Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 1960848 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #600 am: 07.02.2022 08:03 »
Die Streichung ist vergangenheitsbezogen nicht möglich, da das grundgesetzgleiche Recht der Betroffenen, amtsangemessen alimentiert zu werden, auch hinsichtlich der aus ihr herrührenden Ansprüche gilt. Nicht umsonst darf der Gesetzgeber eine mit der Verfassung unvereinbare Rechtslage weder für die Gegenwart noch für die Vergangenheit fortbestehen lassen (BVerfG, Beschl. v. 22.3.1990, 2 BvL 1/86, Rn. 65).

Gegenwärtig - und damit auf die Zukunft gerichtet - erlaubt es der weite Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, auch die Streichung unterer Besoldungsgruppen. Nicht umsonst hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass der verfassungsrechtliche Maßstab, an dem die Rechtsgrundlagen für die Besoldung der Richter und Staatsanwälte zu messen ist, sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt. Danach ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln (vgl. bspw. in Rn. 21 der aktuellen Entscheidung).

Er muss aber die Neuregelung angemessen begründen und also sowohl einen sachlichen Grund anführen als auch dafür Sorge tragen, dass sie die Neuregelung mit keinen weiteren sich aus der Verfassung ergebenden Grundrechten in Konflikt steht. Das Ziel, (Personal-)Kosten zu sparen, ist dabei kein hinreichender Grund und eine wahllose Streichung unterer Besoldungsgruppen beinhaltet offensichtlich die Gefahr, sowohl den systeminternen Abstand zwischen Besoldungsgruppen einzuebnen als auch den allgemeinen Gleichheitssatz zu verletzen, da den in höhere Besoldungsgruppen übergeleiteten Beamten bei gleichbleibender Qualifikation eine höhere Besoldung gewährt wird, was nicht ausreichend begründet den allgemeinen Gleichheitsssatz und das Leistungsprinzip verletzen kann, da anderen Beamten nicht dasselbe materielle Gut gewährt wird und nun ggf. weniger leistungsfähige Beamten dasselbe materielle Gut gewährt wird wie leistungsfähigeren Beamten, womit die Wertigkeit der Ämter eingeebnet werden würde.

Es kommt also auch hier - wie immer bei Veränderung der Besoldungsgesetzgebung - auf die Begründung an, die prozeduralen Anforderungen an das Gesetz, und mit Blick auf den einzelnen Beamten, dass sein grundgesetzgleiches Recht auf eine amtsangemessene Alimentation gewahrt bleibt, also die materiell-rechtliche Dimension.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #601 am: 07.02.2022 10:03 »
Soweit ich mich erinnern kann versucht man die Streichung der unteren Besoldungsgruppen mit höherwertigen Tätigkeiten, höheren Anforderungen und höherer Verantwortung zu begründen. Ist das logisch? Kann der Besoldungsgesetzgeber damit durchkommen?

Eigentlich weiß jeder um was es dabei geht, um Einsparung von Haushaltsmitteln.

Vom Gefühl her kommt es mir nämlich so vor, dass gleichzeitig oben höherwertige Stellen geschaffen werden, das Besoldungsgefüge also nur nach oben verschoben wird. Ein Beispiel sind die Bürgermeister, oder es gibt auch Polizisten in manchen Bundesländern, die nur noch ab gehobenem Dienst eingestellt werden.

Durch diese Methode spart man sich auf jeden Fall bei den Pensionen Haushaltsmittel. Ich fände es gerecht, wenn bei den Pensionszahlungen die Besoldungsordnung verwendet wird, die beim Ausscheiden aus dem Dienst angewandt wurde.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #602 am: 07.02.2022 10:32 »
Außerdem muss man nicht die untersten Besoldungsgruppen streichen, wenn Beamte Tätigkeiten mit  höheren Anforderungen und höherer Verantwortung ausführen, es würde auch ausreichen sie zu befördern.

Bärliner

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #603 am: 07.02.2022 10:49 »
Also was sich der Bund gegenüber den Bundesländern hier leistet, ist unglaublich.
Das man jetzt besoldungstechnisch sich gerade beim Familienzuschlag regelrecht vorführen lässt macht mich fassungslos. Das man gerade Beamtenfamilien so im Stich lässt hat mit verfassungskonformer Besoldung nichts mehr zu tun.
Bei einer Familie mit 3 Kindern zahlt mittlerweile NRW und Berlin 400,00 € mehr im Monat. Und die armen Bunderländer Sachsen-Anhalt und Thüringen toppen das noch mit jeweils 600,00 € bzw. 700,00 € im Monat mehr.
Ich erwarte vom Bundesinnenministerium und Bundesfinanzministerium mal eine schnelle abgestimmte Vorlage, um das zu heilen. Ich kenne viele Beamte im gehobenen Dienst bei der Bundespolizei, die sich jetzt in Ihren jeweiligen Bundesländern bewerben. Und noch unverständlicher ist hier die Haltung von Verdi und dem Deutschen Beamtenbund, da hört man ja gar nichts mehr zu diesem Thema.

Dafür sind wenigstens die künftigen Pensionen im Bund mit entsprechenden Rücklagen hinterlegt und somit nachhaltig finanziert. Aktuell werden je nach Laufbahn ca. 30 % der aktiven Dienstbezüge laufend in einen Pensionsfonds und eine Versorgungsrücklage zugewiesen. Lässt sich alles im Versorgungsbericht nachlesen.

Zum Vergleich das Land NRW: im Jahr 2018 hat man es doch geschafft, ganze 200 Millionen zurückzulegen, also etwa 900 Euro pro aktiven Beamten und Jahr. Wow, ich bin begeistert.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #604 am: 07.02.2022 10:51 »
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

MasterOf

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #605 am: 07.02.2022 10:55 »
Also was sich der Bund gegenüber den Bundesländern hier leistet, ist unglaublich.
Das man jetzt besoldungstechnisch sich gerade beim Familienzuschlag regelrecht vorführen lässt macht mich fassungslos. Das man gerade Beamtenfamilien so im Stich lässt hat mit verfassungskonformer Besoldung nichts mehr zu tun.
Bei einer Familie mit 3 Kindern zahlt mittlerweile NRW und Berlin 400,00 € mehr im Monat. Und die armen Bunderländer Sachsen-Anhalt und Thüringen toppen das noch mit jeweils 600,00 € bzw. 700,00 € im Monat mehr.
Ich erwarte vom Bundesinnenministerium und Bundesfinanzministerium mal eine schnelle abgestimmte Vorlage, um das zu heilen. Ich kenne viele Beamte im gehobenen Dienst bei der Bundespolizei, die sich jetzt in Ihren jeweiligen Bundesländern bewerben. Und noch unverständlicher ist hier die Haltung von Verdi und dem Deutschen Beamtenbund, da hört man ja gar nichts mehr zu diesem Thema.

Ich sehe das genauso.
Insbesondere die Interessensvertetungen (bspw. DBB + ihm untergeordnete Fachgewerkschaften) halten hier die Füße zu still, anstatt einfach mal über den aktuellen Sachstand zu informieren und natürlich auch Druck gegenüber dem BMI / BMF zu machen.

Bärliner

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #606 am: 07.02.2022 10:59 »
Was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Damit will ich sagen, dass ich mich als Bundesbeamter um meiner nachhaltig finanzierten Pension willen nicht bei einem Land bewerben würde, nur weil einige Länder kurzfristig dieses Besoldungsthema angegangen sind.

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #607 am: 07.02.2022 12:30 »
@Bärliner:Mit Verlaub, die Tatsache das der Bund versucht Rücklagen zu schaffen ist kein Argument.
Die Pension steht den Landesbeamten genauso zu, auch wenn die Gegenfinanzierung in ein paar Jahren schwierig wird.

Genauso ist die Rücklage des Bundes auch mal ganz schnell für andere Dinge ausgegeben.

Asperatus

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #608 am: 07.02.2022 20:36 »
Ich kenne viele Beamte im gehobenen Dienst bei der Bundespolizei, die sich jetzt in Ihren jeweiligen Bundesländern bewerben. Und noch unverständlicher ist hier die Haltung von Verdi und dem Deutschen Beamtenbund, da hört man ja gar nichts mehr zu diesem Thema.

Ich bin optimistisch, dass der Bund eine Regelung noch dieses Jahr finden wird, die mit den meisten Bundesländern mithalten kann. Daher finde ich es von den angesprochenen Polizisten etwas kurz gedacht, sich jetzt schon wegzuwerben. Bekannt ist, dass der Bund an einer Lösung des Problems arbeitet und nicht in der Haltung einer Total-Verweigerung ist. Dass der Bund im Vergleich zu den Ländern gut bezahlt, wird sich absehbar auch nicht verändern.

Zum Thema ver.di und DBB: Manchmal ist es klüger und effektiver, hinter verschlossenen Türen dicke Bretter zu bohren, statt öffentlichtlich laut zu Poltern und auf Konfrontationskurs zu gehen. Damit ereicht man oft das Gegenteil - oder zumindest nicht soviel, als wenn man es im Konsens und mit freundlichen Gesprächen versucht.

Streber22

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #609 am: 07.02.2022 20:44 »
Ich kenne viele Beamte im gehobenen Dienst bei der Bundespolizei, die sich jetzt in Ihren jeweiligen Bundesländern bewerben. Und noch unverständlicher ist hier die Haltung von Verdi und dem Deutschen Beamtenbund, da hört man ja gar nichts mehr zu diesem Thema.

Ich bin optimistisch, dass der Bund eine Regelung noch dieses Jahr finden wird, die mit den meisten Bundesländern mithalten kann. Daher finde ich es von den angesprochenen Polizisten etwas kurz gedacht, sich jetzt schon wegzuwerben. Bekannt ist, dass der Bund an einer Lösung des Problems arbeitet und nicht in der Haltung einer Total-Verweigerung ist. Dass der Bund im Vergleich zu den Ländern gut bezahlt, wird sich absehbar auch nicht verändern.

Zum Thema ver.di und DBB: Manchmal ist es klüger und effektiver, hinter verschlossenen Türen dicke Bretter zu bohren, statt öffentlichtlich laut zu Poltern und auf Konfrontationskurs zu gehen. Damit ereicht man oft das Gegenteil - oder zumindest nicht soviel, als wenn man es im Konsens und mit freundlichen Gesprächen versucht.
Gut auf den Punkt gebracht. So sehe ich es auch 👌

clarion

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #610 am: 07.02.2022 20:54 »
Hallo,

Seitdem ich in der Verwaltung bin, habe ich aber  den Eindruck,  dass wir stets hinter den Tarifabschluss der PW zurück bleiben. Die letzte TV L Verhandlungen war ein schlechter Witz, eine Nullrunde bei galoppierenden Energiepreisen. Da war der Bohrer wohl zu schwach für das dicke Brett.

Der ÖD hat seine Vorteile,  aber der monetäre Teil spricht eher gegen den ÖD vor allem für Beamte  des technischen Dienstes.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #611 am: 08.02.2022 07:22 »
Zum Thema ver.di und DBB: Manchmal ist es klüger und effektiver, hinter verschlossenen Türen dicke Bretter zu bohren, statt öffentlichtlich laut zu Poltern und auf Konfrontationskurs zu gehen. Damit ereicht man oft das Gegenteil - oder zumindest nicht soviel, als wenn man es im Konsens und mit freundlichen Gesprächen versucht.

Was haben die Flachnasen die letzten Jahre erreicht?

Ich würde da eher auf das Bundesverfassungsgericht setzen.

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #612 am: 08.02.2022 07:33 »
Ich kenne zufällig einen Polizeibeamten bei der Bundespolizei, der im Bereich Erfurter Hauptbahnhof zuständig ist, der fängt jetzt zum 01.03.22 beim Land Thüringen an. Und mit 3 Kindern hat er über 550,00 € im Monat mehr Geld. Gerade bei der Inflation ist das völlig legetim. Schaut Euch mal Preise im Supermarkt an!
Und der Bund hat gerade bei jeglicher Gesetzgebung und auch bei der Besoldung Vorbildcharakter und hier die Aufgabe, die Richtung vorzugeben. Und die Ländern machen wieder einen Flickenteppich! Es liegen bereits seit 2020 mehrere Vorschläge in der Schublade. Und das jetzt die Bundesländern diese "Richtlinien" zum Familienzuschlag vorgeben, ist schon beschämend.
Man muss hier endlich schnell reagieren, auch die Beamten mit ein oder zwei Kinder müssen Aufschläge erhalten. Notfalls muss man den Regionalen Familienzuschlag wieder aus der Schublade holen.

Und nun zum Thema Verdi und DBB. Hier wird behauptet, dass diese Organisationen "dicke Bretter" bohren. Das ist wohl der Witz des Jahrhunderts. Siehe schon im Chat beschrieben, die letzte Tarifrunde der Länder ist ein Armutszeignis für Gewerkschaften, nicht nur die geringe Höhe, man lässt sich schon seit Jahren gerade bei den Ländern immer mit Zuschlägen abspeisen, die überhaupt nicht pensionrelevant sind. Somit wird die Beamtenpension "schön" runtergefahren. Und gerade Verdi ist in meinen Augen eine Gewerkschaft, die man überhaupt nicht benötigt!

xap

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« Antwort #613 am: 08.02.2022 08:34 »
Das ist mutig vom Bundespolizisten. Blöd wäre nur wenn der Bund jetzt die größere Kanone herausholt. Ich kann mir nicht vorstellen das ein Wechsel zurück so ohne weiteres möglich ist.

Wobei die Kanone wohl eher eine Pistole sein wird wenn man Lindners Geschwätz vom Finanzierungsvorbehalt glauben schenkt. Ich ahne übles.

lumer

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« Antwort #614 am: 08.02.2022 08:55 »
Auch Beamte ohne Kinder müssen die höheren Preise bezahlen oder gibt's da irgendeinen geheimen Handschlag oder ähnliches für die, damit die die alten Preise bekommen?  ::)