@Knecht, #2978
Was soll das Gericht denn machen?
Die Polizei zur "Durchsetzung" beauftragen, die Bundeswehr ... ?
Eine Frist zur Umsetzung setzen und Strafen (Zahlungen) androhen?
Eine Frist setzt das Bundesverfassungsgericht zur Behebung des Verfassungsverstoßes grundsätzlich immer, sofern es eine Norm als verfassungswidrig betrachtet. Darüber hinaus verfügt es verfassungsrechtlich aber nicht über das Recht, selbst die Höhe einer amtsangemessenen Alimentation festzulegen, da das Recht zur positiven Gesetzgebung ausschließlich der Legislative zukommt. Zugleich ist es verfassungsrechtlich weiterhin nicht vorgesehen, dass als eine Art Amtshaftung Strafen gegen einzelnen Amts- oder Mandatsträger vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochen werden könnten.
Letztlich kann es, da es nicht über das positive Recht zur Gesetzesänderung verfügt, nur ein Gesetz als verfassungswidrig klassifizieren und die Gründe dafür darlegen sowie dem Gesetzgeber eine Frist einräumen, bis zu welchem Zeitpunkt er für eine verfassungskonforme Regelung zu sorgen hat. Erst wenn der Gesetzgeber diese Frist dauerhaft verstreichen lässt, also untätig bleibt, oder der Gesetzgeber nur so tätig wird, dass das einer Untätigkeit gleichkommt, kann das Bundesverfassungsgericht, nachdem es erneut angerufen und damit zur Entscheidung befugt worden ist, eine Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG erlassen, also die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Grundlage genauer bundesverfassungsgerichtlicher Vorgaben dazu ermächtigen, das nun sie die Entscheidung vergangenheitsbezogen vollstrecken, solange der Gesetzgeber nicht eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung für die Zeit, die von der Vollstreckungsanordnung umfasst ist, vollzieht.
Dieser Fall, dass also der Gesetzgeber nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fristverstreichend gar nicht tätig wird oder nur so, dass es einer Untätigkeit gleichkäme, kommt aber nur selten vor. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht, sofern es erneut angerufen wird, in der Regel zunächst erst einmal eine nach seiner mit Gesetzeskraft erlassenen Entscheidung vom Gesetzgeber nun veränderte Gesetzeslage vor sich. Sofern diese sich ebenso als verfassungwidrig herausstellt, aber weiterhin die getroffene neue Regelung nicht einer Untätigkeit gleichkommt (und Untätigkeit meint Untätigkeit), ist es dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtlich i.d.R. noch immer nicht gestattet, eine Vollstreckungsanordnung zu vollziehen - eben weil der Gesetzgeber ja i.d.R. tätig geworden ist, sodass das vormalige Procedere erneut abläuft: Es betrachtet die gesetzliche Regelung mit Gesetzeskraft als verfassungswidrig und setzt wiederum eine Frist, bis zu der der Gesetzgeber für eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung zu sorgen hat.
Erst wenn der Gesetzgeber bis zu jener Frist nicht tätig wird oder nur so tätig geworden ist, dass das einer Untätigkeit gleichkommt, ergibt sich i.d.R. die Möglichkeit der genannten Volltreckungsanordnung, jedoch natürlich erneut nur, sofern das Bundesverfassungsgericht angerufen worden ist und dann erst zur Entscheidung ermächtigt und berechtigt ist. Denn das Bundesverfassungsgericht hat bei allen Entscheidungen zu beachten, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), sodass es nicht voraussetzen dürfte, dass der Gesetzgeber in unserem demokratischen Rechtsstaat wissentlich und willentlich verfassungswidrig handelte, solange es nicht gezielte Willkürhandlungen idenifzieren könnte (aber auch für eine solche Betrachtung als offensichtliche Willkürmaßnahmen sind die verfassungsrechtlichen Hürden hoch, was - auch wenn uns das in unseren eigenen Fällen hier im Moment vielleicht ärgert - ebenfalls typische Rechtsstaatsprinzipien sind; eben damit das Bundesverfassungsgericht weiterhin Hüter der Verfassung bleibt, aber nicht Hüter des Gesetzgebers und der Regierung wird; denn seine verfassungsrechtliche Ermächtigung, Gesetze zu vernichten, gibt dem Bundesverfassungsgericht eine Machtfülle, die legitim nur schonend anzuwenden ist, nämlich ohne sogleich in eine Verfassungskrise oder die eigene Bedeutungslosigkeit zu geraten).
Und nun könnte ich mir vorstellen, dass der eine oder andere hier die Darstellung zum Anlass nimmt, das Bundesverfassungsgericht aufzufordern, dann eben doch anders zu handeln. Es hat aber die Verfassung nicht gemacht, sondern sie seit 1951 ausgelegt - und ist eben aus den genannten und reichlich anderen Gründen zu den hier jetzt vereinfacht dargestellten Ergebnissen gekommen.
Da es in den letzten gut zehn Jahren eine neue Besoldungsdogmatik entwickeln musste, um die uns heute offensichtlichen Probleme erst nach und nach als solche zu solchen qua Rechtsprechung und damit negativer Gesetzgebung zu machen - und zwar das immer unter der gerade genannten Prämisse, dass es davon ausgehen muss, dass die Gesetzgeber sich an die verfassungsmäßige Ordnung halten -, hat es der Zeit bedurft, um dorthinzugelangen, wo wir heute stehen. Denn da das Bundesverfassungsgericht sowohl angerufen werden muss, um entscheiden zu können, als auch aus dem genannten Sachverhalt heraus sich nicht immer wieder den einen Gesetzgeber sogleich herauspicken darf, dauert es weiterhin, bis es zu einer Vollstreckungsanordnung kommt.
Zugleich beschleunigt sich nun das gerichtliche Prüfungsverfahren, da seit 2020 nun über die konkretisierte Mindestalimentation bereits die Verwaltungsgerichts Vorlagebeschlüsse fassen können, was vorher so vielfach nicht möglich erschien und deshalb wiederkehrend durch den gesamten oder weitere Teile des verwaltungsgerichtlichen Instanzenzug führte wie hier in Niedersachsen oder vormals in Berlin, wo es bis zum Bundesverwaltungsgericht ging (ohne nun auch noch dieses Themenfeld umfassender zu beleuchten). Auch dürfte mit der anstehenden Entscheidung womöglich die neue Besoldunfsdogmatik weitgehend abgeschlossen vorliegen, was - wenn dem so sein wird - ebenfalls zu einer Beschleunigung der Verfahren führen wird. Dabei ist aber zu bedenken, dass - wenn ich die Zahl richtig erinnere - im Jahr etwa 6.000 Fälle vor dem Bundesverfassungsgericht landen, von denen zwar nur rund ein Prozent konkrete Normenkontrollverfahren sind und von den 99 % anderen Entscheidungen sich viele wegen der gebildeten Dogmatiken praktisch von alleine entscheiden - aber auch diese müssen lokalisiert, betrachtet und in den - vielfach kurzen - Begründungen abgewiesen werden. Zugleich stelle ich mir bereits rund 60 konkrete Normenkontrollverfahren als große Belastung für die 16 Richter und 64 wissenschaftlichen Mitarbeitern vor. Denn wenn man allein die Entscheidungsbegründungen liest (und damit wiederkehrend eine Ahnung über den Umfang der Beratungen erhält), dann kann man erahnen, welches Pensum dort in Karlsruhe, Jahr für Jahr dicke Bretter bohrend (obgleich das ja eher die Politik ausmachen sollte), geleistet wird.
Däumchendrehen ist - wenn ich es richtig sehe - eher nicht beim Bundesverfassungsgericht: Die Arbeit am Recht ist - denke ich - echte Arbeit (und um kurz aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich sitze derzeit an einem mich stark beschäftigenden Problem hinsichtlich eines Besoldungsgesetz, das mich ebenfalls auch aus eigenem Interesse stark interessiert, was dazu geführt hat, dass ich um vier Uhr nicht mehr schlafen konnte und seitdem mit Ausnahme eines kurzen Frühstücks hier an der Glotze sitze, lese, Zusammenhänge herstelle und schreibe - und um nicht missverstanden zu werden: Ich schreibe das nicht, um Mitleid zu erzeugen; denn das war ein sauguter Tag, weil ich tief und über eine lange Zeit in ein Thema eintauchen konnte. Und die Ausbeute von rund vier Seiten geschriebenen Text ist für ein Tag für meine Verhältnisse gewaltig viel - tauschen mit den Karlsruher Richtern und Mitarbeitern will ich aber nicht: Denn die gehen höchstwahrscheinlich nicht so weitgehend unbedarft wie ich an die Probleme heran und sehen deshalb noch viel mehr als jemand wie ich, der sich als Laie da ein bisschen hineingefuchst hat, was Sache ist, sodass sich ihre Schreibgeschwindigkeit eher nicht erhöhen dürfte, der Druck der beständig einlaufenden Verfahren aber immer bleibt).