Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2054703 times)

Unknown

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4860 am: 18.02.2023 13:05 »
Wollen wir mal hoffen, dass Prof. Dr. Dr. Battis von irgendeiner Interessenvertretung beauftragt wird den Referentenentwurf zu bewerten. Der wissenschaftliche Dienst des Bunestages hat in dem vom Swen verlinkten Dokument in den Fussnoten 2 und 3 auf ein Kommentar von Prof. Dr. Dr. Battis zurückgegriffen. Demnach sollte er weiterhin genug Fachkompetenz haben, den Referentenentwurf fachlich nach der aktuellen Rechtsprechung zu bewerten, auch wenn es der Besoldungsgesetzgeber mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht lesen will und im Ergebnis sowieso ignoriert. So kann sich zumindest später kein Abgeordneter rausreden er wüsste von nichts.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4861 am: 18.02.2023 19:11 »
Gern geschehen!

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat übrigens im Sommer des letzten Jahres den Sachstand hinsichtlich einzelner Aspekte zur Besoldung der Bundespolizei zusammengefasst (https://www.bundestag.de/resource/blob/906958/1a97bad8fbd694caf2f3e333c3cb8f67/WD-6-049-22-pdf-data.pdf). Die Darlegung habe ich jetzt erst entdeckt. Sie bleibt ihrem Auftrag gemäß streng referierend und enthält sich jeder Interpretation. Als solche ist sie eine schlüssige Einführung in die Besoldungsthematik, die auf engem Raum grundlegende Prämissen zusammenfasst.


Demnach sind Ortszulagen gar nicht notwendig. Unterschiedliche Lebenshaltungskosten sind in den verschiedenen Regionen über die Grundbesoldung zu leisten. Ein AEZ ist eigentlich überflüssig. Macht das einen Sinn?

Müsste die Grundbesoldung dann so hoch bemessen sein, dass sich ein Beamter jederzeit eine amtsangemessene Wohnung z.B. in München leisten könnte? Und wäre man dann in günstigeren Region nicht zumindest teilweise „überalimentiert“ ?

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4862 am: 18.02.2023 21:53 »
Moin,

in gewissen Umfang  kann der Dienstherr durchaus mit Zulagen für Familien und teure Wohnorte die Besoldung gestalten. In welchem Umfang ist hier der große Streitpunkt und noch nicht abschließend gerichtlich geklärt.

Eine 100%ige Gerechtigkeit wird es aber nicht geben. Wenn jemand beispielsweise günstig wohnt, weil er ein Häuschen in einer teuren Stadt geerbt hat, dann hat er mehr Geld für Luxus als jemand, der eine horrende Miete zahlen muss oder weit pendeln muss.

Bundesjogi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4863 am: 18.02.2023 22:22 »
Dann schauen wir doch mal, ob die Verfassungsrichter sich am Ende wirklich trauen, den politischen Entscheidungsträgern vorzuschreiben wie sie den öffentlichen Dienst aufzustellen haben. Und ob aus dem "jeder so wie er befähigt ist" an Ende wirklich zu schließen ist, dass nur die absolut Besten in den öffentlichen Dienst sollen oder nicht doch eher das Niveau politisch vorgegeben werden kann und dann dazu die besten ausgesucht werden und entsprechend bezahlt wird.

iceshield1234

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4864 am: 18.02.2023 22:49 »
Guten Abend,
ich bin ein stiller Mitleser und ich habe mich nur registriert um ein paar Fragen zu stellen, weil ich ein wenig verwirrt bin.

Sehe ich das richtig, dass wir hier 2 verschiedene Sachen parallel haben?

1. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus 2020.
2. Der aktuelle Tarifstreit bezüglich der Forderungen, wie bereits seitens Verdi erwähnt.

Sind Beide Sachen voneinander völlig unabhängig? Wartet das BMI ab, was die Ergebnisse ende März im Tarifstreit bewirken? Sollte der Tarifstreit für den "Arbeitnehmer" sehr positiv ausfallen, wird dann das BMI den Beschluss vom Bundesverfassungsgericht ignorieren?

Ich bitte im Vorfeld um Entschuldigung, aber für eine saubere Antwort, ohne Hass und Häme wäre ich sehr dankbar. Weil, wenn ich die letzten Seiten hier so lese, dann ist das schon ein wenig grenzwertig.

Vielen Dank im Voraus.


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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4865 am: 18.02.2023 23:24 »
Guten Abend,
ich bin ein stiller Mitleser und ich habe mich nur registriert um ein paar Fragen zu stellen, weil ich ein wenig verwirrt bin.

Sehe ich das richtig, dass wir hier 2 verschiedene Sachen parallel haben?

1. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus 2020.
2. Der aktuelle Tarifstreit bezüglich der Forderungen, wie bereits seitens Verdi erwähnt.

Sind Beide Sachen voneinander völlig unabhängig? Wartet das BMI ab, was die Ergebnisse ende März im Tarifstreit bewirken? Sollte der Tarifstreit für den "Arbeitnehmer" sehr positiv ausfallen, wird dann das BMI den Beschluss vom Bundesverfassungsgericht ignorieren?

Ich bitte im Vorfeld um Entschuldigung, aber für eine saubere Antwort, ohne Hass und Häme wäre ich sehr dankbar. Weil, wenn ich die letzten Seiten hier so lese, dann ist das schon ein wenig grenzwertig.

Vielen Dank im Voraus.

Ja, ja
Und was das BMI machen wird, wird wohl aktuell nur das BMI wissen

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4866 am: 19.02.2023 00:38 »
Das Bundesverfassungsgericht hat hervorgehoben, dass der Besoldungsgesetzgeber das Recht besitzt, die Besoldung regional zu differenzieren, PolareuD:

"Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist. Der Gesetzgeber muss nicht pauschalieren, sondern kann den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>). Insbesondere ist er frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags (vgl. hierzu BVerfGE 117, 330 <345 ff.>), wie es derzeit regelmäßig bei einer Auslandsverwendung (vgl. § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE i.V.m. § 52 Abs. 1 BBesG i.d.F. vom 6. August 2002) und teilweise auch innerhalb eines Landes (vgl. Art. 94 BayBesG) praktiziert wird. Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit." (Rn. 61 der aktuellen Entscheidung).

Wie aber schon vorgestern hervorgehoben, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch zunächst einmal die Grundgehaltssätze in Berlin zwischen 2009 und 2015 als verfassungswidrig zu gering betrachtet. Das zeigt sich auch in der Pressemitteilung, die ebenso sachlich deutlich formuliert (auch hieran zeigt sich der sachliche Gehalt, der zwar deutlichen, aber eben auch sachgerechten Worte Ulrich Battis'):

"Eine Gesamtschau der für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter ergibt, dass die im Land Berlin in den verfahrensgegenständlichen Jahren und Besoldungsgruppen gewährte Besoldung evident unzureichend war. Sie genügte nicht, um Richtern und Staatsanwälten nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung dieser Ämter für die Allgemeinheit einen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Bei der Festlegung der Grundgehaltssätze wurde die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Richters oder Staatsanwalts für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die von Richtern und Staatsanwälten geforderte Ausbildung, ihre Verantwortung und ihre Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt. [...]

Mit dem Amt eines Richters oder Staatsanwaltes sind vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben verbunden, weshalb hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation ihrer Inhaber gestellt werden. Gleichwohl hat das Land Berlin nicht nur die formalen Einstellungsanforderungen abgesenkt, sondern auch in erheblichem Umfang Bewerber eingestellt, die nicht in beiden Examina ein Prädikat ('vollbefriedigend' und besser) erreicht hatten. Dies zeigt, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion, durchgehend überdurchschnittliche Kräfte zum Eintritt in den höheren Justizdienst in Berlin zu bewegen, nicht mehr erfüllt hat. Gegenüberstellungen mit Vergleichsgruppen außerhalb des öffentlichen Dienstes führen im Rahmen der Gesamtabwägung zu keiner anderen Bewertung. Schließlich sind verschiedene Einschnitte im Bereich des Beihilfe- und Versorgungsrechts zu berücksichtigen, die das zum laufenden Lebensunterhalt verfügbare Einkommen zusätzlich gemindert haben.

Insbesondere hat das Land Berlin nicht dargetan, dass die teilweise drastische Abkopplung der Besoldung der Richter und Staatsanwälte von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen wäre, bei dem die Einsparungen – wie verfassungsrechtlich geboten – gleichheitsgerecht erwirtschaftet werden sollten." (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-063.html; Hervorhebungen durch mich)

Jene "teilweise drastische Abkopplung der Besoldung" zeigt sich ebenso in den anderen Besoldungsrechtskreisen. So waren bspw. im Jahr 2020 folgende Fehlbeträge zu betrachten (DÖV 2022, 206):

           Besoldungsgruppe                              Fehlbetrag
                                                     netto Monat (€)        %

BW              A 5/1                                 872,-                26,0
BY               A 3/2                                 929,-                26,4
BE               A 4/1                                 920,-                27,6
BB               A 5/1                                 567,-                19,2
HB               A 3/1                                 646,-                21,1
HH               A 4/1                                 616,-                20,2
HE               A 5/1                                 866,-                25,9
MV               A 4/1                                 425,-                15,0
NI                A 5/1                                 617,-                20,2
NW              A 5/1                                  578,-                18,8
RP               A 4/1                                 557,-                17,8
SL               A 4/1                                 503,-                17,4

SN               A 4/1                                 284,-                10,3
ST               A 4/1                                 267,-                9,8
SH               A 2/1                                 727,-                23,4
TH               A 6/1                                 349,-                12,3

Letztlich weisen die hervorgehobenen 13 Besoldungsrechtskreise in der untersten Erfahrungsstufe der niedrigsten Besoldungsgruppe eine Nettoalimentation noch unterhalb des Grundsicherungsniveau auf. Zugleich bleibt zu beachten, dass mit Ausnahme von Thüringen keine realitätsgerechten Beträge für die Kosten für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife vorlagen, als die gerade zitierten Werte bemessen worden sind. Zieht man die mittlerweile vom Thüringer Gesetzgeber hierfür ausgewiesenen Beträge heran, ergibt sich in Thüringen ein Fehlbetrag nicht in Höhe von 349,- € (12,3 %), sondern von 527,- € (17,5 %). Entsprechend dürfte davon auszugehen sein, dass 2020 kein Besoldungsgesetzgeber in der niedrigsten Besoldung eine Alimentation oberhalb des Grundsicherungsniveaus gewährt haben dürfte. Von daher sollte für das Jahr 2020 von einer eklatanten Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen Rechtskreisen auszugehen sein. Als Ergebnis dürfte in allen Rechtskreisen hinsichtlich der Grundgehaltssätze dasselbe Fazit zu treffen sein, wie es das Bundesverfassungsgericht für Berlin im Zeitraum von 2009 bis 2015 gefällt hat:

"Bei der Festlegung der Grundgehaltssätze wurde die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Richters oder Staatsanwalts für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die von Richtern und Staatsanwälten geforderte Ausbildung, ihre Verantwortung und ihre Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt. [Rn. 99] [...] Die Gesamtbetrachtung der Parameter auf der ersten Prüfungsstufe begründet somit die Vermutung, dass im Land Berlin die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 das Mindestmaß amtsangemessener Alimentation unterschritten haben (vgl. Rn. 148 ff.). Die Gesamtabwägung unter Einbeziehung weiterer alimentationsrechtlicher Determinanten bestätigt diese Vermutung (vgl. Rn. 154 ff.). [Rn. 160] In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in Berlin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr amtsangemessen war. [Rn. 176]"

Auch daran zeigt sich, dass davon auszugehen ist, dass als Folge der aktuellen Rechtsprechung in allen Rechtskreisen zunächst einmal die Grundgehaltssätze zu erhöhen wären, da 2020 ausnahmslos von einer eklatanten Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen Rechtskreisen auszugehen ist, die eine Alimentation noch unterhalb des Grundsicherungsniveaus darstellt. Für einen solchen Fall hebt das Bundesverfassungsgericht hervor:

"Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots betrifft aber insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander in Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen. " (Rn. 48)

Daneben steht es dem Gesetzgeber frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags, sofern der Beamte oder Richter nicht von den regionalen Höchstwerten im Besoldungsrechtskreis betroffen ist. Die tatsächlichen Bedarfe wären von daher im Gesetzgebungsverfahren zunächst einmal entsprechend zu konkretisieren, was den Gesetzgeber aber gleichfalls nicht davon entheben sollte, die verletzte Besoldungsordnung A zu heilen, indem er zu einer substanziellen Anpassung der Grundgehaltssätze voranschreitet.

Entsprechend ist auch diese Aussage sachlich falsch, Bundesjogi:

Dann schauen wir doch mal, ob die Verfassungsrichter sich am Ende wirklich trauen, den politischen Entscheidungsträgern vorzuschreiben wie sie den öffentlichen Dienst aufzustellen haben.

Der Gesetzgeber verfügt weiterhin über einen weiten Entscheidungsspielraum, wie er die ihn treffende Gestaltungsperspektive erfüllt - er muss seine Entscheidungen nur sachgerecht begründen, um seinen Pflichten nachzukommen, wie sie nun einmal verfassungsrechtlich gegeben sind.

@ iceshield1234

Zunächst einmal sind die Tarifverhandlungen von der Besoldungsgesetzgebung zu trennen, da das eine mit dem anderen verfassungsrechtlich nichts zu tun hat. Jedoch haben Bundestag und Bundesregierung 2021 eingestanden, dass das derzeitige Besoldungsgesetz verfassungswidrig ist. Sobald der Gesetzgeber das Tarifergebnis auf seine Beamten übertragen will - er hat bislang keinen Zweifel daran gelassen, dass er das will -, muss er das gesetzlich vollziehen. Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden. Er ist also verfassungsrechtlich dazu gezwungen, spätestens dann zu einer verfassungskonformen Gesetzgebung zurückzukehren. Da der derzeitige Gesetzentwurf, der nach eigenem Bekunden das Ziel verfolgt, einen wieder verfassungskonformen Zustand herzustellen, weiterhin wissentlich und willentlich verfassungswidrig gestaltet ist, dürfte es wahrscheinlich sein, dass die geäußerte Zielsetzung bis auf Weiteres nichts mit dem tatsächlichen Handeln zu tun hat.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4867 am: 19.02.2023 09:10 »
Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden.

Wie ist es dann zu erklären, dass die Regierungsparteien in Hessen ein BesG verabschieden wollen, das nach eigener Bekundung der Regierungsparteien nicht verfassungsgemäß ist.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4868 am: 19.02.2023 10:07 »
Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden.

Wie ist es dann zu erklären, dass die Regierungsparteien in Hessen ein BesG verabschieden wollen, das nach eigener Bekundung der Regierungsparteien nicht verfassungsgemäß ist.

Höchstwahrscheinlich werden sie denselben Weg gegangen sein wie der Bund, nämlich erklären, dass das Gesetz nicht verfassungskonform ist, dass aber in absehbarer Zeit ein Gesetz verabschiedet werden soll, dass verfassungskonform sei und dass bis dahin kein Widerspruch eingelegt werden müsste, weil rechtsverbindlich erklärt werde, dass bis dahin keine Ansprüche verloren gehen würden.

Ein solches Vorgehen dürfte verfassungsrechtlich reichlich zweifelhaft sein - dem Bundespräsidenten dürften jene Bekundungen im Sommer 2021 ausgereicht haben, das aktuelle Bundesbesoldungsgesetz in dem beschriebenen Rahmen für ausfertigungsfähig zu begreifen. Es wird sich nach Verabschiedung des aktuellen Entwurfs oder seiner Veränderung zeigen, ob er das dann erneut so sehen wird. Denn da der Gesetzgeber derzeit - anders als 2021 - den Anspruch hat, mit dem aktuellen Gesetzentwurf zu einer verfassungskonformen Gesetzgebung zurückzukehren, kann die letztmalige Begründung nicht mehr herangezogen werden.

Sofern gegen das mittlerweile verabschiedete hessische Gesetz geklagt werden wird, dürfte sich die Judikative auch mit dem m.E. sachlich verwegenem Argument auseinandersetzen, dass eine gezielt verfasssungswidrige Gesetzgebung mit dem bekundeten Ziel vollzogen worden ist, sie zukünftig zu überwinden. Ich gehe weiterhin davon aus, dass eine solche Gesetzgebung verfassungsrechtlich nicht gestattet ist. Es wird sich zukünftig zeigen, wie das das Bundesverfassungsgericht sehen wird. Denn letztlich wäre es auch dem hessischen Gestzgeber problemlos möglich gewesen, ein verfassungskonformes Gesetz zu verabschieden.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4869 am: 19.02.2023 13:17 »
@ Swen

Danke für die ausführliche Abhandlung zu meiner gestrigen Frage. Ich bin gespannt wie ein finalisierter Referentenentwurf nach Abschluss der Tarifverhandlungen aussehen wird.

Wie wahrscheinlich ist es, dass ein weiterhin offensichtliches verfassungswidriges Gesetz im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gekippt wird?

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4870 am: 19.02.2023 13:23 »
Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden.

Wie ist es dann zu erklären, dass die Regierungsparteien in Hessen ein BesG verabschieden wollen, das nach eigener Bekundung der Regierungsparteien nicht verfassungsgemäß ist.

Ich finde es sehr erschreckend wenn in Kenntnis der Tatsache das das Gesetz nicht verfassungskonform ist, dieses durch den Gesetzgeber verabschiedet werden soll. Ein solcher vorsätzlicher Verstoss gegen die Verfassung durch den Gesetzgeber setzt der hier schon zitierten Verfassungskrise die Krone auf.

Unknown

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4871 am: 19.02.2023 13:32 »
Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden.

Wie ist es dann zu erklären, dass die Regierungsparteien in Hessen ein BesG verabschieden wollen, das nach eigener Bekundung der Regierungsparteien nicht verfassungsgemäß ist.

Ich finde es sehr erschreckend wenn in Kenntnis der Tatsache das das Gesetz nicht verfassungskonform ist, dieses durch den Gesetzgeber verabschiedet werden soll. Ein solcher vorsätzlicher Verstoss gegen die Verfassung durch den Gesetzgeber setzt der hier schon zitierten Verfassungskrise die Krone auf.
Trotzdem würde ich mich nicht drauf verlassen, dass der Bundespräsident den irgendwann kommenden Gesetzentwurf nicht unterschreiben wird. So tief wird dieser niemals in der Materie drin sein. Wem soll er glauben? Der Regierung oder irgendwelchen Dritten die nur auf mehr Geld aus sind?
Gibt es denn federführende Abgeordnete die man mit nervigen unbequemen Fragen löchern kann? Ich meine jetzt nicht die Abgeordnete des Wahlkreises sondern eher die aus den passenden Ausschüssen.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4872 am: 19.02.2023 14:33 »
Ach, Kollegen, das wird doch alles nichts mehr. Das Beamtensystem außer B-Besoldung nähert sich – wie alles im Leben – an sein Ende (sag ich mal kraft meiner Wassersuppe und kraft der Finanzanforderungen an den Bund).

 Zukünftige Einstellungsverhandlungen stelle ich mir (dystopisch) so vor:

Haben Sie Kinder, am besten 2 oder mehr?
Trägt ihr Partner/Ihre Partnerin zum Familieneinkommen bei?
Haben Sie Wohneigentum, abgezahlt, geerbt, zahlen Sie Miete?
Haben Sie fachliche Ahnung von den Anforderungen, die wir an Sie stellen? Nein? Macht nichts.

Ja, sehr sarkastisch.

PS zu AEZ: Im Großraum München habe ich etliche Kollegen, deren Eltern schlau waren und beim BMW oder beim Bayerischen Rundfunk gearbeitet haben, und ein schickes Einfamilienhaus vererbt haben. Die Kollegen sind jetzt auf dem Papier Millionäre 😊

Tagelöhner

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4873 am: 19.02.2023 15:42 »
Eigentlich ist eine verfassungsgemäße Alimentation einfach umzusetzen. Staatsquote auf ein gesundes Level zurückfahren (siehe andere Länder dieser Welt), Beamtenverhältnisse nur noch in staatlichen Kernaufgabenbereichen und bei Personen durchführen, die charakterlich für das besondere Dienst- und Treueverhältnis geeignet sind. Diese dann deutlich geringere Anzahl von Beamten (die den Status auch tatsächlich zu Recht bekommen haben) ordentlich und angemessen alimentieren. Fertig.

Problematisch ist es doch nur, weil der Öffentliche Dienst im Allgemeinen zu stark personell aufgebläht wurde, als Auffangbecken für Flüchtlinge aus der Privatwirtschaft herhalten muss und das Beamtenverhältnis ungeachtet der charakterlichen Eignung und der tatsächlichen Aufgaben zur Attraktivitätssteigerung einer Beschäftigung im Öffentlichen Dienst in weiten Teilen zweckentfremdet wird.

Haushaltshilfe

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #4874 am: 19.02.2023 16:05 »
Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden.

Wie ist es dann zu erklären, dass die Regierungsparteien in Hessen ein BesG verabschieden wollen, das nach eigener Bekundung der Regierungsparteien nicht verfassungsgemäß ist.

Ich finde es sehr erschreckend wenn in Kenntnis der Tatsache das das Gesetz nicht verfassungskonform ist, dieses durch den Gesetzgeber verabschiedet werden soll. Ein solcher vorsätzlicher Verstoss gegen die Verfassung durch den Gesetzgeber setzt der hier schon zitierten Verfassungskrise die Krone auf.
Trotzdem würde ich mich nicht drauf verlassen, dass der Bundespräsident den irgendwann kommenden Gesetzentwurf nicht unterschreiben wird. So tief wird dieser niemals in der Materie drin sein. Wem soll er glauben? Der Regierung oder irgendwelchen Dritten die nur auf mehr Geld aus sind?
Gibt es denn federführende Abgeordnete die man mit nervigen unbequemen Fragen löchern kann? Ich meine jetzt nicht die Abgeordnete des Wahlkreises sondern eher die aus den passenden Ausschüssen.

Meiner Ansicht nach müssten die Mitglieder des Innenausschusses die richtigen Ansprechpartner sein.

https://www.abgeordnetenwatch.de/