Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 2090968 times)

Oberamtsfuzzi

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6345 am: 14.07.2023 11:41 »
@ xap

Das Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz verstößt in einer so extremen Form gegen das Leistungs- und Alimentationsprinzip, dass es offensichtlich keinerlei Chancen haben kann, im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung verabschiedet und ausgefertigt zu werden, ohne den Verfassungsauftrag der dafür jeweils zuständigen Verfassungsorgane schwer zu beschädigen.

Wie lange lässt sich das BVerfG das noch gefallen? Wann geht das BVerfG von Untätigkeit aus? (Ich würde ja eher von Vorsatz ausgehen, aber diese Entscheidung ist wohl vom BVerfG nicht zu erwarten)

Es gab in der Vergangenheit nichts was nicht mit einer Essenseinladung ins Kanzleramt geregelt werden konnte...

BalBund

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6346 am: 14.07.2023 14:42 »
Momentan bleibt festzustellen, dass der Berichterstatter wieder öfter ab- als anwesend ist. Es verlautbart auch nichts, dass seine Aufgaben delegiert worden sind, insofern brauchen wir wohl alle weiterhin einen langem Atem.

MasterOf

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6347 am: 14.07.2023 15:01 »
Momentan bleibt festzustellen, dass der Berichterstatter wieder öfter ab- als anwesend ist. Es verlautbart auch nichts, dass seine Aufgaben delegiert worden sind, insofern brauchen wir wohl alle weiterhin einen langem Atem.

Berichterstatter bedeutet? Der, der den Entwurf bearbeitet?

Nanum

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6348 am: 14.07.2023 16:47 »
Hallo,
dazu hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Verfahren/Geschaeftsverteilung/geschaeftsverteilung_node.html
Der Berichterstatter muss das Votum (die Entscheidung) sowie die schriftliche Ausarbeitung gemäß Geschäftsverteilungsplan erstellen.
Das dient der Verfahrensökonomie. Das es "ganze Senate" sind ist nur Fassade, im Prinzip entscheidet das jeweilige Verfahren der Berichterstatter, der es (mit Unterstützung eines wissenschaftlichen Dienstes) auch Begründen muss.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6349 am: 14.07.2023 18:14 »
Das, was Du zu den Senatsentscheidungen schreibst, ist nicht ganz richtig, Nanum. Der Berichterstatter erstellt zunächst eine Entscheidungsvorlage, die den Fall inklusive seiner Vorgeschichte und der Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren darstellt, über frühere Entscheidungen zu denselben oder verwandten Problemen und die Meinungen in der Rechtswissenschaft, ggf. auch über die Einstellung ausländischer Gericht informiert. Die Vorlage schließt mit einem Entscheidungsvorschlag, ohne jedoch einen Urteilsentwurf zu enthalten. Auf dieser Grundlage beräte daraufhin der zuständige Senat, und zwar in der Regel ausführlich, was zentral mit dazu beiträgt, dass es bis zur Entscheidungsfindung in der Regel eher etwas länger als kürzer dauert. Nicht umsonst zählen hier die Argumente, die ggf. wiederkehrend umfassend diskutiert werden, insbesondere, sofern sich keine einstimmige Sicht auf die Dinge abzeichnet. Im Beratungsprozess ist es darüber hinaus normal, dass Richter ihre Ansicht ändern, da die Argumente zählen; denn auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unterliegen der Betrachtung durch die Rechtswissenschaft, auch deshalb zählt das Argument und werden die Argumente, sofern sie widersprechend sind, hin- und her- und am Ende abgewogen. Auch deshalb werden im Beratungsprozess nicht selten über die Vorlage hinausgehende weiteren schriftliche Darlegungen ausgetauscht und im weiteren Beratungsprozess eben abgewogen; der jeweilige Berichterstatter erhebt also nicht den Anspruch einer Meinungsführerschaft, was sich auch darin zeigt, dass die Senate des Bundesverfassungsgerichts in seiner über 70-jährigen Geschichte keine Fraktionsbildung kennen. Die Beratung schließt am Ende mit der Entscheidung ab, über die zuvor abgestimmt worden ist. Einstimmigkeit gilt hier weiterhin nicht als Untugend und kann nur dann hergestellt werden, wenn am Ende die besseren Argumente überzeugen.

Im Anschluss ist es die weitere Aufgabe des Berichterstatters, auf Grundlage der Beratung den Entscheidungsentwurf zu verfassen. Dieser wird in einem weiteren Beratungsverfahren, der Leseberatung, ebenfalls diskutiert und ggf. verändert, wobei auch hier die Wissenschaftlichen Mitarbeiter ggf. mitwirken, wenn sie auch über kein Stimmrecht verfügen. Auch über diesen Entwurf wird nach der vollzogenen Diskussion abgestimmt. Darüber hinaus hat jeder Richter des jeweils verhandelnden Senats das Recht, abweichende Meinungen in einem Sondervotum festzuhalten, dass der Entscheidung dann angehängt wird. Die Fassade, die Du meinst ausmachen zu können, gibt es nicht - wovon auch die komplexen Entscheidungsbegründungen zeugen, die auf Grundlage von wiederkehrenden Fassaden nicht die Qualität erreichen könnten, die sie als Folge des umfassenden Abstimmungs- und Abwägungsprozesses aufweisen und die von der Rechtswissenschaft - bei aller Kritik im Einzelnen - nicht bezweifelt wird.

Auch wegen dieses nicht selten langwierigen Prozesses des Austausches und der Abwägung von Argumenten ticken die Karlsruher Uhren wiederkehrend anders als die außerhalb des Schloßbezirks 3.

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6350 am: 14.07.2023 18:35 »
Und wenn der Berichterstatter abwesend ist, dauerts wohl noch länger...  Zumindest mein Verständnis für diese ganzen (großteils absichtlichen) Verzögerungen bei Themen, bei denen es eigentlich nichts Wesentliches mehr zu diskutieren gibt, ist erschöpft.

A9A10A11A12A13

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6351 am: 14.07.2023 18:54 »
abwesend

Schauen wir mal kurz beim Karlsruher Reisebüro für die vergangenen drei Monate nach:

- Tagelanger Besuch des Bundesverfassungsgerichts beim spanischen Verfassungsgericht
- 80. Geburtstag des Hans-Jürgen
- Besuch einer Delegation des Deutschen Bundestages im Bundesverfassungsgericht – und Schwupps bekamen der Btag Bescheid, dass der Beitritt des Deutschen Bundestages beim 2 BvC 4/23 unzulässig ist.
- 70. Geburtstag von Michael
- Besuch einer Delegation des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – Ohne die EUSTA und werden wohl leider nicht gefragt haben, warum das Bundesverfassungsgericht die human rights konsequent mit Füßen tritt.
- Indischer Chief Justice zu Besuch beim Bundesverfassungsgericht
- Karlsruher Verfassungsblabla am 22. Mai 2023
- Kongressblabla des Bundesverfassungsgerichts für die europäischen Verfassungsgerichte
- Tagelanger Besuch einer Delegation des Bundesverfassungsgerichts beim Verfassungsgerichtshof der Republik Österreich – und die Ösis sprechen das aus, was das Karlsruher Reisebüro verschweigt: Es war eine 14-köpfige Delegation, aber pünktlich zurück, denn
- Herbert feiert seinen 75. Geburtstag

A9A10A11A12A13

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6352 am: 14.07.2023 19:26 »
Warum noch nicht entschieden werden kann, u.a. deswegen:

- "...Müller muss weg" als ehemaliger Ministerpräsident - war jahrelang ein Besoldungsmissetäter? - Ist er in neuer Funktion geläutert? Dessen Schreibtisch ist aufzuräumen
- Kessal-Wulf muss weg, zeitlich mitgehangen, mitgefangen - Deren Schreibtisch ist aufzuräumen

- die Redenr. 243ff des 2 BvR 166/16 müssen zeitlich noch etwas abhängen, bevor sie als Standard auch für die Besoldung gesetzt werden:
Die Landesgesetzgeber sind nicht verpflichtet, (rückwirkend) eine verfassungsgemäße Regelung ... zu schaffen; steht auch der Gesichtspunkt einer verlässlichen, in ihren Wirkungen kalkulierbaren Finanz-, Ausgaben- und Haushaltsplanung und -wirtschaft entgegen, die für einen langen Zeitraum in bereits abgeschlossene Perioden des Haushaltsvollzugs erheblich eingegriffen, und zwar zulasten künftiger Haushalte.

Zudem war die Verfassungsrechtslage in Bezug auf die nunmehr formulierten verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Erstellung eines in seiner Gesamtheit schlüssigen Konzepts des Gesetzgebers noch nicht hinreichend geklärt.

Sprich, dass BVerfG bekennt sich schuldig, dem Besoldungsgesetzgeber noch nicht hinreichend beschrieben zu haben, wie die Besoldung auszusehen hatte und damit gehen weiter alle AUCH für die Vergangenheit leer aus und blicken gespannt, was als Ablösung verabschiedet wird.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6353 am: 14.07.2023 19:29 »
Und wenn der Berichterstatter abwesend ist, dauerts wohl noch länger...  Zumindest mein Verständnis für diese ganzen (großteils absichtlichen) Verzögerungen bei Themen, bei denen es eigentlich nichts Wesentliches mehr zu diskutieren gibt, ist erschöpft.

Nimms mir nicht übel, Knecht - aber auch diese Sichtweise, es würde nichts Wesentliches mehr zu diskutieren geben, ist grundlegend falsch. Tatsächlich wird man in Karlsrhue hinsichtlich der zur Entscheidung angekündigten Verfahren einen sehr hohen Diskussionsbedarf haben, der sich vor allem darauf erstrecken wird, mit welchen konkreten Direktiven man nicht nur in den drei zu betrachtenden Rechtskreisen, sondern nach Möglichkeit in allen die wissentlich und willentlich sowie zielgerichtet vorgenommenen Ausflüchte, mit denen der konzertierte Verfassungsbruch wiederkehrend aufrechterhalten wird, unterbindet, nachdem man in den letzten rund zehn Jahren den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, bereits in beträchtlichem Maße eingeengt hat. Das ist ein sachlich äußerst schwieriges und verfassungsrechtlich heikles Unterfangen, weil es hier um verfassungsrechtlich komplexe Verhältnismäßigkeitsabwägungen geht und weil zugleich eine Konkretisierung der den heutigen Gesetzgeber treffenden Verpflichtungen erfolgen muss, die dem zukünftigen Gesetzgeber weiterhin seinen verfassungsrechtlich verbrieften weiten Entscheidungsspielraum erhält.

Ich habe es bereits mehrmals geschrieben: Wer hier wiederkehrend meint, das Bundesverfassungsgericht solle nun mal hurtig und schnell eine Entscheidung treffen, sollte sich die Mühe machen, zunächst einmal selbst hurtig und schnell hier eine umfassende Entscheidungsbegründung zu formulieren, die nach Möglichkeit zu dem Ergebnis führt, das ich im ersten Absatz skizziert habe. Wer das nicht kann - ich kann es nicht und könnte es allerdings zumindest so weit in einigen Teilen, dass ich davon ausgehe, dass ich mir hinsichtlich des abzustimmenden Zeitaufwands eine Meinung bilden kann -, der sollte sich ggf. erst einmal darum bemühen, sich soweit in die Sache einzuarbeiten, dass er ebenfalls eine fundierte Meinung zum Zeitaufwand entwickeln kann. Die Worte sind nicht bös gemeint, Knecht, aber sachlich ist hier noch gar nichts erschöpft, sondern dürfen wir die eine oder andere Überraschung erwarten, die uns das Bundesverfassungsgericht in seinen sechs maßgeblichen Entscheidungen seit 2012 jedes Mal präsentiert hat.

Die Materie ist mittlerweile wegen des gezielten Handelns ausnahmslos aller 17 Besoldungsgesetzgeber - und zwar nicht selten im jeweiligen Parlament in einstimmiger Form - sachlich so komplex und hinsichtlich der im ersten Absatz genannten zukünftigen Werteentscheidungen so umfangreich, dass man vielleicht auf Neujahrsempfängen von politischer Seite über rasch anstehende Entscheidungen fabulieren kann, wie das Anfang des Jahres offensichtlich in Hannover geschehen ist - dass deren Herstellung aber ein ganz anderes Kaliber ist.

Mir ist jede fundierte und also der Zeit bedürfende Entscheidung aus Karlsruhe lieber als diese erschreckende sachliche Leichtfüßigkeit praktisch aller Besoldungsgesetzgeber, deren Entscheidungen der letzten Jahre ich in der Regel allesamt und nicht selten in umfassenderer Form betrachtet habe. Es kommt auf einen Monat oder zwei oder fünf nicht an (sage ich als einer derer, der von der anstehenden Entscheidung mittelbar betroffen sein wird und der ich seit über 18 Jahre auf eine rechtskräftige Entscheidung warte); es kommt darauf an, die mehr und mehr Gestalt annehmende Verfassungkrise mit allen denkbaren Folgen abzuwenden. Und das wird nicht leicht werden, da es im Rahmen unserer Verfassung weiterhin verhältnismäßig geschehen muss und zugleich auf aktuelle Besoldungsgesetzgeber trifft, die kein Morgen und keine nachwachsende Generation kennen - denn ansonsten würden sie hier nicht so gänzlich unverantwortlich handeln, wie sie handeln.

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6354 am: 14.07.2023 20:00 »
Hallo Swen, ich nehme es dir nicht übel. Und ich wusste bereits, dass du es anders siehst. Aus Juristensicht ist das sicherlich auch gut und richtig, dass die Begründung eine Mammutaufgabe ist, bezweifle ich übrigens keinesfalls.

Aber wenn man es mal auf das ganz Wesentliche runter bricht, bleibt es eben so, dass die eine Seite seit Jahrzehnten wissentlich und willentlich Mist baut und das sich schlussendlich alle fast ebenso lange darüber im Klaren sind, dass es so ist. Juristische Kniffe und Ausflüchte, die es ja auch nach einer Entscheidung noch weiter geben wird, bringen halt leider niemandem was, wenn er sich nicht aus meist beruflichen Gründen für derartiges Kleinklein begeistern kann.

Mir wäre eine Feststellung "ab jetzt gibt's für alle 25% mehr, oder es gibt auf den Sack" durchaus ausreichend.

emdy

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6355 am: 14.07.2023 21:20 »
Ich finde Swens Nachsicht, was die Verfahrensdauer anbelangt, ehrlich gesagt auch etwas befremdlich.

Als einfacher Beamter werden mir meine grundrechtsgleichen Rechte seit vielen Jahren verwehrt. Man stelle sich mal vor, ich würde mit der gleichen Selbstverständlichkeit diskriminiert oder die Unverletzlichkeit meiner Wohnung würde nicht geachtet...

Lars Distelhorst schreibt in seinem Buch "Leistung - Das Endstadium der Ideologie", die gefährlichste Form der Ideologie sei die "Nicht-Ideologie", also das Aufbauen einer Scheinrationalität (im Buch die Rationalität des Kapitalismus) zur Legitimierung der herrschenden Umstände. Diesen Vorwurf mache ich dir augenzwinkernd, Swen 😉.

Die Aufgabe des BVerfG ist anspruchsvoll. Aber wie wir hier ja wissen ist es seine Aufgabe nicht, die beste und sinnvollste Ausgestaltung der Alimentation zu erarbeiten, sondern Leitlinien zu setzen. Die verstrichene Zeit legt nahe, dass unser Anliegen hier schlicht als unwichtig betrachtet wird, weshalb ganz langsam auch mein Vertrauen in diese Institution schwindet (wobei ich bisher nahezu immer inhaltlich konform mit den Entscheidungen des BVerfG war).

BuBeamter

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6356 am: 14.07.2023 22:35 »
Ich bin wirklich dankbar für Swens Erläuterungen und Sachlichkeit. Es ist eben die Entscheidung des höchsten Gerichts, welche lieber korrekt und allumfassend ausfallen soll.

Gleichwohl muss ich für mein persönliches und manchmal auch etwas einfacheres Empfinden sagen, dass ich regelmäßig Wut und Ohnmacht empfinde. Dass dieses Warten einen zermürbt. Dass es mich schon aggressiv macht, wenn ich mir überlege, dass ich womöglich viel Geld durch die Unwissenheit und fehlenden Widersprüche verloren habe, weil ich einfach lange Zeit davon ausging, dass der Bezügerechner des BVA mir mein korrekt zustehendes Gehalt anzeigt. Und weil ich dummerweise keine Ahnung hatte, dass ich mir mit 12hundert Parametern über trölf verschiedene Behörden ganz einfach selbst die Mindestbesoldung berechnen kann, und dann nur noch gleichmäßige Schippen drauflegen muss um, dann festzustellen, dass mir doch mehr zusteht. Oder vielleicht ja auch nicht. Und jetzt haben wir auch noch eine Zeit, wo das einfach für eine Familie auch ganz schön viel Geld und Wohlstand bedeutet.

Und ja, da verstehe ich auch, wenn man dann einfach mal erwartet, dass eben unsere höchsten Richter eine Entscheidung präsentieren, oder aber zumindest dafür sorgen, dass es einfacher wird, die Zusammensetzung der Besoldung zu verstehen. Dass eben der Entscheidungsspielraum eingeschränkt wird für den Besoldungsgesetzgeber. Weil von dort auch einfach nirgends eine wirkliche Richtigstellung der Besoldungssituation gewünscht ist, weil es halt auch einfach lukrativ ist nichts zu tun und deshalb immer mehr eingespart wird.

Das musste mal wieder raus. Ich bin froh, mich da erst seit nem halben Jahr mit zu befassen, sonst wär ich längst durchgedreht glaub ich.


SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #6357 am: 14.07.2023 23:50 »
Was Du als befremdlich empfindest, emdy, hat nichts mit Nachsicht zu tun, sondern stellt sich den verfassungsrechtlichen Problemen, die im Rahmen unserer verfassungsmäßigen Ordnung gelöst werden müssen, um nicht genau das zu tun, was die Besoldungsgesetzgeber tun: sich sachlich nicht mehr in diese Ordnung einzubinden.

Am Ende ist das Bundesverfassungsgericht gezwungen, eine Entscheidung, die es fällt, sachgerecht zu begründen. Ein Satz wie "ab jetzt gibt's für alle 25% mehr, oder es gibt auf den Sack" dürfte höchstwahrscheinlich eher nicht in die Kategorien des Verfassungsrechts passen und ließe sich auch im Rahmen unserer Verfassung nicht sachgerecht begründen. Wer das nicht glaubt, sollte sich in ins Thema hineinarbeiten, dazu braucht man kein Verfassungsrechtler zu sein, der ich ebenfalls nicht bin - es reichen genügend viele Stunden an konkreter Arbeit und dabei das wiederkehrende Lesen der maßgeblichen bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen seit den 1950er Jahren und der maßgeblichen Literatur mindestens der letzten gut 15 Jahre. Danach ist man schlauer. Wenn Du das als "Scheinrationalität" wahrnimmst und damit mich identifizierst, dann dürftest Du von dem, was ich hier und an anderen Stellen mache, nicht viel verstanden haben, emdy - egal, wie oft die Augen zwinkern. Denn ohne das, was ich hier seit knapp drei Jahren in wiederkehrend langen und belegten Darlegungen aufgearbeitet habe, würdest Du deutlich weniger Frust empfinden, weil Du gar keine Veranlassung hättest, ihn zu empfinden. Denn dann hättest Du weiterhin weitgehend gar kein Wissen über das, was Dir heute nach wie vor widerfährt; denn bis vor noch gar nicht allzu langer Zeit hast Du sachlich fundierte Kritik kaum irgendwo anders außer hier gehört. Insofern kann ich hier nun gerne die Produktion meiner ideologischen Scheinrealität einstellen - aber vielleicht solltest Du Dich mal besser fragen, was für ein Quatsch Du mir da gerade unterlegst.

Und wer will, dass sich was ändert, der sollte sich eingeladen sehen, genau das zu tun, was ich seit mehreren Jahren tue: sich einzuarbeiten und mitzutun in der Arbeit am Recht mit dem Ziel, das sich was ändert. Vom Frustschieben über wen auch immer dürfte sich hingegen eher kaum etwas zum Positiven ändern - jedenfalls nach meiner Lebenserfahrung.

Und wer das nicht tut, hat zum Glück die Freiheit, seine Meinung kundzutun, solange sie nicht strafbewehrt ist oder als solche formuliert wird. Aber damit ist noch nichts über deren sachliche Richtigkeit ausgesagt. Entsprechend finde ich es wiederkehrend irritierend, dass hier nicht wenige meinen, das Bundesverfassungsgericht solle möglichst rasch genau die Entscheidung treffen, die sie sich wünschen - ohne auch nur eine einigermaßen sachliche Vorstellung dazu formulieren zu können, wie denn nun diese Entscheidung konkret dargelegt und begründet sein soll.

Wer beim Fußball nicht weiß, was die Mittellinie ist, dass die Abseitsfalle keine Fußfessel ist, ein Spiel 90 Minuten dauert und der Ball rund ist, dürfte höchstwahrscheinlich unter den mittlerweile über 80 Millionen Bundestrainern nicht damit rechnen, dass ihm eine hinreichend begründete Meinung über Tante Käthe oder Ennatz' altbewährte Linksverteidigung möglich sei - aber hier scheinen sich einige sicher sein zu dürfen, dass das Bundesverfassungsgericht genau jetzt genau die Entscheidung genau so treffen sollte, wie sie nicht wissen, wie sie formuliert sein sollte.

"Die verstrichene Zeit legt nahe, dass unser Anliegen hier schlicht als unwichtig betrachtet wird", kann man auch dem Ätna vorwerfen, weil er sich seit über einem Jahr keine Mühe mehr zu geben scheint, hinreichend häufig auszubrechen, der alte Lümmel der.

@ BuBeamter

Ich kann die Wut und den Frust gut verstehen - nur ist's der falsche Adressat, auf die sie sich richten. Du kannst auch auf die Feuerwehrleute wütend sein, wenn Dein Haus brennt und sie nicht auftauchen, weil der Wagen kaputt ist, ein Teil der Stellen als Folge der unattraktiven Besoldung unbesetzt, ein anderer Teil als Folge des Dauereinsatzes krank ist und die anderen gerade noch zwei weitere Brände zu löschen haben, sodass Material und Personal nicht hinreichen, um die gestellten Aufgaben zu bewerkstelligen. Nur ist's auch da der Dienstherr, der die unzureichenden Bedingungen schafft, und nicht die Feuerwehr - und hinsichtlich unseres Themas ist es nicht das Bundesverfassungsgericht, das in den letzten zehn Jahren eine gänzlich neue Besoldungsdogmatik entwickelt hat, welches wiederkehrend die Verfassung bricht, sondern es sind auch dort die Dienstherrn die Verantwortlichen - und ich befürchte, mancher von denen, die hier nun schimpfen, das Bundesverfassungsgericht solle doch nun endlich den Verfassungsbruch beenden, haben letztlich gar keine Ahnung davon, was denn der Verfassungsbruch ist, der sich an Art. 33 Abs. 5 GG entzündet, welcher lautet: "Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln." Der Verfassungsbruch ist die wiederkehrende Missachtung der bundesverfassugsgerichtlichen Rechtsprechung, die das Alimentationsprinzip in den letzten gut zehn Jahren erst zu dem gemacht hat, was gebrochen werden kann - hätte sich das Bundesverfassungsgericht den schlanken Fuß machen wollen, den hier wiederkehrend manche ihm unterstellen, dann hätte es einfach seine bis 2011 vollzogene Rechtsprechung seitdem ungebrochen fortgesetzt. Denn dann gäbe es bis heute keinen Verfassungsbruch, das heute gewährte Besoldungsniveau wäre amtsangemessen und es immer gewesen und ein Frust über die zu geringe Besoldung wäre nie wirklich aufgekommen, da sich das Thema ohne den 2012 einsetzenden Rechtsprechungswandel des Bundesverfassungsgerichts gar nicht erst gestellt hätte. Insofern sind die wiederkehrenden Unterlegungen, das Bundesverfassungsgericht sei Teil des Problems, sachlich grotesk: Ohne dessen Rechtsprechung der letzten gut zehn Jahre gäbe es für die Dienstherrn gar kein Problem und wir alle dürften uns heute als amtsangemessen besoldet sehen.

So verstanden projizieren die meisten derer, die sich hier eine jetzt möglichst gestern erfolgte Entscheidung wünschen - wenn ich das richtig sehe - ihre eigenen Hoffnungen, Wünsche, Interessen und Ziele auf genau jene anstehende Entscheidung - und dürften nur noch stärker enttäuscht sein, wenn diese Entscheidung sie ihrer Hoffnungen, Wünsche, Interessen und Ziele nicht näher brächte. Und genau das wäre m.E. mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit die Folge einer nicht lang genug abgewogenen Entscheidungsbegründung. Das Bundesverfassungsgericht dürfte - so interpretiere ich die Dauer zwischen der letzten und der angekündigten Entscheidung - aus der letzten gelernt haben, darauf weisen verschiedene Indizien hin, so das im Januar verschärfte Konkretisierungsgebot, die offensichtlich deutliche Stärkung der gewerkschaftlichen Beteiligungsrechte im Zuge des Entkräftungsgebots von Kritik ausschließlich während des Gesetzgebungsverfahrens, die aktuelle Erweiterung der Entscheidungszahl, die mit dem an anderer Stelle betrachteten "verfassungsrechtlichen Faustpfand" einhergeht (und auf der anderen Seite, da nun drei Verfahrensstränge zu betrachten und zu entscheiden sind, die Beratungszeit noch einmal recht deutlich verlängern dürfte) usw. usf. All das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gekommen, wenn das Bundesverfassungsgericht bereits vor einem Jahr entschieden hätte, da sich das ganze Ausmaß der sich abzeichnenden Verfassungskrise erst seitdem mehr und mehr offenbart. Die Folge wäre eine weitere Verschärfung der Krise gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht wird in der aktuellen Entscheidung anhand von drei Besoldungsgesetzgebern ein Bündel an Entscheidungen treffen müssen, mit der die Renitenz des fortgesetzten Verfassungsbruchs aller Besoldungsgesetzgeber so eingehegt werden sollte, dass die Rückkehr auf den Boden des Rechts einsetzen kann - aber wie es alle Gesetzgeber seit 2020 gezeigt haben, selbst eine schlüssig und klar formulierte Entscheidung wie die letzte hat noch nicht ausgereicht, dass sie ihre Renitenz beiseitegelegt hätten. Also arbeitet man nun in Karlsruhe gemäß dem Verfassungsauftrag am Recht - und wer sich da Schnelligkeit vor Genauigkeit erhoffte, dessen Leidenszeit dürfte sich noch einmal deutlich verlängern, wenn seine Hoffnung Realität werden würde.
« Last Edit: 14.07.2023 23:56 von SwenTanortsch »

emdy

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« Antwort #6358 am: 15.07.2023 00:47 »
Das "verfassungsrechtliche Problem" was sich hier stellt ist auch nicht anspruchsvoller als andere Themenkomplexe, die durch das BVerfG entschieden werden müssen. Es liegt auf dem Tisch, die Zielrichtung ist gesetzt (Qualitätssicherung des öffentlichen Dienstes) und die bisherige Rechtsprechung wird ignoriert. Das allein sollte Grund genug sein, einigermaßen kurzfristig zu einem Beschluss zu kommen, der ja nun auch nicht der letzte sein wird.

Ich bin dir wahnsinnig dankbar für die Aufklärung zu diesem Thema, die du seit Jahren leistest. Nur verstehe ich unseren Job als Fußvolk anders. Ich habe in meiner Behörde jetzt, ebenfalls über Jahre, sehr sachlich über das Thema informiert und eine Menge Widersprüche generiert. Mein Job ist es nicht, die Rechtsprechung durch jahrelange Juristerei auf Amateurniveau (sehe mich nicht auf Augenhöhe mit den Richtern am BVerfG) vorwegzunehmen, sondern eher die Arbeit der eher schlecht als recht agierenden Gewerkschaften zu kompensieren.

Ich hege keinen Groll gegen das BVerfG, ich bin nur der Meinung, die Verfahrensdauer ist der Sache unangemessen. Das kannst du anders sehen, vertrittst dann aber eben aus meinem Blickwinkel eine scheinrationale Haltung. Kein Grund mir zu unterstellen, ich hätte nichts vom Thema verstanden...

Meine Beiträge sind seit Monaten nicht mehr sachlich weil in der Sache längst alles gesagt ist.

Knecht

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« Antwort #6359 am: 15.07.2023 07:10 »
Swen hat in der Sache natürlich bestimmt Recht und ich verstehe, dass das Bundesverfassungsgericht hier als quasi letzte noch rechtmäßig agierende Instanz eine möglichst perfekte Entscheidung treffen soll. Ich frage mich halt, wie zweckmäßig das noch ist, wenn alle anderen längst von Fußball auf Rugby umgestiegen sind und die Zuschauer (in dem Fall wir) bei diesem Spiel fortwährend mit Kot beworfen werden.

Vllt wäre es dann einfach sinnvoller sich auf ein Runde Badminton zu einigen und jedem ein Bier auszuschenken. Oder kurz: einfach mal pragmatisch sein.