. die Rn. 153 f. der aktuellen Entscheidung unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html?nn=148438). Es kam so verstanden nicht mehr darauf an - wie es der Senat hinsichtlich des monetären Gegenwert der "Sozialtarife" ausgeführt hat (Rn. 71) -, noch weitere Präzisierungen vorzunehmen, weil das für den konkreten Fall nicht mehr entscheidungserheblich gewesen wäre.

Sobald sich entsprechende Fragen als entscheidungserheblich darstellen werden, wird sich der Senat auch mit diesen Fragen beschäftigen.

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17078 am: 24.07.2025 10:47 »
... Ich denke, das war (und ggf. ist auch weiterhin) Dein Eindruck, als Du meine Ironie gelesen hast, nämlich dass auch dort von einem Wessi erfindungsreich auf Kosten "des Ostens" geschrieben werden sollte. ...


@Swen: Keine Sorge, die Befürchtung hast Du überzeugend ausgeräumt. Alles in allem, gut, dass wir drüber geredet haben.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17079 am: 24.07.2025 10:52 »
... Ich denke, das war (und ggf. ist auch weiterhin) Dein Eindruck, als Du meine Ironie gelesen hast, nämlich dass auch dort von einem Wessi erfindungsreich auf Kosten "des Ostens" geschrieben werden sollte. ...


@Swen: Keine Sorge, die Befürchtung hast Du überzeugend ausgeräumt. Alles in allem, gut, dass wir drüber geredet haben.

Das freut mich, Nautiker - und diese Worte sind wahrlich keine Floskel!

Nautiker1970

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17080 am: 24.07.2025 10:59 »
https://www.bild.de/politik/inland/beamte-erstes-bundesland-bedient-sich-aus-pensionskasse-687f8f15ccc983191767be9a

Schleswig Holstein bedient sich.

Weiss jemand, ob in SH dieser Fonds wie im Bund (da gibt es aber eigentlich ja gar keinen Fonds) auch aus reduzierten Besoldungserhöhungen gespeist wurde? Das ist ja ohnehin schon ein Skandal, weil in ein paar Jahren dann wieder diskutiert wird, ob die Pensionen nicht gekürzt werden müssten, weil ja keine Rücklagen da sind.
Noch ein größerer Skandal wäre es aber für mich, wenn im Prinzip Einzahlungen der Beamten "aufgebraucht" werden, um dann solche Diskussionen über Kürzungen der Pensionen anzuzetteln.

Es wundert mich etwas, dass dieser Skandal nun erst bei der BILD aufploppt. Zumal das Thema ja für die BILD ein wirklich feierlicher Anlass ist. Na jedenfalls handelt es sich inhaltlich wahrlich um keine Neuigkeit. Und selbst die Überschrift hat die BILD noch aus einem Artikel vom März letzten Jahres abgeschrieben. Dort findet sich übrigens dann auch die Antwort auf die Frage von GeBeamter. Aber lest "gerne" selbst:
https://www.versicherungsbote.de/id/4913855/Schleswig-Holstein-will-sich-bei-Beamtenpensionen-bedienen/

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17081 am: 24.07.2025 11:44 »

Der Zweite Senat hat in der weiterhin aktuellen Entscheidung vom 4. Mai 2020 ein zwischen 24 % bis 29 % verletztes Mindestabstandsgebot in Berlin für die Jahre 2009 bis 2015 festgestellt, womit die Grenze zur Unteralimentation als deutlich bis eklatant verletzt zu betrachten war (vgl. die Rn. 153 f. der aktuellen Entscheidung unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html?nn=148438). Es kam so verstanden nicht mehr darauf an - wie es der Senat hinsichtlich des monetären Gegenwert der "Sozialtarife" ausgeführt hat (Rn. 71) -, noch weitere Präzisierungen vorzunehmen, weil das für den konkreten Fall nicht mehr entscheidungserheblich gewesen wäre.

Sobald sich entsprechende Fragen als entscheidungserheblich darstellen werden, wird sich der Senat auch mit diesen Fragen beschäftigen.

Vielen Dank,
die Hinzuverdienstmöglichkeiten gehören also nach deinem Ermessen zu den Sozialtarifen und den geldwerten Vorteilen. Es wäre also richtig diese bei einer Klage zu berücksichtigen. Wäre es nicht auch Aufgabe der Wissenschaft diese Hinzuverdienstmöglichkeiten bei ihren Berechnungen zu berücksichtigen, oder wurden die schon berücksichtigt?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17082 am: 24.07.2025 12:25 »

Der Zweite Senat hat in der weiterhin aktuellen Entscheidung vom 4. Mai 2020 ein zwischen 24 % bis 29 % verletztes Mindestabstandsgebot in Berlin für die Jahre 2009 bis 2015 festgestellt, womit die Grenze zur Unteralimentation als deutlich bis eklatant verletzt zu betrachten war (vgl. die Rn. 153 f. der aktuellen Entscheidung unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html?nn=148438). Es kam so verstanden nicht mehr darauf an - wie es der Senat hinsichtlich des monetären Gegenwert der "Sozialtarife" ausgeführt hat (Rn. 71) -, noch weitere Präzisierungen vorzunehmen, weil das für den konkreten Fall nicht mehr entscheidungserheblich gewesen wäre.

Sobald sich entsprechende Fragen als entscheidungserheblich darstellen werden, wird sich der Senat auch mit diesen Fragen beschäftigen.

Vielen Dank,
die Hinzuverdienstmöglichkeiten gehören also nach deinem Ermessen zu den Sozialtarifen und den geldwerten Vorteilen. Es wäre also richtig diese bei einer Klage zu berücksichtigen. Wäre es nicht auch Aufgabe der Wissenschaft diese Hinzuverdienstmöglichkeiten bei ihren Berechnungen zu berücksichtigen, oder wurden die schon berücksichtigt?


Nein, ich wollte nicht sagen, dass Hinzuverdienstmöglichkeiten systematisch "Sozialtarifen" zugeordnet werden sollten, denn das wäre ja evident sachwidrig, weil der Hinzuverdienst eine beamtenrechtliche Regelung ist (jedenfalls im evident sachwidrigen Verständnis der betreffenden Besoldungsgesetzgeber), während der monetäre Gegenwert der "Sozialtarife" sich nur sozialrechtlich be- oder ermessen lässt. Ein "Zuverdienst" kann also kein "Sozialtarif" sein, da wir hier unterschiedliche Rechtsgebiete zu beachten hätten.

Was ich sagen wollte, war, dass sich das Mindestabstandsgebot auch ohne weitere Betrachtungen in der weiterhin aktuellen Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht als verletzt gezeigt hat, sodass weitere Betrachtungen des Zweiten Senats nicht hätten entscheidungserheblich wirken können, sodass er sie sowohl hinsichtlich des monetären Gegenwerts der "Sozialtarife" (hier explizit ausgesprochen) als auch an anderer Stelle und so also ggf. auch hinsichtlich von möglicherweise notwendiger Betrachtung ggf. erheblicher Zuverdienste entsprechende Betrachtungen nicht vorgenommen hat (hier dann unausgesprochen).

Daraus - auch das wollte ich sagen -, dass entsprechende Ausführungen wegen mangelnder Entscheidungserheblichkeit in der aktuellen Entscheidung nicht nötig waren, kann man nicht ohne Weiteres schließen, dass sie nicht ggf. in anderen Fällen entscheidungserheblich sein könnten und dann folglich auch vom Senat entsprechend so zu betrachten wären.

Insgesamt muss man sich allerdings hinsichtlich der Mindestalimentation regelmäßig vor Augen führen, dass sie nur ein indizieller Parameter ist, der als solcher die absolute Grenze zur Unteralimentation markiert und damit auch eine materiell-rechtliche Bedeutung beansprucht, nämlich hinsichtlich des absoluten Alimentationsschutzes, der so aber alleine keine Aussagen über die sachgerechte Höhe einer amtsangemessenen Alimentation zulässt. Man sollte in der eigenen Betrachtung nicht den regelmäßigen Methodenfehler der 17 Besoldungsgesetzgeber wiederholen, und eine sachwidrige "Mathematisierung" des Besoldungsrechts (nach-)vollziehen. Auch diesbezüglich dürften einige Ausführungen des Senats in den angekündigten "Leitverfahren" und "Pilotentscheidungen" zu erwarten sein, die es ggf. überflüssig machen könnten, noch irgendwelche Überlegungen zum Partnereinkommen anstellen zu wollen, die also sachlich über das hinausgingen, was der Senat in seiner letzten Entscheidung zur Alleinverdienerannahme als Teil der sachgerechten Bezugsgröße ausgeführt hat.

Hier muss nun als verfassungsrechtlicher Anspruch eine Klarheit und Präzision vonseiten des Senats zu erwarten sein, der keine Fehlinterpretationen mehr zulässt. Denn hinsichtlich von Familienmodellen und Leitbildern bewegen wir uns durchaus auf dem Feld, auf dem den Besoldungsgesetzgebern ein weiter Entscheidungsspielraum im Rahmen des Verfassungsrechts zukommt. Hinsichtlich eines Kontrollmaßstabs, dessen Festlegung allein der Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts unterliegt, ist das anders. Hier gibt es keinen weiten Entscheidungsspielraum des Besoldungsgesetzgebers, da ihm hier von der Verfassung keine Kompetenz zugesprochen wird. Insofern galt gestern, gilt heute und wird auch morgen gelten, solange das Bundesverfassungsgericht das nicht ändert (und es hat keine sachliche Veranlassung das zu ändern): "Die vierköpfige Alleinverdienerfamilie ist demnach eine aus der bisherigen Besoldungspraxis abgeleitete Bezugsgröße, nicht Leitbild der Beamtenbesoldung." (Rn. 47). Daran wird sich auch dann nichts ändern, wenn die Besoldungsgesetzgeber andere Familienmodelle ihren Besoldungsregelungen zugrunde legen wollen, wozu sie berechtigt sind. Sie haben dabei dann aber weiterhin das Leitbild des deutschen Berufsbeamtentums im Blick zu behalten. Denn das ist ja - anders als ein Familienmodell - hinsichtlich des Berufsbeamtentums direkt aus der Verfassung zu entnehmen. Damit aber haben sie auch weiterhin eine amtsangemessene Besoldung und Alimentation aller ihrer sich in einem regelmäßigen Dienstverhältnis befindenden Beschäftigten zu garantieren.

Auch dazu - so gilt es zu vermuten - dürfte sich der Senat nun hinreichend klar äußern, wobei er das bislang nicht getan hat, weil ja aus seiner Rechtsprechung der letzten mehr als 70 Jahre klar ist, dass das statusrechtliche Amt Ausgangspunkt aller sachgerechten Besoldungsbemessung ist. Daran hat das Bundesverfassungsgericht zu keiner Zeit irgendeinen Zweifel gelassen. Dennoch dürfte es nun angebracht sein, die 17 Dienstherrn an das kleine Einmaleins der amtsangemessenen Alimentation zu erinnern und dabei wohl mit der einfachsten Grundrechenart zu beginnen. Das ist zwar ziemlich peinlich - der Gesetzgeber ist kein ABC-Schütze und sollte deshalb auch nicht so behandelt werden -, lässt sich wohl nicht vermeiden, wenn kein gefestigtes Wissen über die ersten Grundrechenarten mehr vorausgesetzt werden kann.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17083 am: 24.07.2025 13:43 »
Wie gesagt, Kollegen, lest die S. 43 ff. .. was Udo Di Fabio dort schreibt und was er - wie ich finde - sehr klar aufbereitet hat, ... In Kurzform reicht allein diese Passage:

... bei einer Ehe oder Lebenspartnerschaft in Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB; § 7 LPartG), die
darauf angelegt ist, die Vermögen der Partner voneinander zu trennen. ...

§ 1415 Vereinbarung durch Ehevertrag Gütergemeinschaft
§ 1416 Vermögen der Ehegatten wird durch die Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen
§ 1419 Ehegatte kann nicht über seinen Anteil ... verfügen ... er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen.
§ 1420 Verwendung zum Unterhalt Die Einkünfte ... für den Unterhalt der Familie zu verwenden.
usw.

Also ein leicht verständliche juristische Umkehrung des Gesetztestextes. Sprich die Unterschreitung der Höchstgeschwindigkeit zur Überschreitung der Mindestalimentation ist für die verarmenden Beamten verfassungswidrig.

Da hat mal wieder alles Hand und "Stuß", ähm Fuß.

(Stattdessen § 1388 Eintritt der Gütertrennung bzw. § 1414 Eintritt der Gütertrennung)

SwenTanortsch

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« Antwort #17084 am: 24.07.2025 14:21 »
Wie gesagt, Kollegen, lest die S. 43 ff. .. was Udo Di Fabio dort schreibt und was er - wie ich finde - sehr klar aufbereitet hat, ... In Kurzform reicht allein diese Passage:

... bei einer Ehe oder Lebenspartnerschaft in Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB; § 7 LPartG), die
darauf angelegt ist, die Vermögen der Partner voneinander zu trennen. ...

§ 1415 Vereinbarung durch Ehevertrag Gütergemeinschaft
§ 1416 Vermögen der Ehegatten wird durch die Gütergemeinschaft gemeinschaftliches Vermögen
§ 1419 Ehegatte kann nicht über seinen Anteil ... verfügen ... er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen.
§ 1420 Verwendung zum Unterhalt Die Einkünfte ... für den Unterhalt der Familie zu verwenden.
usw.

Also ein leicht verständliche juristische Umkehrung des Gesetztestextes. Sprich die Unterschreitung der Höchstgeschwindigkeit zur Überschreitung der Mindestalimentation ist für die verarmenden Beamten verfassungswidrig.

Da hat mal wieder alles Hand und "Stuß", ähm Fuß.

(Stattdessen § 1388 Eintritt der Gütertrennung bzw. § 1414 Eintritt der Gütertrennung)

Ich kann deine regelmäßig wiederkehrende moralische Entrüstung ebenso regelmäßig gut nachvollziehen, die bekanntlich ihre Ursache in der Erinnerung an deine zu vielen Namen hat, wie wir beide es nicht vergessen haben.

Und wenn du dich jetzt noch neben der moralischen Entrüstung in der Lage sehen würdest, nicht nur regelmäßig einzelne Fetzen ggf. möglicher Argumente in den Raum stellen zu wollen, sondern versuchtest, deine Gedanken zu ordnen und sie so zu systematisieren, um mal eine präzise sachliche Aussage zu tätigen, könnte daraus ggf. sogar eine sachliche Diskussion entspringen, die, wenn du Glück haben solltest, vielleicht sogar dazu beitragen könnte, deinen Groll zu überwinden. Siehst du dich dazu in der Lage oder soll's auch zukünftig bei den regelmäßigen Beiträgen kontextloser Fetzen bleiben?