Welchen Besoldungsgesetzgeber hat die Kritik in der Vergangenheit gejuckt? Es wurde immer zur Kenntnis genommen und dann eiskalt durchgezogen. Wird hier ähnlich passieren.
Ich sehe das hinsichtlich des bisherigen und bislang weiterhin vollzogenen Handelns der Gesetzgeber genauso wie Du, Bastel. Allerdings haben sich die prozeduralen Fundamente, auf denen jene zweite Säule des Alimentationsprinzips beruhen, seit 2018 deutlich geändert. In seiner maßgeblichen Entscheidung zum Streikverbot von Beamten vom 12.06.2018 - 2 BvR 1738/12 - hat das Bundesverfassungsgericht weitergehende Beteiligungsrechte der Spitzenorganisationen, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Vorlage vorgeschlagen hatte, zurückgewiesen und sie in der heutigen Form als ausreichend betrachtet, und zwar in explizitem Zusammenhang mit dem Alimentationsprinzip:
Der Gesetzgeber habe "Regelungen geschaffen, die zu einer Kompensation der Beschränkung von Art. 9 Abs. 3 GG bei Beamtinnen und Beamten beitragen sollen. So räumen die erwähnten Vorschriften der § 118 BBG und § 53 BeamtStG sowie die Beamtengesetze der Länder den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften zwar keine Mitentscheidung, wohl aber Beteiligungsrechte bei der Vorbereitung gesetzlicher Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse ein. Nach der Gesetzesbegründung ist diese Beteiligung jedenfalls auch als Ausgleich für das Streikverbot geschaffen worden (vgl. BTDrucks 16/4027, S. 35). Ein weiteres Element der Kompensation ergibt sich aus dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, das dem einzelnen Beamten das grundrechtsgleiche Recht einräumt, die Erfüllung der dem Staat obliegenden Alimentationsverpflichtung zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen und erforderlichenfalls auf dem Rechtsweg durchzusetzen. Bei diesem wechselseitigen System von aufeinander bezogenen Rechten und Pflichten zeitigen Ausweitungen oder Beschränkungen auf der einen in der Regel auch Veränderungen auf der anderen Seite des Beamtenverhältnisses. Ein 'Rosinenpicken' lässt das Beamtenverhältnis nicht zu (vgl. auch BVerfGE 130, 263 <298>). Dieser rechtstatsächliche Befund wird mit dem schlichten Verweis auf wegen des Streikrechts notwendig werdende Änderungen der bisherigen Regelungen zur Ausgestaltung von Rechten und Pflichten der Beamten (vgl. Schröder, AuR 2013, S. 280 <284>) nicht entkräftet. Vielmehr löste ein Streikrecht (für bestimmte Beamtengruppen) eine Kettenreaktion in Bezug auf die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses aus und zöge wesentliche beamtenrechtliche Grundsätze und damit zusammenhängende Institute in Mitleidenschaft (vgl. Isensee, Beamtenstreik, 1971, S. 57 f.)." (ebd., Rn. 158; vgl. zur Zurückweisung der Vorschläage des Bundesverwaltungsgerichts ebd., Rn. 162)
Das Ergebnis konnte damals aus gewerkschaftlicher Sicht nur als enttäuschend wahrgenommen werden: "In Deutschland wird, soweit es um die Repräsentation von Beamtinnen und Beamten geht, den Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften kein Streikrecht, sondern ein Beteiligungsrecht bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse eingeräumt (vgl. § 118 BBG und § 53 BeamtStG sowie die Regelungen der Landesbeamtengesetze). Auch wenn dieses Verfahren nicht die einem Arbeitskampf immanente Drucksituation aufbaut und angesichts der fehlenden Tarifbindung auch nicht aufbauen kann, ermöglicht es den Gewerkschaften im Sinne einer Kompensations- oder Ausgleichsmaßnahme, mit ihrer Stimme gehört zu werden. " (Rn. 175)
Denn bislang bedeutete, "gehört zu werden", insbesondere auch und gerade nach 2020, vielfach fadenscheinig zurückgewiesen zu werden.
Die Situation hat sich nun aber mit der Entscheidung vom 24.01.2023 - 2 BvF 2/18 - grundlegend verändert oder sie ist - vorsichtiger formuliert - offensichtlich präzisiert worden, wenn ich das richtig sehe. Denn wie am 25.01. i.V.m. den Darlegungen vom 27.01. auf der Seite der Landesbeamten dargestellt (
https://forum.oeffentlicher-dienst.info/index.php/topic,114363.4215.html), hat es mit jener Entscheidung die prozeduralen Pflichten des Gesetzgebers offensichtlich ebenfalls für die Besoldungsgesetzgebung weiter präzisiert und dabei in aller Deutlichkeit die Pflicht der konkreten Gesetzesbegründung hervorgehoben - "konkret" dürfte dabei, wenn ich das richtig sehe, auch bedeuten, dass sich der Gesetzgeber nun mit sachlicher Kritik auseinandezusetzen hat, wenn sie im Zuge des Beteiligungsverfahrens eingebracht wird. Denn eine nachträgliche Zurückweisung der Kritik ist dem Gesetzgeber als Folge der Entscheidung nicht (mehr) möglich. Sofern also sachgerechte Kritik nicht hinreichend sachlich zurückgewiesen wurde oder wird, dürfte das je nach dem sachlichen Gewicht der Kritik als eine prozedurale Verfehlung der Begründungspflicht verstanden werden, denke ich. Sofern das Bundesverfassungsgericht dieser Konsequenz aus der genannten Entscheidung folgt, muss den Gesetzgeber die Kritik jucken, was ein deutliche sachliche Aufwertung des Beteiligungsverfahrens bedeuten würde, die wiederum konsequent wäre oder ist, da die Beteiligungsrechte der Gewerkschaften durch das Streikverbot weiterhin auf einen beschränkten Raum verwiesen werden. Meines Erachtens wäre das ein schlüssiges Ergebnis im Zuge der Herstellung praktischer Konkordanz.
In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung wiederholt auf die nicht hinreichend beachtete sachliche Kritik aus der Opposition, aber auch von Sachverständigen hingewiesen; und das dürfte in Besoldungsgesetzgebungsverfahren hinsichtlich der Beteiligung der Spitzenorganisationen kaum anders zu sehen sein:
"Auch im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist eine Konkretisierung des durch die veränderten Verhältnisse hervorgerufenen Finanzbedarfs nicht erfolgt, obwohl Abgeordnete der damaligen Oppositionsfraktionen und Sachverständige in der Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat auf diesen Mangel hingewiesen haben. Der pauschale Hinweis eines Abgeordneten der damaligen Koalitionsfraktionen in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs auf die kostenintensive Unterhaltung sowohl von klassischen als auch von neuen Medien (vgl. BT-Plenarprotokoll 19/37, S. 3565) führt insoweit nicht weiter. Das Gleiche gilt, soweit zwei Sachverständige in der Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat allgemein einen erhöhten Kostenaufwand betont haben.
Es wäre Sache des Gesetzgebers gewesen, zumindest die Größenordnung des zusätzlichen Finanzbedarfs darzulegen, der sich bei der Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes aufgrund der Digitalisierung und der innerparteilichen Partizipationserwartungen ergibt. Nur dadurch kann nachvollzogen werden, ob der Gesetzgeber bei der Erhöhung der absoluten Obergrenze staatlicher Parteienfinanzierung die verfassungsrechtlich gebotene Staatsfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG beachtet hat." ebd., Rn. 153 f.)
Insofern dürfte es interessant werden, ob und wie weit das Bundesverfassungsgericht in der anstehenden Entscheidung die prozduralen Pflichten des Besoldungsgesetzgebers erneut in den Blick nehmen wird.