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Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)

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xap:
Wenn du schreibst dein Widerspruch sei inzwischen volljährig, lässt das für mich inzwischen nur einen Schluss zu:

Es verbietet sich für Beamte jede Zurückhaltung ggü. Dienstherr und Gerichtsbarkeit. Jedem anderen würde hier Betrug unterstellt, nur leider backen sich die DH ihre Gesetze selbst. Das Maß des Vertrauensbruch ist schon lange voll.

Rentenonkel:

--- Zitat von: SwenTanortsch am 10.11.2025 21:59 ---
"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt, daß in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können." (BVerfGE 44, 249, LS 3).

Und weiter:

"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt aber, daß jedenfalls in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können. Führt eine Regelung eindeutig evidentermaßen dazu, daß die Familie wegen der größeren Zahl der Kinder und der mit ihrem Unterhalt und ihrer Erziehung verbundenen Ausgaben - also regelmäßig für die Jahre, in denen sie zum Haushalt gehören - auf den Abschluß eines Bausparvertrags, auf die Anschaffung der üblichen Haushaltsmaschinen, auf die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, auf Urlaub verzichten und sich im Zuschnitt ihres Privatlebens, beispielsweise bei dem Kauf von Bekleidung, Einschränkungen auferlegen muß, also in diesem Sinne bescheidener leben muß als der - beamten- und besoldungsrechtlich gleich eingestufte - ledige Beamte, kinderlos verheiratete Beamte oder die Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern, so ist der Grundsatz amtsangemessener Alimentierung für jene Familie mit größerer Kinderzahl verletzt." (BVerfGE 44, 240, 267 f.)

Das Bundesverfassungsgericht hat seitdem nicht erkennen lassen, dass es von diesem Grundsatz abweichen wollte. Entsprechend habe ich vorhin auf Art. 3 Abs. 1 GG abgestellt.

--- End quote ---

Zumindest Art. 3 und 6 GG gelten auch für alle anderen Beschäftigten und nicht nur für Beamte.

Bereits an anderer Stelle hat das BVerfG mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Existenzminimum nicht besteuert werden darf. Leider hat der Gesetzgeber beim steuerlichen Existenzminimum auch immer auf den Existenzminimumsbericht verwiesen, bei der Grundsicherung allerdings für das soziale Existenzminimum höhere Beträge angesetzt.

Das führt eigentlich unweigerlich zu dem Schluss, dass, auch wenn das nicht Gegenstand der Klage war, nicht nur bei Beamten mit Kindern, sondern bei allen Berufstätigen mit Kindern, der Gesetzgeber Kinder bei der steuerlichen Betrachtung zu wenig berücksichtigt und so bei Familien oft das Existenzminimum besteuert wird, was dazu führt, dass Familien zunehmend verarmen und auf bedarfsorientierte Leistungen angewiesen sind.

Während die Tatsache, Kinder in die Welt zu setzen, Privatsache ist, ist es gesamtgesellschaftlich nicht egal, wie viele Kinder es gibt. Um ein Funktionieren der Gesellschaft dauerhaft zu stabilisieren, und so auch die freiheitlich demokratische Grundordnung zu gewährleisten, bedarf es eigentlich einer Geburtenrate von 2,1. Tatsächlich liegt sie aktuell bei 1,3x mit abnehmender Tendenz. Nach zwei Generationen hat sich dann die bundesdeutsche Bevölkerung in etwa halbiert. Zuwanderung kann das abschwächen, schafft allerdings neue Herausforderungen.

Wenn also Familien sich zunehmend gegen Kinder entscheiden, weil sie andernfalls ihren Lebensstil und Lebensstandard exorbitant zurück schrauben müssten, kann man sich auch die Frage stellen, ob es tatsächlich "goldene" Beamtenkinder braucht.

Bezogen auf die Zahl der Familien in Deutschland betrug der Anteil von kinderreichen Familien vergangenes Jahr 13 Prozent. Aus Kindersicht ist es jedoch deutlich anders. Etwa jedes vierte Kind wächst in einer kinderreichen Familie auf, hat also zwei oder mehr Geschwister. Fast die Hälfte der Kinder hat ein Geschwisterkind und nur etwa 30 % der Kinder haben keine Geschwister.

Erstaunlich ist noch eine andere Zahl: Etwa 30 % der Familien mit 2 Kindern möchten ein drittes Kind haben, aber nur etwa 10 % davon trauen sich auch, diesen Schritt zu gehen. Es sind insbesondere finanzielle Gründe, die unzureichende Berücksichtigung beim Sozialrecht, Benachteiligung bei Wohnraumsuche und die Vereinbarkeit von Mehrkindfamilie und Beruf, weshalb sie auf das 3. Kind verzichten. Dabei profitiert die Gesellschaft fiskalisch von kinderreichen Familien, wenn die Kinder einen höheren Bildungsstand erreichen. Deswegen ist es nicht überrraschend, dass verhältnismäßig viele Kinder in Deutschland in Armut leben und die Eltern sich Urlaub und die anderen Dinge, die das BVerfG angesprochen hat, nicht leisten können.

Daher fordert der Verband kinderreicher Familien unter anderem mehr steuerliche Entlastungen der Kinder. Erhöhung des Kindergeldes für das dritte Kind um 100€ und eine spürbare Erhöhung der Kinderfreibeträge/Kindergeld zusätzlich zum Ehegattensplitting.

Die Möglichkeiten, Familien mit Kindern zu unterstützen, sind auch in der Politik hinlänglich bekannt. Das BVerfG weist auch ausdrücklich darauf hin, dass es dem Gesetzgeber unbenommen ist, für alle Familien etwas zu verändern.

Auch wenn es einige Überlegungen dazu gab (Familiensplitting, zeitweise höheres Kindergeld abgestuft nach der Anzahl der Kinder, Kindergrundsicherung) hat sich bisher dazu politisch nichts getan. Daher stelle ich mir unabhängig von unserem verfahren mittlerweile die Frage, ob der Gesetzgeber mit der aktuellen Politik bezogen auf die steuerliche Behandlung von Kindern den Pflichten aus Art. 6 GG in verfassungskonformer Weise ausreichend nachkommt.

Unabhängig von den Stellschrauben, an denen der Gesetzgeber gesamtgesellschaftlich drehen könnte, um auch darüber dem Ziel einer aA näher zu kommen, gibt es im Rahmen seines weiten Ermessensspielraumes dennoch noch ein paar andere Stellschrauben als nur die Erhöhung der Grundbesoldung bei den Beamten.

Beispielhaft sei hier eine Erhöhung der Beihilfesätze oder eine Reform der Erfahrungsstufen genannt. Auch aus dem Grund sind meine Erwartungen lediglich vorsichtig optimistisch.

SwenTanortsch:

--- Zitat von: Tom1234 am 10.11.2025 20:28 ---Hallo Swen, das Bundessozialgericht hat entschieden, dass neben dem Bürgergeld auch Tilgungsraten eines Hauses übernommen werden,  soweit hier der Verlust der Immobilie droht und bereits der Großteil getilgt wurde. Hier bezog sich das BSG auf die Übernahme von Tilgungsraten bei Kaufverträge, soweit bereits 93 Prozent geleistet wurden. Meine Frage wäre, ob solche Zusatzleistungen bei der Berechnung der aA in irgendeiner Form mit anzuführen wären? Hoffe, dass ihr die Bombenräumung im Lockviertel kurzweilig überstanden habt. ;-)

--- End quote ---

Da wir es hier mit zwei unterschiedlichen Rechtsgebieten zu tun haben und das Bundesverfassungsgericht regelmäßig den qualitativen Unterschied zwischen der Grundsicherung, die als staatliche Sozialleistung den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden und ihren Familien sicherstellt, und dem Unterhalt, der erwerbstätigen Beamten und Richtern geschuldet ist, betont, gehe ich davon aus, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, Tom. Der Beamte hat allein die Verantwortung für sein erdientes Eigentum, wie er ebenfalls voll verantwortlich dafür ist, Tilgungsraten von Krediten selbst zu erfüllen, solange die von ihm eingegangene Sachlage selbstverschuldet ist.

@ xap

Diese Sicht auf die Dinge kann ich gut nachvollziehen. Und genau mit dieser Empfindung, die Du im letzten Satz schreibst, dürftest Du nicht allein sein. Auch das - so darf man hoffen - sollte ein Verfassungsorgan im Blick haben, das in Person des mittlerweile sich im Ruhestand befindenden ehemaligen Berichterstatters ausgeführt hat, "dass dem Grundsatz der zeitnahen Erledigung unter Berücksichtigung des Verfahrenseingangs und der Gesamtdauer der Verfahren hohe Bedeutung zuzumessen ist. Auch ist dem Senat - durchaus schmerzlich - bewusst, dass das Warten der betroffenen Klägerinnen und Kläger der Ausgangsverfahren auf eine verbindliche Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der relevanten Rechtsgrundlagen belastend und, gemessen am Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, rechtfertigungsbedürftig ist." (Beschluss vom 21.12.2023 - 2 BvL 3/19 - Vz 3/23 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/12/vb20231221_vz000323.html, Rn. 8 )

Dem eigenen Schmerz sollte man hinreichend Abhilfe geleistet haben können, indem man als Senat auch die letzten fünf Jahre zur Genüge in die Betrachtung des Rechtsgebiet mit einbezogen hat. Ansonsten hätte man - denke ich - von entsprechenden Schmerzbekundungen Abstand nehmen dürfen. Denn nicht jeder wollte Beileidsbekundungen am offenen Grab, schätze ich.

Der Kläger, um den es in der brandenburgischen Vorlage geht, hat jene Klage im Jahr 2004 anhängig gemacht. Sie ist zwischenzeitlich also selbst nach altem Recht volljährig.

Der Senat dürfte also sicherlich Anlass haben, nach der Veröffentlichung der zwischenzeitlich offensichtlich ergangenen Pilotentscheidung die von ihm angekündigte Beschleunigung der Entscheidung über die anhängigen Verfahren auch zu vollziehen. Denn ansonsten dürfte die heute noch im hohen zweistelligen Bereich liegende Zahl aus 14 Bundesländern in nicht mehr allzu ferner Zukunft dreistellig aus 17 Bundesländern sein. Wie das allerdings im Rahmen effektiven Rechtschutzes gerechtfertig werden könnte, bliebe mir unerklärlich.

Aber gut, zu unken nützt m.E. nichts. Wichtiger dürfte es sein, das, was der Senat als Hüter der Verfassung auch uns in der anstehenden Entscheidungsbegründung schreiben wird, sachlich zur Kenntnis zu nehmen. Sehr viel andere Möglichkeiten haben wir nicht.

Rheini:
Bin gespannt was der heutige Tag bringt.

https://grafkerssenbrock.com/beamtenbesoldung-schleswig-holstein-das-abstandsgebot-vor-gericht

Tchekko123:

--- Zitat von: andreb am 10.11.2025 19:44 ---Beim Kindergeld sollte man jedoch bedenken, dass man nicht gezwungen kann werden kann, dieses zu beantragen.
Wie will man dann den Kinderfreibetrag in die Netto Berechnung einbeziehen ?

--- End quote ---

Es ist korrekt, dass niemand gezwungen werden kann, das Kindergeld zu beantragen. Jedoch greift nach der Systematik des EStG der Kinderfreibetrag nur, wenn dieser steuerlich günstiger ist, als das Kindergeld. Dies ist nur der Fall, wenn das zu versteuernde Einkommen entsprechend hoch (und damit weit entfernt von den 115% der Grundsicherung) ist.
Soweit ein Steuerpflichtiger das Kindergeld nicht beantragt und der Kinderfreibetrag nicht günstiger ist, geht er (vereinfacht gesagt) komplett leer aus, da der Anspruch auf Kindergeld ausreicht. Vgl Par. 31 EStG. Auf die Ausschlussfrist des Par. 66 Abs 3 EStG gehe ich zur Vereinfachung nicht ein.

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