@ Bundi
Ich denke, dass das, was Du beschreibst, ein zunehmend größeres Problem werden könnte, sofern das Thema "Besoldung" medial - in welcher Form auch immer - betrachtet werden würde. Denn es wird vielen - wenn nicht den meisten - Kolleginnen und Kollegen so gehen, wie Du es beschreibst und wie man es in Gesprächen mit ihnen wiederholt so gespiegelt bekommt, was ja auch BuBeamter und Prüfer hier noch einmal darlegen. Die meisten Kolleginnen und Kollegen können sich schlicht nicht vorstellen, dass ihre Alimentation seit deutlich mehr als ein Jahrzehnt verfassungswidrig ausgestaltet worden ist. Wenn man mit Kolleginnen und Kollegen spricht, dann halten die das Ausmaß dessen, was man ihnen darlegt, wiederkehrend für stark übertrieben, da sie dasselbe Rechtsstaatsempfinden haben, wie Du es beschreibst. Insofern ist das, was letztes Jahr Alexia Tepke und Andreas Becker - die umtriebigen Besoldungsrechtsexperten des dbb, die seit Jahr und Tag vorzügliche Beiträge zur Aufklärung über das Thema schreiben - hervorgehoben haben, sehr bedenkenswert:
"Die verfassungsrechtliche Entfaltung des Alimentationsbegriffs und die im jeweiligen Besoldungsrechtskreis getroffenen Regelungen sind sehr komplex. [...] Eine fehlerfreie Berücksichtigung sämtlicher Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für alle 17 Besoldungsrechtskreise mit unterschiedlichen Ausgestaltungen im Bereich der Grundbesoldung, differenzierten Familienzuschlägen, gegebenenfalls ergänzt um Sonderzahlungen und allgemeine Stellenzulagen oder Strukturzulagen ist heute - auch Kennern der Materie - kaum mehr möglich. [...] Mit der Benennung von objektiv überprüfbaren Kriterien und wiederholten Präzisierungen für die Besoldungsgesetzgeber durch das Bundesverfassungsgericht bedarf es jetzt in jedem Besoldungsrechtskreis deutlich erkennbarer und klarer Verbesserungen, um das massiv erschütterte Vertrauen der Beamtinnen und Beamten wieder zurückzugewinnen und den Alimentationskreislauf zu durchbrechen. [...] Trotz des weiten Gestaltungsspielraums war und ist die Höhe der Besoldung nicht in das vollständig freie Ermessen der Besoldungsgesetzgeber gestellt, sondern unter Berücksichtigung der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung auszugestalten." (Tepke/Becker, ZBR 2022, S. 145 (153 f.); der Rest des Zitats lässt sich hier nachlesen:
http://zbr-online.de/click_buy/2022/schwan.pdf)
Wie im letzten Post geschrieben, gehe ich davon aus, dass die anstehenden Entscheidungen sowohl auf eine andere gesellschaftliche Realität treffen werden als die letzte(n) im Jahr 2020 als auch dass damit verbunden eine andere mediale Aufmerksamkeit entstehen wird, da im Verlauf der letzten drei Jahren dafür in verschiedenen Gesetzgebungsverfahren der Länder sowie den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen der Grund gelegt worden ist. Den Medien in bspw. Thüringen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Hessen ist das Thema heute anders als noch 2020 ein Begriff, wenn auch dort in den Medien kaum eine Vorstellung vom tatsächlichen Ausmaß und der tatsächlichen Relevanz herrschen dürfte.
Allerdings dürfte insbesondere die Entscheidung zu Niedersachsen für einiges Aufsehen sorgen. Denn während für Schleswig-Holstein nur das Jahr 2007 und für Bremen die Jahre 2013 und 2014 betrachtet werden werden, wird hinsichtlich Niedersachsens mit Ausnahme des Jahres 2013 der Klagezeitraum von 2005 bis 2016 betrachtet werden - und allein der gewaltige Fehlbetrag zwischen der Mindest- und gewährten Nettoalimentation wird, so ist zu vermuten, medial einige Aufmerksamkeit und ggf. Aufbereitung erfahren. Damit dürfte mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit nach und nach ein Aufwachen - der Schock - von deutlich mehr Kolleginnen und Kollegen beginnen als bislang.
Spätestens dann, so ist zu vermuten, wird sich ein stärkeres Bewusstsein in Teilen der Beamtenschaft regen, da es eben der medialen Betrachtung bedarf, um das Thema für (große oder größere) Teile der Beamtenschaft erkennbar werden zu lassen - und wie es dann auch hinsichtlich des massiven Vertrauensverlusts weitergehen wird, weiß niemand, wird auch darauf ankommen, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung und das weitere Handeln der in langer Kontinuität verfassungsbrüchigen Besoldungsgesetzgeber konkret entfalten wird. Wenn es im Gefolge der anstehenden Entscheidungen zu keiner substanziellen Änderung und also auch zu keinem - wie auch immer erfolgenden - Eingeständnis kommt, dürfte das einen deutlich schwereren dauerhaften Schaden hervorrufen, als wenn das der Fall wäre. Dabei gilt es zu bedenken - Du sprichst die Wissenschaftlichen Dienste an -, dass bislang selbst deren sachlich deutliche Darlegungen in Thüringen, Schleswig-Holstein und zuletzt Niedersachsen nicht dazu geführt hätten, dass die Besoldungsgesetzgeber von ihrem wissentlich und willentlich vollzogenen Verfassungsbruch abgelassen hätten. Auch hier wurde im Anschluss an die sachliche Kritik, ohne dass es auch nur in kleinsten Ansätzen versucht worden wäre, den sachlichen Gehalt der Kritik sachlich zu entkräften oder eben anderweitige sachgerechte Folgen aus der Kritik des jeweiligen Wissenschaftlichen Diensts zu ziehen, der gezielte Verfassungsbruch bar jeder sachlichen Einsichtsfähigkeit von den betreffenden politischen Entscheidungsträgern vollzogen - ein Gespür, was eine solche politische Betonkopfmentalität beim Souverän auslöst oder auslösen kann, sofern sie sich regelmäßig wiederholte, ist vielfach offensichtlich nicht gegeben -; auch darin zeigt sich die Geschichtsvergessenheit nicht weniger politischer Verantwortungsträger, von der ich hier wiederholt gesprochen habe.
Denn nicht nur scheinen jene Entscheidungsträger gänzlich auszublenden, in welche historische Reihen sie sich stellen, wenn sie sich wissentlich und willentlich, also gezielt, vom Boden des Grundgesetzes absentieren, sondern ebenso bleibt offensichtlich unreflektiert, welch verheerenden politischen Eindruck solch ein Handeln beim Souverän hinterlässt. Rechtstreue lässt sich in einer Demokratie nicht verordnen, sondern basiert hier auf dem weitgehend freiwilligen Respekt vor dem Recht. Das Gewaltmonopol kann legitim nur aufrechterhalten werden, wenn sich auch die politischen Verantwortungsträger an das Recht gebunden sehen. Ist das wiederkehrend nicht mehr der Fall, zerfällt der Rechtsstaat, weil die Rechtstreue verloren geht.
Der langen Rede kurzer Sinn: Der Vertrauensverlust wird erst im Gefolge der anstehenden Entscheidung in einem stärkeren Maße losgehen als bislang, da erwartbar erst dann größere Zahlen an Beamtinnen und Beamten erkennen werden (können), wie sie eigentlich seit Jahr und Tag behandelt werden. Das gilt nicht zuletzt hinsichtlich der Kolleginnen und Kollegen unter Waffen, die vielfach noch einmal ganz anders ihre Knochen hingehalten haben und hinhalten - und dabei dürfte vonseiten der Dienstherrn in Rechnung gestellt werden können (ohne dass ich davon ausgehe, dass man sich dort diese Gedanken machte), dass die typischen Phasen der Krisenbewältigung auch hier in einem nicht geringen Maße Wirkung entfalten (können): nämlich nach dem Schock die Reaktion und dann die Bearbeitung und Neuorientierung. Die Vertrauenskrise wird sich also zukünftig erst wirklich und dann je nachdem, wie die politisch Verantwortlichen handeln werden, entwickeln, nämlich nach dem Schock, und zwar in der gerade genannten Trias Reaktion, Bearbeitung, Neuorientierung.
Und auch, wenn ich davon ausgehe, dass die Politik des konzertierten Verfassungsbruchs spätestens im Verlauf des nächsten Jahres zusammenbrechen wird (sich also diesbezüglich ein zarter Optimismus bei mir einstellt, der sachlich begründet werden kann - der allerdings kaum Anlass geben sollte, um nun sogleich in größere Euphorie auszubrechen), bin ich hinsichtlich des für viele Kolleginnen und Kollegen nicht minder wichtigen echten Eingeständnisses von politischer Seite eher ziemlich skeptisch. Denn in Anbetracht der - man muss es leider so deutlich sagen - politischen Labberigkeit, mit der seit vielen Jahren die Thematik vonseiten der politischen Entscheidungsträger behandelt worden ist, traue ich ihnen das nötige klare Eingeständnis weit überwiegend nicht (mehr) zu, da bislang weitgehend jede Einsichtsfähigkeit in die sachliche Realität vermisst geblieben ist - zumindest in dem, was man öffentlich hat verlautbaren lassen. Entsprechend gehe ich davon aus, dass hier wiederkehrend nicht einmal im Ansatz eine Dimension vorhanden ist, wie sehr man gezielt Vertrauen missbraucht und die Kolleginnen und Kollegen in einem extremen Maße rechtsstaatswidrig ausgebeutet hat. Das lässt mich nach dem Schock hinsichtlich der Trias Reaktion, Bearbeitung und Neuorientierung weniger optimistisch sein. Denn auch darin brechen sich die Worte Ulrich Battis ggf. Bahn, wonach die regelmäßig verfassungsbrüchige Art der Gesetzgebung letztlich eine Verfassungskrise herbeiführt, die über den eigentlichen Regelungsbereich hinaus weitreichende Auswirkungen haben wird.
Nicht umsonst bringt ihres es ja, BuBeamter und PrüferSH, mit euren Worten auf den Punkt: Nach dem Schock beginnt nun bei euch die weitere Trias aus Reaktion, Bearbeitung und Neuorientierung - und so wird es bald noch vielen anderen Kolleginnen und Kollegen gehen. Davon dürften - so befürchte ich - große Teile der politisch Verantwortlichen keinerlei Vorstellung oder dafür ein entsprechend auf das konkrete Thema hin kein ausgeprägtes Sensorium haben: Wenn aber mit fortgeführter Geschichtsvergessenheit auf einen für nicht wenige Kolleginnen und Kollegen sie erschütternden Schock reagiert werden wird - wovon ich ausgehe, dass das weit überwiegend geschehen wird -, dann lässt sich wenig Gutes erahnen. Diese Auswirkung könnte, wenn es schlecht läuft, von allen weitreichenden die mit Abstand weitreichendste werden: Die Besoldungsgesetzgeber haben in den letzten 15 Jahren viel Zunder angehäuft, wenn sie nun nach den anstehenden Entscheidungen auch noch zum verbalen Brandfackelnwerfen übergehen sollten - was ich in nicht wenigen Fällen für nicht gänzlich unwahrscheinlich halte -, dann würde das hinsichtlich der genannten Trias kaum hilfreich werden, denke ich, um es mal vorsichtig zu formulieren.