Ich kann das, was Du schreibst, gut nachvollziehen, beamtenjeff - denn es kann nicht darum gehen, ob einer der beiden Partner mit Kindern zu Hause bleiben muss oder nicht und dass weiterhin dieser eine in der Regel kein einer, sondern eine ist. Denn das ist die gesellschaftliche Realität, dass Frauen, sobald Kinder da sind, weit überwiegend die unbezahlte Betreuungsarbeit leisten, und zwar nicht nur hinsichtlich der Betreuung der Kinder, sondern ebenso in der Betreuung der älteren Generation, was mit zum gender pay gap von rund 20 % führt, ein Wert, der sich nach 2008 bis 2019 leicht verringert hat und nach Corona wieder dort ist, wo er 2008 war.
Die zentrale Frage ist dabei, woher die Geldnot kommt, von der Du zurecht sprichst. Sie lässt sich - vereinfacht dargestellt, jedoch dabei in einem hohen Maße treffend - auf die geringen Reallohnzuwächse seit spätestens Anfang der 1990er Jahre zurückführen, da der größte Teil der Gesellschaft vor allem von dem lebt, was ihm die Erwerbsarbeit einbringt. Dabei lässt sich feststellen, dass die Reallöhne in den 25 Jahren zwischen 1991 und 2015 um nur sieben Prozenpunkte gestiegen sind, um zwischen 2015 und 2019 um zehn Prozentpunkte anzusteigen (
https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/322503/lohnentwicklung-in-deutschland-und-europa/) und seit 2020/2021 und insbesondere im letzten Jahr wieder massiv einzubrechen (
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/_inhalt.html).
Insofern ist es wegen der in den letzten beiden Absätzen dargestellten Entwicklungen richtig und wichtig, dass insbesondere Familien und darin die Kinder gesellschaftlich unterstützt werden - und Unterstützung heißt nicht zuletzt: monetäre Unterstützung, aber ebenso auch die Familienpolitik als Ganze (dieser Beitrag ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, die Tendenzen stimmen aber weitgehend noch immer
https://www.bpb.de/themen/familie/familienpolitik/246763/familienpolitik-in-den-eu-staaten-unterschiede-und-gemeinsamkeiten/). Das Problem an den deutlich erhöhten familienbezogenen Besoldungskomponenten ist nun allerdings - wie vorhin am Beispiel Thüringen dargestellt -, dass es den Besoldungsgesetzgebern nicht darum geht, Beamten mit Kindern zu unterstützen, sondern jene Zuschläge dafür zu nutzen, möglichst hohe Personalkosteneinsparungen vorzunehmen, wovon nicht nur Beamten ohne, sondern ebenso Beamte mit Kindern massiv negativ betroffen sind.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die verfassungsrechtlich notwendige deutliche Anhebung der Grundgehälter nicht zum Nachteil der Beamten mit Kindern geschieht - denn für sie ist es erst einmal egal, ob ein 20 %iger Fehlbetrag zwischen der heutigen Mindest- und der gewährten Nettoalimentation durch die deutliche Erhöhung der Grundgehaltssätze gemeinsam mit einer verfassungskonformen Anhebung der familienbezogenen Besoldungskomponenten geschieht oder durch eine 20 %ige Erhöhung der familienbezogenen Besoldungsbestandteile. Für sie ist das Ergebnis am Ende dasselbe.
Dieses Ergebnis stimmt aber nur auf dem ersten Blick - tatsächlich geschieht die massive und also verfassungswidrige Anhebung der familienbezogenen Besoldungskomponenten nicht nur auf den Rücken all jener Beamten, die von ihnen nicht profitieren, sondern ebenso auf dem Rücken derer, die seit letztem oder vorletztem Jahr nun von den höheren Komponenten profitieren - jedenfalls solange, wie ihre Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist. Denn die Geldnot, von der Du sprichst, liegt genau auch daran, dass die seit spätestens 2008 in allen Rechtskreisen deutlich zu geringe Grundbesoldungen dazu führt, dass Beamte bereits vor der Familiengründung nicht instandgesetzt werden, einen monetären Grundstock aufzubauen, der sinnvoll ist, wenn die Kinder dann auf der Welt sind. Entsprechend bleibt die Attraktivität des öffentlichen Diensts gegenüber Arbeitgebern, die höhere Löhne als die (Grund-)Besoldung der Beamten gewähren, für den Nachwuchs, was die monetäre Basis betrifft, weiterhin attraktiver. Hierin ist ein zentraler Grund dafür zu suchen, dass es dem öffentlichen Dienst innerhalb des mindestens in den nächsten 15 Jahren noch weiter zunehmenden Fachkräftemangels in vielen Bereichen in den letzten Jahren immer weniger gelungen ist, genügend qualifiziertes Personal zu gewinnen.
Insofern verkaufen die (Landes-)Regierungen und die sie tragenden Regierungsparteien (und vielfach auch die Oppositionsparteien) die deutlich erhöhten familienbezogenen Besoldungskomponeten als eine Förderung von Familien - tatsächlich geht es ihnen aber darum gerade nicht. Denn ansonsten würden sie nicht nur Beamtenfamilien fördern, sondern ein familienfreundlicheres Steuersystem sowie allgemeine familienbezogene Sozialtransfers gemeinsam als Bund und Länder schaffen und würden sie hinsichtlich der Beamtenschaft und damit im mittelbaren Gefolge auch der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst die alle betreffenden Gehalts- und Lohnbestandteile erhöhen, sodass der Nachwuchs instandgesetzt werden würde, Rücklagen zu bilden für die Zeit, da sich Kinder einstellen.
Dabei zeigen die vorhin dargelegten Zahlen für Thüringen einen allgemeinen Trend: Um in eigener Vorstellung das Mindestabstandsgebot zu erfüllen, werden von den Besoldungsgesetzgebern vor allem die familienbezogenen Besoldungskomponenten für das zweite Kind erhöht (den alimentativen Mehrbedarf ab dem dritten Kind betrachte ich hier als ein anders Thema nicht). Damit aber wird ebenso den Beamtenfamilien mit einem Kind ein materielles Rechtgut vorenthalten, dass ihnen zur Verfügung stände, wenn eine wieder verfassungskonforme Grundbesoldung gewährt werden würde. Auch darin bricht sich die fiskalisch geprägte Besoldungsgesetzgebung ihre Bahn.
Als Ergebnis bleibt dann der von Ulrich Battis hervorgehobene über Jahre hinweg länderübergreifend vollzogene konzertierte Verfassungsbruchs zulasten aller Beamten und damit mittelbar auch aller Tarifbeschäftigten. Die Geldnot, von der Du zurecht sprichst, wird nicht durch die verfassungswidrig erfolgte massive Anhebung von familienbezogenen Besoldungskomponenten geheilt, sondern durch die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung der Grundgehaltssätze. Damit werden dann nicht nur der noch kinderlose Nachwuchs, sondern auch die Beschäftigten mit Unterhaltsverpflichtungen sowie die Beschäftigten ohne oder mit nicht mehr gegebenen Unterhaltverpflichtungen im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gestärkt, was als Ergebnis zu einer dringend nötigen Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Diensts führt, die nötig ist, um die Qualität der öffentlichen Verwaltung zu sichern.