Gern geschehen, MB und Versuch.
Eventuell sollten wir das, was Du als Konstruktionsfehler wahrnimmst, Versuch, einfach umdrehen - das Bundesverfassungsgericht könnte mit einfacher Senatsmehrheit jedes vom Bundesgesetzgeber einstimmig verabschiedetes Gesetz und damit den im letzteren sich offenbarenen Willen des Souveräns als verfassungswidrig betrachten, womit fünf Personen, die demokratisch legitimiert sind durch eine Zweidrittelmehrheit des Bundestags oder Bundesrats (die Richter am Bundesverfassungsgericht werden entsprechend zur Hälfte vom Bundestag und zur Hälfte vom Bundesrat gewählt), dabei jedoch über die Machtfülle in ihrer Hand verfügen, die die aus einer Volkswahl hervorgegangenen Repräsentanten in ausnahmslos allen Fällen einfachgesetzlicher Tätigkeit - also dem zentralen Verfassungsauftrag des Gesetzgebers - seine Möglichkeit des Handelns aus der Hand nehmen respektive schlagen können, und zwar in ausnahmslos allen Feldern für die der jeweilige Senat zuständig ist oder sich ggf. für zuständig erklärt. Zu den weiteren Check and Balances neben der Aufteilung der Richterwahl gehört dabei, dass sechs der 16 Richter aus den Reihen der Bundesrichter aus den obersten Bundesgerichten stammen müssen und dass sich darüber hinaus die weitere Anzahl an Richtern aus Professoren der Rechtswissenschaft und Volljuristen aus anderen Berufen, i.d.R. auch aus der Ministerialbürokratie und der Politik als Beruf stammen, was aber weiterhin nur bedingt etwas über ihre Legitimität aussagt. So verstanden vereinen in Deutschland fünf Personen für einen vergleichbaren Zeitraum von drei Legislaturperioden des Bundestags (Richter am Bundesverfassungsgericht werden auf zwölf Jahre gewählt und müssen sich währenddessen keiner Wiederwahl stellen) eine Machtfülle in sich, die so betrachtet größer sein könnte als die der mehreren hundert Abgeordneten, die zugleich wegen ihres aus einer Volkswahl hervorgegangenen (und auf vier Jahre beschränkten) Mandats deutlich umfassender demokratisch leigtimiert sind und die darüber hinaus den zentralen Teil ihrer verfassungsrechtlichen Tätigkeit transparent zu machen haben, da der Bundestag ausnahmslos und die Ausschüsse weit überwiegend öffentlich tagen, während die Richter innerhalb des verfassungsrechtlich geregelten Verfahrens - dem Richtergeheimnis - zum Ergebnis ihrer Entscheidung in einem gezwungenermaßen gezielt intransparenten Verfahren im Zuge der geheimen Beratung kommen.
Was Du als Konstruktionsfehler auffasst, ist so verstanden nichts anderes als die Konsequenz der Stellung des Bundesverfassungsgerichts in unserer Verfassungswirklichkeit:
- Die Richter werden auf Grund einer demokratietheoretisch geringeren Legitimationsbasis gewählt als die Abgeordenten des gesetzgebenden Organs
- Sie haben sich nach der einmaligen Wahl keiner zwischenzeitlichen Wiederwahl zu stellen
- Sie sind wegen ihrer richterlichen Unabhängigkeit weder an Weisungen gebunden noch müssen sie über ihre Tätigkeit Rechenschaft ablegen
- Ihre Entscheidungen erfolgen in einem mit der Institution verbundenen Verfahren extremer Intransparenz und das Ergebnis kann entsprechend, wenn der Senat das nicht will, auf keine konkrete Person zurückgeführt werden, da weder die Mehrheitsverhältnisse noch eine namentliche Auflistung des Abstimmungsergebnisses genannt werden müssen
- Ihre Entscheidungsgewalt kann auf zwölf Jahre ausnahmlos alle einfachgesetzlichen Regelungen des Gesetzgebers für unwirksam erklären, während kein Organ unserer verfassungsmäßigen Ordnung auch nur eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufheben könnte.
Zusammengefasst: Fünf Personen in einem Senat bzw. deren zehn in beiden könnten (zusammen mit einem regelmäßigen Kläger aus der Bevölkerung) ausreichen, um die gesetzgeberische Tätigkeit in Deutschland auf zwölf Jahre de facto zum Erliegen zu bringen und damit den sich hier zeigenden Willen des Souveräns. Während also das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Verfassung den Gesetzgeber kontrolliert und ggf. dessen Entscheidungen korrigieren kann, indem er sie aufhebt, kontrolliert diesen Hüter der Verfassung niemand außer die Öffentlichkeit, die aber weitgehend von den Entscheidungen des Gerichts ausgeschlossen ist, und kann niemand innerhalb unserer verfassungsmäßigen Ordnung seine Entscheidungen korrigieren - denn die einzige "Korrektur" einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung wäre eine neue Gesetzgebung, die aber nicht davon ausgenommen werden kann, vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben zu werden.
Der langen Rede kurzer Sinn: Eine Entscheidung des Gesetzgebers, der also den Verfassungsauftrag hat, Gesetze zu verabschieden, der an zentraler Stelle der Entscheidung öffentlich handelt, auf verhältnismäßig kurze Zeit in einer Volkswahl gewählt wird, kann korrigiert werden, wenn sie sachlich nicht im Rahmen der Verfassung steht; die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts, das also den Verfassungsauftrag hat, Gesetze des Gesetzgebers zu prüfen und zu kontrollieren, das damit aber zugleich das Recht zu einer "negativen Gesetzgebung" erlangt, dessen Entscheidungen weder öffentlich erfolgen noch offengelegt werden könnten, dessen Richter für eine verhältnismäßig lange Zeit in einer Wahl durch den Bundestag oder Bundesrat erfolgt und dessen Entscheidungen nicht korrigiert werden können, jene Kontrolle des Bundesverfassungsgericht gibt einem von der Anzahl her sehr kleinem Personenkreis eine potenziell deutlich größere Machtfülle. So verstanden läge m.E. eher ein Fehler in der Konstruktion vor, wenn das Bundesverfassungsgericht bspw. so einschneidende Entscheidungen wie eine Vollstreckungsanordnung in kurzer Abfolge tätigte.
Ergo: Ich kann Deine Ansicht wie auch die von Knecht sachlich nachvollziehen - sie ist und wird aber sicherlich niemals meine werden, da mir die Handlungsweise eines Bundesverfassungsgerichts, das ob der eigenen Machtfülle in Rechnung stellt, dass eigene Fehlentscheidungen verfassungsrechtlich übergriffige und zugleich weitreichende und dauerhafte Folgen haben können, allemal sachlich angemessener und damit auf Dauer das Gemeinwesen stabilisierender erscheint, als die Forderung nach einer Art Supergericht, das auf Basis der wetterwendigen Auffassungen von uns allen gerne kurzen Prozess machte. Mir ist meine Freiheit als fehlbarer und irrender Mensch allemal lieber als die Fiktion einer unfehlbaren Institution, die wir nun nicht mehr Gott, sondern Gericht nennen, auch kann ich i.d.R. mit Aussagen über zeitlich langen Abfolgen wenig anfangen, wenn sie nicht die Genese dieser Abfolge in den Blick nehmen, wie ich das vorhin zu skizzieren versucht habe - und zugleich haben wir zum Glück Meinungsfreiheit in Deutschland, sodass ich jetzt hier aufhören werde, euch diesbezüglich von meiner Meinung überzeugen zu wollen. Wir können hier zum Glück in Deutschland weiterhin alles glauben, was wir wollen, und auch alles äußern, was wir wollen, solange damit nicht ein Straftatsbestand einhergeht - und das geht es zum Glück nicht, wenn wir unterschiedliche Ansichten zur Funktion und Rolle des Bundesverfassungsgerichts im Besoldungsrecht haben.