Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 6482341 times)

LefaxExtra

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17415 am: 07.08.2025 07:49 »
Aus dem Forum Niedersachsen:


Noch ein Artikel dazu in der NOZ vom 30.07.2025

25.000 Beamte klagen für höheres Gehalt und überfordern Gerichte
Jonas E. Koch
6–7 Minuten
Brandbrief an Ministerpräsidenten 25.000 Beamte klagen für höheres Gehalt – doch die Gerichte entscheiden nicht

Tausende Beamte kämpfen in Niedersachsen gerichtlich für ein höheres Gehalt. Ihre Klagen werden erfasst – und dann unbearbeitet abgelegt. Einige Beamte warten schon seit Jahren auf ein Urteil.

Egal ob in der Verwaltung oder der Justiz – um geeignete Fachleute zu finden, muss der Staat immer tiefer in die Tasche greifen. Besonders bei Aufgaben in niedrigeren Besoldungsstufen wurden die Löhne in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, um den Staatsdienst attraktiver zu machen. Das Problem: Nun bekommen alle anderen Beamten möglicherweise zu wenig Gehalt.

Denn eigentlich sollen die Lohnabstände zwischen den Besoldungsstufen die unterschiedlichen Aufgaben und Qualifikation der Beamten abbilden – so steht es im niedersächsischen Besoldungsgesetz. Doch wenn nun die unteren Einkommensgruppen mehr Geld bekommen, müssen dann nicht auch alle anderen mehr verdienen?
Finanzminister lehnt alle Gehaltsforderungen ab

So jedenfalls sehen es viele Beamte. Weil das aber teuer werden könnte, hat Finanzminister Gerald Heere (Grüne) im letzten Jahr die Behörden angewiesen, alle Forderungen von allen niedersächsischen Beamten ohne Prüfung abzulehnen.

Seitdem haben bereits 25.000 Beamte für ein höheres Gehalt geklagt. 12 Verwaltungsrichter kümmern sich in Niedersachen nur darum, die Klagen zu erfassen. Dann aber passiert: nichts. „Alle Beamten und Richter in Niedersachsen wissen, dass wir nichts machen können“, berichtet Gert-Armin Neuhäuser, Präsident des Osnabrücker Verwaltungsgerichts. An seinem Gericht ist das älteste noch offene Verfahren bereits 2017 in die Schublade gewandert, beziehungsweise „ruhend gestellt“ worden.

Alle warten auf das Bundesverfassungsgericht

Denn ob die Vergütung so verfassungskonform ist, soll das Bundesverfassungsgericht in einem sogenannten Normenkontrollverfahren klären. Seit mehr als sieben Jahren warten die Verwaltungsgerichte auf eine Entscheidung aus Karlsruhe. Das entsprechende Dokument hat bereits mehr als 500 Seiten, doch ein Urteil gibt es noch nicht. Immer wieder mal gaben die Richter an, dass bald mit einem Urteil zu rechnen sei, dann aber verschwand das Thema wieder von der Jahresplanung.

Wenn das Bundesverfassungsgericht den Klägern eines Tages recht geben sollte, drohen dem Land schätzungsweise Nachzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Rücklagen hat das Land dafür nicht. Ob es dazu kommt, ist vollkommen unklar. Sicher ist aber: Wer nicht klagt, würde später auch nichts bekommen. Also klagen Lehrer, Polizisten und Verwaltungsbeamte. Und jede Klage muss einzeln erfasst werden. „Wir produzieren Arbeit ohne Sinn“, kritisiert Richter Neuhäuser. „Das ist ein Berg an Klagen, den wir bearbeiten müssen, aber nicht entscheiden können, weil wir auf Karlsruhe warten.“

Die Kapazitäten dazu gibt es eigentlich nicht: 212 Richter gibt es an niedersächsischen Verwaltungsgerichten. Sie bearbeiten Klagen gegen Asylablehnungen, abgelehnte Bauanträge, Bebauungspläne, öffentliche Bauvorhaben oder Polizeimaßnahmen und vieles andere mehr. Will sich ein Bürger gegen den Staat wehren, landet das Verfahren in der Regel vor einem Verwaltungsgericht.
Brandbrief an Olaf Lies

Neuhäuser, der auch Verbandspräsident der niedersächsischen Verwaltungsrichter ist, hat deshalb bereits einen deutlichen Brief an Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) geschrieben, um „für die Auswirkungen der zu erwartenden Klagewelle zu sensibilisieren und um zu Abhilfe bitten“. Er rechnet mit rund 31.000 Verfahren, der niedersächsische Oberverwaltungsgerichtspräsident Frank-Thomas Hett sogar mit mehr als 60.000.

Rund die Hälfte der Verfahren dreht sich in Niedersachsen bereits um Klagen gegen zu niedrige Beamtengehälter. In einem Viertel der Verfahren sind die Richter mit Klagen gegen abgelehnte Asylbescheide beschäftigt. Alle anderen Themen zusammen machen so nur noch gut ein Viertel der Verfahren an niedersächsischen Verwaltungsgerichten aus.

„Den Verwaltungsrichtern ist kein Grund bekannt oder vorstellbar, warum in einem riesigen Ausmaß richterliche Arbeitskraft gebunden werden soll, um Verfahren einzutragen und zu verwalten, die gar nicht entschieden werden können“, schrieb Neuhäuser an den Ministerpräsidenten. Bislang hat er keine Antwort erhalten.


Baden-Württemberg liegt wie in einer Zeitreisenoch hinter diesen Entwicklungen zurück, aber mit einem Finanzminister der ebenfalls von Dünschiss 90 Die Grünen stammt, wird der gleiche Weg gezeichnet.

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17416 am: 07.08.2025 08:01 »
„Den Verwaltungsrichtern ist kein Grund bekannt oder vorstellbar, warum in einem riesigen Ausmaß richterliche Arbeitskraft gebunden werden soll, um Verfahren einzutragen und zu verwalten, die gar nicht entschieden werden können“, schrieb Neuhäuser an den Ministerpräsidenten. Bislang hat er keine Antwort erhalten.
Jetzt hab ich mal eine Frage an Swen ...
Warum kann ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht in der Sache entscheiden?
Ob das Urteil bestand hätte, steht ja dann erstmal auf einem anderen Blatt.

Lord of the Vast

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17417 am: 07.08.2025 08:20 »
„Den Verwaltungsrichtern ist kein Grund bekannt oder vorstellbar, warum in einem riesigen Ausmaß richterliche Arbeitskraft gebunden werden soll, um Verfahren einzutragen und zu verwalten, die gar nicht entschieden werden können“, schrieb Neuhäuser an den Ministerpräsidenten. Bislang hat er keine Antwort erhalten.
Jetzt hab ich mal eine Frage an Swen ...
Warum kann ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht in der Sache entscheiden?
Ob das Urteil bestand hätte, steht ja dann erstmal auf einem anderen Blatt.

Normverwerfungskompetenz, die ;)

Gesetze, die gegen das Grundgesetz verstoßen, können nur vom BVerfG verworfen werden. Ein Gericht, das von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist, muss also an das BVerfG vorlegen.

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17418 am: 07.08.2025 08:25 »
„Den Verwaltungsrichtern ist kein Grund bekannt oder vorstellbar, warum in einem riesigen Ausmaß richterliche Arbeitskraft gebunden werden soll, um Verfahren einzutragen und zu verwalten, die gar nicht entschieden werden können“, schrieb Neuhäuser an den Ministerpräsidenten. Bislang hat er keine Antwort erhalten.
Jetzt hab ich mal eine Frage an Swen ...
Warum kann ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht in der Sache entscheiden?
Ob das Urteil bestand hätte, steht ja dann erstmal auf einem anderen Blatt.

Ich würde sagen da passt die Wortwahl nicht 100%. Solange das Verfahren durchgeführt wird, also Klageeinreichung, Vorverfahren mit Begründungen durch die Parteien und dann der mündliche Verhandlung kann danach schon ein Urteil ergehen.

Korrekter wäre die Aussage: Um Verfahren einzutragen und zu verwalten, deren Bearbeitung vor ergehen der nächsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes keinen Sinn machen.
Die Unmöglichkeit kann sich natürlich auch auf die Menge der Klagen und deren Bearbeitung beziehen. Die alle zu bearbeiten und zu entscheiden ist alleine wegen deren Masse sachlich unmöglich.

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17419 am: 07.08.2025 08:39 »
Normverwerfungskompetenz, die ;)

Gesetze, die gegen das Grundgesetz verstoßen, können nur vom BVerfG verworfen werden. Ein Gericht, das von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist, muss also an das BVerfG vorlegen.
Grundsätzlich ja, aber das BVerfG hat ja mit seinem Urteil 2 BvL 4/18 schon mehr oder weniger deutlich festgelegt.
Wenn nun das BVerfG das Gesetz für verfassungswidrig hält, könnte jeder Besoldungsgesetzgeber ja wieder ein "verfassungswidriges" Gesetz erlassen und das Spiel beginnt von vorne.
Es würde sich also, wenn der Gesetzgeber nicht will, nie etwas ändern.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17420 am: 07.08.2025 08:42 »
„Den Verwaltungsrichtern ist kein Grund bekannt oder vorstellbar, warum in einem riesigen Ausmaß richterliche Arbeitskraft gebunden werden soll, um Verfahren einzutragen und zu verwalten, die gar nicht entschieden werden können“, schrieb Neuhäuser an den Ministerpräsidenten. Bislang hat er keine Antwort erhalten.
Jetzt hab ich mal eine Frage an Swen ...
Warum kann ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht in der Sache entscheiden?
Ob das Urteil bestand hätte, steht ja dann erstmal auf einem anderen Blatt.

Aus meiner Sicht kann die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht entscheiden, da das BVerfG noch nicht die Vollstreckung angeordnet hat. Eine Vollstreckungsanordnung kann aufgrund fehlender Präzision in einigen Punkten bis dato auch nicht vollzogen werden.

Hierzu fehlen mir noch grundsätzliche Aussagen des BVerfG wie eine amtsangemessene Alimentation überhaupt auszusehen hat. Bisher wissen alle nur wie eine realitätsgerecht ermittelte Mindestalimentation aussieht. Wir malen uns letztendlich alle aus, dass allein die Höhe der Mindestalimentation Auswirkungen aus das gesamte Besoldungsgefüge haben muss. Letztendlich fehlen aber noch Aussagen in welchem Verhältnis leistungsbezogene Besoldungskomponenten zu leistungslosen Besoldungskomponenten stehen, sowie Parameter zur Ausgestaltung des Binnenabstandsgebot.

Bis dato liegen ca. 70 Klagen beim BVerfG vor. Weitere Normenkontrollverfahren würden vermutlich auch erstmal keinen weiteren Erkenntnisgewinn erzielen, so dass die Klagen vom VG selbst ruhend gestellt werden.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17421 am: 07.08.2025 08:50 »
„Den Verwaltungsrichtern ist kein Grund bekannt oder vorstellbar, warum in einem riesigen Ausmaß richterliche Arbeitskraft gebunden werden soll, um Verfahren einzutragen und zu verwalten, die gar nicht entschieden werden können“, schrieb Neuhäuser an den Ministerpräsidenten. Bislang hat er keine Antwort erhalten.
Jetzt hab ich mal eine Frage an Swen ...
Warum kann ein Verwaltungsgericht grundsätzlich nicht in der Sache entscheiden?
Ob das Urteil bestand hätte, steht ja dann erstmal auf einem anderen Blatt.

Am Ende entscheidet die Verwaltungsgerichtsbarkeit, worauf ich gleich zurückkomme, Alex.

Vorweg: Die in der NOZ genannten 500 Seiten dürften sich - so gilt es zu vermuten - auf die Gerichtsakte beziehen und nicht auf den vom Berichterstatter BVR Maidowski zu erstellenden Entwurf, denn über dessen Umfang und Inhalt wird weiterhin nichts nach draußen dringen.

Zur Frage: Die judikative Gewalt ist über Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Sie hat in unserer Kompetenzordnung kein Recht, Gesetzes zu verwerfen - und zwar mit einer Ausnahme: Das Bundesverfassungsgericht hat als einziges Gericht nicht nur dieses Recht, sondern qua seines Auftrags als das zuständige Verfassungsorgan die Pflicht, auf Anruf den verfassungskonformen Gehalt eines Gesetzes zu prüfen und so die verfassungsgerichtliche Kontrolle zu vollziehen.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit prüft also in besoldungsrechtlichen Feststellungsverfahren den Fall des Klägers, betrachtet also, ob der Kläger amtsangemessen alimentiert wird. Dabei prüft sie regelmäßig, ob die Höhe der gewährten Alimentation im Sinne des Alimentationsprinzips angemessen ist, wofür ihr seit 2015 ein umfangreiches "Pflichtenheft" zur Verfügung steht, an das sie sich gebunden sieht. Kommt die Verwaltungsgerichtsbarkeit in dem betrachteten Fall auf Grundlage des "Pflichtenhefts" zu dem Schluss, dass die Höhe der gewährten Alimentation nicht amtsangemessen ist, kann sie das nicht rechtskräftig feststellen, da sie wie gerade dargestellt als Folge aus Art. 20 Abs. 3 GG nicht die Kompetenz hat, ein Gesetz zu verwerfen. Deshalb sieht sie sich nun gezwungen, nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob die jeweilige Anlage des von ihr betrachteten Besoldungsgesetzes mit dem Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar ist, im Endeffekt, ob die Höhe der gewährten Alimentation sachgerecht ist. Entsprechend formuliert sie nun regelmäßig: "Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ist ein Gerichtsverfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, wegen einer Verletzung des Grundgesetzes für verfassungswidrig hält."

Das Bundesverfassungsgericht prüft nun nicht den Fall des Klägers, sondern die Begründung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die also den Nachweis führen will, dass die gesetzliche Grundlage nicht mit der Verfassung in Einklang steht. Es verwirft also im Sinne des ihm zukommenden Verwerfungsmonopols die gesetzliche Regelung, wenn es ebenfalls zu dem Schluss kommt, dass sie verfassungswidrig sei, oder es betrachtet die gesetzliche Grundlage als verfassungskonform und weist so die Vorlage zurück. Es geht hier also weiterhin nicht um den Fall des Klägers, sondern um die Vorlage.

Seine Entscheidung weist das Bundesverfassungsgericht nun an die Verwaltungsgerichtsbarkeit zurück, die auf dieser Grundlage den Fall des Klägers entscheidet. Ist das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss gekommen, die gesetzliche Regelung ist mit der Verfassung im Einklang, wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Klage niederschlagen; ist das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss gekommen, dass die gesetzliche Grundlage verfassungswidrig ist, wird sie den Fall nun entsprechend betrachten und der Klage in der Regel in diesem Rahmen stattgeben.

Weil dem so ist und weil es hier um den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18) geht und es nach der nun angekündigten Pilotentscheidung 2 BvL 5/18 u.a. in den zwischenzeitlich mehr als 70 Normenkontrollverfahren aus mehr als einem Dutzend Bundesländern um diese Entscheidungen gehen wird, die ebenfalls vom Zweiten Senat gefällt werden werden, spielt die Frage, wer den beiden BVR nachfolgt, eine für uns hier maßgebliche Rolle, da am Ende Personen den Senat bilden. Das ist der zentrale Grund, wieso ich hier umfassend zum Thema schreibe; ein weiterer Grund ist, dass das sich weiterhin vollziehende politische Gezerre mit einiger Wahrscheinlichkeit für einige der zukünftig möglichen Kandidaten die Frage aufwerfen wird, ob sie sich ebenfalls einer solchen Möglichkeit unterziehen wollen. Auch deshalb hat das Thema Wahl von Bundesverfassungsrichter hier m.E. seinen Platz.

Lord of the Vast

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17422 am: 07.08.2025 09:30 »
Normverwerfungskompetenz, die ;)

Gesetze, die gegen das Grundgesetz verstoßen, können nur vom BVerfG verworfen werden. Ein Gericht, das von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes überzeugt ist, muss also an das BVerfG vorlegen.
Grundsätzlich ja, aber das BVerfG hat ja mit seinem Urteil 2 BvL 4/18 schon mehr oder weniger deutlich festgelegt.
Wenn nun das BVerfG das Gesetz für verfassungswidrig hält, könnte jeder Besoldungsgesetzgeber ja wieder ein "verfassungswidriges" Gesetz erlassen und das Spiel beginnt von vorne.
Es würde sich also, wenn der Gesetzgeber nicht will, nie etwas ändern.

Ein Stück weit ist das so. Es wird lediglich über einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit entschieden. Theoretisch könnten Besoldungsgesetzgeber also immer wieder - versehentlich - verfassungswidrige Gesetze erlassen, die dann erneut überprüft werden müssten. Die Gesetzgeber werden die Entscheidungen des BVerfG jedoch ernst nehmen und dafür sorgen, dass nicht offensichtlich die selben Fehler begangen werden, die schon zur Verfassungswidrigkeit eines älteren Gesetzes geführt hatten, um den hohen politischen Druck Stand halten zu können und ein unnötiges Kostenrisiko (Prozesskostenrisiko) zu vermeiden. Angesichts angespannter Haushaltslagen gibt es aber auch gegenläufige Interessen, die zu einer gesteigerten Kreativität führen könnten, wie der Aufwand in der Umsetzung der neuen Vorgaben des BVerfG gering gehalten werden könnte.

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17423 am: 07.08.2025 09:48 »
Ein Stück weit ist das so. Es wird lediglich über einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit entschieden. Theoretisch könnten Besoldungsgesetzgeber also immer wieder - versehentlich - verfassungswidrige Gesetze erlassen, die dann erneut überprüft werden müssten. Die Gesetzgeber werden die Entscheidungen des BVerfG jedoch ernst nehmen und dafür sorgen, dass nicht offensichtlich die selben Fehler begangen werden, die schon zur Verfassungswidrigkeit eines älteren Gesetzes geführt hatten, um den hohen politischen Druck Stand halten zu können und ein unnötiges Kostenrisiko (Prozesskostenrisiko) zu vermeiden. Angesichts angespannter Haushaltslagen gibt es aber auch gegenläufige Interessen, die zu einer gesteigerten Kreativität führen könnten, wie der Aufwand in der Umsetzung der neuen Vorgaben des BVerfG gering gehalten werden könnte.
Genau darum gehts mir ...
Das BVerfG hat ein Urteil gefällt und den Besoldungsgesetzgebern ein Pflichtenheft zur Seite gelegt.
Aufgrund dessen kam der ein oder andere Besoldungsgesetzer auf die Idee und wurde kreativ hat mehr oder weniger zB ein Partnereinkommen eingeführt.
Die Verwaltungsgerichte stellen die Entscheidung zurück und geben es gemäß Art 100 GG ans BVerfG ab.
Wenn ich mir Art 100 GG in Verbindung mit §81 BVerfGG anschau, interpretiere ich es so, das nur dieses Gesetz, welches das VerwG vorlegt mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Nicht mehr und nicht weniger.

Praktisch wäre es ja dann so, wenn ein VerwG das Partnereinkommen verfassungswidrig hält, dem BVerfG vorlegt und das BVerfG urteilt dann, "jupp, verstößt gegen das Grundgesetz", dann gilt diese Entscheidung ja nur für den jeweiligen Besoldungsgesetzgeber.
Würde sich dieser Besoldungsgesetzgeber wieder etwas verfassungswidriges einfallen lassen, würde das komplette Verfahren von vorne beginnen.

Faunus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17424 am: 07.08.2025 10:00 »
Angesichts angespannter Haushaltslagen gibt es aber auch gegenläufige Interessen, die zu einer gesteigerten Kreativität führen könnten, wie der Aufwand in der Umsetzung der neuen Vorgaben des BVerfG gering gehalten werden könnte.

Der Staat darf nichts verschenken!
Grundprinzip des Haushaltsrechts ist es mit möglichst geringen Mitteln den größtmöglichen Nutzen für den Staat (uns alle) zu erlangen.

Sie sind also verpflichtet den finanziellen Aufwand in der Umsetzung der neuen Vorgaben des BVerfG möglichst gering zu halten. Wehe der Regierung, der man nachweisen kann, dass Geld an Beamte zu verschwenden. Sind doch die Pensionen jetzt schon viel zu hoch (Quelle: Regenbogenpresse, Stammtischgelabbere, etc.)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #17425 am: 07.08.2025 11:10 »
In dem, worüber ihr hier gerade schreibt, geht es um zwei weitere Themen:

1. Thema: Bindungswirkung von bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen

Bis in den Winter des letzten Jahres war es einfachgesetzlich in § 31 Abs. 1 BVerfGG geregelt, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden binden, was auch als ein unausgesprochener Verfassungsgrundsatz betrachtet worden ist. Mit Art. 94 Abs. 4 Satz 1 GG ist die Bindungswirkung nun ein Verfassungsgut. Unumstritten ist darüber hinaus weiterhin, dass als Folge der Bindungswirkung sog. entscheidungstragende Gründe auch den Gesetzgeber binden. In der Rechtswissenschaft umstritten ist, was genau alles unter einen entscheidungstragenden Grund fällt. Unumstritten ist, dass die Leitsätze entscheidungstragend sind. Sie binden also alle Verfassungsorgane und damit auch die Gesetzgeber, die nicht unmittelbar der Entscheidung unterliegen. Deshalb werden entsprechende Leitsätze von Entscheidungen, die mit Gesetzeskraft gefällt worden sind, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die Leitsätze der aktuellen Entscheidung finden sich bspw. hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html

2. Kein schlichtes Normwiederholungsverbot

Sobald das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als nicht mit der Verfassung in Einklang stehend betrachtet, ist es entweder nichtig oder mit ihr unvereinbar. Daraus folgt allerdings nicht, dass der Gesetzgeber die identische Regelung nicht doch wieder unverändert, jedoch mit einer nun sachgerechten Begründung beschließen könnte. Sofern er das tut, sieht er sich der Gefahr ausgesetzt, dass er so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts missachtet. Das muss aber nicht automatisch der Fall sein, da bspw. neue Gründe für das Gesetz dazu führen können, dass es nun als sachgerecht betrachtet werden kann. Diese neuen Gründe müssen aber eben sachgerecht sein, dürfen also nicht gegen entscheidungstragende Gründe bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen verstoßen.

Von daher sieht sich der Gesetzgeber in der Regel veranlasst, ein nicht identisches Gesetz zu beschließen, das also das nichtige oder unvereinbare Gesetz ersetzt und den Regelungsgegenstand verfassungskonform regelt.

Bleibt er hingegen untätig oder zeigt nur ein Handeln, das der Untätigkeit gleichkommt, muss er damit rechnen, dass das Bundesverfassungsgericht in einem weiteren konkreten Normenkontrollverfahren darauf reagiert, am Ende ggf. mit der Ultima Ratio, nämlich der Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVErfGG, also die Bindungswirkung seiner Entscheidung im Rahmen seiner Möglichkeiten durchsetzt. Das ist im Besoldungsrecht bereit einmal der Fall gewesen, nämlich hinsichtlich des alimentationsrechtlichen Mehrbedarfs kinderreicher Familien. Auch das habe ich hier in der Vergangenheit bereits dargelegt, sodass sich eine erneute Darlegung erübrigt, denke ich.