Liest man das erste Kapitel des Koalitionsvertrags zum Thema "Moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovation", dürfte man zu dem Schluss kommen, dass die Koalitionäre den öffentlichen Dienst in Siebenmeilenstiefeln reformieren wollten, was konkret bedeuten müsste, dass er personell deutlich aufgestockt werden müsste, um all die neuen und zu beschleunigenden Aufgaben tatsächlich auch entsprechend wie gewünscht leisten zu können. Da sich aber auch der öffentliche Dienst in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels in sich allenthalben verschärfender Konkurrenz zu den anderen gesellschaftlichen Akteuren befindet, dürfte die Nachwuchsrekrutierung nur durch eine deutliche Attraktivitätssteigerung der Arbeitsbedingungen von Erfolg gekrönt sein. Was ihnen hierzu einfällt, wird auf der Seite 9 festgehalten:
"Die Modernisierung des Staates gelingt nur mit einem starken Öffentlichen Dienst. Diesen werden wir
attraktiver gestalten. Der Staat muss bei Vielfalt, Gleichstellung und flexiblen sowie digitalen
Arbeitsbedingungen Vorbild sein. Wir fördern und vereinfachen den Personalaustausch und die
Rotation zwischen verschiedenen Behörden, zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Verwaltung
und Privatwirtschaft. Die Einstellungsvoraussetzungen flexibilisieren wir in Richtung praktischer
Berufserfahrungen und stärken das Instrument des Altersgeldes. Die Digitalisierung wird zu einem
allgemeinen und behördenübergreifenden Kernbestandteil der Ausbildung. Um die Integrität des
Öffentlichen Dienstes sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als
bisher aus dem Dienst entfernt werden können."
Nun war im Hinblick auf die Erfahrungen des vergangenen Jahres nur bedingt zu erwarten, dass man sich von politischer Seite an die Zusage erinnerte - mit der sich nicht zuletzt die FDP hervorgetan hatte -, umgehend nach der Regierungsbildung für eine amtsangemessene und also verfassungskonforme Alimentation im Bund zu sorgen (es ist davon auszugehen, dass nun wieder die Union im Bund ihr Herz für Beamte entdecken wird). Wenn allerdings die Attraktivitätssteigerung zur Mitarbeitergewinnung und Motivation des Personals darin liegen sollte, die gesellschaftliche Diversität und Gleichstellung von Frauen und Männern stärker beachten zu wollen, dann ist das löblich, wird aber wohl eher nicht ausreichen, um die nötige Attraktivitätssteigerung im gewünschten Ausmaß zu erreichen. Denn flexiblere Arbeitsbedingungen - was auch immer das im einzelnen bedeuten sollte oder kann - und digitale Arbeitsbedingungen - was im Hinblick auf die digitale Steinzeit in den Behörden wohl bedeuten soll, dass das Faxgerät durch ein Modem ersetzt werden soll, dessen Pfeifgeräusche an wohligere Zeiten erinnert ("Bin ich da schon drin oder was?") - dürften die privaten Arbeitgeber für das betreffende Klientel, das die Arbeitgeber im Blick haben, wohl vielfach eher besser bedienen.
"Wir haben Lust auf Neues und werden technologische, digitale, soziale und nachhaltige
Innovationskraft befördern." (S. 8 des Vertrags) Befördern kann man auf jeden Fall viel, sicherlich entdeckt die SPD nun recht schnell den Förderkorb als traditionelle sozialdemokratsche Fördermaßnahme wieder, um so unter dem Applaus der beiden anderen Partner dem öffentlichen Dienst den nächsten Korb zu geben.