Für 31k Jahresbrutto braucht man doch keine E9?
2009
Unabhängig von den Setzungen unterliegen die Vergleiche zwischen der Besoldung von Beamten und der Entlohnung der Tarifbeschäftigten eigentlich immer dem gleichen Fehler. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinen Direktiven die Mindestalimentation festgelegt, sodass die gewährte Nettoalimentation in allen Rechtskreisen seit spätestens 2008 massiv zu gering ist, nicht umsonst geht's hier um den absoluten Alimentationsschutz, der nun einmal in allen Rechtskreisen weiterhin deutlich verletzt ist; ich denke über diese
materielle Dimension herrscht auch hier Einigkeit. Wer das anders sieht, sollte sich melden oder besser gleich eine Initiativbewerbung an ein Finanz- oder Innenministerium seiner Wahl absenden.
Karlsruhe hat darüber hinaus durch das
indizielle Mittel der Mindestbesoldung festgelegt, dass die Grundgehaltssätze ebenso seit spätestens 2008 in allen Rechtskreisen deutlich zu gering sind - das ist im Mai letzten Jahres im bekannten ZBR-Beitrag eindeutig nachgewiesen worden. Wer das anders sehen möchte, der sollte sich, wenn er sachlich diskutieren will, verpflichtet sehen, diese andere Sichtweise an einer anderen Methodik auf Basis der konkreten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nachzuweisen. ChRos hat dazu gerade das gesagt, was dann notwendig wäre: Sachlich über das eigene individuelle Gerechtigkeitsempfinden hinaus anhand der Rechtslage präzise Begründungen zu liefern.
Macht man das nicht, stellt man unbelegte Behauptungen auf, die darüber hinaus hinsichtlich der zwangsläufig zu erhöhenden Grundgehaltssätze sachlich falsch sind. Denn solche Behauptungen widersprechen den Ergebnissen der genannten Methodik, die solange als sachlich richtig zu betrachten sind, wie sie nicht wiederlegt sind. Insofern ist die ewige Wiederkehr von sachwidrigen Ideen, also mittels anderen Komponenten als vor allem dem Grundgehaltssatz der Besoldung könne ebenfalls eine amtsangemessene Alimentation erzielt werden, sachlich nicht weiterführend. Denn so könnte eventuell das Fehl zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation beglichen werden - aber eben nicht die überbordenden Indizien der ersten und zweiten Prüfungsstufe des bundesverfassungsgerichtlichen Prüfungshefts aus der Welt geschafft werden, und zwar mitsamt der in allen Rechtskreisen deutlich verletzten Besoldungssystematik, wie das eine methodische Betrachtung der Mindestbesoldung nun einmal offenbart.
Dabei sollte zu bedenken sein, dass es in den Rechtswissenschaften niemanden gibt, der die Auffassung vertritt und also begründen würde (und könnte) und folglich ausführen würde, dass die exorbitanten Erhöhungen (familienbezogener) Nebenkomponenten sachlich gerechtfertigt werden könnten. Auch der VGH Hessen als das zeitlich letzte Gericht, das sich mit der Alimentationsfrage im Gefolge der aktuellen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung beschäftigt hat, kommt deshalb methodisch - und mit einer anderen Methodik als in jenem ZBR-Beitrag - zum selben Ergebnis: Es führt auf Grundlage spätestens der aktuellen Entscheidung aus Karlsruhe kein Weg an die deutliche Erhöhung der Grundgehaltssätze vorbei, um das zu erfüllen, was das Bundesverfassungsgericht zur qualitätssichernden Funktion der Alimentation sagt. Denn darum geht es dem Bundesverfassungsgericht zuvörderst: um die Qualitätssicherung der öffentlichen Verwaltung; und auch daran hat es in der Vergangenheit keinen Zweifel gelassen.
Wer dahingegen die Meinung vertritt, Nebenkomponenten könnten nach jedem beliebigen Gusto angehoben werden, sind die Besoldungsgesetzgeber - nur können sie diese Idee nicht sachgerecht begründen, wovon jede ihrer Gesetzesbegründungen der letzten zwei Jahre mehr als genügend Beweise erbracht haben. Der sachlich ungenügende Gehalt jener Begründungen ist nun so vielfach in den verschiedenen Gesetzgebungsverfahren von so vielen Fachleuten nachgewiesen worden, dass die hier immer wiederkehrende Geisterdiskussion erstaunlich bleibt.
Und nun komme ich zur Aussage des ersten Satzes des ersten Absatzes zurück, also zu der Frage, worin eigentlich der immer gleiche Fehler dieser Geisterdiskussion liegt: Das Bundesverfassungsgericht betrachtet ob seiner Rechtsprechung die gewährte Nettoalimentation in allen Rechtskreisen als massiv zu gering; dies ist nicht der Fehler. Diese Frage ist juristisch entschieden.
Der Fehler liegt auch nicht darin, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage nach den notwendigerweise deutlich zu erhöhenden Grundgehaltssätzen eindeutig entschieden hat: Denn auch das ist unbestreitbar - und wer das nicht glaubt, sollte vom Glauben zum Wissen wechseln und also den genannten ZBR-Beitrag oder die Entscheidungsbegründung des VGH Hessen gründlich lesen und kritisch nachvollziehen. Wenn er daraufhin zu anderen Ergebnissen kommt, sollte er sie formulieren und zur Debatte stellen - aber eben nicht als Empfindung, sondern auf Grundlage der nun einmal zu beachtenden bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Denn deren Beachtung kann nicht als Fehler begriffen werden.
Dahingegen liegt der Fehler darin, dass nun wiederkehrend darüber gestritten wird, dass eine deutliche Anhebung der Grundgehaltssätze den Tarifbeschäftigten gegenüber nicht gerecht sei, dass die Tarifbeschäftigten das nicht verstehen würden, dass das zu Neid und Motivationsverlusten führen müsste usw. usf., also all das, was auch die Besoldungsgesetzgeber in ihren Gesetzesbegründungen anführen, um die eigenen Interessen zu bemänteln - und um also sich und anderen nicht sachlich einzugestehen, dass ob der deutlichen Verschlechterungen der Bedingungen nicht zuletzt im Gefolge der Abschaffung der BAT-Systematik im Jahr 2005 ebenfalls die Tarifbeschäftigten betreffend ihrer Entlohung gegenüber der freien Wirtschaft deutlich ins Hintertreffen geraten sind (bzw. das schon zuvor waren, also vor 2005, sodass sich der Abkopplungsprozess danach nur noch weiter beschleunigt hat) und dass also auch für die Tarifbeschäftigten ob der ökonomisch nicht hinreichenden Tarifabschlüsse der letzten knapp 20 Jahre dieser Fehlbetrag weiterhin ebenfalls nicht ausgeglichen worden ist. Deswegen kommen die deutlichen Unterschiede zwischen einer amtsangemessenen Grundbesoldung und der tatsächlich 2009 oder davor oder danach oder heute gewährten Tarifentlohnung zustande - für beide Rechtsinstitute waren 2009 oder davor oder danach oder heute die Besoldung und Entlohnung deutlich zu gering, sodass die deutlich Erhöhung nur einer der beiden Systeme offensichtlich zu moralisch und ökonomisch ungerechten Verhältnissen gegenüber dem anderen führt - das ist aber weiterhin kein juristisches, sondern zunächst einmal nach wie vor ein moralisches, ein ökonomisches und zugleich auch zunehmend ein demographisches Problem. Denn solange noch genügend Beschäftigte im öffentlichen Dienst vorhanden waren, konnte man diesen öffentlichen Dienst unter hinlänglichem Qualitätserhalt aufrechterhalten und dabei zugleich hinsichtlich der Beamten verfassungswidrig und hinsichtlich der Angestellten als Arbeitgeber zweifelhaft jede Menge Personalkosten einsparen - aber das dürfte sich nun zunehmend ändern, und zwar nicht moralisch und auch nicht ökonomisch, sondern eben demographisch, weshalb das Bundesverfassungsgericht nur umso mehr auf die qualitätssichernde Funktion der Besoldung achtgibt. Denn alles andere wäre in Anbetracht dessen, dass in den nächsten rund 15 Jahren rund 40 % der Beschäftigten aus Altersgründen den öffentlichen Dienst verlassen werden, auch in einem hohen Maße unverantwortlich. Entsprechend ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht in den nächsten Jahren seine Besoldungsrechtsprechung deutlich ändern und also nun eine nun noch einmal neue Dogmatik entwickelte oder zur vormaligen Dogmatik zurückkehrte, was beides bei den Dienstherrn unmittelbar und bei den Arbeitgebern mittelbar zu Freudensprüngen und Freudentränen führen könnte, aber eben keine gesellschaftlichen Probleme lösen würde - und das ist eben seit jeher eine methodische Grundsichtweise des Bundesverfassungsgerichts, das Grundgesetz ist in die Zeit zu stellen, und seine Betrachtung kommt in wandelnden Zeiten zu sich wandelnden Sichtweisen (es versteht das Grundgesetz als "living constitution"; dass die soziale Wirklichkeit einem ständigen Wandel unterworfen ist, kann entsprechend nicht spurlos an der Verfassungsinterpretation vorbeigehen).
Hier liegt nun der wiederkehrende Fehler der ewiggleichen Diskussion: Nicht die nötigen Grundgehaltssätze zur Rückkehr zu einer amtsangemessenen Alimentation sind zu hoch, sondern weiterhin ist die Entlohnung der Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst ebenfalls deutlich zu gering, um die qualitätssichernde Funktion von Besoldung und Entlohung für den öffentlichen Dienst zu erfüllen, der eben einem veritablen Nachwuchsproblem ausgesetzt ist, das deutlich geringer ausfallen würde, würden die Dienstherrn und Arbeitgeber endlich wieder so besolden und entlohnen, dass das zu einer wirklichen Attraktivitätssteigerung führen würde; denn dann würden auch die Bewerberzahlen nach und nach wieder deutlich steigen, sodass die Qualitätssicherung eher zu gewährleisten wäre - letzteres, die Entlohnung, lässt sich (anders als ersteres, die Besoldung) nicht juristisch greifen, sondern nur ökonomisch betrachten und müsste spätestens, wenn wir wieder zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückkehren, Sache von Tarifverhandlungen sein. Und das wird die Frage nach einer angemessenen Entlohnung der Tarifbeschäftigten auch werden, wenn erst die Grundgehaltssätze der Beamten deutlich steigen werden. Denn alles andere ließe sich moralisch nicht vor den Gewerkschaften und Verbänden rechtfertigen und würde darüber hinaus nur zu einem führen: nämlich dass der Nachwuchs- und Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst nur noch weiter als sowieso schon zunehmen würde, da dann erst recht zu wenige Bewerber die heiligen Hallen als potenzielle Tarifbeschäftigte betreten und andere, also reale Tarifbeschäftigte, die Hallen schon wieder verlassen würden, da sie als Folge des allgemeinen Fachkräftemangels in anderen Gefilden deutlich bessere finanzielle Bedingungen vorfänden und darüber hinaus nicht bereit wären, sich entsprechend wie empfunden, also ungerecht, behandeln zu lassen. Auch diese hinsichtlich der Zukunft erwartbaren Darlegungen von meiner Seite zeigen, dass es sich bei der Grundgehaltsdiskussion um eine reine Geisterdiskussion handelt.
Und wer möchte, kann nun die sachlich lange entschiedene Diskusision über die Grundgehaltssätze auf Basis der eigenen Moralvorstellungen auch hier fortsetzen. Er diskutiert dabei allerdings immer nur mit sich selbst und das wird auf Dauer etwas strange, weil ohne Substanz über materielle Dinge diskutiert wird. Materielle Dinge sollten aber Substanz haben, denn sonst sind sie keine.