Ein sachlicher Artikel, der zugleich - wenn ich das richtig sehe - eine deutliche Skepsis gegenüber einer Vier-Tage-Woche an den Tag legt. Dabei ist der Verweis (der Arbeitgeberseite) auf den den Fachkräftemangel verschärfenden Charakter einer Vier-Tage-Woche sachlich berechtigt. Jedoch ist insbesondere das, was die NGG hervorbringt und sachlich untermauert, ebenfalls offensichtlich sachlich berechtigt: Die Arbeit (auch) in diesen Branchen ist mit einem hohen Armutsrisiko nicht erst im Alter verbunden.
Formal (und damit verknappt) betrachtet, stellt sich mir die Sachlage m.E. wie folgt dar: Sowohl die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft in vielen Branchen (jene, die die NGG vertritt, gehört im hohen Maße dazu) seit recht langer Zeit nur Löhne und Gehälter zahlt, die es den Arbeitgebern erleichtert hat, keine betriebsbedingten Veränderungen vorzunehmen, als auch die Tatsache, dass der zunehmende Fachkräftemangel mit hoher Wahrscheinlichkeit für viele Branchen und Unternehmen zukünftig recht starke Auswirkungen zeitigen wird (so wie er sie schon heute zeitigt), sind seit Jahren bekannt. Die aus der Corona-Pandemie und den Folgen des russischen Angriffskriegs resultierenden und nun also sich beschleunigenden Transformationsbedingungen waren absehbar, wenn auch die Dynamik, mit der sie sich seit 2020 vollziehen, nicht absehbar war: Die notwendigen Transformationsbedingungen - deren maßgebliche Ursache der sich zunehmend verschärfende Fachkräftemangel und das (nicht nur) damit zusammenhängende (Niedrig-)Lohnniveau sind - sind nun das Problem nicht weniger Branchen; darauf zu vertrauen, dass sich nun die Arbeitnehmer brav in ihr vorheriges "Schicksal" fügen und also zugunsten der Arbeitgeber und mit der individuellen Folge einer höheren Wahrscheinlichkeit von Armut, und zwar nicht erst, aber noch einmal mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit dann auch im Alter, war und ist recht kurzsichtig gedacht.
Letztlich zeigen sich nun die Folgen einer neoliberal betrachteten Wirtschafts- mitsamt einer damit verbundenen Gesellschaftspolitik, wie sie seit den endenden 1970er Jahren zunehmend und zunehmend globalisiert und also nicht nur, aber auch in Deutschland vollzogen worden ist, die also weder im Ressourcenverbrauch (zu der, wenn man Menschen als Humankapital betrachtet, dann ebenfalls der Faktor Arbeitnehmer gehört, der zu einem solchen Faktor wird, wenn man ihn so betrachtet) noch in den damit verbundenen anthropogen vollzogenen Folgen für die Natur - neben dem Klimawandel wären mindestens noch das Artensterben und der Flächenverbrauch zu nennen - auf Nachhaltigkeit gebaut war und es auch weiterhin nicht ist.
Einfache und schnelle Lösungen kann man also in diesen - recht generalisiert betrachteten - Kontexten kaum erwarten; erwartbar dürfte(n) aber die nun beschleunigt zu vollziehende Tranformation(en) ein starkes Konfliktpotenzial beinhalten, das durch die sozial differenzierte digitale Medienlandschaft, wie sie in den letzten rund dreißig Jahren entstanden ist, noch einmal beträchtlich verschärft werden wird, da die "Gatekepper"-Funktion der Medien nicht mehr so gegeben ist, wie das bis vor wenigen Jahrzehnten noch der Fall gewesen ist, als sich der einzelne also nicht mit den heutigen Möglichkeiten (oder Wahrscheinlichkeiten) Gehör verschaffen konnte.
Was bleibt? Die Macht der Arbeitnehmer und ihrer (gewerkschaftlichen) Vertreter wird auf der einen Seite tendenziell zunehmen, sodass sie ihr Interesse an besseren Arbeits- und Einkommensbedingungen tendenziell eher werden durchsetzen können als in der Vergangenheit (wobei das letztlich auf die jeweilige Branche ankommt und also ebenfalls recht stark generalisiert betrachtet ist); auf der anderen Seite stehen die deutschen Unternehmen in einer globalen Konkurrenz, in der es für sie strukturell - neben dem individuellen Interesse, möglichst viel vom erwirtschafteten Kuchen für sich zu behalten - nur umso mehr um Gewinnmaximierung gehen muss, um konkurrenzfähig zu bleiben oder es wieder zu werden. Entsprechend kann man nur hoffen, dass man sich von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite zukünftig wieder stärker auf das "rheinische Modell" besinnt, das zwar in anderen Zeiten ihren Ursprung gefunden, sich jedoch in diesen Zeiten als recht erfolgreich erwiesen hat. Damit müssten von beiden Seiten - vonseiten der Untnehmens- wie Gewerkschaftsvertretern - insbesondere die ritualisierte Form der Konfliktbewältigung verändert werden, wobei man - denke ich - davon ausgehen dürfte, dass dafür die ersten klugen Schritte zunächst von der Arbeitgeberseite zu gehen wären: Denn sie waren von der Tendenz her weit überwiegend die größeren Profiteure der schönen neuen neoliberalen Welt und ihnen stehen zukünftig von der Tendenz her die größeren (Transformations-)Probleme ins Haus.
Und was heißt das für unser Thema? Man kommt leider auch hier wieder zum gleichen Schluss - während wir in der freien Wirtschaft wiederkehrend - wenn auch nicht als Regelfall - intelligente Verhandlungen und von gegenseitigem Respekt getragene Verhandlungen und Regelungen finden, die also eine deutlich größere Chance auf Erfolg und Akzeptanz haben sollten, kullern die Arbeitgeber nun in die Tarifverhandlungen mit einem, was politischen Erfolg und Akzeptanz betrifft, völlig unfähigen Verhandlungsführer in die Verhandlungen hinein, der in Hamburg schlagend bewiesen hat, dass er nicht nur in seiner feudalen Gesellschaftsauffassung, die insbesondere die als schwächer ausgemachten Gruppen gezielt, wenn auch ggf. "nur" mittelbar diskriminiert, sondern auch, was seine Verhandlungskompetenz betrifft, nichts mitbringt, was gemeinsame Interessen in den Vordergrund stellen könnte, der sich also als der Sozialdemokrat, als den er sich augenscheinlich begreift, vor allem als Anhänger des ehernen Lohngesetzes zeigt und damit beweist, dass sein Denken eher aus dem vorletzten Jahrhundert stammt, als sich Sozialdemokraten noch gegen ein solches Denken positioniert haben, als aus dem 21. Jh., das also ganz andere Fähigkeiten an einen Verhandlungsführer in einer schwierigen Situation stellte, als er sie mitbringt.
Entsprechend muss man davon ausgehen, dass er es weiterhin als Signum erfolgreicher Politik betrachten wird, weiter kräftig an dem Ast zu sägen, auf dem er weitgehend alleine - also nur mit denen zusammen, mit denen er sägt - sitzt. Es wäre entsprechend erstaunlich, wenn er es nicht auf eine maximale Konfrontationsstrategie ankommen lassen würde, sodass man bis auf Weiteres weiterhin gerne Tucholskys Gedichte lesen darf: "Einmal waren wir beide gleich ..."