Gern geschehen - wenn ich es richtig sehe, wird das Bundesverfassungsgericht genau diese Signalwirkung beabsichtigen, weshalb die für 2022 hinsichtlich der bremischen Besoldung angekündigte Entscheidung 2023 gezielt um die zur niedersächsischen und schleswig-holsteinischen erweitert worden ist. Es ist m.E. davon auszugehen, dass insbesondere auf den niedersächsischen Gesetzgeber ein - mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den ersten Blick nicht sogleich erkennbarer, aber aus der Entscheidungsbegründung deutlich herauszulesender - starker Druck ausgeübt werden wird, zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Denn anders als der Bund darf der niedersächsische Gesetzgeber genauso wie der sächsische und Berliner Gesetzgeber damit rechnen, dass ihnen die Vollstreckungsanordnung ins Haus stehen wird, wenn er nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist für eine wieder amtsangemessene Alimentation sorgen wird. Darin dürfte der tiefere Grund liegen, wieso das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich Niedersachsen nur die Jahr 2005 bis 2012 sowie 2014 bis 2016 betrachten wird, jedoch das Jahr 2013 ausklammert. Denn wenn der Niedersächische Landtag im Anschluss an die anstehende Entscheidung so weitermachen wollte als wie zuvor, dann dürfte die weiterhin anhängige Entscheidung zur Besoldung im Jahr 2013 mit einer Vollstreckungsanordnung einhergehen und darüber hinaus nicht mehr allzu lang auf sich warten lassen.
Es wäre mehr als erstaunlich, wenn das Bundesverfassungsgericht mit der anstehenden Entscheidung nicht gehörigen Druck auf die unmittelbar betroffenen drei Besoldungsgesetzgeber ausüben würde (und es wäre genauso erstaunlich, wenn es das nicht ruhig und sachlich vollziehen würde, die Daumenschrauben aber weiter anziehend). Denn erstens ist man in Karlsruhe zurecht davon überzeugt, dass der zunehmende Qualitätsverlust der Öffentlichen Verwaltung aufgehalten werden muss, wenn die staatlichen Gewalten die krisenhafte Zeit, die morgen nicht enden wird, bewältigen sollen. Zweitens kann es sich nicht zuletzt in Anbetrach dessen, dass überall auf der Welt die Verfassungsgerichtsbarkeit unter Druck steht, nicht leisten, dass seine Rechtsprechung von den anderen Gewalten nicht respektiert wird. Sofern es ihm nicht gelänge, dass die (Besoldungs-)Gesetzgeber sich wieder auf den Boden des Grundgesetzes zurückfänden, wäre damit ein langfristiger Autoritätsverlust verbunden, der die Stellung des Bundesverfassungsgericht nicht nur in der Deutschland (mit) unterminieren könnte, sondern der die nicht geringe Bedeutung und den nicht minder hohen Respekt, die das Bundesverfassungsgericht beide in der streitbaren Familie der europäischen Gerichtsbarkeit genießt, kaum vergrößern dürfte. Auch das kann und ist nicht in seinem Interesse.
Sobald der erste Rechtskreis aus dem Konzert des orchestrierten Verfassungsbruchs ausschert, wird der Konkurrenzföderalismus mit dazu beitragen, dass sich die Musik ändert. In Anbetracht dessen, dass in den nächsten gut zehn Jahren allein im Bund rund 40 % der Belegschaft ersetzt werden muss, darf man Gift darauf nehmen, dass sich alle 17 Besoldungsgesetzgeber immer weniger darin einig sein werden, ihr Konzert gleichförmig fortzusetzen. Der Trompeter aus Bayern hat ja als Allrounder bereits unlängst angekündigt, dass er als Berufsmusiker auch in der Nachwuchsgewinnung die erste Geige spielen möchte und also kräftig auf die Pauke gehauen. Das sehen andere Konzermeister bestimmt gar nicht gerne, die also jetzt noch ganz Kkontrabass waren ob des FaGotts, ihm aber sicherlich zukünftig gerne eine kleine Gutenachtmusik spielen mögen. Der dbb stellt sich auch deshalb so deutlich auf die Hinterbeine, weil die Zeiten für Beschäftigte gesamtgesellschaftlich kaum schlechter werden dürften, für die Dienstherrn aber nicht besser. Marktmacht gibt es ebenso im Öffenlichen Dienst, auch wenn man das vonseiten der Dienstherrn gerne noch länger ignorieren wollte.
Die Landesregierungen und Parlamente können sich von daher hinsichtlich des gewünschten Deutschlandtempo weiterhin an der DB orientieren, werden aber dabei schwieriger als in der Vergangenheit am dbb vorbeikommen, was auch am maroden Schienennetz liegt, das den ganzen Öffentlichen Dienst durchzieht. Wenn die hohe Politik so weitermacht als wie zuvor entpuppt sich ihr gewünschtes Deutschlandtempo als das, was es womöglich schon jetzt ist: ein Einmaltaschentuch, das man nicht allzu oft zum Kapitulationsschwenk (oder entsprechenden Schwank) verwenden kann.