Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 4032584 times)

PublicHeini

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5865 am: 03.05.2023 11:37 »
Kann ich die Widersprüche rückwirkend einlegen? oder nur für 2023 und dann jährlich?

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5866 am: 03.05.2023 11:46 »
@ PublicHeini


Besoldungsansprüche, die sich nicht unmittelbar aus Gesetz ergeben, bedürfen einer vorherigen Geltendmachung; sie können erst ab dem hierauf folgenden Monat gewährt werden (Bundesverwaltungsgerichts v. 4.05.2017 (2 C 60/16): Rn. 14). Für einen Nachzahlungsanspruch wegen verfasssungswidrig nicht amtsangemessener Alimentation gilt dagegen das Prinzip der zeitnahen Geltendmachung. Diese Rechtsprechung folgt dem Grundgedanken, dass der Beamte kundtun muss, wenn er sich mit der gesetzlich vorgesehenen Alimentation nicht zufrieden geben will (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2011 – 2 C 40.10 – USK 2011, 147 Rn. 7). Sein Begehren kann nicht durch bloße Rechtsanwendung der Behörden entschieden werden, sondern setzt eine Klärung der normativen Grundlagen der Besoldung voraus (vgl.  BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 2 C 28.07 – juris Rn. 21).

Dieser Anspruch kann grundsätzlich erst zukünftig, d.h. ab dem auf die erstmalige Geltendmachung folgenden Monat anerkannt werden (vgl. zur unionsrechtswidrigen Zuvielarbeit  BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 – 2 C 26.14– Buchholz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25 m.w.N. sowie für die Geltendmachung eines unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs wegen altersdiskriminierender Besoldung  BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 – 2 C 11.16-).

Eine rückwirkende Leistungsbewilligung kommt nur in Betracht, wenn die – neu erlassene – Rechtsgrundlage dies vorsieht oder wenn sich die Verpflichtung zur rückwirkenden Leistungsgewährung aus verfassungsrechtlichen Gründen ergibt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt aus der Feststellung eines Verfassungsverstoßes grundsätzlich die Verpflichtung des Gesetzgebers, diesen rückwirkend zu beseitigen (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 – BVerfGE 131, 239 <265> m.w.N.).

Diese Überlegung trifft materiell auch für den Bereich der Beamtenbesoldung zu. Wenn die bisherige Alimentation nicht ausgereicht hat, einen amtsangemessenen Lebenszuschnitt zu gewährleisten, musste der betroffene Beamte eigenes Vermögen hierfür einsetzen oder Schulden aufnehmen (wenn er eine nicht-amtsangemessene Lebensführung vermeiden wollte). Diese „Vorleistung“ nachträglich auszugleichen erscheint aus Rechtsgründen geboten; Grenze hierfür ist grundsätzlich nur die Einrede der Verjährung.

Ausnahmen von der rückwirkenden Regelungspflicht hat das Bundesverfassungsgericht aber im Interesse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen anerkannt. Gerade bei besoldungsrechtlichen Normen sei überdies zu beachten, dass die Alimentation des Beamten der Sache nach die Befriedigung eines gegenwärtigen Bedarfs aus gegenwärtig zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln darstelle. Eine allgemeine rückwirkende Behebung des Verfassungsverstoßes sei daher mit Blick auf die Besonderheiten des Beamtenverhältnisses nicht geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 u.a. – BVerfGE 140, 240 Rn. 170 m.w.N.). Im Bereich der Beamtenbesoldung kann sich eine rückwirkende Heilung von Verfassungsverstößen deswegen personell auf diejenigen Beamten beschränken, die ihre Ansprüche geltend gemacht haben, ohne dass über ihren Anspruch schon abschließend entschieden wurde, und sachlich auf den Zeitpunkt des laufenden Haushaltsjahres, in dem der Beamte seine Unteralimentierung gegenüber dem Dienstherrn erstmals geltend gemacht hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990 – 2 BvL 1/86 – BVerfGE 81, 363 <385>).

Soweit der geltend gemachte Anspruch nicht auf die verfassungswidrige Unterschreitung der Mindestalimentation zurückgeführt wird, hält indes auch das Bundesverfassungsgericht nur eine Rückwirkung für erforderlich, die einen Anspruch auf Nachzahlung „ab dem Zeitpunkt seiner erstmaligen Beanspruchung“ einräumt (BVerfG, Beschluss vom 19. Juni 2012 – 2 BvR 1397/09 – BVerfGE 131, 239 <266>). Entsprechendes gilt für die vorliegende Behauptung eines unzutreffend festgesetzten Auslandszuschlags, weil damit kein Verfassungsverstoß dargetan wird. Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet den Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, bei der Festsetzung der Beamtenbezüge einen spezifischen Ausgleich für regional erhöhte Lebenshaltungskosten zu gewähren (BVerfG, Urteil vom 6. März 2007 – 2 BvR 556/04 – BVerfGE 117, 330<344>).

Ansprüche sind demnach haushaltsjahrnah geltend zu machen, also immer spätestens bis zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres. Nach dem in dem Runderlass genannten Schreiben verzichtet der Dienstherr allerdings ausnahmsweise auf die Einrede der Verjährung für die Zeit ab dem 01.01.2021. Somit hast Du für die Jahre 2021 und 2022 wohl Glück.

Für die Zeit davor (2019 und 2020) sind die Ansprüche allerdings verjährt.

Sobald über deinen Antrag insgesamt entschieden wird, wirst sich der Dienstherr voraussichtlich bei etwaigen Nachzahlungsansprüchen dem Grunde nach auf die Einrede der Verjährung berufen.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5867 am: 03.05.2023 11:58 »
Heute in Finanztest gelesen:
Das für Birgit Trennt zuständige Schleswig-Holsteinische Verwaltungs­gericht tut sich schwer mit der Beamten­besoldung. Ein ums andere Mal legen die Richter die Akten beiseite, um auf weitere Entscheidungen des Bundes­verfassungs­gerichts zu warten. Immerhin gibt es einen kleinen Trost für Birgit Trennt: Sie bekommt jetzt trotzdem sofort Geld. Statt Besoldungs­nach­zahlung gibt es allerdings eine Entschädigung wegen der Verzögerung des Verfahrens. 3 800 Euro zuzüglich Zinsen muss das Land der Pensionärin über­weisen. Anwalt Olaf Eckert hatte die Verzögerung im Jahr 2017 moniert. Da ist das Verfahren bereits über acht Jahre alt. Als sich bis 2019 immer noch nichts getan hat, klagt er beim Ober­verwaltungs­gericht auf Entschädigung wegen Verfahrens­verzögerung.
https://www.test.de/Mutmacherin-Warten-auf-gerechten-Lohn-5987036-0/

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5868 am: 03.05.2023 12:36 »
Ein kleiner Sieg.

Phoenix

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5869 am: 03.05.2023 13:41 »
Wie sieht es eigentlich aus mit der Anhebung der Stufe, gibt es da auch Nachzahlungen?

Dunkelbunter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5870 am: 03.05.2023 13:56 »
Wie sieht es eigentlich aus mit der Anhebung der Stufe, gibt es da auch Nachzahlungen?

Es gibt noch keinen Entwurf, welches die Nachzahlung regeln soll.
Und bis 01.07.2023 wird auch nicht der Referentenentwurf durch sein.

Max Bommel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5871 am: 03.05.2023 14:28 »
Der letzte Entwurf zielt ohnehin schon auf den 01.01.2024. Der 01.07.2023 ist vom Tisch.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5872 am: 03.05.2023 14:29 »
Der letzte Entwurf zielt ohnehin schon auf den 01.01.2024. Der 01.07.2023 ist vom Tisch.

??

MasterOf

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5873 am: 03.05.2023 14:36 »
Der letzte Entwurf zielt ohnehin schon auf den 01.01.2024. Der 01.07.2023 ist vom Tisch.

Welchen Entwurf meinst du???

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5874 am: 03.05.2023 14:36 »
Der letzte Entwurf zielt ohnehin schon auf den 01.01.2024. Der 01.07.2023 ist vom Tisch.

Gibt es schon einen aktuelleren Entwurf als der vom 16.01.23 (veröffentlicht am 01.02.23) ?

wetterfrosch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5876 am: 03.05.2023 15:05 »
https://tk-it-bayern.verdi.de/beamte/++co++edfe9326-e273-11ed-ada4-001a4a160110

Es gibt wohl einen zweiten Entwurf.

Der wird mit Sicherheit ebenso wenig verfassungskonform sein, wie der erste und wenn überhaupt nur minimalste Anpassungen erhalten haben.

Knarfe1000

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5877 am: 03.05.2023 15:07 »
https://tk-it-bayern.verdi.de/beamte/++co++edfe9326-e273-11ed-ada4-001a4a160110

Es gibt wohl einen zweiten Entwurf.
Das klingt nicht nach vielen Änderungen gegenüber dem 1. Entwurf    ::)

Die Verbandsstellungnahmen hat man entweder gar nicht gelesen oder als irrelevant abgetan.

Bastel

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« Antwort #5878 am: 03.05.2023 15:09 »
https://tk-it-bayern.verdi.de/beamte/++co++edfe9326-e273-11ed-ada4-001a4a160110

Es gibt wohl einen zweiten Entwurf.

Das Datum des verlinktenEntwurfs ist doch das alte?

Dunkelbunter

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« Antwort #5879 am: 03.05.2023 15:13 »
https://tk-it-bayern.verdi.de/beamte/++co++edfe9326-e273-11ed-ada4-001a4a160110

Es gibt wohl einen zweiten Entwurf.

Naja die Berechnung des ersten Entwurfs war ja auf Grundlage des Jahres 2022.
Da aber 2023 das Bürgergeld kam, mussten die Zahlen im AEZ neu berechnet werden. Steht auch so im ersten Entwurf.
Aber aktuell ist der zweite Entwurf noch nirgends zu finden.