Zugleich wirft indiziell das Problem, dass die Zeiten der massiven Besoldungkürzungen ab 2003/05 zunehmend aus dem Prüfhoriziont verschwinden, seinen dunklen Schatten auf die derzeitigen und zukünftigen Klageerhebungen, was einen ganzen Strauß an ungelösten Problemen mit sich bringt: Und insbesondere das kann ein Verwaltungsgericht, wenn es nicht zugleich über hinreichende Kenntnis von Statistik verfügt, ebenfalls kaum erkennen - und wenn es das Problem erkennt, steht es dennoch vor dem Folgeproblem, dass das Problem der aus dem Prüfhorizont verschwindenen Jahre hoher Besoldungseinsparungen noch keine Betrachtung des Bundesverfassungsgerichts gefunden hat. Die Verwaltungsgerichte bleiben aber an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebunden, sodas sie also auf der ersten Prüfungsstufe den 15-Jahreszeitraum abarbeiten und nun zunehmend zu dem Ergebnis kommen werden, wenn die Kläger die Gerichte nicht auf die Probleme hinweisen und sie umfassend nachweisen (sie also ihre Klage nicht hinreichend substantiieren), dass die Prüfparameter mit Ausnahme des verletzten Mindestabstandsgebots keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indizieren.
Zu dem Problem Prüfhorizont sagt Battis folgendes (allerdings ist das aus 2013 und ich weiß nicht, ob das mittlerweile überholt ist)https://www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=25857&token=4e539b6af7ef1270ff33d4ddf991422d253d52dd&sdownload=&n=Rechtsgutachten_Angemessene_Besoldung_2013-06-19.pdf:
cc) Betrachtungszeitraum
Zudem muss der zugrunde gelegte Betrachtungszeitraum aussagekräftig sein. Ansonsten lassen sich keine hinreichenden belastbaren Aussagen zur Besoldungsentwicklung
im Vergleich zur Einkommensentwicklung der Vergleichsgruppen treffen:
„Für eine dem § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügende Aufbereitung des Streitstoffes ist aber zu fordern, dass ein größerer
Zeitraum in die Betrachtung einbezogen wird, wenn ein Vorlagegericht die Verfassungswidrigkeit der Besoldungshöhe unter
Verweis auf deren zeitliche Entwicklung begründet. Nur so erscheint es möglich, das vom Bundesverfassungsgericht für die
Verfassungswidrigkeit der Besoldung aufgestellte Evidenzkriterium plausibel darzulegen.“
BVerfG, Beschluss vom 03.05.2012 - 2 BvL 17/08 - Rn. 30 (Juris).
Sowohl für die Frage, ob die gewährte Alimentation die verfassungsrechtlich vorgegebene Untergrenze unterschreitet, als auch für die Frage, ob der Besoldungsgesetzgeber seiner Verpflichtung zur Anpassung der Besoldung nachgekommen ist, kommt dabei der Festlegung des Ausgangszeitpunktes besondere Bedeutung zu. Zweckmäßigerweise sollte dafür der Zeitpunkt gewählt werden, in dem zuletzt von einer amtsangemessenen Mindestbesoldung ausgegangen wurde. Allerdings ist bislang nicht
höchstrichterlich geklärt, wie dieser „Nullpunkt“ genau zu bestimmen ist.
Vgl. dazu die ausführliche Darstellung des VG Halle, –
5 A 206/09 HAL –, S. 24 f. EA; vgl. ferner OVG NRW, –
1 A 1525/08 –, Rn. 287 ff.
Einigkeit besteht darin, dass auf die letztmalige Auseinandersetzung des Gesetzgebers
mit der Amtsangemessenheit der Alimentation abzustellen ist.
OVG NRW – 1 A 1525 –, Rn. 289 ff. (Juris); OVG NRW, –
1 A 4955/05 –, Rn. 109 ff. (Juris); VG Halle, – 5 A 206/09 HAL –,
S. 22 f., 26 mw.N. EA; Deja, S. 178 mit Verweis auf u.a. BVerfGE 107, 218 (248 ff.)).
Allerdings kommen die verschiedenen Gerichte, die sich mit jüngst mit der Amtsangemessenheit der Alimentation zu befassen hatte, zu recht unterschiedlichen Ergebnissen. Während das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in den beiden genannten Entscheidungen das 1991 als Ausgangspunkt seiner Prüfung festlegt; stellt das
Verwaltungsgericht Halle in der genannten Entscheidung auf das Jahr 1983 ab. Andere
Gerichte wiederum knüpfen erst an das 1998 an.
Vgl. die ausführliche Darstellung bei VG Halle, – 5 A 206/09
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HAL –, S. 26 EA.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich insoweit bislang nicht ausdrücklich festgelegt.
In der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung zu den „Beamtenkindern“ hat das Gericht jedoch ausgeführt:
„Das Bundesverfassungsgericht ist in seinen Entscheidungen
vom 30. März 1977 und vom 22. März 1990 davon ausgegangen, daß die Einkommensverhältnisse der Beamtenfamilie mit
einem oder zwei Kindern in allen Stufen der Besoldungsordnung zum damaligen Zeitpunkt im wesentlichen amtsangemessen waren, der bei größerer Kinderzahl entstehende
Mehrbedarf hingegen durch zusätzliche Leistungen gedeckt
werden muß (vgl. BVerfGE 81, 363 [377 f.]).“ (Hervorhebung
nicht im Original).
BVerfGE 99, 300 (315 f.).
Und weiter:
„Die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitraum 1988 bis 1996
lassen nicht den Schluß zu, es sei eine Verschlechterung der
allgemeinen Lebensverhältnisse eingetreten, die auf das dem
Beamten zu gewährleistende "Minimum an Lebenskomfort"
durchgegriffen hätte (2). Der als Vergleichsmaßstab herangezogene verheiratete Beamte mit zwei Kindern war auch im hier
zur Überprüfung stehenden Zeitraum nicht überalimentiert
(3).“ (Hervorhebung nicht im Original).
BVerfGE 99, 300 (316 f.).
Schließlich stellt das Bundesverfassungsgericht fest:
„Ist das "Minimum an Lebenskomfort" nach alledem nicht deshalb neu zu bestimmen, weil sich die allgemeinen Verhältnisse
verschlechtert hätten, so kann im zu beurteilenden Zeitraum
auch nicht von einer "Überalimentation" der bislang als
Maßstab dienenden vierköpfigen Beamtenfamilie ausgegangen werden. Auch die Besoldung dieser Beamtengruppe
wurde lediglich entsprechend den allgemeinen finanziellen und
wirtschaftlichen Verhältnissen erhöht…“. (Hervorhebung nicht
im Original).
BVerfGE 99, 300 (319 f.).
Aus diesen Formulierungen lässt sich nur folgern, dass lediglich noch das verfassungsrechtliche Minimum an Alimentation gewährt wurde. Denn im Falle eines (verfassungsrechtlich zulässigen) noch vorhandenen Spielraums mit der Möglichkeit einer weiterer
Absenkung der Besoldung wäre das Gericht nicht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Alimentation kinderreicher Beamter und demzufolge auch nicht zum Erlass
der Vollstreckungsanordnung gelangt.
OVG NRW, – 1 A 1525/08 –, Rn. 292 (Juris); VG Halle, –
5 A 206/09 HAL –, S. 28 EA.
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Sowohl die Begründungen des Verwaltungsgerichts Halle für die Festlegung des „Nullpunktes“ auf das Jahr 1983, als auch die des Oberverwaltungsgerichts NordrheinWestfalen für das Jahr 1991 erscheinen plausibel. Letztlich kommt es dafür auch auf
die jeweilige Besoldungsgruppe an, so dass hier keine pauschale Festlegung erfolgen
kann. Jedenfalls ist im Einzelfall darauf abzustellen, wann sich der Besoldungsgesetzgeber letztmalig ausdrücklich mit der Frage der Amtsangemessenheit der Besoldung
befasst und sich dabei der Einhaltung des verfassungsrechtlich vorgegeben Mindestniveaus vergewissert hat