Deine Überlegungen sind absolut nachvollziehbar und du liegst mit deinem Grundverständnis im Kern richtig.
Das Thema ist allerdings juristisch komplizierter, als es auf den ersten Blick wirkt – und genau hier versucht der Gesetzgeber gerade, eine Balance zwischen verfassungsrechtlicher Pflicht und haushaltspolitischer Machbarkeit zu finden.
Zur Einordnung:
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen zur Alimentation (zuletzt 2020 und 2023) zwei Dinge unterschieden:
1 .Die allgemeine amtsangemessene Alimentation – also das Grundgehalt, das den Abstand zur Grundsicherung gewährleisten muss.
2. Die besondere Familienkomponente – die sicherstellen soll, dass Beamte mit mehreren Kindern nicht unter das Existenzminimum fallen.
In den konkreten Verfahren, die Karlsruhe entschieden hat, ging es um Beamte mit drei und mehr Kindern. Nur in diesen Fällen wurde die Verfassungswidrigkeit ausdrücklich festgestellt.
Das Gericht hat aber nicht pauschal erklärt, dass auch alle übrigen Besoldungsgruppen oder Ledige verfassungswidrig besoldet wurden – das müsste jeweils durch eigene Vergleichsberechnungen nachgewiesen werden.
Genau hier setzt das Finanzministerium an:
Es will offenbar nur dort rückwirkend zahlen, wo die Verfassungswidrigkeit klar und gerichtlich bestätigt ist (Mehrkinderfälle).
Für alle anderen Fälle wird das Grundgehalt künftig strukturell angehoben, um den Abstand zur Grundsicherung dauerhaft zu sichern.
Juristisch argumentiert man also mit einer „gezielten Heilung“ der eindeutig beanstandeten Fälle – nicht mit einer pauschalen Korrektur der gesamten Besoldungsstruktur.
Das kann man durchaus kritisch sehen, weil es den Gleichheitsgrundsatz berührt –
aber rein formal kann sich der Gesetzgeber darauf berufen, dass nur diese Fallgruppe Gegenstand der BVerfG-Urteile war.
Er erfüllt damit zunächst seine Mindestverpflichtung.
Ob das wirklich ausreicht, wird vermutlich erst eine neue Klagewelle zeigen.
Fazit:
Du hast völlig recht, dass diese Differenzierung inhaltlich schwer zu vermitteln ist.
Der Gesetzgeber bewegt sich hier auf juristisch schmalem Grat zwischen „wir müssen etwas tun“ und „wir dürfen den Haushalt nicht sprengen“.
Es ist deshalb gut möglich, dass das Thema in einigen Jahren erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landet – diesmal mit Fokus auf den Abstandsgebot-Teil, der ja auch kinderlose Beamte betrifft.