Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3995508 times)

Bundi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5580 am: 18.04.2023 08:59 »
Was mich erstaunt: Warum ist kein Verfahren für die Bundesbeamten beim BVerfG anhängig?

Der Bund war mal unter den Bestbesoldern. Viele Bundesbehörden sind groß und haben Stellenkegel, die das Beamtendasein, nicht nur im höheren Dienst, relativ attraktiv gemacht haben. Dazu kommt die demografische Struktur. Die (vielen) älteren Kollegen sind eben nicht  so sehr von der Immobilienblase betroffen.

In Summe gibt es womöglich keine einzige Klage auf Bundesebene. Aber ich versichere dir, dass ich klagewillig bin. Bald kommt ja der Punkt, an dem ein verfassungswidriges Anpassungsgesetz verabschiedet wird und die Widersprüche anschließend negativ beschieden werden, was den Klageweg eröffnet. Irgendwann reicht es einfach. Ich hoffe, ich bin nicht der einzige Bundesbeamte, der diesen Weg gehen wird.

Stimme dir zu Emdy.
Darüber hinaus, so meine Wahrnehmung, ist diese komplexe und in Folge dessen sehr anspruchsvolle Thematik in weiten Teilen des Bundes, zumindestens in unserem Geschäftsbereich BMVg, nicht sehr verbreitet. Von Seiten der Interessenverbände war lange Zeit nicht viel bis gar nichts zu hören. Auch habe ich den Eindruck gewonnen, das der Organisationsgrad im Laufe der Jahre zunehmend abgenommen hat und nicht sehr hoch ist. Das mag im Ministerium und einigen der grossen Behörden anders sein, aber in der Breite habe ich diesen Eindruck gewonnen.
Obwohl im Personalrat tätig gewesen, habe ich auch nur durch Zufall von der Thematik hier erfahren und versuche nunmehr Kollegen zu sensibilisieren. Der Erfolg ist aber sehr überschaubar. Vielleicht sind viele einfach zu satt oder scheuen selbst den Widerspruch. An dieser Stelle nochmal mein ausdrücklicher Dank an Leute wie Swen, um nur einen von vielen exemplarisch zu nennen, die mit unermüdlichem Einsatz die Thematik für uns "Laien" nachvollziehbar darzustellen bemüht sind.
Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sich viele Kollegen einfach nicht vorstellen konnten und können, dass der Besoldungsgesetzgeber so abgebrüht ist und seine Bediensteten jahrelang dem Grunde nach betrogen hat.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5581 am: 18.04.2023 09:32 »
Gibt mittlerweile genug Vorlagen vom tbb, Berlin und Co. Kosten sind 483 Euro Brutto, netto weniger da Werbungskosten.

Rechtsschutzversicherung bringt da überhaupt nichts, da sowieso zig Jahre später das BVerfG entscheiden muss... => Bestandskraft muss verhindert werden, das geht auch ohne Anwalt.

Wie man in Niedersachsen sieht kann das auch fast 20 Jahre später sein... da kommt einiges an möglichen Nachzahlungen zusammen..... 

In vielen Verträgen ist das Verwaltungsrecht übrigens überhaupt nicht abgesichert.

Die Kosten für das Verwaltungsgericht wäre ich durchaus bereit selbst zu tragen, da laut TBB in der ersten Instanz keine Anwaltspflicht besteht und sich die Gebühren auf max. 1000 EUR summieren sollen. Aber ab der zweiten Instanz halte ich für mich eine Kostendeckungszusage durch die Rechtschutzversicherung für unausweichlich.

Ich dem Zusammenhang habe ich mal einen flüchtigen Blick in die für mich zutreffenden ARB´s geworfen. Demnach sind u.a. folgende Leistungsarten durch die RV versichert:

1) Arbeits-RV

für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen hinsichtlich dienst- und versorgungsrechtlicher Ansprüche.

2) Verwaltungs-RV (außerhalb des Verkehrsbereichs)

a) für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen als Arbeitnehmer vor Verwaltungsgerichten der BRD;
b) für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen als Arbeitnehmer für das dem Gerichtsverfahren vorgeschaltete Widerspruchsverfahren.

Ich bin kein Jurist, aber ich hoffe, dass das so passt. Oder was meint ihr dazu?

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5582 am: 18.04.2023 09:39 »
Was mich erstaunt: Warum ist kein Verfahren für die Bundesbeamten beim BVerfG anhängig?

Der Bund war mal unter den Bestbesoldern. Viele Bundesbehörden sind groß und haben Stellenkegel, die das Beamtendasein, nicht nur im höheren Dienst, relativ attraktiv gemacht haben. Dazu kommt die demografische Struktur. Die (vielen) älteren Kollegen sind eben nicht  so sehr von der Immobilienblase betroffen.

In Summe gibt es womöglich keine einzige Klage auf Bundesebene. Aber ich versichere dir, dass ich klagewillig bin. Bald kommt ja der Punkt, an dem ein verfassungswidriges Anpassungsgesetz verabschiedet wird und die Widersprüche anschließend negativ beschieden werden, was den Klageweg eröffnet. Irgendwann reicht es einfach. Ich hoffe, ich bin nicht der einzige Bundesbeamte, der diesen Weg gehen wird.

Dem Stiime ich zu. Wenn mein Widerspruch negativ beschieden wird, wird der weitere Rechtsweg beschritten. Es gibt nur eine Einschränkung meinerseits: Die Rechtsschutzversicherung muss die kosten übernehmen.

Gibt mittlerweile genug Vorlagen vom tbb, Berlin und Co. Kosten sind 483 Euro Brutto, netto weniger da Werbungskosten.

Rechtsschutzversicherung bringt da überhaupt nichts, da sowieso zig Jahre später das BVerfG entscheiden muss... => Bestandskraft muss verhindert werden, das geht auch ohne Anwalt.

Wie man in Niedersachsen sieht kann das auch fast 20 Jahre später sein... da kommt einiges an möglichen Nachzahlungen zusammen..... 

In vielen Verträgen ist das Verwaltungsrecht übrigens überhaupt nicht abgesichert.

Zum Thema Rechtsschutzversicherung möchte ich noch ergänzen, dass viele Rechtsschutzversicherungen nach der ersten Klage den Vertrag kündigen und man dann ohne Rechtsschutz dasteht. Bei der Suche nach einer neuen Rechtsschutzversicherung wird man immer gefragt, ob man durch die Rechtsschutzversicherung gekündigt wurde, oder ob man selbst gekündigt hat. Bei einer Kündigung durch die Rechtsschutzversicherung nimmt dich in der Regel 5 Jahre lang keine andere Versicherung. Deshalb ist es besser selbst zu kündigen, sobald man die Rechtsschutzversicherung in Anspruch genommen hat. Dann hat man weniger Probleme bei einer anderen Versicherung einen neuen Vertrag zu bekommen.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5583 am: 18.04.2023 09:46 »
Zum Thema Rechtsschutzversicherung möchte ich noch ergänzen, dass viele Rechtsschutzversicherungen nach der ersten Klage den Vertrag kündigen und man dann ohne Rechtsschutz dasteht. Bei der Suche nach einer neuen Rechtsschutzversicherung wird man immer gefragt, ob man durch die Rechtsschutzversicherung gekündigt wurde, oder ob man selbst gekündigt hat. Bei einer Kündigung durch die Rechtsschutzversicherung nimmt dich in der Regel 5 Jahre lang keine andere Versicherung. Deshalb ist es besser selbst zu kündigen, sobald man die Rechtsschutzversicherung in Anspruch genommen hat. Dann hat man weniger Probleme bei einer anderen Versicherung einen neuen Vertrag zu bekommen.

Zumindest bisher hatte ich keine Probleme damit. Zweimal konnte ich meine rechtlichen Interessen mit Hilfe der RV erfolgreich durchsetzen ohne das der Vertrag seitens der RV gekündigt wurde.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5584 am: 18.04.2023 09:58 »
Soviel ich weiß, muss die nicht obsiegende Partei sämtliche Prozesskosten tragen, auch die Kosten des gegnerischen Rechtsanwalts. In dem Fall halte ich persönlich das Prozessrisiko für gering und die Chancen für hoch.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5585 am: 18.04.2023 10:03 »
Gern geschehen, Bundi. Deine Erfahrungen decken sich mit meinen und vielen anderen, die hier in den letzten fast drei Jahre darüber geschrieben haben. Ein großer Teil der Kolleginnen und Kollegen konnte sich bislang tatsächlich nicht vorstellen, dass das sich in den letzten Jahren zunehmend mehr offenbarende Ausmaß der über alle Rechtskreise sich erstreckenden eklatanten Unteralimentation gegeben sein sollte. Dadurch, dass das Thema im Verlauf des letzten Jahres auch zunehmend von Gewerkschaften und Verbänden thematisiert worden ist, hat sich das zumindest ein wenig geändert - vielleicht wird die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die auf ein anderes mediales Echo stoßen wird als die letzte, ebenfalls noch stärker dazu beitragen. Die Karten werden so oder so nach der angekündigten Entscheidung neu gemischt werden.

@ PolareuD

Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist in keinem Rechtskreis mehr der Instanzenweg zu beschreiten, da die Rechtslage auf Grundlage insbesondere der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so eindeutig ist, dass die Verwaltungsgerichte zwangsläufig Vorlagebeschlüsse formulieren müssen, aus denen dann konkrete Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht resultieren. Der Instanzenweg über das Oberverwaltungs- und Bundesverwaltungsgericht wird nicht mehr zu beschreiten sein, wie nach der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Entscheidungen des VG Hamburg, des OVG Schleswig-Holstein und des VGH Hessen gezeigt haben, die jeweils Vorlagebeschlüsse gefasst haben. Nach der anstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte das vermutlich nur noch deutlicher werden. Die Sachlage sollte in allen Rechtskreisen so evident sachwidrig wie unzureichend sein, dass eine präzise Klagebegründung ihren Weg direkt nach Karlsruhe finden und dort zum Erfolg führen sollte. Auch das wird die Klagedauer weitgehend deutlich verkürzen.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5586 am: 18.04.2023 10:45 »
@ SwenTanortsch

vielen Dank für die Info.

Nur zum Versändnis: Das Verwaltungsgericht in erster Instanz erlässt einen Vorlagebeschluss an das BVerfG. Das BVerfG soll direkt in einem Normenkontrollverfahren das BBesG des Jahres X auf Verfassungskonformiät bzw- widrigkeit überprüfen. Nehmen wir mal an das betreffende BBesG wird in einem Beschluss für verfassungwidrig erklärt. Wie geht es dann in erster Instanz weiter?

@ lotsch

Wie die Kosten eines Verfahrens aufgeteilt werden geht aus dem Urteil hervor. Im meinem letzten Fall hatte der Beklagte 90% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die verbleibenden 10% wurde durch die RV reguliert. Der Kostenfaktor für die RV war also überschaubar.

Knarfe1000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5587 am: 18.04.2023 11:07 »
Frage an die Juristen: Wenn das BVerfG in einem Nomenkontrollverfahren die Verletzung des Alimentationsprinzips feststellt, was hätte dies unmittelbar für Folgen?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5588 am: 18.04.2023 15:42 »
@ PolareuD und Knarfe

Je nachdem, wie die Klage aufgebaut sein wird, wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausfallen. Ich gehe - hier stark verkürzt dargestellt - davon aus, dass eine entsprechende Klage vor dem angerufenen Verwaltungsgericht entsprechend so begründet werden sollte, dass sie den evident sachwidrigen Gehalt der im Klagezeitraum gewährten Nettoalimentation nachweist. Das sollte darüber hinaus mit dem Nachweis verbunden werden, dass die gewährte Besoldung im Klagezeitraum evident unzureichend gewesen ist, sodass das Verwaltungsgericht mit der Klagebegründung dahin gelenkt wird, dass es in seinem Vorlagebeschluss die Frage aufwirft, ob die Grundgehaltssätze der betrachteten Besoldungsgruppe(n) im Klagezeitraum mit Art. 33 Abs. 5 GG zu vereinbaren gewesen sind. Da das Mindestabstandsgebot auch im Bund in den letzten 15 Jahren als eklatant verletzt zu betrachten ist - die unteren Besoldungsgruppe(n) werden noch unterhalb des Grundsicherungsniveau alimentiert worden sein -, kann die Antwort des Bundesverfassungsgerichts in dem ihm so vorgelegten konkreten Normenkontrollverfahren nur lauten, dass die Grundgehaltssätze der betrachteten Besoldungsgruppen im Klagezeitraum nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG zu vereinbaren gewesen sind. In seiner Entscheidung wird es dann den Bundesgesetzgeber mit Gesetzeskraft dazu verpflichten, im Verlauf in etwa eines Jahres eine verfassungskonforme Regelung für den entschiedenen Klagezeitraum zu treffen.

Als Folge läge dann der Ball wieder im Spielfeld der Legislative. Es müsste sich dann zeigen, ob der Bund als Dienstherr mindestens für den Entscheidungszeitraum zu einer verfassungskonformen und also amtsangemessenen Alimentation zurückkehren wollte, oder ob er wie das Berliner Abgeordnetenhaus nach der Entscheidung 2 BvL 4/18 durch weiterhin evident sachwidrige und evident unzureichende gesetzliche Regelungen die mit Gesetzeskraft ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts trotz der ihn treffenden Bindungswirkung aus § 31 (1) BVerfGG ignorieren wollte. Sollte der Bundesgesetzgeber sie ignorieren wollen, ist davon auszugehen, dass in einem weiteren Normenkontrollverfahren eine ähnlich gelagerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anhand weiterer Vorlagebeschlüsse - sofern sie vorhanden sind - erfolgen würde. Spätestens sofern im Anschluss an dieser weiteren Entscheidung der Gesetzgeber weiterhin so handeln würde, dass dieses Handeln einer Untätigkeit gleichkäme, dürfte damit zu rechnen sein, dass dann in eiem weiteren Normenkontrollverfahren eine ebenfalls mit einem Datum versehene Aufforderung an den Bundesgesetzgeber erfolgte, zu Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren, die zugleich mit einer Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG an die Verwaltungsgerichtsbarkeit verbunden sein dürfte, dass diese nach Ablauf der Frist bei Feststellung einer fortbestehenden Unteralimentation mindestens für den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Klagezeitraum dazu befugt, Klägern Gehaltsbestandteile nach Maßgabe der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zuzusprechen.

Wie weit entfernt wir insgesamt - allerdings nicht hinsichtlich des Bunds - noch von einer solchen Vollstreckungsanordnung in einem Rechtskreis entfernt sind, die engeren betreffenden Kandidaten dürften nach der anstehenden Entscheidung neben Berlin und Niedersachsen ebenso mindestens Sachsen und Schleswig-Holstein sein, wird sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an der Entscheidungsbegründung in den für die nächste Zeit angekündigten Normenkontrollverfahren zur Besoldung in Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ablesen lassen. Nach jener Entscheidung werden wir in verschiedener Hinsicht deutlich klarer sehen, als das heute der Fall ist.

Nanum

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5589 am: 18.04.2023 15:53 »
Hallo,
herzlichen Dank für die substantiierte Erklärung!!!
Auch wenn sich das ganze im Lichte der Zeitschiene(n) eher wie ein Horrorthriller liest.

Knarfe1000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5590 am: 18.04.2023 17:53 »
@ PolareuD und Knarfe

Je nachdem, wie die Klage aufgebaut sein wird, wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausfallen. Ich gehe - hier stark verkürzt dargestellt - davon aus, dass eine entsprechende Klage vor dem angerufenen Verwaltungsgericht entsprechend so begründet werden sollte, dass sie den evident sachwidrigen Gehalt der im Klagezeitraum gewährten Nettoalimentation nachweist. Das sollte darüber hinaus mit dem Nachweis verbunden werden, dass die gewährte Besoldung im Klagezeitraum evident unzureichend gewesen ist, sodass das Verwaltungsgericht mit der Klagebegründung dahin gelenkt wird, dass es in seinem Vorlagebeschluss die Frage aufwirft, ob die Grundgehaltssätze der betrachteten Besoldungsgruppe(n) im Klagezeitraum mit Art. 33 Abs. 5 GG zu vereinbaren gewesen sind. Da das Mindestabstandsgebot auch im Bund in den letzten 15 Jahren als eklatant verletzt zu betrachten ist - die unteren Besoldungsgruppe(n) werden noch unterhalb des Grundsicherungsniveau alimentiert worden sein -, kann die Antwort des Bundesverfassungsgerichts in dem ihm so vorgelegten konkreten Normenkontrollverfahren nur lauten, dass die Grundgehaltssätze der betrachteten Besoldungsgruppen im Klagezeitraum nicht mit Art. 33 Abs. 5 GG zu vereinbaren gewesen sind. In seiner Entscheidung wird es dann den Bundesgesetzgeber mit Gesetzeskraft dazu verpflichten, im Verlauf in etwa eines Jahres eine verfassungskonforme Regelung für den entschiedenen Klagezeitraum zu treffen.

Als Folge läge dann der Ball wieder im Spielfeld der Legislative. Es müsste sich dann zeigen, ob der Bund als Dienstherr mindestens für den Entscheidungszeitraum zu einer verfassungskonformen und also amtsangemessenen Alimentation zurückkehren wollte, oder ob er wie das Berliner Abgeordnetenhaus nach der Entscheidung 2 BvL 4/18 durch weiterhin evident sachwidrige und evident unzureichende gesetzliche Regelungen die mit Gesetzeskraft ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts trotz der ihn treffenden Bindungswirkung aus § 31 (1) BVerfGG ignorieren wollte. Sollte der Bundesgesetzgeber sie ignorieren wollen, ist davon auszugehen, dass in einem weiteren Normenkontrollverfahren eine ähnlich gelagerte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts anhand weiterer Vorlagebeschlüsse - sofern sie vorhanden sind - erfolgen würde. Spätestens sofern im Anschluss an dieser weiteren Entscheidung der Gesetzgeber weiterhin so handeln würde, dass dieses Handeln einer Untätigkeit gleichkäme, dürfte damit zu rechnen sein, dass dann in eiem weiteren Normenkontrollverfahren eine ebenfalls mit einem Datum versehene Aufforderung an den Bundesgesetzgeber erfolgte, zu Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren, die zugleich mit einer Vollstreckungsanordnung nach § 35 BVerfGG an die Verwaltungsgerichtsbarkeit verbunden sein dürfte, dass diese nach Ablauf der Frist bei Feststellung einer fortbestehenden Unteralimentation mindestens für den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Klagezeitraum dazu befugt, Klägern Gehaltsbestandteile nach Maßgabe der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung zuzusprechen.

Wie weit entfernt wir insgesamt - allerdings nicht hinsichtlich des Bunds - noch von einer solchen Vollstreckungsanordnung in einem Rechtskreis entfernt sind, die engeren betreffenden Kandidaten dürften nach der anstehenden Entscheidung neben Berlin und Niedersachsen ebenso mindestens Sachsen und Schleswig-Holstein sein, wird sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an der Entscheidungsbegründung in den für die nächste Zeit angekündigten Normenkontrollverfahren zur Besoldung in Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ablesen lassen. Nach jener Entscheidung werden wir in verschiedener Hinsicht deutlich klarer sehen, als das heute der Fall ist.
Super Darstellung, Danke! Die demnächst anstehenden Entscheidungen haben also wirklich eine hohe Signalwirkung für den Bund und alle Länder, auch wenn die Klagen nur aus einigen Ländern zur Entscheidung kommen. Ist das so richtig?

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5591 am: 18.04.2023 19:06 »
Gern geschehen - wenn ich es richtig sehe, wird das Bundesverfassungsgericht genau diese Signalwirkung beabsichtigen, weshalb die für 2022 hinsichtlich der bremischen Besoldung angekündigte Entscheidung 2023 gezielt um die zur niedersächsischen und schleswig-holsteinischen erweitert worden ist. Es ist m.E. davon auszugehen, dass insbesondere auf den niedersächsischen Gesetzgeber ein - mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf den ersten Blick nicht sogleich erkennbarer, aber aus der Entscheidungsbegründung deutlich herauszulesender - starker Druck ausgeübt werden wird, zu einer amtsangemessenen Alimentation zurückzukehren. Denn anders als der Bund darf der niedersächsische Gesetzgeber genauso wie der sächsische und Berliner Gesetzgeber damit rechnen, dass ihnen die Vollstreckungsanordnung ins Haus stehen wird, wenn er nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist für eine wieder amtsangemessene Alimentation sorgen wird. Darin dürfte der tiefere Grund liegen, wieso das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich Niedersachsen nur die Jahr 2005 bis 2012 sowie 2014 bis 2016 betrachten wird, jedoch das Jahr 2013 ausklammert. Denn wenn der Niedersächische Landtag im Anschluss an die anstehende Entscheidung so weitermachen wollte als wie zuvor, dann dürfte die weiterhin anhängige Entscheidung zur Besoldung im Jahr 2013 mit einer Vollstreckungsanordnung einhergehen und darüber hinaus nicht mehr allzu lang auf sich warten lassen.

Es wäre mehr als erstaunlich, wenn das Bundesverfassungsgericht mit der anstehenden Entscheidung nicht gehörigen Druck auf die unmittelbar betroffenen drei Besoldungsgesetzgeber ausüben würde (und es wäre genauso erstaunlich, wenn es das nicht ruhig und sachlich vollziehen würde, die Daumenschrauben aber weiter anziehend). Denn erstens ist man in Karlsruhe zurecht davon überzeugt, dass der zunehmende Qualitätsverlust der Öffentlichen Verwaltung aufgehalten werden muss, wenn die staatlichen Gewalten die krisenhafte Zeit, die morgen nicht enden wird, bewältigen sollen. Zweitens kann es sich nicht zuletzt in Anbetrach dessen, dass überall auf der Welt die Verfassungsgerichtsbarkeit unter Druck steht, nicht leisten, dass seine Rechtsprechung von den anderen Gewalten nicht respektiert wird. Sofern es ihm nicht gelänge, dass die (Besoldungs-)Gesetzgeber sich wieder auf den Boden des Grundgesetzes zurückfänden, wäre damit ein langfristiger Autoritätsverlust verbunden, der die Stellung des Bundesverfassungsgericht nicht nur in der Deutschland (mit) unterminieren könnte, sondern der die nicht geringe Bedeutung und den nicht minder hohen Respekt, die das Bundesverfassungsgericht beide in der streitbaren Familie der europäischen Gerichtsbarkeit genießt, kaum vergrößern dürfte. Auch das kann und ist nicht in seinem Interesse.

Sobald der erste Rechtskreis aus dem Konzert des orchestrierten Verfassungsbruchs ausschert, wird der Konkurrenzföderalismus mit dazu beitragen, dass sich die Musik ändert. In Anbetracht dessen, dass in den nächsten gut zehn Jahren allein im Bund rund 40 % der Belegschaft ersetzt werden muss, darf man Gift darauf nehmen, dass sich alle 17 Besoldungsgesetzgeber immer weniger darin einig sein werden, ihr Konzert gleichförmig fortzusetzen. Der Trompeter aus Bayern hat ja als Allrounder bereits unlängst angekündigt, dass er als Berufsmusiker auch in der Nachwuchsgewinnung die erste Geige spielen möchte und also kräftig auf die Pauke gehauen. Das sehen andere Konzermeister bestimmt gar nicht gerne, die also jetzt noch ganz Kkontrabass waren ob des FaGotts, ihm aber sicherlich zukünftig gerne eine kleine Gutenachtmusik spielen mögen. Der dbb stellt sich auch deshalb so deutlich auf die Hinterbeine, weil die Zeiten für Beschäftigte gesamtgesellschaftlich kaum schlechter werden dürften, für die Dienstherrn aber nicht besser. Marktmacht gibt es ebenso im Öffenlichen Dienst, auch wenn man das vonseiten der Dienstherrn gerne noch länger ignorieren wollte.

Die Landesregierungen und Parlamente können sich von daher hinsichtlich des gewünschten Deutschlandtempo weiterhin an der DB orientieren, werden aber dabei schwieriger als in der Vergangenheit am dbb vorbeikommen, was auch am maroden Schienennetz liegt, das den ganzen Öffentlichen Dienst durchzieht. Wenn die hohe Politik so weitermacht als wie zuvor entpuppt sich ihr gewünschtes Deutschlandtempo als das, was es womöglich schon jetzt ist: ein Einmaltaschentuch, das man nicht allzu oft zum Kapitulationsschwenk (oder entsprechenden Schwank) verwenden kann.

Konkolos

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5592 am: 18.04.2023 19:16 »
Eine frage hätte ich hier zu. Bitte nehmt es mir nicht übel wenn ich das hier frage.

"Verfassungswidrige  Alimentation."

Bezieht Sie sich auch auf SAZ /Soldaten : Die nicht verbeamtet sind?

Seppo84

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5593 am: 19.04.2023 07:51 »
Eine frage hätte ich hier zu. Bitte nehmt es mir nicht übel wenn ich das hier frage.

"Verfassungswidrige  Alimentation."

Bezieht Sie sich auch auf SAZ /Soldaten : Die nicht verbeamtet sind?

ja, allerdings sind Berufssoldaten auch nicht verbeamtet. Hier geht es um die Besoldungsempfänger des Bundes. Also ja, SAZ sind auch davon betroffen.

Beamtenfisch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5594 am: 19.04.2023 12:01 »
Hallo in die Runde,

inzw. ist dieser Thread mit fast 380 Seiten ja ganz schön umfangreich. Ggf. ist meine nachfolgende Frage/Bitte daher schon mal beantwortet, allerdings habe ich es in der Fülle nicht gefunden.

Hier wird regelmäßig geraten, Widerspruch gegen die Bezüge einzulegen und dann nach Ablehnung entspr. Klage beim Verwaltungsgericht einzlegen. Allerdings gibt es doch - zumindest für den Bund - vom BMI das Schreiben vom 14.06.21, wonach Widersprüche ab 2021 nicht erforderlich sind, da der Bund gegenüber allen Besoldungs- und Versorgungsberechtigten des Bundes auf das Erfordernis einer haushaltsjahrnahen Geltendmachung wie auch auf die Erhebung der Einrede der Verjährung ab diesem Jahr verzichtet. Evtl. doch eingelegte Widersprüche sind ruhend zu stellen. Damit kommt man doch gar nicht erst in die Situation, Klage erheben zu können, da ein entspr. Widerspruchsbescheid fehlt. - Oder bin ich hier gerade im Irrtum?
Für die nächste Anpassung des Bundesbesoldungsgesetzes kann dies natürlich anders aussehen - es sei denn, es wird wieder so ein Schreiben verfasst.

« Last Edit: 19.04.2023 12:07 von Beamtenfisch »