Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2050517 times)

Ozymandias

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5715 am: 24.04.2023 14:07 »
Wenn der Tarifabschluss inkl. Einmalzahlungen auf Beamte übertragen wird, stellt sich mir folgende Frage:

Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass es sich um eine Zahlung handelt, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Wäre die Sonderzahlung damit im Rahmen der Berechnung der Mindestalimentation außer Acht zu lassen, da die Mindestalimentation "ohnehin geschuldet" wird?
Ich meine gelesen zu haben, dass Einmalzahlungen Teil der Alimentation sein können. Also wäre sie nicht außen vor.


Jede Form von Einmalzahlungen? Mir geht es explizit um die steuerfreien Einmalzahlungen, dessen expliziter Zweck es sein soll, sie On-Top zu gewähren. Allerdings unterscheidet sich ja nunmal das Prinzip des Entgeltes von der Alimentation, sodass ich vermute, dass du richtig liegst.

Zitat
Die Inflationsausgleichsprämie muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.

Das ist ein guter Einwand. Geschuldet wird die amtangemessene Alimentation. Damit die Inflationsausgleichsprämie steuerfrei ist, müsste sie eigentlich zusätzlich gewährt werden.

Vereinbart ist eine Nullrunde, daher ist diese zusätzlich.
Ob die amtsangemessene Alimentation allgemein erfüllt wird, ist weiterhin fraglich.

Die Inflationsausgleichsprämie hat man vermutlich sowieso gesetzlich kodifiziert um den öD über den Tisch zu ziehen, war lange geplant.  ::)

Knarfe1000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5716 am: 24.04.2023 14:10 »
Das ist ein guter Einwand. Geschuldet wird die amtangemessene Alimentation. Damit die Inflationsausgleichsprämie steuerfrei ist, müsste sie eigentlich zusätzlich gewährt werden.

Vereinbart ist eine Nullrunde, daher ist diese zusätzlich.
Ob die amtsangemessene Alimentation allgemein erfüllt wird, ist weiterhin fraglich.
Da der DBB-Vertreter kein Wort dazu gesagt hat, ist das vermutlich in Ordnung. Zumindest aus Sicht der Gewerkschaften.

Rechtlich vermutlich auch.

AdenosinTP

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5717 am: 24.04.2023 17:47 »
hier ganz unten.

Wenn man wie Verdi das folgende fordert  :

Abweichend von § 23 Absatz 1 sind die Eingangsämter für Beamt*innen bei den Post-
nachfolgeunternehmen folgenden Besoldungsgruppen zuzuweisen:
1. in Laufbahnen des mittleren nichttechnischen Dienstes der Besoldungsgruppe A7,
2. in Laufbahnen des mittleren technischen Dienstes der Besoldungsgruppe A 8,
3. in Laufbahnen des gehobenen Dienstes der Besoldungsgruppe A 11,
4. in Laufbahnen des höheren Dienstes der Besoldungsgruppe A 14.“


Sollte man jawohl eher zu der Erkenntnis kommen, dass kein rumdoktern an Eingangsämtern sinnvoll wäre sondern eher, dass die A6 Besoldung eher der A7 Besoldung entsprechen sollte und A9 A11 und A13 A14 also absolute Erhöhungen notwendig sind. Sonst muss man in 10 Jahren den mittleren Dienst bei A13 einstellen und dann entweder ein A30 schaffen für den hD oder wir kommen in der Tat bei der Einheitsbesoldung an.

kimonbo

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5718 am: 24.04.2023 19:36 »
hier ganz unten.

Wenn man wie Verdi das folgende fordert  :

Abweichend von § 23 Absatz 1 sind die Eingangsämter für Beamt*innen bei den Post-
nachfolgeunternehmen folgenden Besoldungsgruppen zuzuweisen:
1. in Laufbahnen des mittleren nichttechnischen Dienstes der Besoldungsgruppe A7,
2. in Laufbahnen des mittleren technischen Dienstes der Besoldungsgruppe A 8,
3. in Laufbahnen des gehobenen Dienstes der Besoldungsgruppe A 11,
4. in Laufbahnen des höheren Dienstes der Besoldungsgruppe A 14.“


Sollte man jawohl eher zu der Erkenntnis kommen, dass kein rumdoktern an Eingangsämtern sinnvoll wäre sondern eher, dass die A6 Besoldung eher der A7 Besoldung entsprechen sollte und A9 A11 und A13 A14 also absolute Erhöhungen notwendig sind. Sonst muss man in 10 Jahren den mittleren Dienst bei A13 einstellen und dann entweder ein A30 schaffen für den hD oder wir kommen in der Tat bei der Einheitsbesoldung an.

A30 hshhahahaaaaaaaa genialer Schachzug

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5719 am: 24.04.2023 19:37 »
Da ich im Moment anderweitig beschäftigt bin, lese ich hier im Moment nur quer - wenn ich es richtig sehe, geht es hier auf den letzten Seiten vor allem um zwei Themen. Und wegen der anderweitigen Beschäftigung hier nur zwei kurze Betrachtungen (warum denn nicht immer so, wird nun der eine oder die andere (sich) fragen und ausrufen (wollen), "Weiter so, Swen"):

Zum Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen (1) und zum Inflationsausgleich (2) kann man vorweg das sagen, was man immer hinsichtlich der Alimentation sagen kann (und muss): Der Dienstherr schuldet dem Beamten ein Gesetz, um die Besoldung(shöhe) festzulegen, hier liegt der zu beachtende materielle Gehalt. Eine besoldungsgesetzliche Regelung muss wiederum sachgerecht und hinreichend begründet werden, womit wir bei der "zweiten Säule" des Alimentationsprinzips wären, den prozedrualen Anforderungen, die der Besoldungsgesetzgeber zu erfüllen hat.

Zu 1) Eine zeit- und wirkungsgleiche Übertragung eines Tarifergebnisses - jenes ist von der exekutiven Gewalt ausgehandelt worden und kann insofern keine den Gesetzgeber bindende Wirkung entfalten - auf die Besoldungsregelung ist keine Ämterneubewertung. Sofern der Besoldungsgesetzgeber eine entsprechende Übertragung vollziehen will, hat er zu beachten, dass durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang sichergestellt werden soll, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind (Rn. 43 der aktuellen Entscheidung). Der Besoldungsgesetzgeber hat also hinsichtlich des materiellen Gehalts zu beachten, dass durch eine entsprechende Übertragung das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen nicht verletzt wird. Er hat entsprechend im Gesetzgebungsverfahren die Gelegenheit, eine Verletzung des Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen durch eine sachgerechte und hinreichende Begründung auszuschließen. Da die Bundesministerin des Inneren und für Heimat zu ihrem großen und darüber hinaus zum Glücke aller nicht nur Teil der Verhandlungsführung in der Tarifverhandlung war, sondern nun ebenso für einen verfassungskonformen Gesetzentwurf verantwortlichen zeichnen wird, dürfte es ein Leichtes für sie sein, die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf alle von der anstehenden Gesetzgebung betroffenen Beamten zu garantieren (denn das hat sie ja vor dem Verhandlungsergebnis zugesichert, vgl. https://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/dienst-und-beamte/++co++e4179892-e1c1-11ed-9700-001a4a160123), sodass am Ende jedem der gerade genannten Beamten eine amtsangemessene Alimentation gewährt werden wird. Denn sie wird ja als Teil der Verhandlungsführung als verantwortungsbewusste und zugleich auch verantwortliche Ministerin jeden ihrer Schritte klug geplant haben, sodass sie nun in ihrer Funktion als für den anstehenden Gesetzentwurf Verantwortliche problemlos zur zeit- und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses schreiten kann. Dabei könnte sie - wie sie und ihr Haus ja zum Glück weiß, da es zum klein(st)en Einmaleins einer Besoldungsgesetzgebung hinzuzählt - eine ggf. notwendige Ämterneubewertung, um durch jene weiterhin den dann amtsangemessenen Gehalt der gewährten Alimentation für alle betroffenen Beamten zu garantieren, nicht mit einem Tarifergebnis begründen. Denn jenes Ergebnis ist kein innerdienstliches, unmittelbar amtsbezogenes Kriterium. Sofern sie in nächster Zeit eine Ämterneubewertung - bspw. durch einen Gesetzentwurf, der durch ihr Haus vorbereitet wird - vorbereiten wollte, wird sie das also ganz sicherlich als verantwortungsbewusste Ministerin unter Beachtung des Abstandsgebots zwischen den Besoldungsgruppen tun. Dabei gilt es zu beachten, dass amtsangemessene Gehälter so zu bemessen sind, dass sie Richtern und Staatsanwälten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung ihres jeweiligen Amtes entspricht (Rn. 43) und dass es infolge unterschiedlich hoher linearer oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen zu keiner deutlichen Verringerung der Abstände zwischen zwei zu vergleichenden Besoldungsgruppen kommt (Rn. 45). Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden (ebd.). All das, was also vonseiten der Minsterin zugesagt worden ist und darüber hinaus aus ihrer Verpflichtung gegenüber der Verfassung herrührt, wird also ganz sicherlich ohne große Probleme erfolgen können. Ich sehe dafür allerdings keinen sachgerechten und hinreichenden Weg, was aber wohl an mir liegen wird. Denn nach meinen Berechnungen dürfte es zunächst einer sachgerechten und vom Tarifergebnis zu trennenden Ämterneubewertung bedürfen, wenn man irgendwann später zu einer von jener ersten Entscheidung sachlich zu trennenden zeit- und wirkunsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses auf alle Beamten schreiten wollte. Eine solche Übertragung wäre heute - was ja wie gesagt sachlich auch voneinander zu trennen ist - unmöglich, da sich der systeminterne Besoldungsvergleich hinsichtlich der jeweiligen Endstufe nach der Übertragung des Sockelbatrags und 5,5-%igen Erhöhung wie folgt ausnehmen würde:

                                      A 2                    A 16             Abstand

01.03.2019                  2.410,66 €         7.526,46 €        212,22 %

01.03.2024                  2.940,69 €         8.733,52 €        197,01 %

Differenz:                                                                      15,21 p%


Im Sinne der getätigten Zusicherung der zeit- und wirkungsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses auf alle Beamten wird es also der verantwortlichen Bundesministerin sehr leicht fallen, diese problemlos zu vollziehen.


Zu 2) Die Corona-Sonderprämie im letzten Jahr ist von den Besoldungsgesetzgebern der Länder i.d.R. so begründet worden, dass mit ihr zusätzliche Belastungen ausgeglichen werden sollten, weshalb sie u.a. ausschließlich aktiven Beamten gewährt worden ist. Als Folge dieser Begründung als Ausgleich von zusätzlichen Belastungen ist sie von der Betrachtung des amtsangemessenen Gehalts im Jahr 2022 auszunehmen. Hinsichtlich der Sonderzahlungen zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise (TV Inflationsausgleich) wird sich zeigen, wie diese im anstehenden Gesetzgebungsverfahren begründet werden werden. Von der Art der Begründung wird es abhängen, ob und ggf. wie sie bei der gerichtlichen Kontrolle der Jahre 2023 und 2024 hinsichtlich des amtsangemessenen Gehalts der gewährten Nettoalimentation zu beachten sein werden. Mehr lässt sich heute - denke ich - dazu noch nicht sagen (womit ich meine eingangs gegebene Zusage nur in diesem Punkt einhalten konnte - aber ich bin ja auch kein verantwortlicher und verantwortungsbewusster Politiker, weshalb ich nicht immer das tue, was ich sage).

Knarfe1000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5720 am: 24.04.2023 19:51 »
Also bewegt man sich (wie ich vermutete) bezüglich des Binnenabstandes schon jetzt haarscharf an der 10%-Grenze. Wenn man die Sockellösung wählt, reißt man diese Latte mit über 15 % ganz deutlich. Aber wie du schon sagtest, dies wird eine gesetzestreue und pflichtbewusste Ministerin genau wissen und sich daher für die reine Prozentvariante entscheiden.

Ganz sicher sogar...

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5721 am: 24.04.2023 19:54 »
@Swen: Vielen Dank für die wie immer sehr interessanten und lehrreichen Ausführungen!

P.S. Falls es aufgrund der etwaigen 0,2%-Absenkung nur 200 Euro plus 5,3% gäbe, wäre der Abstand zwischen A2 und A16 logischerweise sogar noch etwas kleiner (196,96%, falls ich mich nicht verrechnet habe)..

Hugo

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5722 am: 24.04.2023 20:24 »
Ich habe vor einiger Zeit gelesen, dass ein Bundesland sich mit der Inflationsprämie für das Jahr 2023 "freikauft" und sich erst 2024 näher mit der amtsangemessenen Alimentation beschäftigen wird. Leider habe ich den Bericht nicht mehr gefunden. Falls jemand hierzu weitere Infos hätte, dann bitte den Link teilen  ;)

maxg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5723 am: 24.04.2023 20:30 »
(...) ein Bundesland sich mit der Inflationsprämie für das Jahr 2023 "freikauft" und sich erst 2024 näher mit der amtsangemessenen Alimentation beschäftigen wird.(...)

Das ist tatsächlich der "Königsweg", den ich beim Bund auch erwarte, um sich Zeit zu kaufen. Inflationsprämien-Gesetz für Bundesbeamte recht fix im Sommer 2023 und dann Anfang 2024 das Gesetz mit der Besoldungserhöhung zusammen mit der (angeblich!) verfassungsgemäßen Alimentierungs-Anpassung.

Hugo

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5724 am: 24.04.2023 20:33 »
Oder Einführung des AEZ und Inflationsprämie in 2023.

Eukaryot

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5725 am: 24.04.2023 21:58 »
Betrifft das Thema den Bund und alle 16 BL?
Vollzeitäquivalent

Prüfer SH

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5726 am: 24.04.2023 22:12 »
Betrifft das Thema den Bund und alle 16 BL?

AEZ Bund, verfassungswidrige Alimentation ausnahmslos alle BL + Bund.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5727 am: 24.04.2023 23:45 »
Also bewegt man sich (wie ich vermutete) bezüglich des Binnenabstandes schon jetzt haarscharf an der 10%-Grenze. Wenn man die Sockellösung wählt, reißt man diese Latte mit über 15 % ganz deutlich. Aber wie du schon sagtest, dies wird eine gesetzestreue und pflichtbewusste Ministerin genau wissen und sich daher für die reine Prozentvariante entscheiden.

Ganz sicher sogar...

Genauso ist es Knarfe: Denn einstmals meinte ein verantwortlicher Politiker, dass die Rente sicher sei. Vielleicht punktet die Ministerin nun mit dem ganz bestimmt sachlich genauso wahrheitsgetreuen Satz, dass die Alimentation sicher sei - also so sicher wie ihr Wort. Eine prozentuale Anpassung der tabellenwirksamen Grundgehälter müsste, um die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen so zu wahren wie bislang, die unterste Besoldung beachten: Das wäre bislang weiterhin die erste Erfahrungsstufe des Besoldungsgruppe A 2. Hier würde bei wirkungsgleicher Übertragung des Tarifergebnisses der Grundgehaltssatz 2024 von derzeit 2.193,09 € auf 2.533,09 € erhöht werden, was jenen Grundgehaltssatz um 15,5 % erhöhte. Hinsichtlich aller anderen Erfahrungsstufen und Besoldungsgruppen würde dann ein um 15,5 % erhöhter Grundgehaltssatz nicht mehr wirkungsgleich sein, sondern alle weiteren Beamte gegenüber den Tarifbeschäftigten deutlich bevorteilen (unabhängig von dem dann deutlich höheren Kostenaufwand). Denn betrachten wir die höchste Besoldung im TVÖD Bund, dann beträgt hier die Entlohnung derzeit 7.955,98 €. Zum 01.03.2024 wird dieser Betrag laut Tarifeinigung auf 8.604,56 € erhöht, was 8,2 % entspricht. Das Ergebnis einer prozentualen Erhöhung wäre folglich nur wie schon gesagt hinsichtlich der untersten Besoldung wirkunsgleich.

Wollte man nun wiederum unterschiedlich hohe prozentuale Erhöhungen der Grundgehaltssätze vornehmen, dürfte das im Ergebnis wie vorhin gezeigt ebenfalls zu keinem wirkunsgleichen Ergebnis oder zu einer das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen - und damit einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, den der Gesetzgeber als Ausfluss des Alimentationprinzips zu beachten hat - verletzenden Besoldung führen.

Sofern nun wiederum unter Brechung der Zusicherung einer wirkungsgleichen Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten dennoch eine gestaffelte prozentuale Anpassung der Besoldung erfolgen und das zugleich mit einer Ämterneubewertung verbunden werden sollte, hätte der Besoldungsgesetzgeber zu beachten, dass die Ämterneubewertung am Ende nicht genau zu einem wirkungsgleichen Ergebnis führen dürfte. Denn jenes Ergebnis wäre - wie ebenfalls vorhin schon gesagt - eine verkappte Übertragung der Tarifeinigung in die Ämterbewertung. Damit läge dann eine sachfremde Erwägung zugrunde, da die Tarifeinigung kein innerdienstliches, unmittelbar amtsbezogenes Kriterium darstellt. Die sachfremde Erwägung würde die den Besoldungsgesetzgeber treffenden prozeduralen Anforderungen verfehlen und damit die gesetzliche Regelung verfassungsiwidrig machen.

Ich sehe keine Möglichkeit, dass zugleich eine verfassungskonforme und wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die Besoldung erfolgen könnte. Ein solches Ergebnis ist prinzipiell unmöglich.

Und deshalb wird man sich im BMI des neuen schönen Schlagworts bedienen, das da lautet: Man werde eine "systemgerechte Lösung" in der Übertragung des Tarifergebnisses auf die Besoldung verfolgen - und dann wird man zufällige Erhöhungsbeträge generieren, die im Ergebnis vielfach nichts mehr mit der Tarifergebnis zu tun haben werden und nur deshalb juristisch nicht willkürlich zu nennen wären, da es wie vorhin gezeigt keinen verfassungsrechtlichen Automatismus einer Übertragung eines Tarifergebnisses in die Besoldungsgesetzgebung geben kann. Und damit wird auch die Ministerin die Wahrheit sprechen: Die seit mindestens anderthalb Jahrzehnten systematisch verfassungswidrige Alimentation im Bund wird durch eine systematisch verfassungswidrige Novellierung des Besoldungsrechts, die eine entsprechend systemgerechte Familienähnlichkeit mit dem derzeitigen Gesetzentwurf hat, und eine damit verbundene zufällige Anhebung gestaffelter Prozentwerte zu einer vollständig systemgerechten Lösung führen: Denn die so fortbestehende Besoldungssystematik wird dann der systematischen Aufrechterhaltung der verfassungswidrigen Alimentation aller betroffenen Beamten gerecht, was nur gerecht sein kann, um also bei aller Gerechtigkeit auch dem Haushalt gerecht zu werden. Denn das ist das Schöne, wenn man Rechtstaatlichkeit durch Moral ersetzt. Am Ende ist alles gerechtfertigt, also das Recht durch zufällige Erwägungen ausgetrieben. Das Fundament einer solchen Politikgestaltung ist verfassungsrechtlicher Treibsand.

BVerfGBeliever

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5728 am: 25.04.2023 00:36 »

                                      A 2                    A 16             Abstand

01.03.2019                  2.410,66 €         7.526,46 €        212,22 %

01.03.2024                  2.940,69 €         8.733,52 €        197,01 %

Differenz:                                                                       15,21 %


Kurze Frage zu deiner Rechnung: Warum betrachtest du nicht die relative, sondern die absolute Differenz der beiden (relativen) Abstände?

Zur Erläuterung habe ich zusätzlich B11 angeschaut:
- Zwischen A16 und A2 schrumpft der Abstand von 212,22% auf 197,01%, wird also relativ um 7,17% kleiner.
- Zwischen B11 und A2 schrumpft der Abstand von 487,28% auf 448,00%, wird also relativ um 8,06% kleiner.

Absolut betrachtet schrumpfen die beiden Abstände hingegen um 15,21% bzw. 39,28%.

Diese Absolutbetrachtung suggeriert eine mehr als doppelt so hohe Reduktion des Abstands B11<->A2 (im Vergleich zu A16<->A2), was aus meiner Sicht jedoch nicht den "Tatsachen" entspricht.


                                      A 2                     A 16           Abstand                 B 11            Abstand

01.03.2019                  2.410,66 €          7.526,46 €      212,22 %          14.157,33 €      487,28 %

01.03.2024                  2.940,69 €          8.733,52 €      197,01 %          16.114,91 €      448,00 % 

Differenz:                                                                      15,21 %                                   39,28 %


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5729 am: 25.04.2023 07:56 »


Kurze Frage zu deiner Rechnung: Warum betrachtest du nicht die relative, sondern die absolute Differenz der beiden (relativen) Abstände?

Zur Erläuterung habe ich zusätzlich B11 angeschaut:
- Zwischen A16 und A2 schrumpft der Abstand von 212,22% auf 197,01%, wird also relativ um 7,17% kleiner.
- Zwischen B11 und A2 schrumpft der Abstand von 487,28% auf 448,00%, wird also relativ um 8,06% kleiner.

Absolut betrachtet schrumpfen die beiden Abstände hingegen um 15,21% bzw. 39,28%.

Diese Absolutbetrachtung suggeriert eine mehr als doppelt so hohe Reduktion des Abstands B11<->A2 (im Vergleich zu A16<->A2), was aus meiner Sicht jedoch nicht den "Tatsachen" entspricht.


                                      A 2                     A 16           Abstand                 B 11            Abstand

01.03.2019                  2.410,66 €          7.526,46 €      212,22 %          14.157,33 €      487,28 %

01.03.2024                  2.940,69 €          8.733,52 €      197,01 %          16.114,91 €      448,00 % 

Differenz:                                                                      15,21 %                                   39,28 %

Ich bin derzeit nicht daheim und kann von daher nicht auf meine Unterlagen zurückgreifen. Die von mir vorgenommene Methodik wird durch verschiedene Gerichte entsprechend so praktiziert. Am Ende wird der Abstand der Prozentpunkte (%P) betrachtet und nicht der relative prozentuale Abstand des einen Prozentwerts (212,22 %) zum anderen (197,01 %). Mit dieser Betrachtung des Abstands der Prozentpunkte sollte man der Direktive des Bundesverfassungsgerichts nachkommen, die lautet (und aber mathematisch nicht eindeutig formuliert ist):

"Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden." (Rn. 45).

Wenn ich es richtig erinnere, ist das Bundesverwaltungsgericht in seiner entsprechenden Betrachtung dem OVG Berlin-Brandenburg in der Vergangenheit in der Berechnung nach der von mir hier reproduzierten Methodik gefolgt und hat im letzten Vorlagebeschluss dann keine eigenständige Berechnung mehr durchgeführt. Die vom OVG vollzogene Betrachtung hat das Bundesverfassungsgericht aktuell bestätigt, indem es hervorgehoben hat: "Während die Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen, wie die Berechnungen des Oberverwaltungsgerichts gezeigt haben, im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wurde in den verfahrensgegenständlichen Jahren das Mindestabstandsgebot nicht eingehalten (vierter Parameter)." (Rn. 174) Denn sofern die vom OVG vollzogene Methodik sachwidrig gewesen wäre, hätte das Bundesverfassungsgericht deren Betrachtung nicht bestätigen können, sondern hätte eigene Berechnungen durchführe müssen. Indem es nun der sachlichen Aussage des OVG folgt, bestätigt es, dass die von ihm herangezogene Berechnung sachgerecht ist, sodass die der Berechnung zugrunde liegende Methodik nicht beanstandet werden kann (was Du auch nicht tust).

Würde man hingegen die absolute Differenz der Prozentwerte betrachten, würde das eine gänzlich andere Indizierung des vierten Parameters nach sich ziehen. Denn wie Du zeigst, führt in dem von Dir neu herangezogenen Beispiel ein Abstand zwischen fast 40 Prozentpunkten nur zu einem absoluten Abstand von deutlich weniger als zehn Prozent. Da aber das Bundesverfassungsgericht eine Abschmelzung von Abständen zwischen den Besoldungsgruppen nur als Folge von Ämterneubewertungen und nicht von bspw. Tarifübertragungen als sachgerecht betrachtet, kann es kaum eine Veränderung von fast 40 Prozentpunkten in den Abständen als sachgerecht betrachten. Denn im Ergebnis würde das der Möglichkeit Tür und Tor öffnen, offensichtlich nicht sachgerecht, sondern als Folge von Tarifpolitik die den Ämtern inhärente je eigene Wertigkeit einzuebnen, was offensichtlich nicht mit dem Abstandsgebot als Folge der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums vereinbar wäre, sondern eben zur deutlichen Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen führte.