Ich finde das Thema sehr interessant. Wie ich schon mal geschrieben habe aber auch überbewertet. Insbesondere das Bashing auf unsere Politik. Immerhin haben an dem Thema eigentlich schon fast an alle Parteien mitgearbeitet. Wenn nicht im Bund, dann in den Ländern. Was mir zeigt das irgendwie niemand eine Generallösung für eine rechtmäßige Umsetzung des Alimentationsprinzipes hat.
"Niemand" kann man nicht sagen. Besser wäre es: "alle" zu sagen. Das heißt, ausnahmslos jeder, der als Verantwortungsträger mit der Materie befasst ist, weiß, wie die Lösung aussieht, nämlich die zwangsläufig nötige Anhebung der Grundgehaltssätze aller Richter, Staatsanwälte und Beamten. Das ist die sachliche Konsequenz aus dem seit 2012 vom Bundesverfassungsgericht eingeleiteten Rechtsprechungswandel, der als Folge der wiederkehrenden sachlichen Untätigkeit der Besoldungsgesetzgeber in der aktuellen Entscheidung vom 04. Mai 2020 kulminierte. Insofern würde ich eher nicht von einem Bashing der jeweils verantwortlichen Politiker sprechen, sondern von einer zum Teil beißenden Kritik, die sich daran entzündet, dass Betroffene sich zurecht um ihr grundrechtsgleiches Individualrecht einer amtsangemessenen Alimentation gebracht sehen, und zwar vonseiten der Verantwortungsträger wissentlich und willentlich, also zielgerichtet, und zwar zum Teil seit mittlerweile fast 20 Jahren. Dabei sollte nicht aus dem Blick geraten, denke ich, dass die fortgesetzte Verletzung des Treueprinzips auf eine Gruppe von Beschäftigten trifft, die sich in einem Sonderrechtsverhältnis befinden, deren Grundrechte also eingeschränkt sind, was eine besondere Verantwortung des Dienstherrn nach sich zieht, eben das beamtenrechtliche Treuverhältnis.
Entsprechend geht das Handeln der Verantwortungsträger mittlerweile weit über ein "Rosinenpicken" hinaus, eben da es nicht mehr um "Rosinen", sondern um hohen Summen an verfassungswidrig nicht gewährten Beträgen geht, die zum Bestreiten des täglichen Bedarfs, aber auch für die Altervorsorge notwendig sind und allerspätestens dort dann in nicht wenigen Fällen zukünftig fehlen werden. Und jeder, der in seinem Leben mal ein wenig pflegerisch tätig geworden ist, mag ermessen, was das bedeutet oder bedeuten kann. Dabei darf zugleich daran erinnert werden, was das Bundesverfassungsgericht den Dienstherrn bspw. bereits 2007 ins Stammbuch geschrieben hat, ihn an seine Vorteile wie an seine Pflichten erinnend:
"Dem Anliegen des Sozialstaatsprinzips kann auch ohne Beeinträchtigung der in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Grundstrukturen Rechnung getragen werden, indem die angestrebten Einstellungen, soweit Art. 33 Abs. 4 GG dies zulässt, nicht im Beamten-, sondern im Angestelltenverhältnis erfolgen. Eine derartige Vorgehensweise brächte die Anforderungen des Sozialsstaatsprinzips und die Gewährleistung des Art. 33 Abs. 5 GG zur praktischen Konkordanz [also zu einem verfassungsrechtlich schonenden Ausgleich von Verfassungsnormen; ST.]. [...]
Entscheidet er [der Dienstherr ST.] sich indes für eine Verbeamtung [...], so ist das begründete Beamtenverhältnis auch den Bindungen des Art. 33 Abs. 5 GG unterworfen. Die Übernahme [...] ins Beamtenverhältnis hat für den Dienstherrn viele - auch finanzielle - Vorteile. Sie befreit ihn von dem Zwang, Arbeits- und Entgeltbedingungen mit den Tarifparteien auszuhandeln und abzustimmen. Die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses ist der einseitigen Regelungskompetenz des Beamtengesetzgebers unterstellt. Dementsprechend liegt es in seinem Gestaltungsspielraum, die wöchentliche Arbeitszeit oder die Festsetzung des Ruhestandsalters zu bestimmen. Das Beamtenverhältnis erlaubt dem Dienstherrn einen flexiblen Einsatz der Beschäftigten. Dies gilt in zeitlicher Hinsicht, da ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung grundsätzlich nicht besteht. Der Handlungsspielraum besteht auch in Bezug auf die örtliche Verwendung, weil das Beamtenrecht die Versetzung eines Beamten auch gegen seinen Willen im dienstlichen Interesse ermöglicht. Der Beamte ist seinem Dienstherrn zur Treue verpflichtet und zum Einsaz kollektiver Druckmittel wie dem Streik nicht befugt. Er hat seinen Dienstherrn loyal zu unterstützen und ist auch bei der Aufnahme von Nebentätigkeiten nicht frei. Schließlich untersteht der Beamte der Disziplinargewalt des Dienstherrn.
Mit diesen Vorteilen für den Dienstherrn sind die Bindungen verbunden, die sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergeben, insbesondere auch die Anforderungen des Hauptberuflichkeitsgrundsatzes und des Alimentationsprinzips. Ein 'Rosinenpicken' erlaubt die Verschiedenheit der Beschäftignugssysteme [im Beamten- und Angestelltenbverhältnis; ST.] dem Gesetzgeber nicht. [...] Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, dass der öffentliche Dienst mit Konditionen werben muss, die einem Vergleich mit der privaten Wirtschaft standhalten können." (Entscheidung vom 19.09.2007; BVerfGE 119, 247 <267 f.>)
Es ist unter dieser Betrachtung offensichtlich eher zu fragen, wer hier eigentich wen "basht", sofern das in unserem Zusammenhang dann der richtige Begriff wäre. Überbewertet ist dabei nichts, denn grundrechtsgleiche Individualrechte, die gezielt verletzt werden, können in einem Rechtsstaat nicht überbewertet werden; die Rechte sind zu beachten und wer das nicht tut, stellt sich spätestens im Wiederholungsfall außerhalb unserer Rechtsordnung - und falls es sich dabei um den handelt, der alle Gewalt des Volkes in seinen Händen trägt, die ihm also innerhalb der verfassungsrechtlichen Normen auf Zeit in den Bindungen des Grundgesetzes übertragen wird, dann bleibt auch er in einem Rechtsstaat genau jenen verfassungsrechtlichen und ebenso den einfachgesetzlichen Bindungen unterworfen. Sieht er sich ihnen nicht unterworfen, indem er sie gezielt missachtet, wie das im Besoldungsrecht der Fall ist, verliert er mindestens seine Legitmität, die ihm auf Zeit verliehene Gewalt zu nutzen. Typische Folgen eines solchen Legitimitätsverlusts haben wir gerade erst wieder vor zwei Tagen erlebt, wo sich jeweils mehr als jeder siebte Wahlgänger für eine mindestens in Teilen rechtsextreme Partei entscheiden hat. Auch von daher dürfte die Vorstellung, der Dienstherr würde durch ggf. beißende Kritik "gebasht" werden, fehl gehen. Solange die Kritik nicht in Straftatsbeständen mündet, solange sie also sachlich bleibt, darf er sich ihr ausgesetzt sehen - und darf er zugleich froh und dankbar sein, wenn andere nicht seinem Vorbild folgen und sich ebenfalls handelnd außerhalb unserer Rechtsordnung stellen. Der rechtsstaatsgefährdende Gehalt, den Ulrich Battis begründet hervorhebt, finden wir nicht zuletzt in dieser Gefahr, die durch solcherart Handeln derer, denen die staatliche Gewalt und das staatliche Gewaltmonopol auf Zeit überantwortet ist, mindestens in Kauf genommen wird. Wer am friedlichen Zusammenleben der Gesellschaft interessiert ist, stellt sich nicht außerhalb ihrer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung, sollte man annehmen, insbesondere wenn er über eine große, aber beschränkte Machtfülle verfügt, die er illegitim ausdehnt, wenn er sie nicht im Rahmen der Rechtsordnung gebraucht.
Pardon für diese deutlichen Worte.